Pierre-Alexandre Monsigny

Der Deserteur

Singspiel in drey Aufzügen

Personen

Alexis, ein Soldat

Johann Ludwig, ein Invalid, Vater der Louise

Margaretha, Muhme des Alexis

Louise, Tochter des Johann Ludwig und Geliebte des Alexis

Hannchen, ein junges Bauermädchen

Himmelsturm, ein Dragoner

Bertram, Vetter des Alexis

Courchemin, Brigadier von der Marechaussee

Crik, ein Kerkermeister

Eine Menge Volks und Soldaten

Der Schauplatz ist nahe bey einem Dorfe, welches einige Meilen von der Grenze von Flandern liegt, wo die französische Armee campirt.

Erster Aufzug.

Die Schaubühne stellet eine ländliche Gegend vor. In der Ferne erblickt man Berge und etwas näher ein Baurenhaus. Vorne auf der Bühne steht ein Baum und eine Rasenbank darunter, worauf drey bis vier Personen sitzen können.

Erster Auftritt.

LOUISE, allein.

Arie.

Ein solches Herz zu kränken,
Das mich so treu, so zärtlich liebt!
Ein solches Herz zu kränken!
Nicht ohne Schauer läßt sichs denken.
Ihn, den ich wie mein Leben liebe,
Verlangt man es, daß ich ihn so betrübe?
Ach! nein, mein liebster Vater, nein!
Wär ichs, des Todes würd ich seyn.

Zweyter Auftritt.

Johann Ludwig, Louise, Margaretha, Hannchen, Bertram.

Bertram hat einen Stecken in der Hand, mit welchem er auf eine kindische Art spielet.

JOHANN LUDWIG. Ich will es, ich will es. Nun.
LOUISE, bey Seite. O Himmel!
MARGARETHA. Man hat ihn gesehen, man hat ihn gesehen.
BERTRAM. Er war jenseits des Wassers.
LOUISE. Ihr habt ihn gesehen? Und wie habt ihr das gemacht?
BERTRAM. Ey, wir haben hinüber gesehen.
LOUISE, zuckt die Achseln. Hinübergesehen!
MARGARETHA. Ich habe ihn den Augenblick gesehen, als er in den Fluß springen wollte, um herüber zu schwimmen; aber sein Tornister, sein Degen, alles dieses hinderte ihn. Er geht itzt oben herum.
LOUISE. Er hat wohl gethan.
JOHANN LUDWIG. Er hat wohl gethan.
HANNCHEN. Er hat wohl gethan.
BERTRAM. Ja, ja, er hat wohl gethan.
JOHANN LUDWIG. Nun, Louise, du mußt itzt thun, was die Frau Herzoginn befohlen hat.
LOUISE. Was das für ein Einfall ist!
JOHANN LUDWIG. Sie will es, und hier ist der Brief.
MARGARETHA. Sie will es, und hier ist der Brief.
LOUISE. Wollt ihr ihn uns nicht vorlesen, mein Vater?
JOHANN LUDWIG. Ja doch, ja, ich will ihn euch vorlesen; aber ihr müßt mir auch zuhören und mich nicht unterbrechen, wie ihr des Abends zu thun pflegt, wenn ich in meinem grossen Buche lese.
LOUISE. So leset dann, mein Vater.
JOHANN LUDWIG. Nun, so höret mir zu. Wir wollen uns da hinsetzen.
LOUISE. Aber, mein Vater, wäre es nicht besser, wenn wir uns unter diese Linde setzten?
JOHANN LUDWIG. Wie du willst; ich bin es zufrieden. Ihr, Margaretha, setzet euch hieher, und Zum Bertram. du, setze dich neben sie. Hannchen, setze du dich dort hin, und du, Louise, neben mich, denn du hast den größten Antheil daran. Wenn sie sich alle gesetzet haben, so zieht er den Brief aus der Tasche. Hört ihr mir zu?
LOUISE. Ja.
MARGERETHA. Ja.
HANNCHEN. Ja.
BERTRAM. Ja, freylich.
JOHANN LUDWIG. Ihr höret also alle?
LOUISE. Alle.
MARGARETHA. Alle.
HANNCHEN. Alle.
BERTRAM. Ja, alle zusammen.
JOHANN LUDWIG. Dieß ist nicht der Brief, den die Frau Herzoginn an den Officier geschrieben hat, sondern es ist die Antwort von dem Officier an die Frau Herzoginn. Zum Bertram. Schweig still, du – schweig!
BERTRAM, läßt seinen Stecken aus der Hand fallen. Aber, ich habe ja nichts gesagt.
LOUISE. Er hat nichts gesagt.
MARGARETHA. Er hat nichts gesagt.
HANNCHEN. Er hat nichts gesagt.
JOHANN LUDWIG. Ich habe gemeint, er hätte geplaudert. Er ließt. »Madame, die Ehre, die Sie mir durch Ihre Zuschrift erweisen« – Brr – Brr – Brr –
LOUISE. Wir verstehen kein Wort davon.
JOHANN LUDWIG. Alles dieses sind nur Complimente oder auch Heimlichkeiten, welche vielleicht die Frau Herzoginn nicht bekannt gemacht haben will. Brr – Brr – Brr –
LOUISE. Aber, mein Vater, es verlohnet sich ja nicht der Mühe, daß wir zuhören.
MARGARETHA. Ja gewiß.
JOHANN LUDWIG. Haha! Itzt komme ich daran. »Madame, was den Alexander Spinasky betrifft, so kann ich nicht Gutes genug von ihm sagen – – so kann ich nicht Gutes genug von ihm sagen – Er hat alle Eigenschaften eines guten Soldaten. Er ist vernünftig, gelehrig und brav.« – Er will damit nicht sagen, daß er nur brav in seiner Aufführung sey, sondern, daß er auch herzhaft ist.
LOUISE. Und hernach, mein Vater?
JOHANN LUDWIG, ließt weiter. »Er ist lebhaft und hitzig; wenn ihn aber seine Hitze zu Ausschweifungen verleitet, so kömmt er doch gleich wieder zu sich – so kömmt er doch gleich wieder zu sich.« – – Ich verstehe nicht recht, was er damit sagen will.
LOUISE. Weiter, mein Vater.
JOHANN LUDWIG, ließt. »Ich wünschte von ganzem Herzen, daß er bey mir bliebe. Ich würde ihn zum Officier in meinem Regimente machen.
MARGARETHA. In seinem Regimente?
BERTRAM. In seinem Regimente?
LOUISE. Ach! ich glaube nicht, daß er bleiben wird.
JOHANN LUDWIG. Stille doch! Stille! Er ließt weiter. »Da aber innerhalb vierzehn Tagen seine sechs Jahre verflossen sind, so werde ich ihm seinen Abschied ausfertigen lassen.«
LOUISE. In vierzehn Tagen?
MARGARETHA. In vierzehn Tagen?
JOHANN LUDWIG. Ja, in vierzehn Tagen. Er ließt weiter. »Ich schicke ihn also auf Ihren Befehl, Madame, Ihnen meine Ergebenheit und schuldigsten Dank zu versichern. Ich habe ihm anbefohlen, sich nicht weit zu entfernen, da er dem Feinde und der Grenze so nahe ist. Die Befehle sind sehr strenge, und er muß heute noch zurück kommen, denn der König speiset morgen zwo Stunden von Ihrem Schlosse und kömmt hernach ins Lager. Er muß also mit ausrücken.« – Haha! das geschieht, wenn der König kömmt. Davon wißt ihr andere alle nichts. Wenn der König kömmt, so muß die ganze Armee ins Gewehr treten. Ach! es ist doch eine schöne Sache um den Krieg!
BERTRAM. Ja, wenn man wieder glücklich zu Hause ist.
HANNCHEN. Warum weinen denn aber die jungen Pursche, wenn sie in den Krieg müssen?
JOHANN LUDWIG. Schweigt! das geht euch nichts an. Zur Louise. Nun, meine Tochter, itzt mußt du das thun, was die Frau Herzoginn gesagt hat. Du mußt dich anstellen, als ob du verheyrathet wärest; und du, Bertram, du sollst der Bräutigam seyn.
BERTRAM. Desto besser! desto besser!
JOHANN LUDWIG. Wir werden Leyern, Geigen und Pfeifen haben, und er wird glauben, du wärest gestern verheyrathet worden. Zu Hannchen. Und du, Hannchen, du mußt ihm das alles erzählen. Du mußt aber thun, als ob du hier die Schaafe hütetest.
MARGARETHA. Ich würde es besser gemacht haben, als sie.
JOHANN LUDWIG. Er kennet euch ja zu gut. Er wird wohl seine Muhme nicht kennen?
LOUISE. Ach! mein Vater, was mich das kränkt! Wenn mir jemand einen solchen Streich spielte, ich würde mich nicht zufrieden geben können.
JOHANN LUDWIG. Desto mehr Vergnügen wird er hernach empfinden.
MARGARETHA. Und dieß wird ihn lehren, dir ferner noch zu schreiben: »daß er nur dich auf dem Wege anzutreffen, nur dich zu sehen wünsche, und alsdann gleich wieder umkehren wolle.«
LOUISE. Das hat er eben nicht geschrieben; und, wenn es auch wäre, warum will man mich deshalben strafen?
MARGARETHA. Die Frau Herzoginn will es aber haben; sie hat ihn erzogen, und nimmt sich seiner noch itzt ausserordentlich an.
LOUISE. Das heisse ich, sich jemandes annehmen, wenn man ihm Verdruß macht?
JOHANN LUDWIG. Es ist ja nur für eine kurze Zeit.
LOUISE. Er wird es nicht glauben; denn er hat erst vor sechs Tagen einen Brief von mir erhalten.
JOHANN LUDWIG. Desto besser; du wirst ihm um so viel treuloser scheinen.
MARGARETHA. Ja, das wird ihm desto schmerzlicher seyn.
JOHANN LUDWIG. Geht, macht euch zurecht, ihr habt keine Zeit zu verlieren. Zu Hannchen. Und du, bleib du hier bey mir. Laß einmal sehen, ob du deine Rolle gut spielen wirst.

Dritter Auftritt.

Johann Ludwig, Hannchen.

