Johann Baptist Schenk

Der Dorfbarbier

Komische Oper in einem Akt

Libretto von Paul Weidmann und Josef Weidmann

Uraufführung: 30.10.1796, Kärntnertor-Theater, Wien

Personen

Lux, ein Dorfbarbier (Baß)

Jungfer Suschen, seine Mündel (Sopran)

Rund, der Schulmeister (Baß)

Joseph, eines Pächters Sohn (Tenor)

Adam, ein Barbiergeselle (Tenor)

Frau Margarethe, eines Schmieds Witwe (Sopran)

Peter, ein Schneider (Baß)

Philipp,
Thomas, Bauern, Gerichtsgeschworene (Tenor, Baß)

Bauern

Ort: Barbierstube bei Lux.

Zeit: In der Zopfzeit.

Der Dorfbarbier gelangte 1796 in Wien erstmalig zur Aufführung.

Nr. 1. Introduktion.

Adam geht auf und ab und streicht Messer. Lux kommt aus der hintern Stube.

LUX mit Behagen.
Es ist gewiß und wahr:
Gesegnet ist dies Jahr
Für Doktor und Barbierer!
ADAM bei Seite.
Er foppt die ganze Welt,
Der alte Pflasterschmierer,
Er prellt‘ die Leut‘ um’s Geld,
Der dumme Dorfbarbierer.
LUX Adam bemerkend.
Steht Er schon wieder müßig da?
ADAM.
Ich schleife meine Messer ja!
LUX barsch.
Bedien‘ Er seine Kunden,
Und schleich‘ Er nicht umher!
ADAM für sich.
Er brummt zu allen Stunden,
Der alte Zottelbär.

Margarethe tritt auf.

LUX.
Ach, Frau Schmiedin! grüß Euch Gott!
MARGARETHE weinend.
Ach! Herr Lux, mein Mann ist todt!
LUX erschrocken.
Was, todt? Hat er auf mein Geheiß
Auch Schinken brav gegessen?
MARGARETHE.
Ach ja! Er aß ihn centnerweis.
ADAM lachend bei Seite.
Haha, der hat sich todt gefressen.
LUX.
Ich stehe da verwund’rungsvoll
Und weiß nicht, was ich sagen soll.
ADAM. MARGARETHE.
Da steht er ganz verwund’rungsvoll
Und weiß nicht, was er sagen soll.

Peter tritt auf.

LUX ihm entgegen.
Herr Schneidermeister! was bringt Er!
SCHNEIDER.
Herr Lux! ich komm‘ voll Freude her,
Ich bin ihm höchst verbunden,
Mein Fieber ist verschwunden.
LUX selbstgefällig.
Da hört Sie’s selbst, Frau Margareth,
Wie meine Kunst von Statten geht.
SCHNEIDER.
Da half nicht Pulver oder Saft,
Schon sank mein Muth danieder,
Drauf‘ aß ich Schinken, neue Kraft
Gab mir dies Mittel wieder.
LUX.
Da hört Sie’s selbst, Frau Margareth,
Daß meine Kunst mit Ruhm besteht.
O esset Schinken nur, das ist die beste Kur.

Zu Adam.

He, Adam, geschwind mein Protokoll!
ADAM für sich im Abgehen.
Das ist von Albernheiten und Schinkenflecken voll.

Kommt mit dem Buch zurück.

LUX schreibt in’s Buch.
O du göttliches Rezept.
Welches jede Krankheit hebt.
Schinken, merkt es Euch, Ihr Leut‘!
Und posaunt es weit und breit,
Sind für Schneider unentbehrlich,
Und für Schmiede höchst gefährlich.
MARGARETHE.
Traurig ist mein Witwenstand!
ADAM UND PETER.
Ach der Tod löst jedes Band!
LUX zu Margarethe.
Munter, Weibchen, wohlgemuth!
Weint nicht um den Mann, er ruht.
ADAM UND PETER.
Munter, Weibchen, wohlgemuth!
Es giebt wack’re Männer,
Frische Heirath macht das gut,
Glaubt, ich bin ein Kenner.
SCHNEIDER.
Euer Mann war ja schon alt!
MAGARETHE.
Und von häßlicher Gestalt.
LUX.
Trinken konnt‘ er auch recht schön.
MARGARETHE.
Oft konnt‘ er vor Rausch nicht steh’n.
ADAM. SCHNEIDER.
Nun, so quält Euch nicht mit Fleiß,
Es kann Euch nicht fehlen;
Männer gibt es dutzendweis
Ihr dürft ja nur wählen.
ALLE VIER.
Statt weinen muß man lachen
Und nur bald Hochzeit machen;
Es sei nun wie es sei,
Vorbei ist halt vorbei.

Dialog.

LUX. Ja, meine liebe Frau Margarethe, Sie ist noch ein wack’res Weibchen, Sie wird gewiß noch einen wackern Mann finden, mit dem sie glücklich leben kann.
MARGARETHE. Ich bin nur gekommen, meine Schuldigkeit – Gibt ihm Geld.
LUX. Nachbarliche Freundschaftsdienste – Er steckt hastig das Geld ein. Befehle Sie, Frau Margarethe, über mich bei Tag und Nacht zu allen Stunden.

Margarethe geht ab. Lux begleitet sie bis zur Thür.

ADAM für sich. Geld ist unsere Loosung! Wer im Rohre sitzt, hat gut Pfeifen schneiden.
PETER. Auch ich, Herr Lux, will erkenntlich sein. Er bezahlt Lux.
LUX nimmt schnell das Geld. Laß Er es sein, lieber Peter! Wenn ich meinem Nächsten dienen kann, geschieht es auch aus gutem Herzen. Esse Er nur wacker Schinken, das ist eine Universalmedizin für alle Krankheiten. Es lacht mir das Herz im Leibe, wenn ich daran denke, daß ich der Erfinder dieses Arcanums bin. Leb‘ Er wohl, lieber Herr Peter! Ich habe dringende Geschäfte! Ihr Diener, Herr Peter! Gehorsamer Diener!

Peter ab.

