Saverio Mercadante
Gabriele von Vergy
Oper in zwei Akten
Personen
Philipp August, König von Frankreich
Fayel, Graf von Vermand
Gabriele von Vergy
Raoul von Coucy
Almeide, Schwester Fayels
Armand
Chöre, und stumme Personen
Ritter, Damen, Pagen, königliche Wachen
Die Handlung ist im Schlosse des Grafen Fayel in Burgund.
Erster Akt.
Erste Scene.
Saal im Schlosse.
Almeide, Chor der Ritter, später Fayel.
CHOR.
Auf, erwacht auf’s Neu‘, ihr Triebe
Holder Freude, süßer Lust:
Furcht und Argwohn scheuch‘ o Liebe
Endlich du aus jeder Brust.
So viel sehnendem Verlangen
Lächelt endlich Hymens Blick;
Mag sein Band zu reinstem Glück
Bald zwei Herzen fest umfangen. –
Schaut, Er naht sich uns’rer Mitte,
Schwer das Herz vom bitt’ren Leide,
Starren Blicks, mit mattem Schritte,
Als ob jede Hoffnung scheide,
Als ob Alles um ihn her
Schrecken künde nur und Schmerzen:
Kehrt denn nimmer Freude mehr
Wieder seinem kranken Herzen?
FAYEL.
Wie, Freude? Wär‘ sie mir kein leerer Wahn?
Kann sie der Brust des Unglücksel’gen nah’n,
In dem der Leidenschaften wilder Streit
Zu tausend Malen furchtbar sich erneut.
Nein, nimmer grüßest Du, o Friede, mild
Ihn, dessen Busen herbe Qual erfüllt.
So linderst Du auch niemals wohl mein Leid!
Wär’s wahr, der Liebe Stimme, Gabriele,
Sie spräche jetzt für mich in Deiner Seele?
Und doch umsonst! – wenn es als Lüg‘ erscheint,
Daß er gestorben, mein verhaßter Feind.
O fürchte Weib den zu gereizten Schmerz!
Ha, wahrlich, tief erbeben soll Dein Herz!
Zu schwer ist meine Kränkung! Lang verhöhnt,
Wird Liebe glüh’nder Haß, den Nichts versöhnt.
Hab‘ Acht, ich werde seine Flammen kühlen
In unbegrenzter Rache Lustgefühlen.
CHOR.
Er rast, er wüthet, schaut ihn an, o Schrecken!
Was mag so zügellose Wuth erwecken!
FAYEL.
Ich fühle voll Entsetzen euch, Gedanken,
Verwirrt vom schweren Kampfe, unstät schwanken.
Steht Götter der bedrängten Seele bei,
Daß sie nicht Opfer ihrer Qualen sei!
Weh! mir entrissen hat Ein Augenblick
Des ganzen Lebens höchstes Gut und Glück.
ALMEIDE UND CHOR.
Laß nicht jede Hoffnung wanken:
Liebe winkt Dir doch am Ziel!
Schüchternheit nur hielt in Schranken
Gabrielens still Gefühl.
FAYEL.
Leerer Wahn! ….
ALMEIDE.
Dich täuscht der Schein.
FAYEL.
Ach, sie haßt mich!
ALMEIDE.
Bruder, nein!
FAYEL.
O, umsonst schont ihr die Wunde,
Blutend in des Herzens Grunde!
Könnt‘ ich, mir zum Trost doch wähnen:
Düst’ren Traumes Spiel zu sein;
Dürst‘ ich nur mein tiefes Sehnen,
Meines Herzens Glut ihr weih’n:
Liebe stillte dann die Thränen
Meiner unermess’nen Pein!
CHOR.
Trock’ne endlich Deine Thränen!
Liebe wird Dir günstig sein.
ALMEIDE.
Und willst Du stets die Deinen denn betrüben?
Willst grausam bleiben gegen uns und Dich?
FAYEL.
Verschmäht doch Gabriele mich zu lieben,
Ist sie doch unerbittlich gegen mich!
ALMEIDE.
Halt ein! Denk‘ ihre Tugend ist zu groß –
FAYEL.
O Gott! Du sprichst von jeder Schuld sie los?