JOHANN LUDWIG. Nun, wirst du es so machen, wie ich es dir gesagt habe?
HANNCHEN. O ja! Herr Johann Ludwig.
JOHANN LUDWIG. Wir wollen es sehen; setze dich dorthin.
HANNCHEN. Ja.
JOHANN LUDWIG. Du mußt dich stellen, als ob du spinnest.
HANNCHEN, hebt den Stecken auf, den Bertram hatte fallen lassen. Seht, ich will thun, als ob das mein Rocken wäre.
JOHANN LUDWIG. Und dann mußt du auch singen.
HANNCHEN. Ja, ich will singen, wenn ihr daher kommet.
JOHANN LUDWIG. Nicht ich.
HANNCHEN. Aha! ich verstehe schon: wenn er kömmt.
JOHANN LUDWIG. Nun so sing dann.
HANNCHEN. Wartet doch, bis ich meinen Rocken angesteckt habe.

Arie.

Mein Schäferstab war fort,
Ich sucht ihn auf dem Rasenbette,
Da kömmt Damöt herbey,
Und fragt, was ich verloren hätte?
Ein wenig Lieb und Achtsamkeit
Führt oft ein junges Herze weit.
JOHANN LUDWIG. Guten Tag, liebes Kind. Hannchen dreht sich um und kehrt ihm den Rücken zu. Gut, gut. Fahre fort.
HANNCHEN.
»Mein Schäferstab ist fort,
Da kam er weg, bey jenem Teiche, «
Damötas lief sogleich
Und klettert auf die nächste Eiche.
Ein wenig Lieb und Achtsamkeit
Führt oft ein junges Herze weit.
JOHANN LUDWIG. Hört doch, mein schönes Kind. Sie dreht sich wieder um. Gut, gut, recht gut! Fahre nur fort.
HANNCHEN.
Dort schnitzt er mir so schön
Den schlanksten Ast zum Schäferstabe,
Daß ich ihn seit der Zeit
Mehr lieb, als alle Schäfer, habe.
Ein wenig Lieb und Achtsamkeit
Führt oft ein junges Herze weit.
JOHANN LUDWIG. Ihr wollt mich also nicht hören, mein schönes Kind?
HANNCHEN. Verzeihet mir, Herr Johann Ludwig.
JOHANN LUDWIG. Herr Johann Ludwig? Sage doch: Herr Soldat, und nicht Herr Johann Ludwig.
HANNCHEN. Ja doch, ja doch, Herr Soldat. Es war nur, weil ich euch sah.
JOHANN LUDWIG. Wir wollen es noch einmal machen. Ihr wollet mich also nicht hören, mein schönes Kind.
HANNCHEN. Verzeihet mir, Herr Soldat.
JOHANN LUDWIG. Gut! gut! Mein schönes Kind, wollt ihr mir nicht den Gefallen thun und mir sagen, was das für eine Hochzeit ist, die ich hier vorbey gehen sah.
HANNCHEN, spricht das folgende sehr geschwind aus. Es ist die Hochzeit von Louisen, Tochter des Johann Ludwig Basset, Invalidens und Pachters der Frau Herzoginn.
JOHANN LUDWIG. Gut! recht gut! Sag es ihm so und hernach komm wieder zu uns auf das Schloß. Aber vergiß nur nicht, Herr Soldat zu sagen. Sieh einmal, wie er gelaufen kömmt.
HANNCHEN. Wo denn? Ha ha! ich sehe ihn.
JOHANN LUDWIG. Sieh, wie er den Berg hinauf klettert. O! die Verliebten haben das Podagra nicht. Ich will gehen, bleib du hier. – Nein, komm geschwind.

Vierter Auftritt.

ALEXIS, allein. Er legt seinen Rock, Tornister und Säbel unter den Baum hin.

Arie.

Ach! welch Entzücken!
Louise, dich soll ich erblicken! –
Ja, das ist sie, die Linde da,
Wo ich sie einst zum erstenmale sah.
Ich werde sie sehn – O! welche Lust!
Wenn ich nun mit ihr lebe.
Entzücken schwellt schon meine Brust! –
Doch wie? – Ich zittre! – Wie? ich bebe!
Nun bald – nun bald – in einem Augenblick –
Ach! welch ein Augenblick!
Ich werde sie sehn; ach! welch ein Glück!
Ach! welch ein Augenblick!
Doch, sie erwartet mich? – Weswegen?
Weswegen kam sie mir nicht schon von selbst entgegen?
Das that sie ganz gewiß nur aus Bescheidenheit;
Das that sie nur des Wohlstands wegen.
Man weiß es ja, Louise wird bald mein –
Ich geh – Was werd ich sagen?
Ich geh – Raum mag ichs wagen.
Da wird nun alles seyn, und was werd ich da sagen?
Ihr Vater, Muhme, Freund, sind da nach altem Brauch
Und – ihr Vetter auch.
So quält und zwingt man sich zu Tode –
Ich aber lasse gern der Mode
Ihren Lauf.
Doch sagt, Louise, nicht die Liebe dir:
Er kömmt, er ist schon hier? –
Ich wette, jemand hält sie auf.
Ich werde sie sehn – Ach! welch Entzücken!

Fünfter Auftritt.

Die ganze Hochzeit, Alexis, der sich versteckt hat. Voraus gehen die Musikanten. Louise sieht traurig aus; die Uebrigen scheinen sehr lustig zu seyn. Bertram macht läppische und einfältige Geberden. Der Vater führet seine Tochter.

Diese Scene wird während der Zeit gespielt, da die Musik den Marsch macht.

JOHANN LUDWIG, zur Louise. Gut, er hat sich versteckt. Drehe den Kopf nicht um, er sieht her.
LOUISE. O! was mir das für Kummer verursachet. Laßt mich ihn nur sehen.
JOHANN LUDWIG. Du wirst ihn noch oft genug sehen. Fort, fort; Hannchen, bleib du da.

Sechste Auftritt.

Alexis, Hannchen, die ihren Rocken hat.

ALEXIS. Sagt mir doch, mein schönes Kind, was das für eine Hochzeit ist
HANNCHEN. Mein Schäferstab war fort etc.
ALEXIS. So redet doch, antwortet mir doch. Hannchen will singen, er nimmt sie aber bey dem Arme; sie will fortsingen, er leidet es aber nicht.
HANNCHEN. So lasset mich doch; ich will euch nach dem dritten Verschen antworten.
ALEXIS. Antwortet mir itzt gleich.
HANNCHEN bey Seite. Ach Himmel! ich werde niemals –
ALEXIS. So antwortet doch.
HANNCHEN. Ich fürchte mich vor euch.
ALEXIS. Fürchtet nichts, mein schönes Kind. Sagt mir nur, was das für eine Hochzeit war, die da vorbey gegangen ist?
HANNCHEN. Diese Hochzeit?
ALEXIS. Ja.
HANNCHEN. Was das für eine Hochzeit ist?
ALEXIS. Ja.
HANNCHEN. Es ist eine Hochzeit.
ALEXIS. Wessen Hochzeit denn?
HANNCHEN. Mein Schäferstab war fort etc.
ALEXIS. Habt ihr mich zum Besten mit eurem Gesange? Antwortet mir, ich bitte euch.
HANNCHEN. Nun, ja doch, was wollt ihr denn? O Himmel! Ihr jagt mir eine solche Furcht ein, daß ich niemals- Mein Schäferstab war fort etc.
ALEXIS. Schon wieder euer Liedchen! Ich frage, was das für eine Hochzeit ist. Zum Henker! wollt ihr mir antworten –
HANNCHEN. Nun, ja doch. – Sie spricht sehr geschwind. Es ist die Hochzeit von Louisen, Tochter des Johann Ludwig Basset, Invalidens und Pachters der Frau Herzoginn.
ALEXIS. Johann Ludwig verheyrathet sich wieder?
HANNCHEN. Nein, seine Tochter.
ALEXIS. Seine Tochter? Seine Tochter?
HANNCHEN. Gestern war die Hochzeit; es ist heute der zweyte Tag.
ALEXIS. Gestern war die Hochzeit? – Johann Ludwig? – der zweyte Tag? – Wisset ihr auch, was ihr redet? Kennet ihr ihn?
HANNCHEN. Ob ich ihn kenne? Freylich kenne ich ihn; da ist ja sein Haus. Er ist Pachter bey der Frau Herzoginn. Das ist so gewiß – Sie ist an ihren Vetter Bertram verheyrathet, der so gut ist – Alexis hängt den Kopf und schlägt die Augen nieder, Hannchen siebt ihn schelmisch an.

Arie.

Duo.

ALEXIS, bey Seite.
Das wäre wahr? – Ich kanns nicht glauben.
Wer konnte mir dieß Herz wohl rauben?
Nein, nein, das hast du falsch gehört,
Das hiesse meinen Tod begehrt.
HANNCHEN bey Seite.
Ich seh, er wird mir alles glauben,
Ich will ihm nicht den Irrthum rauben.
In Freude wird sein Schmerz verkehrt,
Wenn er nun den Betrug erfährt.
ALEXIS, zu Hannchen.
Sagst du es nur, um mich zu quälen?
HANNCHEN, zum Alexis.
Ich sagt es nicht, um dich zu quälen.
ALEXIS.
Louise konnte sich vermählen?
HANNCHEN.
Louise konnte sich vermählen.
ALEXIS.
Ein andrer hätte sie gerührt?
HANNCHEN.
Ein andrer hat ihr Herz gerührt.
ALEXIS.
Sie wurde da vorbey geführt?
HANNCHEN.
Sie wurde da vorbey geführt.
ALEXIS.
Der zweyte Tag ist heute schon?
HANNCHEN.
Der zweyte Tag ist heute schon.
ALEXIS, bey Seite.
So wär es wahr? – So muß ichs glauben?
Gott! konnte sie sich das erlauben?
Das heiß ich meinen Tod begehrt!
Wie schon der Schauer mich durchfährt!
HANNCHEN, bey Seite.
Ich seh, er wird mir alles glauben,
Ich will ihm nicht den Irrthum rauben.
In Freude wird sein Schmerz verkehrt,
Wenn er nun den Betrug erfährt.
Nach dieser Unruh, dieser Pein,
Wird seine Freude doppelt seyn.

Beide.

