Albert Lortzing

Der Waffenschmied

Komische Oper in drei Aufzügen

Libretto von Albert Lortzing

Uraufführung: 30.05.1846, Theater an der Wien, Wien

Personen

Hans Stadinger, Waffenschmied und Tierarzt (Baß)
Marie, seine Tochter (Sopran)
Ritter Graf von Liebenau (Bariton)
Georg, sein Knappe (Tenor)
Adelhof, Ritter aus Schwaben (Baß)
Irmentraut, Maries Erzieherin (Mezzosopran)
Brenner, Gastwirt, Stadingers Schwager (Tenor)
Ein Schmiedegeselle (Baß)
Schmiedegesellen. Bürger und Bürgerinnen. Ritter. Herolde. Knappen. Pagen. Volk

Ort der Handlung: Worms.

Zeit: 16. Jahrhundert.

Ouvertüre

Vivace G-dur 2/4 – Larghetto g-moll 3/4 – Allegro G-dur 2/4

Erster Aufzug

Stadingers Werkstätte mit Öfen, Ambossen und sonstigen Schmiedegerätschaften.

Durch die im Hintergrund befindlichen Fenster erblickt man eine reizende Landschaft nebst einem Teil der Stadt, von der Abendsonne beleuchtet. Rechts und links Seitentüren, die ins Innere des Hauses führen. Der Haupteingang ist im Hintergrund zur Seite.

Erster Auftritt

Der Graf.

Gesellen, bei der Arbeit beschäftigt; später Georg.

Nr. 1. Introduktion

GESELLEN.
Sprühe, Flamme! Glühe, Eisen!
Daß des Feuers [Hammers] Allgewalt
dich nach hergebrachten Weisen
fügsam mache alsobald.
Manneskraft
rüstig schafft,
was des Helden Brust beschützt;
bringt uns Ehr‘,
wenn die Wehr,
wenn die blanke Waffe blitzt.
Hammerschlag, Amboßklang,
unser Lied und Gesang!
GRAF als Schmiedegeselle gekleidet.
Sie liebt mich wahr und innig,
und doch quält Argwohn mich,
daß sie's auch ernstlich meine,
wenn liebeflehend ich
im Ritterschmuck erscheine.
GEORG ebenfalls als Schmiedegeselle gekleidet, zur Haupttür hastig eintretend.
He, Konrad!
GRAF.
Was gibt's?
GEORG leise zum Grafen.
'ne Neuigkeit:
Nicht weit von hier,
da hält ein Wagen,
ich höre fragen
und schau hinein;
wer, denke ich, kann das wohl sein?
GRAF.
So sprich: Wer war's?
GEORG.
Das Fräulein von Katzenstein, Eure Braut.
GRAF.
Hol sie der Teufel!
GEORG.
Sie zwingt am Ende doch
Euch noch ins Ehejoch.
GRAF auffahrend.
Wohlan, es sei beschlossen:
Geendet wird das Spiel.
Bei meinem Barte schwör ich –
GEORG leise ihm zuflüsternd.
Den habt Ihr abgeschnitten.
GRAF.
Bei meines Stammes Ehre
und echtem Rittersinn:
Morgen um diese Stunde
weiß ich, woran ich bin.
EIN GESELLE vortretend.
So redet doch nur leiser;
ihr wißt ja, daß der Meister
da drinnen jetzt studiert
und Medizin traktiert.
GEORG.
's wär Verbrechen, ihn zu stören;
keinen Laut mehr soll er hören.
Gehet leise an die Arbeit,
auf, daß uns kein Vorwurf trifft.
Geht leise an die Arbeit, leise!

Sie fangen mit großem Geräusch wieder an zu hämmern.

GESELLEN.
Sprühe, Flamme! Glühe, Eisen!
Daß des Feuers [Hammers] Allgewalt
dich nach hergebrachten Weisen
fügsam mache alsobald.
Manneskraft
rüstig schafft,
was des Helden Brust beschützt;
bringt uns Ehr‘,
wenn die Wehr,
wenn die blanke Waffe blitzt.
Hammerschlag, Amboßklang,
unser Lied und Gesang.

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Stadinger mit großen Medizingläsern und Kräutertüten von der Seite.