Wie, ist es sie, die Undankbare nicht,
Die meine Blicke flieht, von Pflicht nur spricht?
Noch nie von Liebe sprach mir Gabriele,
Kein Zweifel mehr, tief haßt mich ihre Seele!
Zweite Scene.
Armand, die Vorigen.
ARMAND.
Herr, König Philipps Bote harret Dein!
FAYEL.
Des Königs? Was begehrt er, laß ihn ein!
Dritte Scene.
Die Vorigen.
Ein Bote, welcher ein Blatt bringt.
FAYEL liest.
Ha! Ruhm und Ehre wartet meiner heute!
In diesen Mauern will der König ruh’n!
Auf, auf! daß Alles eifrig man bereite,
Dem Herrscher uns’re Freude kund zu thun!
Entgegen zieh’n dem König wir zur Stunde:
Bring’t Gabrielen rasch die frohe Kunde!
Im Waffenglanz soll Philipp beim Empfang
Die Kriegerschaar und ihre Führer finden;
Und weithin soll des Rufes Jubelklang
Den hochwillkomm’nen Ehrentag verkünden!
Alle gehen ab.
Vierte Scene.
Garten, man sieht einen Theil des Schlosses.
RAOUL allein.
Mein Schicksal führt mich, Jedem unbekannt,
Zu dem verhaßten Schloß, in ihre Nähe.
Sie soll ich schau’n! Ha! sterb‘ ich nicht vor Wehe,
Fall ich zur Seite ihr durch Frevler-Hand …
Wer zückt auf mich den mörderischen Stahl?
Er, Fayel, der Verräther, ihr Gemahl!
Du Gabriele, die ich mir erwählt –
Vernichtender Gedanke – Du vermählt!
O Gott, so vielen Stürmen preis gegeben,
Wie hart ist mein Geschick, wie schwer mein Leben!
Unglücklicher! so wird sich denn entscheiden
Mein Loos, das sich so feindlich mir bewies;
Doch fühlt nur Mitleid Sie mit meinen Leiden,
Dann scheint mir selbst der herbe Tod noch süß.
Bewahrt der Himmel mir des Lebens Gabe,
So bleibt sie durch der Seele Bande mein;
Und sterb‘ ich, dann wird meinem stillen Grabe
Der Thränen Zoll die Heiß-Geliebte weih’n.
Ha! schon durchflammt gerechten Zornes Feuer
Mein stürmisch Herz, und gönnt ihm nimmer Rast;
Des Frechen Weib ist sie, die mir so theuer!
Von meines Feindes Arm ist sie umfaßt.
Doch ihre heißen Zähren werden fließen,
Wenn sie vernimmt, daß Raoul für sie starb;
Mein letztes Wort soll noch die Theure grüßen
Mit einem Laut, der leis‘ um Liebe warb.
Lind sei der Seufzer, der ihr sagt mein Sehnen,
Daß er sich senke schmeichelnd ihr in’s Herz!
Ja, noch in treuer Liebe leisen Tönen
Soll sich ergießen selbst mein herber Schmerz!
Zieht sich zurück.
Fünfte Scene.
Chor der Damen, Gabriele.
CHOR.
Nie begrüßt uns, lang‘ entbehrt,
Der ersehnte Tag der Freude;
Wenn sich stets von düsterm Leide,
Holde, Deine Seele nährt.
Hoffnung mahlt umsonst Dir nur
Heit’rer Liebe Sonnenschimmer,
Gabriele lauschte nimmer
Frch der Sehnsucht heißem Schwur.
Wenn, gleich günst’ger Sterne Schein,
Lächelnd winkt des Brauttag’s Feier:
Warum trübt der Thränen Schleier
Dir den Blick, sonst klar und rein?
Doch uns strahlt Dein Angesicht,
Trotz des Zorns der Schicksalsmächte,
Wie der Mond durch Wolkennächte,
Wie durch Sturm der Sterne Licht.
GABRIELE.
Habt Theure Dank, doch laßt mich jetzt allein,
Mit Eurem Schmerz zugleich flieht meine Pein.
Die Damengehen ab.
Sechste Scene.
Gabriele, später der Chor der Ritter.
GABRIELE.