ALEXIS.
Wie sich mein ganzes Herz empört!
O! sie hat meinen Tod begehrt!
HANNCHEN.
Doch, wie er sich in Gram verliert!
Er hat ihn wohl zu stark gerührt,
Ich will ihn seiner Quaal entziehn,
Der Kummer überwältigt ihn.
HANNCHEN. Aber er jammert mich; ich will es ihm sagen, daß es nicht wahr ist. Mein Herr, mein Herr, gehet auf das Schloß.
ALEXIS. Ja, ich würde sie auf der Stelle ermorden! und mit dieser nemlichen Hand –
HANNCHEN. O Himmel! er würde mich umbringen; ich will geschwind laufen und mich in Sicherheit begeben.

Siebenter Auftritt.

ALEXIS, allein.

Recitativ.

Ungetreue! – was that ich dir?
O! sag es, sag es mir.
Warum dein Herz so grausam mich betrübte! –
Antworte mir, noch itzt Geliebte
Ein grausenvoller Schmerz füllt meine ganze Brust –
Antworte mir, noch itzt Geliebte! –
O! dir ist meine Marter Lust!

Wer ist unglücklicher, als ich?
Ich eilte meiner Lust entgegen.
Mich rief Louise! – doch weswegen?
Um mich zu kränken rief sie mich.
Treulose! das leid ich durch dich.

Arie.

Auf ewig soll mein Fuß dich meiden,

Hier kommen Courchemin und einige Reiter zum Vorschein, welche ihn beobachten.

Auch fern von dir, sind meine Leiden
Für diese Brust noch Quaal genug.
Zu spät bereue dein Verbrechen,
Die Liebe wird mich an dir rächen;
Verrätherinn! o! meide mich,
Auf ewig flieht mein Auge dich.

Achter Auftritt.

Courchemin, die Reiter, Alexis.

Arie.

Quintett.

ZWEYTER REITER.
Soldat! wohin?
ALEXIS.
Ich geh fort.
ERSTER REITER.
Soldat! wohin?
ALEXIS.
Ich geh fort,
Ja, ich geh fort.
COURCHEMIN.
Soldat! wohin?
ALEXIS.
Ja, ich geh fort.
Ich gehe fort aus diesem Lande.
ERSTER UND ZWEYTER REITER.
Wie? ihr desertirt?
DRITER REITER UND COURCHEMIN.
Wie? ihr desertirt?
ALEXIS.
Ich gehe fort aus diesem Lande.
ERSTER UND ZWEYTER REITER.
Wie? ihr desertirt?
DRITTER REITER UND COURCHEMIN.
Wie? ihr desertirt?
ALEXIS.
Nein, nein, ich desertire nicht,
Ich gehe fort aus diesem Lande.
ERSTER UND ZWEYTER REITER.
Wie? ihr desertirt?
DRITTER REITER UND COURCHEMIN.
Wie? ihr desertirt?
ERSTER REITER.
Ey! wie? er desertiret nicht?
Er sagt, er geht aus diesem Lande.
DRITTER REITER.
Der Mensch ist nicht recht bey Verstande.
ZWEYTER REITER.
Ey! wie? er desertiret nicht?
Er sagt, er geht aus diesem Lande.
COURCHEMIN.
Der Mensch ist nicht recht bey Verstande.
ALEXIS, bey Seite.
Mein Leben will ich itzt verlieren.

Zu den Reitern.

Ja, ich will desertiren.
Ja, glaubt es mir, ich desertire.
DIE DREY REITER UND COURCHEMIN.
Kommt, folgt ihm nach.
ALEXIS.
Glaubt auf mein Wort,
Ja, ich geh fort.
DER ERSTE REITER.
Seinen Rock nehmt mit,
Und sehet, ob er flieht.
Er warf ihn hier hin,
Um leichter zu fliehn.

Alle.

ALEXIS.
Wenn einst dich dein Gewissen quälet,
So denk, daß du mich selbst entseelet,
Du stimmst in mein Verderben ein,
Drum soll der Abschied ewig seyn.
DIE DREY REITER UND COURCHEMIN.
Kommt, folgt ihm nach,
Laßt sehn, wohin er denkt zu gehen,
Kommt, Brüder, kommt und laßt uns sehen,
Ob er wird nach der Grenze gehen.

Ende des ersten Aufzuges.

Zweyter Aufzug.

Die Bühne stellet ein Gefängniß vor; man steht einige hölzerne Tische und Schemel darinn.

Erster Auftritt.

Crik, Alexis.

CRIK, der sich während diesem Auftritte unter dem Reden beschäftiget, die Schemel und Tische in Ordnung zu stellen. Da habt ihr Wasser in diesem Kruge, einen Tisch, einen Schemel, und dort ist euer Bett. So wie ihr es aber angefangen habt, so scheint es, als ob ihr eben nicht Lust hättet, euch euer Bett noch einmal machen zu lassen. »Ja, meine Herren, ich desertire; ja, ich desertire.« Es war nur vergebens, daß man euch sagte, ihr hättet nicht desertiren wollen. »Ich desertire, sage ich.« Welcher Teufel von einem Menschen seyd ihr! Nun, ich habe euch schon gesagt, daß dorten Wasser steht. Wenn ihr Wein haben wollt, fürs Geld, versteht sichs – Ihr habt itzt keine Ursache mehr zu sparen, wenn ihr Geld habt. Euer Proceß wird nicht lange dauren, vielleicht –
ALEXIS. Nein, nein.
CRIK. Nun gut; wenn ihr keines habt, so könnt ihr Wasser trinken, so könnt ihr Wasser trinken.
ALEXIS. Ja, ich möchte sie noch einmal sehen. O! Himmel! welch ein Sturm von Quaalen!
CRIK. Ihr kennet ihn also? Nun gut, ich will ihn euch rufen. So, so! Ihr kennet den Himmelsturm? Ja, er ist noch hier. Ihr könnet mit einander einmal trinken und euch die Grillen vertreiben. Es wird so nicht lang mehr dauren.

Zweyter Auftritt.

ALEXIS, allein.

Arie.

Der Tod ist nichts. Ich mag ihm nicht entgehen,
Denn einmal muß man ihn doch sehen;
Und jeder Augenblick bringt ja
Uns immer mehr dem Grabe nah.

Solchen Leichtsinn anzusehen,
Solche Marter auszustehen,
Dann noch leben – Ach! besser ist der Tod;
Ein Ende macht er aller Noth.

Der Tod ist nichts! Ihm mag ich nicht entgehen,
Denn einmal muß man ihn doch sehen;
Und jeder Augenblick bringt ja
Uns immer mehr dem Grabe nah.

Mein Herz gehörte dir, mein Leben auch war dein,
Das deine gabst du mir, nun ist es nicht mehr mein.

Er zieht einen Brief aus der Tasche und ließt.

»Komm, mein Geliebter! Eh dein Blick
Mich segnen wird, kenn ich kein Glück.
Mein Vater auch wünscht sehnsuchtsvoll,
Den Tag, der uns verbinden soll.

Mich, die ich ganz die Deine bin,
Reißt tausendfach Entzücken hin,
Wenn mich nun bald dein Arm umschließt,
Und du auch ganz der Meine bist.«

Sie, ganz die Meine – Verwünschte List!
Nein, mein Entschluß sey itzt der Tod,
Ein Ende macht er aller Noth.

Der Tod ist nichts, ich mag ihm nicht entgehen,
Denn einmal muß man ihn doch sehen;
Und jeder Augenblick bringt ja
Uns immer mehr dem Grabe nah.

Dritter Auftritt.

Himmelsturm ein wenig betrunken, Alexis.

HIMMELSTURM. Camerad, ihr habt nach mir gefragt?
ALEXIS. Ich? Nein.
HIMMELSTURM. Ach, ja doch – He! Wirthshaus! Wirthshaus! – Wir wollen eins mit einander trinken. Wenn wir uns gekannt haben, so wollen wir unsere Bekanntschaft erneuren. Kennen wir uns aber noch nicht, nun, so wollen wir Bekanntschaft mit einander machen.
ALEXIS. Könnt ihr mir nicht sagen, ob man hier wohl einen Bogen Papier zum schreiben haben kann?
HIMMELSTURM. Ja doch, ja, das will ich euch gleich verschaffen. He! Wirthshaus! Wirthshaus! Aber zum Teufel ihr habt groß Unrecht gehabt; ihr habt zweymal Unrecht gehabt; ihr habt dreymal Unrecht gehabt. Das erste Unrecht ist, daß ihr desertirt seyd. Das zweyte, daß ihr es gestanden habt. Himmelsturm ist nur ein dummer Teufel; aber wenn ich an eurer Stelle gewesen wäre, es hätte mögen mein Sergeant, mein General, mein Corporal seyn, so hätte ich gesagt. Nein, beym lebendigen Teufel! ich desertire nicht; Nein, Himmelsturm desertirt nicht. He! Wirthshaus!

Während dem die Musik zur folgenden Arie anfängt, geht er auf die Thüre des Gefängnisses zu, als ob er rufen wollte; und kömmt wieder zurück.

Arie.

Nein, nein, ich laufe nicht davon.
Bis jener Strom mir winket,
Der Strom, nicht weit vom Acheron,
Wo man sich ums Gedächtniß trinket.

Bey Mädchen kann man untreu seyn,
Die Liebe läßt schon mit sich spassen;
Doch dieses ist nicht zu verzeihn,
Wenn man den Hauptmann will verlassen.

Vierter Auftritt.

Crik, der einen zinnernen Krug und Becher bringt, Himmelsturm, Alexis.

CRIK. Es ist ein junges Mädchen draussen, sie fraget nach einem Soldaten, das bist du ohne Zweifel, Himmelsturm.
HIMMELSTURM. Ein Mädchen? Ja, ja, es ist für mich. Laß sie nur herein kommen, sie wird hier nicht zu viel seyn. Er nimmt den Krug, als ob er einschenken wollte, so bald er aber die Louise gewahr wird, stellet er ihn wieder hin. Der Henker! sie ist schön.

Fünfter Auftritt.

Alexis, Louise, Himmelsturm.