STADINGER.
Bringt eilig Hut und Mantel mir,
ich muß das Haus verlassen.
Darum, Georg, befehl ich dir,
genau mir aufzupassen,
daß der Herr Ritter nicht etwa –
wie's öftermalen schon geschah –
wagt, zu verliebten Streichen
sich hier ins Haus zu schleichen.
Du treibst ihn fort; wenn er sich wehrt,
so jagst du ihn mit Lanz‘ und Schwert.

Nun muß ich fort, denn in der Näh‘
hab ich Patienten liegen;
des Nachbars Sattelpferd ist krank
und seine beiden Ziegen.
Ich bin der einz'ge in der Stadt,
zu dem das Vieh Vertrauen hat.
Drum ruh und raste ich auch nicht
in der Erfüllung meiner Pflicht.

Tret ich vors Haus, ich will nur reden
von dem, was täglich mir passiert,
so treff ich einen Quadrupeden,
den meine Wissenschaft kuriert.
Ich flöße jedem, groß und klein,
nebst Medizin auch Achtung ein –
und alle, wo sie mich erblicken,
sie möchten mich ans Herze drücken:
Denn jegliche Physiognomie
spricht: »Du gehörst fürs liebe Vieh!«

Es schlägt sieben Uhr.

DIE GESELLEN rufen.
Feierabend!

Gesungen.

Horch, die Feierstunde schlägt,
hinaus, hinaus ins Freie!
STADINGER.
Halt, nicht gleich so aufgeregt!
Höret, dann sich jeder freue!
Morgen ist der wicht'ge Tag,
wo vor fünfundzwanzig Jahren
große Ehre ich erfahren,
man zum Meister mich kreieret;
darum werd, wie sich's gebühret,
ich ein Fest auf morgen geben,
fröhlich mit Gesang und Klang.
GESELLEN.
Unser Meister, er soll leben
noch viele Jahre lang!
STADINGER.
Jetzt zur Sache, denn für morgen
ist noch manches zu besorgen.

Zu jedem einzeln.

Du gehst sogleich hier nebenan,
den Nachbar einzuladen;
du bittst den Vetter Schneider mir
auf Wein und süßen Fladen;
du ladest mir den Richter ein
auf Käse, Brot und Butter;
du bittest den Gerichtsvogt her
mit seiner Schwiegermutter.
Die andern Gäste, groß und klein,
lud ich schon selber alle ein.
Es kommt ein ganzer Haufen
zum essen und zum –
GEORG spricht. Aber Meister!
STADINGER.
– trinken;
und alle sollen froh und fröhlich sein.

Zu einzelnen Gesellen.

Du gehst zum Nachbar,
du gehst zum Schneider,
du bittst den Richter,
du den Gerichtsvogt,
du zum Nachbar,
du zum Schneider,
du zum Vogte.
Das soll ein Tag der Freude sein,
sie alle sollen tanzen, sollen singen,
sollen jubeln, sollen springen,
alle sollen fröhlich sein.
GESELLEN.
Ja, groß und klein laden wir ein
zum Tanzen, zum Singen,
zum Jubeln, zum Springen!
Das soll ein Tag der Freude sein!

Stadinger zur Mitte ab. Die Gesellen zu verschiedenen Seiten.

Dritter Auftritt

Der Graf. Georg.