Ich bin allein, doch sei kein Kummerlaut,
Kein Seufzer diesen Wänden leis‘ vertraut,
Allein mein Herz mahnt, und es mehrt die Schmerzen
Gönnt‘ ich Erguß nicht meinem bangen Herzen.
Wo weilst Du, Raoul, Dich nahm mir er Tod,
Und mit Dir meines Daseins Seligkeiten;
Weißt Du, welch grausam Schicksal mich bedroht,
Welch Wehe Hymens Fesseln mir bereiten!
Ach Hymens! darf ich da wohl Frieden hoffen?
Für Dich allein geboren wähnt‘ ich mich!
Nur Du sahst meine ganze Seele offen,
Der Liebe Nektar kannt‘ ich nur durch Dich! –
Er ward zu Gift mir. Wehe mir, vergebens
Erfleh‘ ich Aermste einen Augenblick
Des ewig mir entschwund’nen Wonnelebens:
Nicht Blick noch Wort des Theuren kehrt zurück!
Du des Hochentzückens Beben,
Erster Liebe reinste Lust,
Du verklärtest einst mein Leben,
Dich weckt‘ Er in meiner Brust.
Gern vernahm der treue Freund,
Innig oft mit mir vereint,
Keuscher Liebe süße Lehre;
Ihm floß jede Wonnezähre,
Die ich selig je geweint.
Eitler Traum! warum wir mahlen
Tage, die nie wieder blüh’n;
Flieh‘, Du mehrest nur die Qualen,
Die mein Inn’res tief durchglüh’n;
Du, mein unbezwinglich Sehnen,
Ströme aus in Wehmuthsthränen
CHOR.
Der König naht: es sendet Dein Gemahl
Durch uns, Dir Herrin, die willkommene Kunde;
Entwölke nur auf eine flüchtige Stunde,
Der zährenfeuchten Augen sanften Strahl.
Ein freundlich Lächeln nur der holden Blicke,
Gewähr‘ der Freude und dem Liebesglücke.
GABRIELE.
Ha, welch‘ ein sündlichflammendes Begehren
Erfüllt unwiderstehlich mir das Herz,
Der König naht! Doch namenloser Schmerz,
Der Treugeliebte wird nie wiederkehren.
CHOR.
Komm, komm!
GABRIELE.
So laßt uns gehn!
CHOR.
Längst harrt man Dein.
GABRIELE.
O Himmel schenk‘ Erbarmen meiner Pein!
Säh‘ in solchem Schicksals Drang
Raoul seine Gabriele,
O, dann theilte seine Seele
Meine Leiden schmerzensbang.
Eine Zähre warm und mild
Würd‘ in seinem Aug‘ ich schauen,
Und von Hoffnung und Vertrauen
Wäre neu mein Herz erfüllt.
Der Chor geht ab.
Siebente Scene.
Gabriele, Raoul, zuerst ungesehen.
GABRIELE.
O Schwärmerei! mein Liebling hört mich nicht,
Nein, nein, selbst meiner Neigung reines Feuer
Entflammt nicht in der Asche, mir so theuer,
Des längst erstorb’nen Lebens holdes Licht.
Ach, dürft‘ ich nur mit stillen Thränen netzen
Den Stein, das Grab, wo seine Hülle ruh’t.
RAOUL.
(Ha, was vernimmt mein lauschend Ohr – Entsetzen!
Sie blieb mir treu – Der Lüge Frevelmuth
Gab man sie Preis -)
GABRIELE.
O wisse nie, mein Freund,
Daß Gabriel‘ in fremden Armen weint.
RAOUL.
(Nein, nein, ich kann nicht länger widerstreben.)
GABRIELE.
Mein Raoul!
RAOUL.
Nimmer laß ich Dich mein Leben
Eh‘ sterben –
GABRIELE.
Gott, Du lebst, Du bist mir nah‘
RAOUL.
Ich lebe Dir, und glüh’nder Rache, ja!
GABRIELE.
Doch das Gericht …….
RAOUL.
Es brachte falsche Kunde
GABRIELE.
Du bist …..
RAOUL.
Gekommen noch zur rechter Stunde
Mein Recht begehr‘ ich, rächen will ich Dich.
GABRIELE.