ALEXIS. Himmel! Was sehe ich? Wie! du bist hier?
LOUISE. Ja, ich.
ALEXIS. Du?
LOUISE. Du?
ALEXIS. Ja, du!
HIMMELSTURM. Camerad, ich will euch allein lassen. Es ist vielleicht eure Schwester, oder eure Nichte, oder – was ihr wollt. Mademoiselle, ich beleidige Sie doch nicht? Ich heisse Himmelsturm; ich weiß zu leben, und wenn man den Rummel im Stockhause versteht – Camerad, sie ist bey meiner Seele recht hübsch. – Nun, ich will gehen und mich ein wenig auf die Pritsche legen. Ihr könnet unterdessen mit einander plaudern, und wenn jemand – Adieu! Lebt wohl!

Sechster Auftritt.

Alexis, Louise.

Arie.

Duo.

ALEXIS.
O! Gott! auch du kömmst itzt hieher,
Um mich noch mehr zu quälen,
Ach! schon itzt wird meiner Seelen
Ihrer Leiden Last zu schwer.
LOUISE.
Alexis, liebster Freund, du marterst dich zu sehr,
Ach Gott! ich dachte nicht, als ich itzt kam hieher,
Daß meine Gegenwart dich also würde quälen,
Alexis, nur ein Wort, ich will dir nichts verheelen.
ALEXIS.
Ach! schon itzt wird meiner Seelen
Ihrer Leiden Last zu schwer.
LOUISE.
Ein Wort, wenn du es hörst, du zürnst gewiß nicht mehr.
ALEXIS.
Was kann wohl härter seyn?
Du kömmst noch, Ungetreue,
Und marterst mich aufs neue,
Und spottest meiner Pein.
LOUISE, bey Seite.
Es wird sein Zorn vielleicht
Noch durch ein Wort erweicht.

Beide.

ALEXIS.
O! Gott! auch du kömmst itzt hieher,
Um mich noch mehr zu quälen,
Ach! schon itzt wird meiner Seelen
Ihrer Leiden Last zu schwer.
LOUISE.
Ein Wort, ein Wort, ich will dir nichts verheelen,
Alexis, liebster Freund, du zürnst gewiß nicht mehr,
Die Liebe führet mich allein zu dir hieher,
Kann meine Gegenwart, o Liebster, dich wohl quälen?

Himmelsturm kömmt zu Ende des Duetts und nimmt die Kanne.

Siebenter Auftritt.

Himmelsturm, Alexis, Louise.

HIMMELSTURM. Laßt euch nicht stören. Ihr wollt nicht trinken? Nicht? Nein? Nun so lebt wohl.

Achter Auftritt.

Alexis, Louise.

ALEXIS. Du bist es nicht, mit der ich es zu thun haben will. Dein Vater ist es –
LOUISE. Es ist wahr, mein Vater –
ALEXIS. Dieser nichtswürdige Alte! Sein verdammter Geitz wird einer Kleinigkeit an Gelde nicht haben widerstehen können. Für Geld verhandelt er das Glück zweyer Personen, die sich nur mit dem seinigen würden beschäftiget haben. Er ist Schuld an den Gewissensbissen, an den schrecklichen Quaalen – denn du liebst mich noch, und du wirst mich beständig lieben. Er macht auf einmal drey Personen unglücklich, die nun an kein Glück mehr denken därfen. Was mich betrifft, so ist alles aus. Aber du und dein Mann – der Niederträchtige! Er erlaubt dir, den Tag nach deiner Hochzeit, mich zu besuchen. Er erlaubt dir, einen Soldaten zu besuchen, der dich liebt, und den du, wie er weiß, geliebt hast; – und noch dazu im Gefängniß, das ohne dich – Geh nur, ich mag mit dir nichts zu thun haben. Ach! Louise! ich liebe dich noch! Könntest du dich meiner niemals wieder erinnern!
LOUISE. Alexis!
ALEXIS. Aber mit was für einer ruhigen Mine –
LOUISE. Ach! ich würde nicht so ruhig seyn, wenn ich strafbar wäre.
ALEXIS. Ungetreue!
LOUISE. Ich freue mich über deinen Irrthum.
ALEXIS. Ueber meinen Irr –
LOUISE. Mit einem einzigen Worte kann ich dich wieder gut machen.
ALEXIS. Mit einem Worte? Nun so sage es denn, wenn du das Herz hast.
LOUISE. Ich bin nicht verheyrathet.
ALEXIS. Du –
LOUISE. Mein Vater war es, der –
ALEXIS. Der Niederträchtige! Was liegt mir daran, ob er oder du –
LOUISE. Die Frau Herzoginn –
ALEXIS. Hast du vor ihr erscheinen därfen?
LOUISE. Auf ihren Befehl ist ja alles dieses geschehen.
ALEXIS. Was sagst du?
LOUISE. Sie hat es meinem Vater befohlen, daß er dir weis machen sollte, als ob ich verheyrathet wäre.
ALEXIS. Was willst du damit sagen?
LOUISE. Ja, sie hat diese Hochzeit veranstaltet, die Musik und alles das – das junge Mädchen, mit der du gesprochen hast, hatte man an dich abgeschickt, um dich mit dieser falschen Nachricht zu hinterge hen, und alles das war nichts als ein Scherz.
ALEXIS, fällt auf einen Stul zurück, die beiden Arme über den Tisch hingestreckt. Als ein Scherz!
LOUISE.

Arie.

Hast du mich je geliebet,
So fasse sich dein Herz!
Was dich so sehr betrübet,
War nur ein blosser Scherz.
Vergebne Zweifel rauben
Dir Heiterkeit und Ruh,
Louisen treulos glauben –
O Gott! das konntest du?

Dich liebt dieß Herz, bis sich mein Leben endet,
Und jener Tag, der unser Glück vollendet,
Macht mir vielleicht alsdann die Treu zur stärkern Pflicht,
Doch zärtlicher, als itzt, wird meine Treue nicht.
Dich liebt mein Herz, so lang ich lebe.
Ich schwör es bey der Hand, die ich dir drück – Es gebe
Mir Gott das Glück, mit dir einst aus der Welt zu gehn.
Wo nicht, laß er den Tod in deinem Arm mich sehn.

Doch ich seh, deine Schmerzen
Ergreifen dich noch mehr.
O! was liegt dir am Herzen?
Was martert dich so sehr?
Vergebne Zweifel rauben
Dir Heiterkeit und Ruh.
Louisen treulos glauben –
O Gott! das konntest du?
ALEXIS.
O Himmel!
LOUISE.
Glaubst du mir etwa nicht?
ALEXIS.
Ach! ich glaube dir.

Neunter Auftritt.

Louise, Johann Ludwig, Alexis.

LOUISE. Ach, mein Vater, ihr kommt recht zur gelegenen Zeit. Fragt ihn doch, was ihm fehlet – Sagt mir doch die Ursache von seiner Betrübniß.
JOHANN LUDWIG. Ey, willkommen, mein lieber Alexis! Laß dich umarmen. Wie freue ich mich, daß ich dich wieder sehe! Wie du so gut aussiehst! O! der Dienst bildet einen Menschen. Du hast dem Könige, du hast dem Vaterlande gedienet; du bist itzt kein Bauer mehr. Zur Louise. Aber sieh ihn doch recht an, wie er so gut aussieht. – Mein Freund, Louise ist dein.
ALEXIS. Johann Ludwig! –
JOHANN LUDWIG. Die Hochzeit kann seyn, wenn du willst; wenn du willst.
ALEXIS. Ich bitte dich, Johann Ludwig, sage deiner Tochter, daß sie auf einen Augenblick in des Kerkermeisters Garten gehe.
JOHANN LUDWIG. Warum das?
ALEXIS. Sage es ihr nur.
JOHANN LUDWIG. Louise, ich habe etwas mit ihm allein zu reden; geh du inzwischen in des Kerkermeisters Garten, ich will dich wieder rufen.
ALEXIS, nimmt die Louise bey der Hand. Louise, wir wollen heute mit einander frühstücken – heute. Habe ich dich doch so lang nicht gesehen!
LOUISE. Und du schickest mich fort?
ALEXIS. Du wirst bald wiederkommen.

Zehnter Auftritt.

Johann Ludwig, Alexis.

JOHANN LUDWIG. Ich habe mich sehr verwundert, als ich gehöret, daß du im Gefängniß sässest; man hat mir aber gesagt, es sey nur einer Kleinigkeit wegen. Nennest du dich denn itzt Himmelsturm? Das wird vermuthlich dein Kriegsname seyn. Man sagte mir: Seht, da ist Himmelsturm, da ist er. Aber, laß dich umarmen, Alexis! mein Schwiegersohn! mein liebster Freund! laß dich umarmen. Die Fran Herzoginn wird dir schon wieder heraushelfen. Aber, du bist traurig; ich wette, daß ich die Ursache errathe, warum du hier bist.
ALEXIS. Ich glaube es nicht.
JOHANN LUDWIG. Doch, doch! Wenn man von der Armee kömmt – eine kleine Avanture, etwa ein Rausch – oder ein hübsch Mädchen im Wirthshause. – Man hat dich aber längst dem Dorfe gesehen, und hernach hat man dich wieder nicht gesehen. Man hat dir einen lustigen Streich spielen wollen; der Umstand aber, weshalb du vermuthlich hier bist, hat es verhindert. Erzähle es mir doch, du darfst dich nicht scheuen. Ich habe auch gedient; ich weiß, wie es bey den Soldaten hergeht. Und wirst du denn nicht in kurzem mein Tochtermann seyn? Ich werde der Louise nichts davon sagen. Und wenn sie es denn auch erführe; was würde es zu sagen haben? Einige kleine Verweise
ALEXIS. Johann Ludwig! versprecht mir, daß ihr alles thun wollet, was ich euch sagen werde.
JOHANN LUDWIG. Ja, wenn es nicht zu schwer ist.
ALEXIS. Nein, wir wollen mit einander frühstücken; ihr, eure Tochter und ich.
JOHANN LUDWIG. O! das ist leicht; und hernach –
ALEXIS. Und hernach bitte ich euch, daß ihr eure Tochter sogleich mitnehmet; ihr werdet beide abreisen; wir werden uns trennen – wir werden uns trennen. Ich werde ihr sagen, daß ich zurück muß –
JOHANN LUDWIG. Ich weiß es, ich weiß es. Der König kömmt ins Lager.
ALEXIS. Ihr werdet zurück gehen – ihr werdet in das Dorf zurück gehen; und ihr, ihr müßt in zween Tagen wieder hieher kommen; ihr müßt nach einem Soldaten fragen, der sich Himmelsturm nennet. Dieser wird euch einen Brief von mir geben; und ich – ich werde nicht mehr hier seyn.
JOHANN LUDWIG. Nein, du wirst im Lager seyn; aber in vierzehn Tagen bekömmst du deinen Abschied.
ALEXIS. Habt ihr wohl Muth und Gegenwart des Geistes genug, eure Tochter nichts von allem dem merken zu lassen, was ich euch sagen will?
JOHANN LUDWIG. Warum nicht?
ALEXIS. Ich fürchte, sie möchte zurückkommen.
JOHANN LUDWIG. Nein, nein.
ALEXIS. Die gestrige Hochzeit –
JOHANN LUDWIG. Die hatte ich veranstaltet.
ALEXIS. Die Verzweiflung hat sich meiner bemeistert.
JOHANN LUDWIG. Desto besser, desto besser; ich dachte es wohl.
ALEXIS. Und in meiner Wut
JOHANN LUDWIG. Du warest in Wut? Ha! das ist gut, das ist gut –

Eilfter Auftritt.