GEORG. Gott sei Dank, daß wir den alten Quacksalber los sind, wir haben gar mancherlei zu besprechen. Die alte Schachtel also – wollte sagen: das Fräulein – Eure Braut –
GRAF. So schweig doch mit deiner Braut; es kam mir nie in den Sinn, mich mit ihr zu verloben.
GEORG. Was nützt das? Sie läßt Euch nicht aus dem Garne und wird alles aufbieten, Eure Pläne zu vereiteln. Sie ist bei unserem Verbündeten, dem Gastwirt, abgestiegen.
GRAF. Desto besser, so können wir durch ihn erfahren, was sie im Schilde führt.
GEORG. Herr Ritter, ich fürchte, dieser Brenner ist ein Spitzbube, er hält's mit jedem, der tüchtig zahlt.
GRAF. Immerhin. Auf jeden Fall ist es Zeit, dem tollen Treiben ein Ende zu machen.
GEORG. Nun, es freut mich, daß Ihr es selbst einseht. O Herr Ritter, Ihr seid ein entsetzlicher Mensch.
GRAF. Bursche!
GEORG. Versteht mich recht. Daß Ihr Euch in die Tochter eines Waffenschmieds verliebt habt, darin liegt nichts Entsetzliches, auch nicht, daß Ihr mich veranlaßtet, meinen schlanken Leib in dies rußige Wams zu stecken; aber daß Ihr mich verleitet habt, um Euretwillen meine Ehrlichkeit zum Teufel zu jagen, falsche Lehrbriefe zu schmieden, damit uns der Meister aufnehmen konnte, o Herr Ritter, diese Sünde lastet schwer auf Euch.
GRAF. Du bist ein Narr!
GEORG. Euer Kamrad bin ich und kein Narr.
GRAF. Georg!
GEORG. Lassen wir's gut sein. Nur noch das eine: Wollt Ihr das Mädchen heiraten?
GRAF. Freilich will ich das.
GEORG. Und Euer alter Adel?
GRAF. Die Liebe gleicht alles aus.
GEORG. Die Liebe? Ach, bester Herr Ritter, wie mancher böse Bube hat schon seine schlechten Streiche auf ihre Rechnung geschrieben, der in seinem Leben nicht wußte, was Liebe ist.
GRAF will auf ihn los. Elender, du erfrechst dich?
GEORG. He, Kamrad! Du wirst doch Spaß verstehen. Verzeiht, es war ein dummer Scherz. Also ernsthaft: Glück auf, Herr Ritter! Mögen sich immerhin Eure Vorfahren den Knebelbart ausraufen, Ihr macht Euch und Euer Weib glücklich. Nun aber: Euer Plan?
GRAF. Morgen tret ich vor den Alten als Graf von Liebenau und begehre offen und ehrlich seiner Tochter Hand.
GEORG. Das laßt Euch vergehen.
GRAF. Warum?
GEORG. Weil der alte Pferdedoktor alles haßt, was Ritter heißt.
GRAF. Du meinst die Geschichte mit seinem Weibe?
GEORG. Nun freilich. Sie ließ sich eines schönen Abends von einem Geharnischten entführen, daher seine Wut.
GRAF. Ich werde mein Heil versuchen! Heute abend will ich als Ritter die Treue meines Mädchens noch einmal auf die Probe stellen; denn betrügt sie den Schmiedegesellen Konrad, so betrügt sie auch den Ritter Liebenau.
GEORG. Ist denn das nicht einerlei, ob sie Euch als Ritter oder als Schmied liebt?
GRAF. Sie liebt mich als Ritter und als Schmied, folglich zwei, und ein Weib soll nur einen lieben.
GEORG. Sie liebt ja auch nur einen.
GRAF. Das verstehst du nicht.
GEORG. Es scheint mir auch so.
GRAF. Ich gehe, mich zu verwandeln, es ist spät. Lächelnd. Du wirst mich doch nicht mit Lanz‘ und Schwert empfangen, wenn ich zurückkehre?
GEORG achselzuckend. Des Meisters Gebot –
GRAF. Du Spitzbube! Bin ich erst am Ziele meiner Wünsche –
GEORG. Dann, Herr Ritter -?
GRAF. Dann sollst du mich erkenntlich finden! Er geht durch die Mitte ab.

Vierter Auftritt

Georg allein.

GEORG. Das will ich auch hoffen, denn obwohl ich meiner Profession nach eigentlich vom Amboß stamme, so möchte ich doch all die Strapazen nicht umsonst mitgemacht haben! Jetzt will ich erst anfangen zu leben, zu genießen! Das heißt aber: mit Verstand, nicht wild in den Tag hinein! Ich will mir das Leben schon angenehm machen!

Nr. 2. Arie

Man wird ja einmal nur geboren,
darum genieße jedermann
das Leben, eh es noch verloren,
so viel als er nur immer kann.
Doch muß man, wahrhaft froh zu leben,
sich mit Verstand der Lust ergeben.
Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:
Man lebt nur einmal in der Welt!

Der keusche Joseph in der Bibel –
ich führ ihn nur als Beispiel an –
er war von Aussehn gar nicht übel
und ein gar tugendhafter Mann.
Doch seine Keuschheit ganz alleine
hätt nimmer ihn mit Ruhm bedeckt –
die Schlauheit half ihm auf die Beine!
Drum hab ich vor dem Mann Respekt.
Er lebt in Freuden,
von allen Seiten
ward Gold und Weihrauch ihm gestreut.
Er war gescheit!
Man wird ja einmal nur geboren,
darum genieße jedermann
das Leben, eh es noch verloren,
so viel als er nur immer kann.
Doch muß man, wahrhaft froh zu leben,
sich mit Verstand der Lust ergeben.
Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:
Man lebt nur einmal in der Welt!