Raoul, kein täuschend Traumbild bist Du? sprich?
O seliger Tag,
Genaht zu beglücken,
Mein jauchend Entzücken
Malt Wort nicht, noch Blick.
So lächelt nun doch
Noch einmal hienieden
Ein Strahl mir von Frieden,
Von Liebe und Glück.
RAOUL.
Beim Rufe des Mars,
Im Waffengewühle
Beherrscht die Gefühle
Der Ruhm nur der Schlacht.
Doch Trost hat allein,
Im wechselnden Leben,
Mir Hoffnung gegeben,
Mir Liebe gebracht.
GABRIELE.
Gott! woran mahnst Du mich!
RAOUL.
An Deine Eide.
GABRIELE.
Ach, nicht mehr wage ich …
RAOUL.
Denk‘, was ich leide.
GABRIELE.
Ich Aermste muß …
RAOUL.
Halt ein!
GABRIELE.
Glaub mir das Opfer sein …
RAOUL.
Das dem Verrath erliegt,
GABRIELE.
Das wild der Schmerz besiegt,
BEIDE.
Wer fühlt bei berb’stem Mißgeschick,
Die heiße Thräne nicht im Blick,
O, kannst Du, Himmel, sie versagen
Den Aermsten, die solch‘ Weh ertragen?
GABRIELE.
Entfliehe.
RAOUL.
Dich meiden?
Nein, nein.
GABRIELE.
Laß uns scheiden
Enteile.
RAOUL.
Ich weile.
GABRIELE.
Flieh’n heißt meine Ehre Dich.
RAOUL.
Weilen heißt die Liebe mich.
BEIDE.
Nach langer Trennung Gramestagen,
Die Heißgeliebte / Den Heißgeliebten wiederseh’n,
Ihr / Ihm neu des Herzens Gluth gesteh’n
Und dann, o Gott, sich trauernd sagen:
Bald wird das höchste Glück, das dein,
Der schnöden Lüge Opfer sein!
Des strengen Schicksals Opfer sein
Solch‘ unersetzlicher Verlust
Erfüllt mit Folterqual die Brust.
Sie gehen ab.
Achte Scene.
Saal wie in der ersten Scene.
Chor der Ritter und Damen nachher Philipp, Fayel, Raoul und Wachen.
CHOR.
Ihr Alle an des großen Helden Seite,
Um deren Haupt des Lorbeers Kränze blüh’n,
Verweilt, daß dankbar Freundes Hand Euch heute
Versüße fröhlich die getrag’nen Müh’n.
Ja Ihr, dem Großen, Mächtigen zur Seite,
Durch dessen Ruhm Euch Ehrenkränze blüh’n:
Verweilt, daß dankbar Freundes Hand Euch heute
Versüße fröhlich die getragenen Müh’n.
Die schönste Frucht von Euren Siegen allen,
Den Frieden schenkt Ihr uns zum Eigenthum.
Zum König der eintritt.
Laut, bei der schmetternden Drommeten Schallen,
Die allen Ländern künden Deinen Ruhm,
Jauchzt uns’res Herzens Stimme, treu und wahr:
Heil August, unserm König, immerdar!
O nimmer schwinde dieses Tages Sonne,
Die segnend ihre Strahlen niedersenkt,
Wenn Allen uns, zum Stolze wie zur Wonne,
Heut seine Huld der Helden größ’ster schenkt.
FAYEL zu Philipp.
Herr, sieh die Meinen hier zu Deinen Füßen
RAOUL.
Ha Gabriele!
PHILIPP.
Froh will ich sie grüßen
Mit gleicher Lieb‘ wie Dich. Herbei! herbei!
RAOUL.
O bange Stunde –
FAYEL.
(O, Verrätherei.)
Neunte Scene.
Gabriele, Almeide, die Vorigen.
GABRIELE.
Mein hoher Herr,
ALMEIDE.
Rimm unserer Treue Eid.
PHILIPP.
Steht auf! wohl lernt‘ ich seinen Werth ermessen,
Grub ihn ins Herz, und werd‘ ihn nie vergessen
GABRIELE Raoul bemerkend.
(Raoul!)
FAYEL.
(Ha, sie erbebt!)
GABRIELE.