Louise, Johann Ludwig, Alexis.

LOUISE.
Ach! mein Vater! Ach! welch ein Unglück!
Diese Hochzeit hat ihn zur Verzweiflung gebracht.
Er ist desertirt, verurtheilt, er muß sterben!
JOHANN LUDWIG.
Wie? Was?
ALEXIS.
Sie weiß alles. Wie unglücklich bin ich!
JOHANN LUDWIG.
Desertirt! desertirt! Verurtheilt! Alexis!
Alexis! ist das wahr, was sie sagt?

Arie.

Trio.

ALEXIS.
Am Grabe, das mich bald umgiebet,
Louise, wird dein Herz gestehn:
Hätt er mich nicht so treu geliebet,
So wär dieß Unglück nicht geschehn.
LOUISE.
Mein Vater! ach! ich bin verloren!
Warum war, neidisches Geschick!
Der Augenblick, da ich gebohren,
Nicht meines Todes Augenblick?
JOHANN LUDWIG.
Ist dieß das Schicksal, das dir droht?
ALEXIS.
Hör auf, mein Kind, mich zu bedauren.
Was hilft es mir, daß du dich kränkst?
Die beste Art mich zu betrauren,
Ist, daß du öfters an mich denkst.
JOHANN LUDWIG.
Ist dieß das Schicksal, das dir droht?
LOUISE.
Ich bins, ich raube dir das Leben,
Ich hoffte recht beglückt zu seyn!
Ihr, Vater! habt den Rath gegeben,
Mein Unglück kömmt von euch allein,
JOHANN LUDWIG.
Nur mir allein gehört der Tod.

Alle.

ALEXIS.
Die Jahre, die dir Gott noch giebet,
Louisen weihn, ist deine Pflicht;
Die Macht des Todes schreckt mich nicht,
Ich weiß, daß mich Louise liebet.
Sucht ihm zu widerstehn.
LOUISE.
Nein, dich kann ich nicht überleben!
Wie? leben, ohne dich zu sehn?
Mit dir zugleich ins Grab zu gehn,
Dieß Glück wird mir der Himmel geben.
Ich muß vor Schmerz vergehn.
JOHANN LUDWIG.
O! Tag voll Schrecken und Verderben!
Alexis! nein, du sollst nicht sterben,
Nur mir allein gehört der Tod.
Ich muß vor Schmerz vergehn.

Zwölfter Auftritt.

Crik, die Vorigen.

CRIK, zum Alexis. Man erwartet euch.
ALEXIS. Wen?
CRIK. Euch; gehet nur.
ALEXIS. Lebet wohl! lebet wohl!
LOUISE. Wie? Du nimmst Abschied?
ALEXIS. Nein, Louise; erschrick nicht. Ich glaube, ich werde wieder kommen.
LOUISE. Ach! mein Vater!

Dreyzehnter Auftritt.

Louise, Johann Ludwig, Crik.

LOUISE. O! Himmel! Mein Herr, wo geht Er hin?
CRIK. Die Herren zu sprechen.
LOUISE. Ach! mein Herr! es wird doch nicht –
CRIK. O! das wird so geschwind nicht vor sich gehen. Vielleicht zwischen fünf und sechs Uhr, vielleicht auch erst um sieben Uhr.
LOUISE. Ach! Himmel!
JOHANN LUDWIG. Nein, meine Tochter, es ist nicht möglich. Ich will zur Frau Herzoginn gehen; ich will ihr alles sagen.
LOUISE. Ach! mein Vater! sie hat ihn in dieses Unglück gestürzet; sie wird ihm doch wieder heraus helfen.
JOHANN LUDWIG. Ich gehe. – O Himmel! – Ach! wie bin ich so unglücklich! Komm du mir nach, denn ich werde doch geschwinder gehen, als du. Und hernach – Nein, ich laufe.

Vierzehnter Auftritt.

Louise, Crik.

LOUISE. Mein Herr, ich werfe mich zu seinen Füssen; ich bitte Ihn.
CRIK. Das ist nicht nöthig. Was wollt ihr?
LOUISE. Der König kömmt ins Lager.
CRIK. Nun?
LOUISE. Sage Er mir doch, mein Herr, kann der König in dergleichen Fällen – Ach! das ist eine Gerechtigkeit. Kann der König Gerechtigkeit oder Gnade ertheilen?
CRIK. Warum nicht? Er thut ja sonst nichts.
LOUISE. Wenn ich nun hingienge, mein Herr, und mich zu seinen Füssen wärfe; wenn ich ihm sagte, daß ich Schuld daran bin
CRIK. Das könnet ihr thun, wenn man euch hinzuläßt. Hilft es euch nichts, so kann es euch auch nichts schaden.
LOUISE. Ach! mein Herr, wenn ich nur Geld hätte.
CRIK. Wenn ihr euch an den König wendet, so habt ihr kein Geld nöthig.
LOUISE. Das wollte ich nicht sagen; es sollte für Ihn seyn.
CRIK. Ha! ha! für mich?
LOUISE. Ich wollte Ihm dadurch meine Dankbarkeit bezeigen – ich wollte Ihn bitten – Sieh Er, mein Herr, ich will Ihm hier mein goldenes Kreuz geben; mache Er nur, daß es bis morgen aufgeschoben werde.
CRIK. Aufgeschoben? aufgeschoben? – Es scheint hohl zu seyn. Es ist doch Gold?
LOUISE. Ach! wie bin ich so unglücklich!

Fünfzehnter Auftritt.

CRIK, allein, betrachtet das goldene Kreuz. Das, was ihr verlangt, kann ich nun eben nicht ins Werk richten. Aber ich will ihm so viel Wein geben, als er nöthig hat. Er wird gewahr, daß Louise sich entfernet hat. Dieses junge Mädchen hat ein gutes Herz; das ist doch noch eine Freude!

Sechszehnter Auftritt.

Himmelsturm, Crik, Bertram.

HIMMELSTURM, hält in der einen Hand eine Kanne mit Wein, unter dem Arme einen Bogen Papier, und mit der andern Hand hält er den Bertram bey der Brust. Nun so kommt doch nur herein. Vor wem fürchtet ihr euch? Zu dem Crik. Da, hier ist ein junger Mensch, der nach dem Soldaten fragt. Wo ist er denn? Und das junge Mädchen?
CRIK. Sie ist fortgegangen.
HIMMELSTURM. Und er?
CRIK. Er ist im Verhöre; er wird bald wieder kommen. Wenn ich ihn sehe, will ich ihn euch herschicken. Er geht ab.
BERTRAM. Ich will mit dem Herrn gehen.

Siebzehnter Auftritt.

Himmelsturm, Bertram.

HIMMELSTURM. Nicht doch; bleibt ihr nur hier. Ihr sollt mir einmal Bescheid thun, bis er kömmt. Seht, dieß Papier habe ich ihm eben bringen wollen.
BERTRAM. Wißt ihr denn auch gewiß, daß es mein Vetter Alexis ist?
HIMMELSTURM. Ja doch; ja, er ist es. Er ist ein Soldat?
BERTRAM. Ja, mein Herr.
HIMMELSTURM. Setzt euch dort hin. Er ist seit gestern hier?
BERTRAM. Ja, mein Herr.
HIMMELSTURM. Setzt euch dort hin. Er ist euer Vetter?
BERTRAM. Ja, mein Herr.
HIMMELSTURM. Setzt euch dort hin. Er ist euer Vetter?
BERTRAM. Aber, mein Herr –
HIMMELSTURM. Setzt euch, sage ich; setzt euch dort hin. Zum Teufel! Wollt ihr euch dort hinsetzen? Wir wollen einmal trinken; er wird schon wieder kommen.
BERTRAM. Ich bedanke mich, mein Herr; man trinkt nicht sogleich, ohne sich zu kennen.
HIMMELSTURM. Kenne ich euch denn etwa? und das hindert mich doch nicht, mit euch zu trinken. Er ist gut, trinket. Nun so trinket dann. Bertram trinkt. Ihr sagt also –
BERTRAM. Ich, mein Herr? Ich sage nichts.
HIMMELSTURM. Nun, wenn ihr nichts sagt, so singt. Singt!
BERTRAM. Ach! mein Herr, ich bin gar nicht aufgeräumt dazu.
HIMMELSTURM. Eben deshalb müßt ihr fingen, um aufgeräumt zu werden. Wenn man verdrüßlich ist, muß man singen; das macht lustig. Fort, singet. Himmelsturm singt:

Unterm Küssen, unterm Trinken,
Will ich einst ins Grab versinken.

So singt dann!
BERTRAM. Aber ich kann nicht singen.
HIMMELSTURM. Singt ihr nur. Wollt ihr wohl singen, wenn man euch darum bittet? Zum Teufel! singt oder –
BERTRAM. Nun, so wartet doch nur.

Arie.

Aller Welt Blut
Ist gut;
Man findt heut
Gute Leut,
Deren Sinn
Ist Gewinn.
Ja, man liebt jederzeit,
Ehrlichkeit,
Redlichkeit,
Bey Groß und Kleinen;
Ich denk stets in meinem Sinn:
Wenn ich nur recht glücklich bin,
Und auch die meinen.
HIMMELSTURM. Zum Henker! euer Lied ist gut, wenn man den Teufel begräbt. Ich will euch ein anders singen. Hört mir einmal zu.