Man hat schon in den frühsten Tagen
durch List und Schlauheit viel erreicht;
wenn auch die Leute immer sagen,
den Dummen sei das Glück geneigt.
Die Dummheit bietet selten Zinsen,
sonst leistete ja Esau nicht
für eine Schüssel dicker Linsen
auf seine Erstgeburt Verzicht.
Viel Leute leben ohne Sorgen
so grad nur in den Tag hinein;
ich will genießen,
jedoch auch wissen,
warum ich mich der Lust geweiht.
Darum gescheit!
Nur stets gescheit!
Man wird ja einmal nur geboren,
darum genieße jedermann
das Leben, eh es noch verloren,
so viel als er nur immer kann.
Doch muß man, wahrhaft froh zu leben,
sich mit Verstand der Lust ergeben.
Ich hab den Wahlspruch mir gestellt:
Man lebt nur einmal in der Welt!

Er geht ab.

Fünfter Auftritt

Brenner, den Ritter Adelhof hereinführend.

BRENNER. Belieben Euer hochfreiherrlichen Gnaden nur hereinzuspazieren.
ADELHOF. Hier also wohnt der Waffenschmied?
BRENNER. Hans Stadinger, berühmter Waffenschmied und ausgezeichneter Tierarzt; wollen Euer Gnaden von seinen Talenten Gebrauch machen – von seinen Waffen und Harnischen – meine ich.
ADELHOF. Dazu kann Rat werden. Eigentlich aber bin ich aus andern Gründen da – Er ist verwandt mit dem Waffenschmied?
BRENNER. Euer Gnaden aufzuwarten, sein leiblicher Schwager. Seine Frau nämlich –
ADELHOF. Schon gut! Der Waffenschmied hat eine schöne Tochter! He?
BRENNER. Oh! Ein wahrer Apollo, wie die Gelehrten sagen.
ADELHOF. Befindet sich unter den Gesellen hier im Hause einer namens Konrad?
BRENNER. Konrad? Ganz recht! Für sich. Wo will denn das hinaus?
ADELHOF. Es soll ein hübscher Bursche sein?
BRENNER. Das will ich meinen. Für sich. Dahinter steckt etwas!
ADELHOF. Der Bursche und das Mädchen lieben sich?
BRENNER. Ja – ich weiß nicht – man munkelt so etwas.
ADELHOF. Ich hab's für gewiß gehört. Sie sollen sich heiraten.
BRENNER. Wie? Sie sollen -?
ADELHOF. Ich bin beauftragt, die Verbindung zustande zu bringen.
BRENNER. Äußerst schmeichelhaft für das junge Paar, aber wie versteh ich denn –
ADELHOF. Ich will mich deutlicher ausdrücken, damit Ihm die Sache klar wird. Ich bin der Ritter Adelhof aus Schwaben.
BRENNER. Ah, sehr erfreut; schöne Gegend! Das Schwaben meine ich.
ADELHOF. Die Dame, die ich begleite, ist das Fräulein von Katzenstein; meine Zukünftige.
BRENNER. Gratuliere untertänigst.
ADELHOF. Und diese meine Braut ist es, welche die Heirat wünscht.
BRENNER. Das gnädige Fräulein haben also die Passion, herumzureisen, um junge Paare glücklich zu machen.
ADELHOF. Das wohl auch nebenbei, aber – Er scheint mir eine ehrliche Haut, mit Ihm kann man von der Leber weg reden. Vertraulich. Kennt Er den Grafen von Liebenau?
BRENNER für sich. Aha! Laut. Versteht sich, wer wird den nicht kennen.
ADELHOF. Nun, sieht Er, der hatte früher auf mein Fräulein –
BRENNER. Jawohl, ich erinnere mich –
ADELHOF etwas stutzig. Was?
BRENNER verlegen. Nun, er hatte früher – auf das Fräulein geschimpft.
ADELHOF. Im Gegenteil, er hatte ein Auge auf sie.
BRENNER. Richtig, so war's.
ADELHOF. Das Fräulein aber gab ihm einen Korb.
BRENNER für sich. Umgekehrt wird ein Schuh draus.
ADELHOF. Was sagt Er vom Schuh?
BRENNER. Ich sage: mein Nachbar, der Schuster, hat mir die Geschichte erzählt.
ADELHOF. Nun hat das Fräulein erfahren, daß der Ritter Liebenau dem jungen Mädchen hier im Hause nachstellt; ein leichtsinniger Zeisig soll er sein –
BRENNER. Dafür bekannt.
ADELHOF. Mein Fräulein aber, die Sittenhaftigkeit selbst, kann solchen Unfug nicht zugeben, darum wünscht sie, daß der Geselle Konrad –
BRENNER. Eiligst und schleunigst das Mädchen heirate, verstehe. – Ist das Fräulein auch aus Schwaben?
ADELHOF. Nein. Warum?
BRENNER. Ich meine nur. Die Sache ist wirklich äußerst schlau ausspekuliert; denn wenn der Geselle Konrad das Mädchen heiratet, so ist der Ritter –
ADELHOF lachend. Geprellt!
BRENNER ebenso. Und wie! Er muß mit langer Nase abziehen. – Beide lachen. Die Hauptsache ist aber nun, daß wir den Alten für die Heirat gewinnen.
ADELHOF. Deswegen bin ich ja hier. Und wenn Er meine Sache unterstützen will, so gibt Ihm das Fräulein hier im voraus – Er gibt ihm eine Börse.
BRENNER. Die edle Dame besitzt eine ausgezeichnete Bildung – untertänigsten Dank – Wollen Eure Gnaden sich hier etwas auswählen, während ich den Alten rufe –
ADELHOF wendet sich nach dem Hintergrunde, die Waffenstücke musternd. Sieh, sieh! Die Ware scheint nicht schlecht!
BRENNER im Vordergrunde für sich. Nun bin ich im klaren. Das Fräulein ist aus Eifersucht unserm Grafen nachgereist, und, um sich seinen Besitz zu sichern, soll nun – die Sache ist sehr komisch – hahaha! – Und dieser schlaue Kundschafter – o guter Schwabe, du scheinst mir ein sehr dummer Schwabe. Er will lachend zur Seite ab.