(O herbes Leid.)
PHILIPP.
Graf! endlich ist sie da, die Stunde
Wo, Raoul winkt der Lohn der Müh’n:
So fordr‘ ich denn zum Ehebunde,
Heut Deiner Schwester Hand für ihn. –
GABRIELE.
(Was sagt er?)
RAOUL.
(Gott, was fordert er von mir!)
ALMEIDE.
(O hoch willkomm’ne Gunft, Er mein Gemahl!)
PHILIPP.
Und Raoul schweigt?
FAYEL.
Herr, gern gehorch‘ ich Dir.
Zu Raoul.
Hier Ritter Deine Braut.
ALMEIDE.
(Erwünschte Wahl.)
FAYEL.
Du zögerst? – Ich versteh!
PHILIPP.
Was ist gescheh’n?
FAYEL.
Folg‘ mir, mein Fürst, ich will es Dir gesteh’n.
Sie gehen ab.
Zehnte Scene.
Gallerie mit hohen Fenstern.
Gabriele, dann Raoul, zuletzt Fayel.
GABRIELE.
Gott, tausend Qualen herben Mißgeschick’s
Bringt mir die Dauer eines Augenblick’s!
Doch, sei es, auch im Kampf der Leidenschaft
Verleiht die Tugend mir zum Siege Kraft.
Ich muß entflieh’n, er naht.
Als sie Raoul erblickt, will sie fliehen.
RAOUL.
Mein Leben, weile,
Du rufst mich, und entfliehst? – –
GABRIELE.
Ich, nein – enteile. –
Von dieser Schwelle bannt Dich meine Ehre.
RAOUL.
Doch Gabriele Dein Gebot – Dein Wink –
GABRIELE.
Gott! Fasse Dich; was auch Dein Herz entbehre,
Mit Almeiden wechs’le Schwur und Ring.
RAOUL.
Weh mir! von Deinen Lippen glaubt ich nimmer
Zu hören – –
GABRIELE.
Ach, der Ehre Stimme spricht,
Was sie geboten auch, ihr folgt‘ ich immer
So zürne nicht.
RAOUL.
O Tyrannei der Pflicht!
GABRIELE.
Gehorch‘ ihr, geh: uns liebend zu vereinen
Ist uns versagt, such‘ neuer Liebe Glück,
Und muß ich treulos auch vor Dir erscheinen,
So trägt die Schuld des Treubruchs das Geschick.
RAOUL.
Wie, Undankbare, so soll ich Dir gleichen?
War ich nicht ganz mit Sinn und Seele Dein?
Ob Lieb‘ und Treu‘ auch Deiner Brust entweichen,
Ich wahre Dir sie fleckenlos und rein.
GABRIELE.
O, hab‘ Erbarmen doch mit meinen Schmerzen,
RAOUL.
Bedenk‘ es wohl, mich tödtet Dein Gebot.
GABRIELE.
Wie? lesen kannst Du tief in meinem Herzen,
Und schaust es nicht verwundet bis zum Tod?
RAOUL.
So liebst Du treu mich noch?
GABRIELE.
Gieb nach, versprich. –
RAOUL.
Du hassest mich?
GABRIELE.
Ich fleh‘, entferne Dich.
RAOUL.
So wolle denn, mein Leben, nur mir sagen –
GABRIELE.
Flieh, meine heißen Thränen magst Du fragen,
Ob ich geliebt Dich? Glück Du bist dahin!
FAYEL hervorstürzend.
Treulose.
GABRIELE UND RAOUL.
Himmel!
FAYEL.
Ha! Verrätherin,
Unwürd’ge! Eure Schmach
Kommt endlich an den Tag.
Zu Gabriele.
Vernichten soll der Schmerz
Dein mitleidsloses Herz.
GABRIELE.
Gott, wer wird Schutz mir leih’n
Im Drange der Gefahren!
RAOUL ZU FAYEL.
Dies Leben, es ist mein,
Ich will es kühn mir wahren
FAYEL ZUR GABRIELE.
Vernichten soll der Schmerz,
Dein mitleidsloses Herz.
RAOUL UND FAYEL.