Arie.

Fort mit dem Gram, denn hier ist Wein,
Will man die Sorgen sich zerstreun,
Man wähle Wein und Liebe.
Alle Plagen, die mich quälen,
Nehmen mich niemalen ein;
Statt der Sorgen will ich Wein,
Statt der Grillen Liebe wählen.
Das ist mir doch noch ein Lied, das sich hören läßt. Itzt wollen wir zusammen singen.
BERTRAM. Aber, mein Vetter –
HIMMELSTURM. Er kann nicht lang mehr ausblei ben. Fort, wir wollen itzt zusammen singen.
BERTRAM. Zusammen?
HIMMELSTURM. Ja, zusammen, das ist lustiger.
BERTRAM. Ich weiß aber euer Lied nicht.
HIMMELSTURM. Wer sagt euch denn, daß ihr mein Lied singen sollt? Singt ihr euer Lied und ich singe meines. Das ist lustig.
BERTRAM. Aber –
HIMMELSTURM. Aber, aber, zum höllischen Teufel! singt.

Arie.

Duo.

Beide.

BERTRAM.
Aller Welt Blut
Ist gut;
Man findt heut
Gute Leut,
Deren Sinn
Ist Gewinn.
Ja, man liebt jederzeit
Ehrlichkeit,
Redlichkeit,
Bey Groß und Kleinen;
Ich denk stets in meinem Sinn:
Wenn ich nur recht glücklich bin,
Und auch die Meinen.
HIMMELSTURM.
Fort mit dem Gram, denn hier ist Wein,
Will man die Sorgen sich zerstreun,
Man wähle Wein und Liebe.
Alle Plagen, die mich quälen,
Nehmen mich niemalen ein;
Statt der Sorgen will ich Wein,
Statt der Grillen Liebe wählen.

Zu Ende des Liedes läuft Bertram davon und Himmelsturm läuft ihm nach.

Ende des zweyten Aufzuges.

Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Margaretha, Hannchen, Bertram.

MARGARETHA. Ja, du bist schuld daran; niemand anders, als du. Da du gesehen, daß er so erzürnet war, so hättest du ihm es gleich sagen sollen, daß es nicht wahr sey.
HANNCHEN. Man hatte es mir ja verboten, es ihm zu sagen.
MARGARETHA. Ja, aber nachher, nachher.
HANNCHEN. Er hat mich mein Liedchen nicht einmal anfangen lassen.
MARGARETHA. Nun, du hättest es ihm immer sagen sollen.
BERTRAM. Ihr habt das alles angestellet. Ja, nur ihr allein seyd Ursache an seinem Tode.
MARGARETHA. Ich Ursache an seinem Tode? O Himmel! kannst du so etwas sagen? Ich Ursache an seinem Tode?
BERTRAM. Ja, itzt ist es Zeit.
MARGARETHA. Und du, grosser fauler Schlingel, wenn man dir sagt, du sollest zu ihm laufen, so thust du, als ob du nicht gehen könntest.
BERTRAM. Konnte ich denn abkommen? Ich war ja der Bräutigam.
MARGARETHA. Ach! ich wollte, daß du an seiner Stelle wärest.
BERTRAM. Ich, an seiner Stelle? O! ich würde es nicht so gemacht haben. Ich hätte hübsch die Leute gefragt.
MARGARETHA. Ach! Himmel! ich werde ihn Zeitlebens, Zeitlebens beweinen – du armer Alexis!
HANNCHEN. O! so weinet doch nicht so, liebe Muhme!
BERTRAM. Da ist er.
MARGARETHA. Wie er so verstellt ist!
BERTRAM. Wie er so traurig aussieht!

Zweyter Auftritt.

Margaretha, Alexis, Bertram, Hannchen.

MARGARETHA. Ach! mein lieber Alexis, ich bin voller Verzweiflung –
ALEXIS. Guten Tag, liebe Muhme! guten Tag!
MARGARETHA. Ich bitte dich um Verzeihung. Sieh, wir alle sind Schuld an diesem Unglücke.
BERTRAM. Ich war der Bräutigam.
HANNCHEN. Ich habe es euch sagen wollen; aber ist es nicht wahr, daß ihr gesagt, ihr wolltet mich umbringen?
ALEXIS. Laßt uns nicht weiter davon reden; es ist ein Unglück. Wo ist Louise? und warum ist ihr Vater nicht hier?
MARGARETHA. Ach! ihr Vater, ihr Vater! Er kam so eben ins Dorf, er weinte, er warf sich auf die Erde, er stieß den Kopf wider den Boden; er will gar nicht wieder aufstehen. Wir sind alle untröstlich. Ach! wenn man dich mit Geld erkaufen könnte, wir wollten alles, was wir haben, selbst unsere Kleider, hergeben.
BERTRAM. Ich, ich wollte alles hingeben, was ich habe.
ALEXIS. Weiß es denn die Frau Herzoginn?
MARGARETHA. Wir sind alle dorthin gelaufen, sie ist aber nicht im Schlosse.
BERTRAM. Ach! was hat sie dir für eine schöne Hochzeit im Schlosse zubereitet.
ALEXIS. Und Louisen habt ihr nicht gesehen?
MARGARETHA. Nein.
BERTRAM. Man weiß nicht, wo sie ist.
ALEXIS. Wie? niemand? Und es ist niemand mit ihr gegangen? Wenn ihr nun ein Unglück begegnet?
HANNCHEN. Ich habe sie laufen gesehen; ich habe sie gerufen; sie hat aber nicht geantwortet.
ALEXIS. Ach! liebste Muhme, tröstet sie, verlasset sie nicht; ihr könnt mir weiter keinen Dienst mehr erweisen, denn ihr verlieret euren Vetter auf ewig.
MARGARETHA. Ich soll dich verlieren? Ach! welch ein Unglück!
ALEXIS. Sehet sie künftig als eure Nichte an, ich bitte euch darum. Sie sollte es ja ohnehin werden.
MARGARETHA. Ich verspreche es dir.
ALEXIS. Wie hat sie aber nur zu diesem grausamen Scherze ihre Einwilligung geben können?
MARGARETHA. Sie wollte auch nicht darein willigen. Ich, sagte sie, wenn ich an seiner Stelle wäre, ich würde des Todes seyn. Aber die Frau Herzoginn hatte es befohlen, und ihr Vater und ich, wir haben sie dazu gezwungen.
HANNCHEN. Ja, und hernach sagte sie: Er wird es nicht glauben, er wird es nicht glauben.
ALEXIS. Es ist wahr, ich hätte es auch nicht glauben sollen.
BERTRAM. Ja, ja, das ist wohl wahr; du hättest es auch nicht glauben sollen.
ALEXIS. Gehet itzt, liebe Muhme, gehet und schicket mir den Johann Ludwig her. Wenn Louise – Wenn Louise mich noch sehen will, so führet sie hieher und verlasset sie nicht.
MARGARETHA. Ja, mein lieber Alexis.
ALEXIS. Versprechet es mir.
MARGARETHA. Ich schwöre es dir – O Himmel!
HANNCHEN, bey Seite zum Bertram. Wird es denn noch heute geschehen?
BERTRAM. Man sagt, um vier Uhr.
ALEXIS. Lebt wohl, liebe Muhme; lebe wohl, Bertram; lebe wohl, liebes Kind. Wem gehöret dieses Mädchen?
MARGARETHA. Dem Simon.
ALEXIS. Wie? Ist dieses das kleine Mädchen, die ich einmal dort gesehen habe? – Sie ist recht groß geworden. Grüsse deinen Vater, mein Kind. Lebt wohl, liebe Muhme.
MARGARETHA. Adieu, liebster Alexis.
BERTRAM. Nun, so lebe dann wohl.

Dritter Auftritt.

Crik, Alexis.

CRIK. Da ist eine Feder und auch Dinte. Die Feder ist gut, und da habt ihr auch Papier. Es ist für sechs Kreuzer; wer wird mir die bezahlen?
ALEXIS. Da habt ihr einen kleinen Thaler.
CRIK. Schon gut; ich will euch darauf herausgeben – ich will euch darauf herausgeben – doch, wißt ihr was? Ich will euch eine Maaß Wein dafür bringen. Da kömmt auch Himmelsturm.

Vierter Auftritt.

Alexis, Himmelsturm.

HIMMELSTURM. So. Itzt bin ich fertig. Aha! Ihr wollt schreiben. Ihr seyd recht glücklich. Ihr könnt schreiben? Himmel! Tausend Bomben und Granaten! Was bin ich für ein dummer Kerl!
ALEXIS. Was habt ihr vor?
HIMMELSTURM. Was ich habe? Den Teufel! den Teufel sage ich euch, weil ihr es wissen wollt. Was würdet ihr wohl von einem solchen Schurken, von einem solchen Schlingel, als ich bin, sagen? – Ausserdem bin ich aber doch ein ehrlicher Kerl. Wie, zum Element! schon vor fünf Jahren hätte ich die Brigade zu versehen bekommen, wenn ich lesen und schreiben könnte. Bey der Compagnie ist man unordentlich, man trinket mit dem einen, man säuft mit dem andern. Ich lasse mich mit Fleiß in das Stockhaus sperren, damit ich nur eine Viertelstunde zum lernen habe; und heute, heute, zum Teufel! hat Himmelsturm noch nichts gelernet.
ALEXIS. Nun, so lernet.
HIMMELSTURM. Ihr habt Recht. Da hat mir einer von meinen Cameraden eine Schreiberey gegeben. – O! ich bin schon weit; ich buchstabire schon.

Arie.

G, r, ü, n, grimm, g, e, r, ger, grimmger
Grimmiger, grimmiger,
S, ch, n, a, Sa, b, e, l, bel,
Sabel, grimmiger Sabel.

Verflucht, wer erfand
Diese Teufeleyen!
Eh ich noch gekannt
Solche Schmierereyen,
Satt ich schon Verstand.