LUX. He, Adam! Wie lange steht Er noch und streicht Messer? – Wie stehts mit den Barbierkunden?
ADAM. Schlecht – Ist bald geschliffen. – Ein willig Pferd muß man nicht übertreiben. – Nur Geduld! – Ein Keil treibt den andern. Ich muß zum Richter nach Zaundorf.
LUX. War Er denn nicht gestern dort?
ADAM. Ich habe mich verspätet. Wer gern zankt, findet leicht Ursache.
LUX. Was war’s weiter?
ADAM. Ich verweilte mich beim Verwalter, das war gut; der alte Martin, der Scheundrescher, stieg auf den Heuboden; vermuthlich hatte er ein Glas zu viel getrunken, und das war gut; der Kopf war ihm schwindlich, er fiel auf die Tenne herab und schlug sich ein Loch in den Kopf; das war gut.
LUX. Narr, das war nicht gut.
ADAM. Ich legte ihm warmen Wein auf, das war gut. Der besoffene Kerl war aber grob und hieß mich einen Esel, das –
LUX einfallend. Das war gut!
ADAM. Ich wurde toll und lief davon.
LUX. Wo bleibt aber die Bezahlung? Dummkopf! – Man kann seinen Nebenmenschen dienen – aber für Geld. Steht Er bei mir umsonst in Brod? Solche Schlingels könnte ich genug haben.
ADAM brummt für sich,. Drei Schüsseln gibt er leer, und in der vierten ist nichts drin.
LUX. Ich glaube, Er brummt noch?
ADAM. Ein Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird.
LUX. Geh‘ Er, bedien‘ er Seine Kunden fleißiger, oder ich jage Ihn seiner Wege. Adam geht. Noch ein Wort! Wer war gestern hier, indem ich im Schlosse barbierte?
ADAM. Der Herr Joseph, – und das war gut.
LUX. Der Müßggänger schwärmt stets um mein Haus herum. Hat er mit Suschen gesprochen?
ADAM. Gelegenheit macht Diebe. Gestohl’nes Gut schmeckt besser. Er kam herein und grüßte mich; das war gut; dann schlich er zu Suschen, küßte ihr höflich die Hand, und das war gut.
LUX. Höll‘ und Teufel mit Seinem verdammten »das war gut!« Die Maulaffen sollen nicht Hände küssen, ich will diese Leckerei durchaus nicht dulden! Vom Kleinen steigt man zum Größten. – Kerl, Du jagst mir die Galle in’s Blut! Ich möchte rasend werden! Ich berste noch vor Zorn und Ärgernis.

Nr. 2. Arie.

LUX.
Wuth, Eifersucht und Rache
Beherrschen mich allein;
Der Schatz, den ich bewache,
Soll nur mein eigen sein.
Ich will den frechen Laffen
Beschämen und bestrafen,
Und auch die Buhlerin
Mit ihm zur Strafe zieh’n.

Er will in Suschens Zimmer eilen, bleibt aber plötzlich stehen.

Doch halt! es wankt mein Fuß –
Zu rasch war mein Entschluß. –
Nur durch Sanftmuth und durch Güte
Wiegt man Weiberherzen ein.

Zu Adam.

Freund bewahre ihre Schritte,
Und ich werde dankbar sein.

Ab.

Dialog.

ADAM. Ja, ja, Deine Dankbarkeit kenne ich schon; viel Geschrei, wenig Wolle. Versprechen ist herrisch, Halten ist bäurisch. Schlechter Lohn, magere Kost. – Hätte ich nicht so kleine Nebenaccidenzeln, so müßte ich barfuß herumlaufen wie die Gänse und Wasser saufen, wie die Frösche. Aber leider auch die Sporteln werden alle Tage weniger, es will garnicht mehr recht fort mit der Kunst. Nichts wie Unglück und Malheur! Vor einem halben Jahre kriegte der Gerichtsschreiber eine Lungenentzündung, das war gut. Ich wurde schleunig zum Aderlaß gerufen, das war gut. Ich that’s; aber aus Versehen schlug ich ihm die Pulsader morsch entzwei, – das war gut. Er wurde freilich ganz kurirt. denn er geht jetzt mit zwei Krücken mir nichts Dir nichts herum; aber der Kredit ist doch einmal zum Teufel – und so kommt ein Unglück auf das andere. Erst neulich ist mir mit dem dicken Hans, dem Schlächtergesellen, just so ein fataler Streich passirt.

Nr. 3. Arie.

ADAM.
Jüngst sprach mein Herr, der Bader
Frisch, fasse Muth!
Geh‘, lasse Hans zur Ader,
Und das war gut.
Ich dacht‘, in großen Massen
Find’st du da Blut;
Ich ließ ihm hundert Tassen,
Und das war gut.
Hans entging der Athem,
Wie wunderlich!
Es war nicht mehr zu rathen,
Drum trollt ich mich.
Mein Hans drauf‘ mußte wandern,
Wohl ihm – er ruht!
Sein Weib nahm einen Andern,
Und das war gut.
Der Schulz der kriegte Schaden
Grad an der Hand
Ich sollt ihm etwas rathen
Wider den Brand.
Ich dacht‘ ist gehüpft wie gesprungen.
Weg mit dem Arm.
Der Kerl hat gräßlich g’sungen,
Daß Gott erbarm.
Er schrie voll Wuth und Jammer,
Mir starrt das Blut;
Ich schlug ihn mit dem Hammer
Auf’n Kopf und das war gut.
Was schreist Du denn Du Lümmel,
Schrie ich voll Wuth,
Du kommst ja eh’r in Himmel,
Und das war gut.

Nr. 4. Arie des Suschen.

Wen rühren nicht die Leiden
Die mir die Liebe beut,
Ich soll den Theuren meiden
😐 Dem ich mein Herz geweiht. |:
O Liebe heil‘ mein Herz
😐 Und ende meinen Schmerz. |:

Dialog.