Euch höllische Dämonen
Fühl‘ ich im Herzen wohnen,
Ihr überströmt die Brust,
Mit giftigen Haffes Luft.
Schürt an des Zornes Glut,
Schreit rasend: Rache! Blut! –
GABRIELE.
O züg’le Deine Wuth: denn Gabriele
Hat nicht gebrochen Dir der Gattin Schwur,
Nicht schuldig bin ich, nein, unglücklich nur,
Vertrau‘ dem tiefen Schmerze meiner Seele.
RAOUL.
Dies Leben es ist mein,
Ich werd‘ es kühn mir wahren.
FAYEL.
Ha, bald sollt ihr erfahren,
Wie Rache straft durch Pein.
Eilfte Scene.
Philipp, Almeide, Armand und Chor.
ALLE.
Halt, bleibt.
PHILIPP.
Ha! Raoul, Du kannst so verletzen?
CHOR.
O Schmach!
RAOUL.
O Wuth!
ALLE.
Weh‘, uns ergreift Entsetzen!
FAYEL, GABRIELE, RAOUL.
Der wilde Kampf der Brust
Er scheucht das Wort vom Munde;
Tief in des Herzens Grunde
Ras’t er, mit Furien-Lust.
FAYEL.
Rache! Rache solcher Schmach
Fordern laut der Ehre Triebe,
Er, der Todfeind meiner Liebe; –
Sie, die mir die Treue brach! –
Ha! zu kühlen meine Wuth
Fließe rings in Strömen Blut
PHILIPP.
Bezwing’t die Wuth
Zu Fayel.
Dem König
schenk‘ Vertrauen
Mich leiten wird nur die Gerechtigkeit;
Dem Schuld’gen möge vor der Strafe grauen,
Denn dem Verderben ist sein Haupt geweiht.
GABRIELE.
O mein Gemahl –
FAYEL.
Hinweg Verbrecherin!
GABRIELE.
Ich bin nicht strafbar,
FAYEL.
Falsche, fahre hin.
GABRIELE UND ALMEIDE.
O grauser Muth!
RAOUL UND FAYEL.
Blut fordr‘ ich Blut!
PHILIPP UND ARMAND.
O welche Wuth!
RAOUL.
Du, der grausam seine Wonnen
Sucht in schnöder Rache That,
Fallen werd‘ ich, doch als Opfer
Heil’ger Treu, frmd dem Verrath.
FAYEL.
Ehrvergeß’ner, der ersonnen
Schwarzen, schändlichen Verrath;
Fallen wirst Du, doch als Opfer
Deiner schnöden Frevelthat.
GABRIELE UND ALMEIDE.
Welch‘ ein Aufruhr der Gefühle!
Welch‘ ein unermeßlich Leid!
Himmel, Du hast keine Blitze
Für mich Aermste, mehr bereit.
ALLE.
In der Brust, mit grausem Spiele,
Wüthet der Vernichtung Streit;
Ringsum schlendern ihre Blitze,
Wuth, Haß, Unversöhnlichkeit!
Ende des ersten Akts.
Zweiter Akt.
Erste Scene.
Gallerie wie im ersten Akt.
Fayel und Raoul.
RAOUL.
Wohlan, was zauderst Du? Hinaus zum Kämpfen!
Sind Schwert und Waffenplatz noch nicht bereit?
So drängt es mich, des Zornes Gluth zu dämpfen,
Im Blut des Räubers meiner Seeligkeit,
Daß ich beginnen möchte hier den Streit.
FAYEL.
Kannst Du es läugnen noch mit frechem Muth
Daß Du Verrath getragen in der Seele,
Als am Altare mein ward Gabriele,
Da war mir fremd noch ihres Busens Gluth.
Und erst vermählt, aus ihres Vaters Munde,
Vernahm ich solche unheilvolle Kunde
RAOUL.
Wohl hätte Sie verdient ein schön’res Glück. –
FAYEL.
Ha!
RAOUL.
Aermstes Wesen, einst an meiner Brust
Bot Dir der Liebe Zauber Himmelslust!
FAYEL.
Verräther, dieses Wort, nimm es zurück,
Zu meinen Füßen, sonst sollst du erzittern …
Zieht den Dolch gegen Raoul.
RAOUL.