Muß man buchstabiren
Und Papier verschmieren?
O! zum Henker! nein.
Man kann doch wohl schwärmen,
Saufen, tanzen, lärmen,
Und auch tapfer seyn.
ALEXIS. Camerad, könnt ihr nicht ein wenig sachter lernen?
HIMMELSTURM. Nein, sonst würde ich mich ja nicht hören. Ich will aber dort hinten hingehen. Er geht nach dem Grunde der Bühne zu.
ALEXIS. Ich danke euch.
HIMMELSTURM, kömmt wieder zurück. Wolltet ihr nicht, aber ohne euch beschwerlich zu fallen, wenn ihr da mit eurer Schreiberey fertig seyd, mir eine Zeile da hier herschreiben. Ich habe nur eine da ste hen, und die kann ich bald auswendig. Aber, ohne euch beschwerlich zu fallen.
ALEXIS. Von Herzen gern; wenn ihr wieder zurück kömmt.
HIMMELSTURM. O! da habt ihr noch Zeit.

Alexis, schreibt und hält zu Zeiten inne.

Arie.

Mir wärs ein süsser Trost, dich noch zu sehn,
Eh man mich zwingt, zum Tode hinzugehn.
Ach! deine mitleidsvollen Thränen,
Wie gern hätt ich dich noch gesehn,
Doch itzt seh ich nicht diese Thränen!
Auch ists mehr Trost, sie nicht zu sehn.
Wenn ich zum Tode geh, und dann des Volkes Menge
Voll Neugier auf mich Armen blickt,
Auch dann wird noch von dir mein sterbend Aug entzückt,
Wenn es dich trostlos mitten im Gedränge
Entdeckt, und, eh sichs schließt, den letzten Wunsch dir schickt.
Leb ewig wohl, und keine bittre Klage
Um meinen Tod verwunde mehr dein Herz.
Doch, ach! du kömmst noch nicht? Am Ende meiner Tage?
In deines Vaters Arm verliere sich dein Schmerz!
Jedoch du hörst es nicht, was ich dir sage!
Mir wärs ein süsser Trost, dich noch zu sehn,
Eh man mich zwingt, zum Tode hinzugehn.
HIMMELSTURM. Camerad, da ihr doch lesen und schreiben könnt, so werdet ihr mir auch wohl sagen können, was da hier auf diesem Papiere steht.
ALEXIS, nimmt das Papier und giebt es ihm wieder. »Ihr seyd ein Grünschnabel.«
HIMMELSTURM. Ein Grünschnabel! Was soll das heissen? Ein Grünschnabel? Der mögt ihr wohl selbst seyn, zum Henker! und ich will euch zeigen –

Himmelsturm hält ihm die Faust unter die Nase; Alexis hält ihn auf und stößt ihn vor die Brust, daß er zu Boden fällt. Crik kömmt auf den Lärmen hinzu und bringt Wein.

ALEXIS. Was das für Menschen sind!

Fünfter Auftritt.

Crik, Himmelsturm.

CRIK. Was giebt es denn hier? Was ist das für ein Lärmen? Ihr schlaget euch und ich habe geglaubet, ihr wolltet mit einander trinken.
HIMMELSTURM, wischt sich die Nase ab. Warte nur, zum Henker, das sollst du mir bezahlen. Himmelsturm ein Grünschnabel? Tausend Element! Teufel und Hölle! Ich ein Grünschnabel?
CRIK. Nun warum denn?
HIMMELSTURM. Er wird nicht ewig im Gefängniß bleiben. Er soll von Leder ziehen. – Ein Grünschnabel! Ein Grünschnabel! Zum Teufel, wenn er herauskömmt – Von Leder gezogen, Camerad, oder ich zerfetze dir das Gesicht.
CRIK. Das wird sich wohl verbieten.
HIMMELSTURM. Verbieten? Und warum denn das?
CRIK. In zwo Stunden wird er erschossen.
HIMMELSTURM. Ha! es ist wahr, ich dachte nicht mehr daran.
CRIK. Worüber habt ihr denn Händel mit einander bekommen? Ich habe geglaubet, ihr würdet mit einander trinken.
HIMMELSTURM. Ich war ganz höflich gegen ihn, weil er gelehrt ist; denn er kann lesen und schrei ben. Ich bin da in den Winkel hineingegangen, währender Zeit da er geschrieben hat. Als er fertig war, da habe ich ihm dieses Papier gegeben und gebeten, er möchte mir eine Stelle, die ich nicht recht lesen konnte, sagen; da hat er mir das Papier ins Gesicht geworfen und gesagt, ich wäre ein Grünschnabel.
CRIK. Da hat er Unrecht gehabt.
HIMMELSTURM, hebt das Papier von der Erde auf. Itzt sage mir einmal, was steht auf diesem Papiere?
CRIK. »Ihr seyd ein Grünschnabel.«
HIMMELSTURM. Ihr seyd –
CRIK. »Ihr seyd ein Grünschnabel.«
HIMMELSTURM. Auf diesem Papiere steht: Ihr seyd ein Grünschnabel?
CRIK. Ja.
HIMMELSTURM. Ein Grünschnabel! G, r, ü, n –
CRIK. Grün
HIMMELSTURM. S, ch, n, a –
CRIK. Schna – b, e, l, bel – Schnabel – Grünschnabel.
HIMMELSTURM. Wie? darauf steht nicht grimmiger Sabel?
CRIK. Zum Henker! darauf steht: »Ihr seyd ein »Grünschnabel.«
HIMMELSTURM. Auf diese Art hatte er doch nicht so gar Unrecht gehabt, daß er mir eine Ohrfeige gegeben hat. War es denn auch eine Ohrfeige?
CRIK. Das weiß ich nicht. Es muß doch aber so etwas gewesen seyn, weil du auf den Boden lagest.
HIMMELSTURM. Da kömmt Courchemin.

Sechster Auftritt.

Crik, Courchemin, Himmelsturm.

CRIK. Ey, willkommen, Courchemin!
COURCHEMIN. Guten Tag, Crik, guten Tag, Himmelsturm. Der Henker! wie bin ich so durstig; ich gäbe etwas darum, wenn ich ein Glas Wein hätte.
HIMMELSTURM. Da, hier hast du – Aber, wo kömmst du denn her?
COURCHEMIN, nachdem er getrunken. Ich danke dir – Ich bin in vollem Galop hieher geritten. Man hat mir befohlen zu eilen. Ich habe – Ich habe – Es ist mir entsetzlich warm. Er wischt sich den Schweiß vom Gesichte. Ich habe ein Mädchen laufen sehen, die hatte ihre Schuhe in der Hand und war ganz ausser Athem So geschwind habe ich noch niemand laufen gesehen. Sie sprang über Graben, über Hecken und Sträuche. Sie hatte gewiß mehr als einerley Sache im Kopfe.
CRIK. Was hast du denn hier zu thun?
COURCHEMIN. Ich habe dem Generalprofoß ein Paket gebracht.
CRIK. Ist der König im Lager?
COURCHEMIN. Ja.
HIMMELSTURM. Himmel tausend Bataillon –
CRIK. Was fehlt dir? Was hast du vor?
HIMMELSTURM. Wie, zum Teufel! der König ist im Lager, und Himmelsturm ist nicht dort.
COURCHEMIN. Du bist doch noch immer so närrisch, als du sonst warest.
HIMMELSTURM. Der König ist im Lager und Himmelsturm ist nicht dort. Tausend Bomben und Granaten! Himmelsturm hat den König nicht gesehen; itzt will ich in meinem Leben nicht mehr studiren. Er zerreißt das Papier.
CRIK. Was giebt es Neues im Lager?
HIMMELSTURM. Verdammt –
COURCHEMIN. Ey, so schweig dann! Das Neueste ist die Geschichte von einem jungen Mädchen.
CRIK. Von einem Mädchen?
HIMMELSTURM. Von einem Mädchen? Was ist es denn? Sage es –
COURCHEMIN. Wartet nur, bis ich mich darauf besinne.

Arie.

COURCHEMIN.
Der König kömmt, die Trommel tönt
Durchs Lager her; ein junges Mädchen eilet
Durch das Gedränge; rufet laut und eilt herbey.
Fällt zitternd hin und weint. Der Prinz verweilet;
Man hört sie an, man weiß nicht, was es sey.
Da hört ich schnell den Lärm sich stillen,
Drauf ein Geschrey das ganze Lager füllen:
Der König leb! der König leb!

Recitativ.

Wie man erzählt, so hat sie so gesprochen:

Arie.

»Ich liebe ihn und, hat er was verbrochen,
»So gebe man auch mir den Tod.
Doch, nein, er leb und werde losgesprochen,
Und es sey mein, das Schicksal, das ihm droht!
Was kann mein Fleiß der Erde länger nützen,
Mein Arm ist doch zum Feldbau nicht geschickt;
Alexis Fleiß kann meinen Vater stützen,
Den schon die Last des Alters niederdrückt.«

Recitativ.

Selbst alten Kriegern sah ich Thränen im Gesicht.
Nur unser König weinte nicht.
Man glaubt indeß gewiß, die Gnad sey ihm gewährt.
HIMMELSTURM. Nun weiter?
CRIK. Nun?
COURCHEMIN. Du hasts gehört.
HIMMELSTURM. Nun was?
COURCHEMIN. So will ichs dann noch einmal dir erzählen:

Arie.

Der König kömmt, die Trommel tönt etc.
HIMMELSTURM. Und der Tambour schlug: Ins Gewehr?
CRIK. Und hat man sie nicht ins Gefängniß geschickt?
COURCHEMIN. Warum nicht gar ins Gefängniß? Man glaubt vielmehr, ihr Bräutigam habe Gnade bekommen; denn man hat ihr ein Papier gegeben.
HIMMELSTURM. Was war das für ein Papier?
COURCHEMIN. Weiß ich es? Aber es waren viele vornehme Herren da, die ihr Gold und Silber in ihre Schürze warfen.
CRIK. Gold und Silber?
COURCHEMIN. Ja, und wißt ihr, was sie damit gemacht hat?
CRIK. Was denn?
COURCHEMIN. Sie hat alles auf die Erde geworfen; sie sagte, es würde sie nur im Laufen hindern.
HIMMELSTURM. Das muß also recht schwer gewesen seyn.
CRIK. Sie hätte das Geld auf die Erde geworfen?
COURCHEMIN. Ja, sage ich dir.
CRIK. O! so schweig mit deinen Mährchen. Sie wird wohl das Geld auf die Erde werfen. Geh, du machest uns etwas weis.
COURCHEMIN. Und wenn es nun die Gnade für den Deserteur wäre, den wir gestern eingebracht haben?
HIMMELSTURM. O! das wollte ich! das wollte ich! Wir würden uns einander die Hälse brechen.
CRIK. Des Streites wegen, den ihr mit einander hattet?
HIMMELSTURM. Nicht anders.
CRIK. Schweig du doch mit deinem Streite, oder ich werde einen mit dir anfangen.