LUX tritt auf. Da ist sie, ich will ihr ein wenig auf den Puls fühlen. Laut. Eben recht, mein liebes Schätzchen, ich will im Punkt des Josephs mit Dir reden.
SUSCHEN. Recht gut, daß Sie mich an den erinnern. Seine Besuche werden mir lästig; d’rum, Herr Lux, bitte ich Sie, lassen Sie sich nicht ferner mit ihm ein. Ich habe nie einen Gedanken auf den Menschen gehabt. Er schwatzt mir verliebte Possen vor, die ich aber als ein albernes Geschmätz betrachte.
LUX. Komm‘ her, Du Schmuck meines Hauses, Du Ehre meiner Erziehung! Durch meine weisen Lehren hab‘ ich Dich zu diesem Meisterstück gebildet. Freue Dich, Deine Tugend erhält heute ihren Lohn! In diesem Augenblicke will ich Dir mein Herz entdecken, sei glücklich! Höre die vortheilhaften Gedanken, die ich für Dich hege. Ich habe Dich zu meinem Ehegesponst erkieset.

Nr. 5. Duett.

LUX.
Ich bin bewundert und geschätzt
Bei Kleinen und bei Großen;
Ich bin die Krone und der Schmuck
Von meinen Zeitgenossen.
Das Weib, das meine Hand begehrt,
Ist glücklich und beneidenswerth!
Du lächelst, kleiner Schelm?
Was gilt’s, Du riechst den Braten?
Wer, meinst Du, ist die Braut?
SUSCHEN.
Ich kann es nicht errathen.
Vielleicht ein Fräulein aus der Stadt?
LUX den Kopf schüttelnd.
Die sind zu pfiffig und zu platt.
SUSCHEN.
Vielleicht ein Mädchen von dem Land.
LUX ihr zunickend.
Nur die erhält einst meine Hand!
SUSCHEN.
Ist’s Görgen’s Käthchen?
LUX.
Nein!
SUSCHEN.
Des Schulzen’s Nettchen?
LUX.
Nein!
SUSCHEN.
Die fromme Ernestine?
LUX.
Nein!
SUSCHEN.
Die reiche Wilhelmine?
LUX.
Nein!
SUSCHEN.
Ich sinne hin und her,
Ich weiß sonst keine mehr.
Wer sollt‘ es denn wohl sein?
LUX sich blähend.
Erstaune, Kind, und höre!
Nur Dir gebührt die Ehre!
Nur Dir bin ich bescheert,
Nur Du bist meiner werth.
SUSCHEN. LUX beide für sich.
Listig muß ich mich verstellen,
Sonst ist’s um mich gethan.
SUSCHEN.
Alter Fuchs, Dich muß ich prellen
Und nur Joseph wird mein Mann.
LUX.
Seht sie schlägt die Augen nieder,
Ihre Wange färbt die Scham,
Ach wie zittern ihre Glieder,
Ach, das arme gute Lamm.
SUSCHEN zu Lux.
Ich – Herr – Lux – bin – so – verlegen,
Daß – ich – mich – erholen muß.
LUX mit Salbung.
Auf Dich strömt des Himmels Segen,
Schätzchen gib mir einen Kuß!

Umarmt das sich sträubende Suschen.

SUSCHEN. LUX.
Glücklich sind nur solche Ehen,
Wo das Herz das Jawort spricht,
Aber die aus Zwang geschehen,
Das ist wahre Liebe nicht.

Dialog.

LUX. Du bist erstaunt!? Ja, Du kannst mit Recht der Vorsehung danken, die Dich gewürdigt hat, das Weib des großen Lux zu werden. Mädchen, Du sollst: glänzen, wie der Sirius am Nordpol und wohnen sub umbra alarum mearum. Joseph tritt ein.
SUSCHEN. Ach, da kommt der überlästige Mensch schon wieder.

Geht in’s Zimmer und holt einen Brief.

LUX. O mit dem will ich bald fertig sein!
JOSEPH. Ich kann nicht vor diesem Hause vorübergehen, ohne meinen lieben Herrn Lux zu begrüßen.

Suschen gibt Joseph den Brief, Joseph winkt ihr.

LUX kalt. Schönen Dank, ich habe Geschäfte.
JOSEPH. Wo man eintritt, spricht Alles nur von dem weltberühmten Herrn Lux.
LUX wird freundlich. Wie so?
JOSEPH. Ich gehe gleich, Jungfer Suschen! ich weiß wohl, daß ich Ihnen verhaßt bin. Ich will nur hier mit Herrn Lux, der die Zierde der Arzneikunst ist, ein wenig reden. – Das neue Wunder mit dem Dorfschneider hat alle Menschen in Erstaunen gesetzt. Alle Bauern essen Schinken. So lange ich auf der Universität war, habe ich nie von einem Arzt gehört, der so viele außerordentliche Kuren verrichtet hätte.
LUX. Es ist eine besondere Gabe der Natur – Genie! – Es hat Studium gekostet, bis ich es soweit gebracht habe.

Joseph ist indessen zu Suschen geschlichen.

SUSCHEN sieht, das Lux sich zu ihr wendet. O quälen Sie mich nicht mit Ihren Briefen! Fort mit diesem Geschmiere; ich will nichts lesen, nichts hören!

Gibt Joseph ihren eigenen Brief und läuft in das Vorzimmer.

LUX. Danken Sie es meiner guten Laune, sonst – Die Bauern kommen. Was wollt Ihr?

Nr. 6. Septett.

BAUERN.
Gott grüße Euch in Ehren!
Die Bärte uns zu scheeren,
Erscheinen wir bei Euch.
LUX.
Beliebt Euch nur zu setzen,
Ich muß mein Messer wetzen,
Dann putz‘ ich Euch sogleich.

Bei Seite.

Verwünscht sei doch der Geck,
Er geht mir nicht vom Fleck.
Das Liebeln muß ich enden;
Mir geht es nicht von Händen.

Laut.

Herr Joseph, leb‘ Er wohl!

Für sich.

Daß Dich der Teufel hol‘!
JOSEPH.
Ich gehe schon Herr Lux!
LUX für sich.
Verdammter schlauer Fuchs!
JOSEPH für sich.
Verdammter alter Fuchs!
DIE BAUERN drängend.
Herr Lux, wir haben keine Zeit.
LUX.
Gleich, gleich, ich bin ja schon bereit.

Für sich.

Seht, wie er heimlich spricht.

Laut.