Wie! als ein Waffenloser steh ich hier?
Du zückst den Dolch, und zählst Dich zu den
Rittern!
FAYEL.
(Wohin nur trieb mich heiße Rachbegier!)
RAOUL.
Die Raserei des Frevels ficht Dich an.
FAYEL.
Herbei, herbei, zwei Schwerter bringe man,
Erzitt’re Ehrvergess’ner! in die Schranken
Treibt mich verhöhnter Ehre Zornes Gluth:
Ja, meines Armes Kraft wird nimmer wanken,
Denn mächtig stählt sie meiner Rache Wuth.
RAOUL.
Erzittern ich? Du täuschest Dich, erbleichen
Sah man mich niemals noch im blut’gen Streit;
Doch ob Dein Muth wird Deinem Rasen gleichen,
Dies lehre Deine Waffenthat uns heut.
FAYEL.
Laß Deinen Hohn und komm.
RAOUL.
Mich treibt es fort.
FAYEL.
Ich ford’re Blut.
RAOUL.
Tod ist mein Losungswort.
FAYEL.
Gewiß Du fällst!
RAOUL.
Vielleicht: doch als ein Held,
Dem nied’re Feigheit nimmer sich gesellt.
RAOUL. FAYEL.
(Sein Wort, sein Blick vergiftet noch die Wunden,
Die mir geschlagen unermeßlich Leid;
Von allen Qualen, die ich je empfunden,
Erduld‘ ich, Gott! die schmerzensreichste heut.)
RAOUL.
Doch eh‘ ich noch mein Leben
Im Kampfe Preis gegeben,
Magst Fayel Du mich hören –
FAYEL.
Sag‘ an, was Dein Begehren,
RAOUL.
Des Daseins schone, und der weichen Seele –
FAYEL.
Wer soll geschont sein? rede!
RAOUL.
Gabriele!
FAYEL.
Schweig‘! ihrer harrt der dunklen Tiefe Schooß.
Unwürd’ger, ja! sie theilt Dein schimpflich Loos.
RAOUL.
Ha, Feigling!
FAYEL.
Folge mir.
RAOUL.
Erst hör mich an ……
FAYEL.
Hinweg! Hinaus! Die Schranken öffne man.
FAYEL. RAOUL.
Blas’t die Drommeten, blas’t: zum Kampfplatz hin
Ist blinde Liebe meine Führerin;
Entscheidet denn, ihr finst’ren Mächte, heut
Verzweiflungsvoller Liebe Gottesstreit.
Sie gehen ergrimmt ab.
Zweite Scene.
Ein unterirrdisches Gewölbe.
Gabriele, einsam sitzend auf einem Steine, ist in kurzen Schlummer versunken. Dann Fayel mit Gefolge. Gabriele wähnt Fayel und Raoul gegen einander kämpfend und spricht im Traume.
GABRIELE.
Ha Raoul – Fayel, haltet ein!
Erbarmen, habe mein Gemahl!
Ich nur will sterben, ich allein.
Sie erwacht erschreckt.
Ich träume – mich täuscht meine Qual
Warum verschloß ich nur dem Licht
Die lebensmüden Augen nicht?
O Liebe! hart ist Deine Lust,
Zu foltern mir die wunde Brust.
Ach wie so langsam doch die Stund‘ entschleicht,
Die mir den Becher aller Qualen reicht!
Was ward aus Fayel? Was aus meinem – schweigt,
Verrätherische Lippen, so vermessen:
Der Name, der so unheilvoll sich zeigt,
Er sei versenkt in ewiges Vergessen.
Wohl solltest Du mein Herz, Dich still bestreben –
Allein dies Herz, dies schwer geprüfte Herz,
Das die Natur mir weich und warm gegeben,
Erliegen wird es bald so bitt’rem Schmerz. –
Man hört Geräusch.
Wer naht? O käm ein Freund, mit raschen Händen
Mein Leben und mein Leid zugleich zu enden!
Fayel sehend, der herabkommt mit seiner Dienerschaft.
Weh‘ mir! Er ist’s, der mitleidsfremde Mann,
Mein harter, unerbittlicher Tyrann.
FAYEL bei Seite.
(Sie sehen und nicht sterben! – Kann ich’s tragen?