Man höret die Trommel.

COURCHEMIN. Was höre ich?
CRIK. Es ist Apell. Es muß etwas Neues geben.
HIMMELSTURM. Wir wollen sehen, was es giebt. Sie gehen ab.

Siebenter Auftritt.

ALEXIS, allein.

Arie.

Man drängte sich, um mich zu sehen,
Ich sah schon die Wache stehen,
Wer Unglück hat, findet keinen Freund!
Louise! – Ach! – Wie mir der Tod so schrecklich scheint!
Mein Auge schließt sich bald und soll sie nicht mehr sehen!
Sie nicht mehr sehn? – Louise? – nein!
Des Todes Leiden auszustehen,
Wird mir, o Theureste! dein Anblick Lindrung seyn.
Noch gestern, o! mit welchen Freuden
Eilt ich, ich lief dem Tode zu;
Warum sucht itzt, bestürmt von Leiden,
Mein banges Herz vergebens Ruh?
Mein Auge schließt sich bald, und soll sie nicht mehr sehen,
Sie nicht mehr sehn? – Louise! – Nein!
Des Todes Leiden auszustehen,
Wird mir, o Theureste! dein Anblick Lindrung seyn.

Achter Auftritt.

Himmelsturm, Alexis.

HIMMELSTURM, mit der Weinkanne und dem Becher in der Hand. Ha, ha! da bist du ja; da bist du. Ich habe dich gesucht. Itzt ist es Zeit, herzhaft zu seyn.
ALEXIS. Wie so? Himmelsturm!
HIMMELSTURM, schenkt ihm ein. Man kömmt, dich abzuholen. Trink das; trink das, sage ich dir. Das ist das Soldatenherz. Ich habe geglaubt, du hättest Pardon; aber es ist nichts.
ALEXIS. Man kömmt, mich abzuholen?
HIMMELSTURM. Ja, trink das.
ALEXIS. Ich danke dir. – Ach! Louise!
HIMMELSTURM. Du erinnerst dich doch noch an den Streit, den wir vorhin mit einander hatten? Nun, ich vergebe dir alles; stirb ruhig. Ich hatte Unrecht. Trink doch nur dieß; ich bitte dich darum, schlage mir es nicht ab. Dieß wird der letzte Wein seyn, den du trinken wirst.
ALEXIS. So gieb her. Er nimmt den Becher. Auf deine Gesundheit und um mich zu bedanken.
HIMMELSTURM. Armer junger Mensch! Noch eins, ich bitte dich.
ALEXIS. Ich danke dir. – Himmelsturm! willst du mir eine Gefälligkeit erzeigen?
HIMMELSTURM. Und was denn?
ALEXIS. Darf ich mich auf dich verlassen?
HIMMELSTURM. Auf mich? Bey Leben und Tod.
ALEXIS. Versprich mir, daß du diesen Brief bestellen willst.
HIMMELSTURM. Ja, ich will gleich gehen.
ALEXIS. Du kannst ja nicht, du bist ja im Gefängniß.
HIMMELSTURM. Es ist wahr; ich komme aber noch heute los.
ALEXIS. Es wird ein Invalide, Namens Johann Ludwig kommen; dem gieb entweder diesen Brief, oder bestelle ihn selbst.
HIMMELSTURM. Ich will auf der Stelle sterben, wenn ich ihn nicht richtig bestelle. Haha! da kommen sie, die Hunde! die Mörder! Ich glaube, bey meiner Seele, ich könnte mich an seiner Stelle todtschiessen lassen.
ALEXIS. Lebe wohl, Himmelsturm!
HIMMELSTURM. Laß dich umarmen.
ALEXIS. Wenn das junge Mädchen wieder kömmt, das heute früh hier war, so sage ihr, so sage ihr, daß ich bis auf den letzten Augenblick an sie gedacht habe.
HIMMELSTURM. Braver junger Mensch! – Meine Freunde, meine Cameraden! verfehlt ihn nur nicht.

Neunter Auftritt.

Alexis, Himmelsturm, Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten.

ALEXIS. Ihr kommt, mich abzuholen – Wenn jemand – Himmel! sie ist es!

Zehnter Auftritt.

Louise, die Vorigen.

Louise hat die Schuhe in der Hand und ihre Haare sind in Unordnung. Sie sagt weiter nichts, als: Alexis! deine – und fällt ohnmächtig in seine Arme. Er setzet sie auf einen Stut hin, wo sie ohne Empfindung und in der Stellung einer Ohnmächtigen bleibt.

ALEXIS.

Arie.

Leb wohl, Louise, lebe wohl!
Des Lebens bestes Glück wird dir der Himmel schenken.
Nur dieß, dieß macht mich Trostes voll.
Hör auf anitzt dein Herz noch mehr zu kränken.
O! warum tödtet mich doch Schmerz und Liebe nicht!
Hier in Louisens Arm säh ich den Tod mit Freuden.
Doch muthig sterben ist mir Pflicht.

Zu den Soldaten.

Kommt! Freunde, endigt meine Leiden!
Entreißt mich diesem Ort, er ist zu schreckensvoll.
Leb wohl, Louise, lebe wohl!

Eilfter Auftritt.

LOUISE, allein, die nach und nach wieder zu sich kömmt.

Recitativ.

Wo bin ich! – Gott! zu neuem Schmerz erwacht!
War das noch nicht der Tod? – Von aller Welt verlassen!
Und wer hat mich an diesen Ort gebracht? –
Ich fühls, wie mich des Todes Schrecken fassen!
Mein Glück war also nur ein Traum?
Es hält mein schwacher Fuß mich kaum. –
Doch ja, ihm ist gewiß vergeben,
Der König sagt es, er soll leben –
Dieß muß hier sein Gefängniß seyn.
Hier war es, wo er mit mir sprach –

Man höret hinter der Bühne schreyen: Es lebe der König! Louise reißt das Papier, worauf die Gnade für den Alexis unterzeichnet ist, aus ihrem Busen.

Was hör ich? – Ach! ich folg ihm nach –
Dieß Papier – o Gott! ich folg ihm nach.

Zwölfter Auftritt.

Margaretha, Johann Ludwig.

Arie.

MARGARETHA.
Louise! Louise! ach! er hat Gnade!
JOHANN LUDWIG.
Ja, er hat Gnade; ja, er hat Gnade.
Liebste Tochter! ja, er hat Gnade.

Dreyzehnter Auftritt.

Die Schaubühne wird verändert und stellet einen öffentlichen Platz vor. Man erblickt eine Menge Soldaten unter Gewehr. Alexis steht in der Mitte, von einer Menge Menschen umgeben, durch die er sich zu drängen sucht. Zween Soldaten halten ihn, indem er sich vergeblich bemühet, loszukommen.

ALEXIS.

Arie.

Ach! lasset mich doch gehn,
Sie sehn!
Geht, eilt und helft, sie möchte sonst erblassen;
Ich hab sie sterbend dort verlassen.
Ach! lasset mich doch gehn,
Sie sehn!

Während der Zeit, da der Tambour schlägt und die Soldaten abmarschiren, ruft das Volk: Es lebe der König!

Vierzehnter Auftritt.

Johann Ludwig, Margaretha, Alexis.

Arie.

JOHANN LUDWIG, umarmt den Alexis.
Komm, mein Freund, laß dich umarmen.
MARGARETHA, umarmt den Alexis.
Vetter! komm laß dich umarmen.
ALEXIS.
Ach! lasset mich doch gehn,
Sie sehn!
Geht, eilt, sie möchte sonst erblassen.
ALEXIS, JOHANN LUDWIG, MARGARETHA, DAS VOLK.
Da ist sie! da ist sie!

Fünfzehnter und letzter Auftritt.

Louise, Alexis, Bertram, Himmelsturm, Hannchen, Margaretha, das Volk und die Soldaten, die abmarschiren.

ALEXIS. Ach! Louise!
LOUISE. Alexis! Sie umarmen einander und bleiben einige Augenblicke in dieser Stellung.

Arie.

DAS VOLK.
Ach! vergesset alle Schmerzen,
Lebt der Freude, scherzt und lacht;
Euer Glück rührt unsre Herzen,
Weil es uns mit glücklich macht.
Der König leb! etc.
BERTRAM.
Wo sind sie? Laßt mich gehn,
Sie zu sehn.

Er umarmt den Alexis.

HIMMELSTURM.
Wo sind sie? Laßt mich gehn,
Sie zu sehn.
HANNCHEN.
Wie viel Leiden, euch zu kränken,
Folgten meinem Unbedacht!
Daran werd ich ewig denken,
Was ich euch für Schmerz gemacht.
DAS VOLK.
Ach! vergesset alle Schmerzen etc.
JOHANN LUDWIG.
Tochter! dich hab ich geliebet,
Und war Schuld an deiner Pein.
MARGARETHA.
Jeder Tag, den Gott uns giebet,
Soll nur euch gewidmet seyn.
DAS VOLK.
Ach! vergesset alle Schmerzen etc.
ALEXIS, zur Louise.
Nein, ich schätze nicht mein Leben,
Wenn es dich nicht glücklich macht.
LOUISE, zum Alexis.
Du hast mir dein Herz gegeben,
Meines Leichtsinns ungeacht.
HIMMELSTURM, zum Alexis.
Wie belohnt für alle Leiden,
Freund, dich dieser Augenblick!
Neidenswerth sind deine Freuden,
Neidenswerth dein Muth, dein Glück!
DAS VOLK.
Ach! vergesset alle Schmerzen etc.
ALEXIS UND LOUISE.
Laß uns itzt der Freude leben,
Denk an keinen Gram zurück;
Zärtlichkeit und Liebe geben
Uns der Erde bestes Glück.
DAS VOLK.
Welch ein Glück! Ihm ist vergeben,
Unser aller ist dieß Glück.
Der König leb! etc.