Jetzt find‘ ich mein Barbierzeug nicht.
SUSCHEN leise zu Joseph.
Ich soll Dich künftig meiden,
Das soll niemals gescheh’n.
JOSEPH zu Suschen.
Dein Anblick bringt mir Freuden,
Ich kann nicht von Dir geh’n.
BAUERN.
Herr Lux, mein Bart!
LUX suchend.
Mein Messer! – gleich!
Das ist doch ein verdammter Streich!
BAUERN drängend.
Wir haben Session!
LUX.
Verfluchte Konfusion!
JOSEPH. SUSCHEN.
Potz Narren und kein End‘!
Seht, wie der Kopf ihm brennt.
SCHULMEISTER kommt eilig.
Zu Hülfe, zu Hülfe! o Jammer, o Noth!
Die Bauern zerschlagen und raufen fich todt.
ADAM in Eile auftretend.
Geschwinde, geschwinde, o sehet doch nach,
O laufet, es lieget ein Todter im Bach.
SCHULMEISTER.
Das Wirthshaus schwimmt im Blut.
ADAM.
Man rauft, und das war gut,
BAUERN ungeduldig.
Zum Teufel, uns’re Bärte!
LUX außer sich.
O Plage, o Beschwerde!
BAUERN.
Ich muß barbieret sein.
LUX verwirrt.
Da schlag‘ der Donner drein!
Hier soll ich barbieren, dort Todte kuriren.
Hier einen seciren und dorten klystiren.
Ich werde noch ein Narr.
ALLE.
Das ist Er schon, fürwahr.
BAUERN.
Herr Lux, mein Bart!
ADAM.
Herr Lux, die Leich‘!
SCHULMEISTER.
Herr Lux, der Streit!
LUX.
Ich komme gleich!
Ich berste noch vor Ärgernis.
Er geht noch nicht der Hasenfuß.

Zu Rund.

Bewahren Sie mein Suschen dort!
Adieu, Herr Rund, jetzt eil‘ ich fort.

Ab.

ADAM.
Adieu, Herr Rund, wir eilen fort.

Ab.

BAUERN.
Was ist denn das für eine Art,
Herr Lux, wo bleibt denn unser Bart?
Herr Lux, so hören Sie ein Wort,
Da läuft er wirklich fort!
SCHULMEISTER. JOSEPH. SUSCHEN.
Er ist fürwahr ein toller Narr!

Dialog.

RUND. Kinder nützen wir diesen Augenblick.
SUSCHEN. O mein lieber Joseph, ich bin in tausend Ängsten, Lux will mich heirathen.
RUND. Er will das Vermögen fischen, aber er ist noch nicht da, wo er sein will. Mit Gewalt läßt es sich zwar nicht zwingen, aber List und Verstellung sollen uns zum Zweck führen.
JOSEPH. O, ja liebster Herr Rund, stehen Sie uns bei, und Sie sollen gewiß mit meiner Erkenntlichkeit zufrieden sein.
RUND. Ich mache mir eiue Freude d’raus, ein so hübsches Pärchen zu verbinden.
JOSEPH. Aber ist es denn wahr, daß Jemand im Bache verunglückt ist?
RUND. Bewahre! Die Bauern haben einen ausgestopften Affen, den der Edelmann hatte hineinwerfen lassen, herausgefischt, und glauben nun, daß es ein Mensch ist, der Spaß wäre vollkommen, wenn der Herr Lux einen speciem facti nach der Stadt schickte.
JOSEPH. Das ist vortrefflich.
RUND. Doch jetzt zur Sache! Bei unserm Plane bleibt’s! Jeder spielt seine Rolle. Sie Herr Joseph nehmen Gift, setzen Suschen zur Erbin ihres Vermögens ein. – Lux wird mit gierigen Augen, die zwiefache Erbschaft verschlingen, aber es soll ihm gehen wie dem Hund in der Fabel! Indeß er nach dem Schatten greift, soll er seinen eignen Knochen verlieren.
SUSCHEN. Unser Wohl und Wehe liegt in Ihren Händen.
JOSEPH. Ja liebster Herr Rund, unsre ganze Hoffnung beruht auf Ihnen.

Nr. 7. Terzett.