Muth, Muth mein Herz!)
GABRIELE.
Verwundet Du, o Gott!
Sprich!
FAYEL.
Falsche! Ja, ich will Dir Alles sagen;
Mir zum Triumph, zur Marter Dir, zum Spott!
GABRIELE.
O sprich, wie konnte solche That gescheh’n?
Wer ist es, rede, der Dein Blut vergossen?
FAYEL.
Der Mann, den Gabriele sich erseh’n
Zu ihrer heitern Zukunft Glücksgenossen.
GABRIELE.
Gott, Raoul? mein Gemahl! Nein!. Gabriele
Hegt nimmermehr Verrath in ihrer Seele;
Zu heilig ist mir das Gebot der Pflicht.
Und meines Gatten Leben –
FAYEL.
Nah‘ Dich nicht!
GABRIELE.
So falle denn der Streich, der mich bedroht.
FAYEL.
Nein, sonst wär Dir ein süßer Trost der Tod.
GABRIELE.
Wer ist der nimmer müde Rachegeist,
Der größ’re Frevel noch Dich üben heißt?
FAYEL.
Ha! meine Rache gleiche meiner Schmach,
So straf‘ ich was man gegen mich verbrach.
Vernimm zu Deiner Qual –
GABRIELE.
Was?
FAYEL.
Der Verbrecher –
GABRIELE.
Fahr fort –
FAYEL.
Der meinem Rechte Fehde bot,
Er ist –
GABRIELE.
O Gott!
FAYEL.
Dies Schwert hier war mein Rächer.
GABRIELE.
Weh! –
FAYEL.
Du verstehst mich!
GABRIELE.
Raoul? –
FAYEL.
Er ist todt!
GABRIELE.
Unmensch! Entstammt den höllischen Dämonen
Ein Tigerherz muß Dir im Busen wohnen!
Willst Du Dein schuldlos Opfer richten?
Wohl! Stille jetzt der Rache Gluth
Was zauderst Du mich zu vernichten?
Auf, auf, entzügle Deine Wuth!
Ha wisse: Still im Herzensgrunde
Hab‘ ich gehaßt Dich immerdar;
Vernimm es heut aus meinem Munde,
Mit Abscheu seh‘ ich Dich Barbar!
Du Schatten, der mit Seufzerklagen
Und bleichen Zügen mir erscheint:
Geduld, nach wenig Leidenstagen
Werd‘ ich auf ewig Dir vereint!
CHOR.
(Sie täuscht ein Traum, ein Wahngebilde,
Ihr strahlt der Hoffnung Stern nicht mehr.)
FAYEL.
Zu viel!
Er winkt einem Waffenträger, welcher auf einem Schilde Raoul’s Waffenrock trägt, bedeckt mit einem schwarzen Schleier.
Herbei mit Deinem Schilde!
Und Du, Verrätherin, schau her.
GABRIELE.
Weh‘ mir, was seh‘ ich? Ungeheuer!
Ist dies die Rache, die mir droht?
O sei willkommen, mein Befreier,
Du lang ersehnter, süßer Tod!
FAYEL.
Blick auf! – hier Raoul’s Hülle!
Er nimmt den Schleier von Raoul’s Rüstung.
GABRIELE.
Allmächt’ger!
FAYEL.
Frevlerin!
So fordert es sein Wille.
Nimm denn was Dein ist hin!
CHOR.
(Solch grausenvoll‘ Geschick
Sah noch kein Augenblick!)
GABRIELE.
Blutgierig Ungeheuer!
Raoul! – O Schicksals Macht!
Kaum athm‘ ich noch – ein Schleier
Hüllt tief mein Aug‘ in Nacht.
Barbar! mit Henkershand
Raubst Du mir nur ein Leben,
Das größ’re Qual gegeben,
Als je der Tod gesandt.
O Schicksal, mein Verderben
Giebt Lust und Wonne Dir;
Sieh mich verzweifelnd sterben
Und sei versöhnt mit mir!
Sie sinkt ohnmächtig zusammen.
CHOR.
Banger Tag der Trauer!
Ort voll Todesschauer!
Nur des Grabes Ruh,
Liebe, schenktest du!
Ende.