JOSEPH.
Bald werden die Leiden verschwinden,
Bald wird uns der süßeste Lohn.
SUSCHEN.
Wir werden die Hände verbinden,
Die Herzen, ach, sind es ja schon.
JOSEPH. SUSCHEN.
Wir werden die Tage verscherzen,
Vergnügt, wenn der Morgen erwacht;
Wir schlafen mit ruhigem Herzen,
Die Tugend ist’s, die uns bewacht.
RUND.
Die Tugend ist’s, die Euch bewacht.
SUSCHEN zu Joseph.
Doch wirst Du mich immer so lieben,
Und immer vor Allen nur mich?
JOSEPH.
Tief ist’s mir in’s Herze geschrieben:
Ich liebe o Mädchen nur Dich.
RUND bekräftigend.
Er liebet, o Mädchen nur Dich.
JOSEPH. SUSCHEN.
Wir werden die Tage verscherzen,
Vergnügt, wenn der Morgen erwacht,
Wir schlafen mit Frieden im Herzen,
Die Tugend ist’s, die uns bewacht.
RUND.
Frei von allen Schmerzen,
Weil das Glück Euch freundlich lacht,
Werdet ihr nur scherzen
Durch den Tag und durch die Nacht.
RUND. Stille, da hat ihn der Henker schon wieder. Beginnt Eure Rollen hübsch klug. Lux tritt ein.
LUX indem er sich in Ordnung richtet. Man hat Mühe, diese Halbmenschen zur Vernunft zu bringen – Sieht Joseph. Ha! –
JOSEPH geht wild an ihm vorüber und drückt ihm die Hand. Leben Sie wohl, Herr Lux, bald sollen Sie von mir hören Eilt heftig fort.
RUND. Der kommt gewiß nicht wieder her! Ihr Suschen, Herr Lux, ist ein braves Mädchen, die hat den Burschen abgeblitzt! – Wie pfiffig – Hahaha!
LUX. Mein Suschen? Reden Sie weiter, Herr Rund. Schnupft Tabak und giebt ihm auch.
RUND ahmt Suschen nach. »Ei, ein solcher Müßiggänger kommt mir eben recht, da sind mir bessere Aussichten geöffnet.« Ich weiß nicht, was sie damit sagen will.
LUX reibt sich freudig die Hand. Damit meint sie mich – o ich möchte das Mädchen aus Liebe fressen!
RUND lacht. Nun! Nun!
LUX. Ist auch nur so eine Redensart. Bei ihr hat meine Erziehung gute Früchte getragen. Aber was sagte Joseph?
RUND. Der junge Mensch ward rasend.
LUX. Hahaha! So muß man die jungen Herren abweisen. Lärm von außen. Was ist denn schon wieder für ein Lärm? Adam tritt auf.
ADAM. Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg. Wer keine Pferde hat, muß mit Ochsen fahren. Herr Lux, der Körper – es muß einmal gestorben sein – die Bauern bringen ihn hierher.
LUX. Was soll er hier? Zum Richter muß man ihn tragen.
ADAM sieht zur Thür hinaus. Da kommen sie schon mit dem Todten.
LUX schreiend. Laßt ihn draußen, Ihr Leute, laßt ihn draußen. Thomas und Philipp treten auf.
THOMAS. Es ist ein abscheulicher Spektakel, Herr Lux. Es hat sich nicht umsonst die Sonne gestern verfinstert.
PHILIPP. Und der singende Wind war ein schreckliches Zeichen.
LUX. Adam, Feder und Tinte. – Ich muß das visum repertum machen. O facta horrenda, die Haare sträuben sich zu Berge!
ADAM bringt Schreibzeug. Niemand kann dem Tode entlaufen.
LUX. Wie sieht er aus. Extemporé. Er ist schwarz wie ein Mohr! Vermuthlich ist es ein junger Afrikaner. Ihr habt ihn doch genau besehen?
BAUERN. Ja, wir haben ihn alle genau besehen, er ist schwarz wie ein Mohr.
LUX setzt sich und schreibt. Heute ist im Rothbach eine Leiche gefunden worden. Allen vernünftigen Muthmaßungen nach ist er ein Reisender, der von Straßenräubern grausam ermordet worden – Springt auf. He, Bauern! Tragt nur die Leiche zum Richter, damit nun auch die gerichtliche Untersuchung über sie ergehe.
ADAM. Herr Lux, ich bin zwar nur ein Barbiergeselle, mir scheint aber die Leiche kein menschlicher Körper zu sein. Kein Feuer ohne Rauch, kluge Leute fehlen auch.
LUX. Er ist ein Esel! Will er die Sache besser verstehen als ich, der ich so lange Praxis mit Theorie verbinde? Lese Er einmal die wunderbaren Reisebeschreibungen von den Menschen, die den Kopf unter dem Arme tragen, von den Kranichvölkern, welche die spielende Natur hervorgebracht hat und noch täglich hervorbringt.
ADAM. Kein Meister wird geboren! Ich hätte geschworen, es wäre ein Affe. Der Topf lacht über den Kessel. – Meinetwegen! Ein Narr macht zehn Narren – große Worte und nichts dahinter.
LUX. Davon versteht Er so viel, wie der Esel vom Flötenblasen.
ADAM. Er hört’s Gras wachsen und die Flöhe husten.
LUX. Ich habe so noch mit Ihm abzurechnen wegen der Barbiermesser. Wo packt Er alles hin? He, wenn Kunden kommen, soll ich mit der Sense barbieren? Da reißt der Esel das Maul auf! Extemporie. Aus Ihm wird gar nichts.
ADAM. Potz Sapperment! Jetzt reißt mir die Geduld! Allzuviel ist ungesund! Ich soll immer in den sauren Apfel beißen.

Nr. 8. Arie.

ADAM.
Der Teufel hol‘ die Schererei!
Es ist gar kein Profit dabei,
Man rennt und läuft sich müd und matt
Und wird dabei nicht froh noch satt.
Bald heißt es: Lauf barbieren,
Bald muß ich Pflaster schmieren,
Bald muß ich Geister brennen,
Bald zu den Kranken rennen;
Bald muß ich Egel setzen,
Bald muß ich Messer wetzen,
Bald schwere Wunden heilen,
Und mich doch nicht verweilen,
Bald Schröpfen, bald ein Aderlaß,
Ein Umschlag, und bald dies, bald das.
Zähn‘ ausreißen, Federn schleißen,
Pudel scheeren, Ofen kehren,
Mord Element! Ich mach‘ ein End‘!
Es ist, bei meiner armen Seel‘,
Ein hartes Brod, ein Baderg’sell.

Ab.

Dialog.

LUX. Hätte ich doch dem elenden Kerl nicht soviel Courage zugetraut. Adam kommt zurück und holt den Hut. He, Adam!
ADAM. Herr Lux!
LUX. Komm her! War ja nicht so böse gemeint? Er sollte mich doch schon kennen. Ich bin ein bischen jähzornig, wie alle Gelehrten, komm‘ Er her, da hat Er einen Groschen zu Schnupftabak, daß Er nicht sagt ich sei ein Kahlmäuser, ein Knicker, – aber daß sag‘ ich Ihm – sei Er fleißiger und gewöhne Er sich, das Widersprechen ab, wenn ich einen gelehrten Diskurs führe, ich kann das nicht leiden. Was gibt’s, Frau Margarethe?
MARGARETHE. Mein Geselle hat bei den Händeln in der Schenke Frieden stiften wollen, aber die Bauern sind über ihn hergefallen und haben ihn jämmerlich geprügelt; darum, Herr Lux, sei Er doch so gut, ein wenig nachzusehen, es bleibt mir sonst alle Arbeit liegen.
LUX. Adam, geh‘ Er indessen hin, sobald ich Zeit habe werde ich selbst nachsehen. Adam ab.
MARGARETHE. Schönen Dank!
LUX nachrufend. Ihr Diener, Frau Margarethe, besuchen Sie mich bald wieder. Zu Suschen; welche aus dem Seitenzimmer kommt. Suschen! Wie sie so fleißig arbeitet – das Herz lacht mir vor Freuden! Das wird eine Hauswirthin werden. Ein ande res Mädchen wäre neugierig, würde horchen, die Ohren spitzen – sie arbeitet mir nichts Dir nichts. Suschen, liebes Suschen!
SUSCHEN von innen. Gleich!

Nr. 9. Arie.

LUX.
Der Kopf ist meine Zierde,
Die Stirn voll Ernst und Würde,
Das Aug‘ wirft Feuerstrahlen,
Der Bart ist schön zum Malen;
Die Nase zeigt Gelehrsamkeit,
Der Mund strotzt von Beredtsamkeit:
Ich bin vom Kopf bis zum Fuß
Gestaltet wie Gott Cerberus.
Kein Wunder, wenn mich Suschen liebt,
Und mir die Hand mit Freuden giebt;
Man sehe mich nur einmal an,
Ich bin fürwahr der schönste Mann!

Dialog.

SUSCHEN kommt eilig heraus. Was befehlen Sie denn, lieber Herr Vormund!
LUX. Ich gehe morgen in die Stadt, um einzukaufen.
SUSCHEN. Was denn, Herr Vormund?
LUX. Vormund! Vormund! Das Wort höre ich nicht mehr gerne, seitdem wir auf einem andern Fuß stehen. – Vormund, Vater, Onkel – alle diese Ausdrücke klingen so sehr nach dem Großvaterstuhle und machen einen um 20 Jahre älter. Ich bin in meinen besten Jahren! Wischt sich die die Hände und kneipt Suschen zärtlich in die Backen. Was die kleinen spitzbübischen Augen für einen Aufruhr machen! Hahaha! Den jungen Laffen hast Du abgefertigt? Herzensmädchen, ich danke Dir. Mich freut es um Deinetwillen, daß Du Verstand genug hast, einzusehen, welch‘ ein Unterschied zwischen mir und ihm ist. – Nicht alle Mädchen besitzen so viel Klugheit und wissen sich so gut zu benehmen, wie mein allerliebstes Suschen.
SUSCHEN. Die sind nicht so glücklich gewesen, so einen guten Unterricht zu erhalten, wie ich.

Nr. 10. Arie.

SUSCHEN.
Mädchen kann man leicht bethören,
Lobt man sie nur in’s Gesicht.
Wenn die Männer Treu‘ Euch schwören,
O so traut den Heuchlern nicht.
Buhler suchen nur zu haschen;
Weis’t sie ab mit ernstem Blick.
Späte Reue bringt das Naschen,
Nur ein Mann macht unser Glück.
LUX allein. Göttliche Bescheidenheit! Suschen! Du bist ein goldenes Kleinod; in meinem Herzen will ich Dich tragen. Lärm von außen. Aber wer stört mich schon wieder? Kann man denn nicht eine Minute – –
JOSEPH stürzt wild herein. Nur einen Augenblick will ich mit Euch unter vier Augen sprechen. Es ist ein Geheimnis – Ängstlich,. Können wir überrascht werden?
LUX bei Seite. Was wird das sein? Verriegelt die Thür. Wir sind allein.
JOSEPH. Herr Lux! Herr Lux!
LUX. Nun, was soll der Herr Lux?
JOSEPH. Herr Lux, ich habe Gift genommen.
LUX. Gift! Gift! Um des Himmels willen, was soll ich thun? Schon lange?
JOSEPH. Sie können mir nicht helfen, und ich will mir auch nicht helfen lassen.
LUX. Ich zittere am ganzen Leibe, was kann ich für Sie thun?
JOSEPH. Sie sollen Zeuge meines Testamentes sein.
LUX. Testament? Ihre Erbschaft? Sagen Sie nur, warum nahmen Sie Gift?
JOSEPH. Aus Verzweiflung!
LUX. Er dauert mich, der arme Mensch, ich könnte weinen. Trocknet sich die Augen.
JOSEPH. Gestern faßte ich sie liebreich am Arm und beschwor sie auf den Knieen.
LUX. Und sie -?
JOSEPH. Lachte.
LUX. Die kleine Tigerin!
JOSEPH. Schmerz, Liebe und Verzweiflung stiegen auf’s Höchste. Als ich heute diesen Brief von ihrer Hand erhielt – lesen Sie selbst Ihren Triumph! – Sie haben mir ein Herz geraubt, das ich anbete.
LUX öffnet neugierig den Brief. Ja, das ist ihre Handschrift! »Ich will mich mit zwei Worten auf ewig von Ihrer ungestümen Zudringlichkeit befreien; ich sage Ihnen also hiermit kurz und nachdrücklich – ich liebe meinen Vormund!« – O Du Herzensmädchen! Liest. – »und kann nicht sein – Ihre geliebte Susanne!« – Freilich ist es ent scheidend.
JOSEPH. Dieser Brief hat mir das Herz gebrochen.
LUX. Lassen Sie’s auf meine Kosten repariren.
JOSEPH. Ich eilte in die Stadt, kaufte das stärkste Gift unter einem Vorwande und verschlang es.
LUX. Erschrecklich! Armer Joseph! Was denken Sie nun zu thun?
JOSEPH. Vor meinem Tode will ich mich noch rächen.
LUX. Rächen? An wem? An mir? An Suschen? Springt davon. Das ist ein verzweifelter Liebhaber.
JOSEPH. Hören Sie mich an. Ein Herz, wie das meinige rächt sich edel. Ich will mein geliebtes Suschen zur Erbin meines ganzen Vermögens einsetzen.
LUX eilt auf ihn zu und umarmt ihn. O Sie herzensliebster Joseph! Das ist eine durchlauchtigte Handlung dergleichen man keine in der Geschichte liest. Die Unsterblichkeit erwartet Sie.
JOSEPH. Ich komme also zu Ihnen, eine Stunde vor meinem Tode, meinen letzten Willen feierlich zu erklären. Nur ein Umstand macht meine Schenkung zweifelhaft. Ich habe die Landesgesetze studirt und mir ist bekannt, daß meine Blutsfreunde nach meinem Tode der Erbin das Vermögen streitig machen können.
LUX. Es ist wahr, daran hab‘ ich selbst nicht gleich gedacht.
JOSEPH. Ich bin also gekommen, mich mit Ihnen zu be rathschlagen. Rund pocht von außen.
LUX. Wer pocht?
RUND von außen. Herr Lux!
LUX. Das ist unser Schulmeister, soll ich ihn einlassen?
JOSEPH. Der Mensch scheint mir verdächtig.
LUX. Es ist ein grundehrlicher Mann und mein spezial guter Freund – ich dächte ein Mann von seiner geprüften Gelehrsamkeit – tres faciunt collegium – so sagt ein altes Sprüchwort.
JOSEPH. Nun meinetwegen! Lux öffnet die Thür.
LUX. Herr Rund, Sie kommen wie gerufen. Dinge von der äußersten Wichtigkeit – aber geheim, sehr geheim – altissimum silentium – Legt den Finger an den Mund.
RUND. Ich bin verschwiegen wie der Todte, den man heute im Bache gefunden hat. Joseph setzt sich indeß und hängt den Kopf.
LUX. Dieser junge Mann hat heute aus Verzweiflung Gift genommen.
RUND prallt zurück. Gift?
LUX. Nur stille. Er ist Willens mein Suschen zur Erbin seines Vermögens einzusetzen.
RUND. Das ist gut!
LUX. Ein Umstand macht uns Zweifel.
RUND. Der ist?
LUX. Die Verwandten werden uns die Erbschaft streitig machen.
RUND nachdenkend. Hm! Hm! Da wüßt‘ ich wohl ein Mittel.
LUX. Göttlicher Mann, welches?
RUND. Der arme Teufel stirbt in wenig Minuten; vermählen Sie ihn mit Suschen vor seinem Tode.
LUX. Vermählen? Aber –
RUND. Sehen Sie denn nicht, daß er schon halb todt ist?
LUX. Es ist wahr, der Gedanke ist unvergleichlich!
RUND. Wer kann seiner Witwe das Vermögen streitig machen? Ich setze die Schrift auf, Sie rufen geschwind einige Zeugen und so geht alles in der Stille vor sich. Seh’n Sie mein Gesangbuch – es war mir immer, als wenn mir Jemand zuriefe: Geh‘, hole Dein Gesangbuch, Du wirst es brauchen.
LUX. Der arme Joseph! Sehen Sie, wie blaß er ist! Er athmet kaum noch. Zu Joseph. Wie ist Ihnen?
JOSEPH schwach. Es geht zu Ende!
LUX. So müssen wir eilen, sonst stirbt er, ehe wir zu Stande kommen. – He, Suschen! – Ja, wenn sie ihn sieht, so kommt sie nicht! Ich will sie bereden. Ab.
RUND. Alles geht unvergleichlich -, der Gimpel ist gefangen. Ich will mir Wein und Schinken geben lassen; dann springen Sie auf und verschlingen mit Heißhunger einige Stücke, sinken auf einen Stuhl, thun, als wenn Sie entschliefen und nach einer Weile werden Sie gesund. Man kommt! Setzt sich und schreibt.
LUX zerrt Suschen herein, welche sich sträubt. So gehe doch nur her, liebes Suschen, thue es mir nur zu Liebe.
SUSCHEN. Ich will nichts von ihm wissen.
LUX. Schätzchen, ich bitte Dich, gieb mir den Beweis Deiner Liebe.
SUSCHEN. Nun wohlan, was soll ich thun?
LUX. Diesen Menschen heirathen.
SUSCHEN. Nein, das thue ich nicht! Will fort.
LUX hält sie zurück. Herzensmädchen, nur auf einen Augenblick sollst Du ihm die Hand reichen, es ist ja nur pro forma, ein bloßes Spiel.
SUSCHEN. Und wozu dieses Possenspiel?
LUX. Gieb mir Deinen Ring. Zieht ihr den Ring vom Finger und verwechselt ihn mit Josephs Ring.
ADAM. Der Schmiedegeselle ist verbunden; der arme Teufel ist häßlich verunstaltet. Bei ihm heißt es: Mitgefangen, mitgehangen!
LUX. Es ist gut, daß Er kommt! Ruf Er mir geschwind die Nachbarn Thomas und Philipp, wenn sie zu Hause sind.
ADAM. Sie stehen bei der Schenke und reden miteinander. Ich will’s ihnen sagen. Wenn der Bauer nicht muß, so rührt er weder Hand noch Fuß. Ab.
LUX. Suschen! Hole Wein und Brot für die Geschworenen, auch Schinken nicht zu vergessen.
RUND. Ich will Ihnen helfen, Jungfer Suschen! Hier Herr Lux, ist der Aufsatz vom Testamente. Lesen Sie indessen. Geht mit Suschen ab.
LUX nachdem er gelesen hat. Der Aufsatz ist förmlich und nach den Gesetzen. Sie erklären also Suschen zur Besitzerin Ihres Vermögens?
JOSEPH schwach. Alles für sie!
LUX. Wie ist Ihnen denn? Fühlt ihm nach dem Puls. Welche Verwirrung! Der Puls geht im Galopp, wir müssen eilen.

Nr. 11. Duett.

LUX.
Der Tod sitzt ihm schon auf der Zunge!
JOSEPH.
O weh! Wie Feuer brennt die Lunge!
Das Gift zerreißt mein Eingeweid‘!
LUX.
Er stirbt, es ist die höchste Zeit.
JOSEPH.
Ach, wie das Gift im Leibe kocht!
LUX.
Ach, wie sein krankes Herz ihm pocht!
Blaß ist sein Angesicht,
Seht, wie das Aug‘ ihm bricht,
Und Adam kommt noch nicht.

Bei Seite.

Er stirbt mir ohne Zweifel,
Es geht mit ihm zu End‘.
Die Erbschaft ist beim Teufel
Mit sammt dem Testament.

Adam und Bauern kommen.

Dialog.

LUX. Ach, endlich kommen sie! Mein lieber Herr Joseph, suchen Sie sich ein wenig stärker zu machen, als Sie sind.
JOSEPH. Ich will alle meine Kräfte sammeln.
ADAM. Nur herein! Fromme Schafe gehen viele in einen Stall.
PHILIPP. Herr Lux, worinnen können wir dienen?
THOMAS. Bin allezeit bereit.
LUX. Schönen Dank, meine Freunde! Zuerst ein Glas Wein – Suschen, hurtig! Adam, Stühle! Die Bauern setzen sich, jeder zu einem Glas Wein. Daß ich mehr Vater als Vormund bei meinem lieben Suschen gewesen bin, weiß die ganze Dorfgemeinde.
THOMAS. Bin lebendiger Zeuge.
PHILIPP. Kann’s mit einem Eide bekräftigen.
LUX. Weil es dem Himmel gefallen hat, habe ich mich entschlossen, als Pflegevater meiner lieben Mündel, sie mit einem wackern Mann zu verheirathen; und da ich die Neigung des Herrn Joseph kenne, so ist meine Wahl auf den gefallen. Es fehlen freilich einige Formalitäten, aber der Bräutigam hat eine dringende Reise vor. Wir wollen jetzt in’s Himmelsnamen zum Werke schreiten.
BAUERN trinken. Es lebe das Brautpaar!
RUND trinkt. Sie leben.
ADAM. Gelehrten ist gut predigen.
LUX. Liebt Euch, meine Kinder, und der Himmel segne Euch!
RUND. Alles hat seine Richtigkeit; jetzt zur Unterschrift! – Zuerst Herr Lux – dann der Bräutigam und die Braut – hernach die Zeugen. Zum Glück sind es Geschworne und können schreiben.
THOMAS. Daran fehlt es nicht. Trag‘ Er Jedem ein Maß Bier in’s Haus. Alle unterschreiben.
BAUERN gehen mit Adam fort. Wir danken schön!
LUX. Dies Geschäft wäre nun glücklich vollendet. Herr Rund, auf ein Wort. Ich denke, wir dürfen unsern Kranken nicht mehr aus dem Gesichte lassen.
RUND. Das wäre ein Fehler wider die Politik; lassen Sie mich nur machen! Jetzt will ich ihn zur letzten Reise vorbereiten. Führen Sie ihr Suschen weg, der Sterbende möchte gräßliche Grimmassen machen.
LUX. Wohlgedacht! Komm, Suschen, wir wollen diese Herren allein lassen, sie haben wichtige Geschäfte mit einander.

Geht mit Suschen in’s Nebenzimmer, guckt aber öfters heraus.

Rund setzt sich gravitätisch an den Tisch, schlägt das Buch auf, nimmt die Brille und beginnt in salmodirenden Tone zu singen

Joseph macht Grimmassen, windet sich und krümmt sich, dann springt er auf und schnappt nach Luft.

Nr. 12. Lied.

RUND mit Salbung.
1. Gedenk, o Mensch, du bist aus Staub,
Dein Leib wird einst der Würmer Raub,
Das Kind, der Jüngling und der Greis
Muß nolens volens auf die Reis‘;
Das modernde Gebein
Bedeckt der Leichenstein.

Er trinkt.

Dialog.

JOSEPH springt auf. Luft! Luft! Eilt zum Tisch und verschlingt gierig den Schinken, setzt sich dann nieder und beginnt zu schlafen.
LUX der es sieht, eilt herbei. Um des Himmels willen was ist das?
RUND. Lassen Sie ihn nur austoben; sehen Sie, er wird schon sanfter.
LUX. Ich will den Ausgang abwarten. Ab.
RUND.
2. O Mensch, der Schöpfung Meisterstück,
Wirf in die Zukunft einen Blick.
Die Seele krönt Unsterblichkeit,
Sie wandert in die Ewigkeit.
Und schwingt sich freudenvoll
Hinauf zum Sternenpol.

Er trinkt.

Dialog.

LUX schleicht herein. Er scheint zu schlafen.
RUND. Vermuthlich der Todesschlaf. Requiescat!
ADAM tritt ein. Alles ist geschehen!
LUX St! St! Hält ihm den Finger auf den Mund. Adam, komm‘ Er her! Sehe Er einmal, so sieht ein Mensch aus, wenn er die Welt verläßt.
ADAM mit offnem Munde. Der Tod sieht ihm aus den Augen.
JOSEPH wie aus einem Traum erwachend. Wo bin ich? Leb‘ ich? Aller Schmerz von mir gewichen, – ich bin munter – jugendlich – stark – ach, wie leicht athme ich.
LUX. Welch‘ ein Wunder?
RUND. Das begreife ich nicht. Herr Lux, haben Sie ihm Arznei gegeben?
LUX. Nicht einen Tropfen.
RUND. Tausend! Jetzt fällt mir ein. – Haben Sie nicht gesehen, wie hastig er den Schinken verschlungen hat?
LUX. War das Schinken? O jetzt weiß ich Alles! O göttliches Arcanum! Ich bin außer mir vor Freuden über diese Entdeckung! – Schinken wider Gift!
JOSEPH. Wo ist denn meine Braut? Kommen Sie geliebtes Suschen.

Suschen geht zu Joseph und umarmt ihn.

LUX. Sachte, Herr Joseph! Die Hitze könnte Ihnen schaden! Jetzt geht es aus einem andern Tone! Aus der Heirath wird nichts.
JOSEPH. Da der Himmel durch seinen Diener Lux an mir seine Güte übte, so kann ich nicht undankbar sein und eine Verbindung trennen, die ich als ein heiliges Gelübde betrachte.
LUX. Wie wäre das? Zum Wetter Herr Rund!
RUND. Vermeiden Sie das Aufsehen, Herr Lux. Sie wissen den weisen Spruch: Was der Himmel zusammenfügt. sollen die Menschen nicht trennen.
LUX. Ich war ein Dummkopf! Höll‘ und Teufel!
RUND. Darinnen liegt eben das Wunderbere! Ehen werden im Himmel geschlossen! Sie, Herr Lux, als der größte Kenner der Natur, als ein außerordentliches Genie, sind vom Schicksal zu höhern Arbeiten bestimmt. Sie sollen nur für die Menschheit arbeiten.
LUX. Sie öffnen mir die Augen. Ich will mich dem Vaterlande aufopfern. Fieber! – Gift! –
RUND. Vielleicht auch Pest!
LUX. Wenn nur jetzt gleich Pest wäre! Schinken, die Wunderarznei wider Fieber, Gift und Pest. – Du verewigst meinen Namen! Küsset, Freunde, dieses Buch, in welchem ich für die Nachwelt den Stein der Weisen aufbewahre! Reicht Das Buch einem Jeden zum Kusse – Rund zuerst.

Nr. 13. Schluß-Chor.

CHOR.
Es lebe Lux, der Wundermann,
Der Gift und Pest vertreiben kann,
Er leb‘, gekrönt mit Ehr‘ und Ruhm,
Berühmt bis in das Alterthum!