Sechster Auftritt

Die Vorigen. Irmentraut.

IRMENTRAUT Brenner entgegen und sehr geschwätzig. Schönsten guten Abend, verehrtester Herr Brenner. Er sucht den Meister Stadinger, aber alles ausgeflogen, alles ins Freie. Der Abend ist zu schön, kein Wölkchen am Himmel, kein Lüftchen weht, ich ginge gar zu gern auch noch ein wenig ins Grüne, aber du lieber Gott, man hat zu viel zu tun, der letzte Tag in der Woche, das ganze Hauswesen ruht auf mir – morgen ist Sonntag –
ADELHOF leise zu Brenner. Ist dies die Tochter vom Hause?
BRENNER. Das weniger.
IRMENTRAUT fortfahrend. Morgen ist Sonntag, dazu das Fest, welches er morgen veranstaltet draußen auf dem Weinberge – Zu Brenner ach, Er war wohl lange nicht draußen – der Weinberg ist viel größer – der Alte kaufte doch im vorigen Jahre –
BRENNER. Ja, doch, Jungfrau Irmentraut, ich kenne die ganze Geschichte. – Also mein Schwager ist nicht daheim?
IRMENTRAUT. Nicht daheim! Die Unpäßlichkeit der lieben Tiere macht ihm jetzt viel zu schaffen. Des Herrn Nachbars ganze Familie vierfüßigerseite befindet sich –
BRENNER zu Adelhof. Ja, Euer Gnaden, da bleibt uns nichts andres übrig als wiederzukommen.
ADELHOF. Dumm, dumm, dumm! Ich hätte so gern dem Fräulein heute schon –
BRENNER. Morgen ist auch noch ein Tag.
IRMENTRAUT. Ei freilich, morgen ist auch noch ein Tag und welcher Tag; es heißt freilich, was du heute tun kannst, verschiebe nicht auf morgen, aber wenn die Notwendigkeit –
BRENNER. Eben deshalb – Guten Abend, Jungfrau Irmentraut. – Wenn es Euer Gnaden gefällig wäre –
IRMENTRAUT. Euer Gnaden sind gewiß ein Fremder,wollen die Merkwürdigkeiten unsrer Stadt in Augenschein nehmen – oh, Sie werden überrascht sein. Wir haben sechstausend Einwohner, die Gegend ist etwas sumpfig, aber fruchtbar. Hier in der Nähe der Liebfrauenkirche der edle Wein, Liebfrauenmilch genannt, Euer Edlen werden ihn wohl kennen –
ADELHOF im Abgehen. Die Person hat ja ein beispielloses Mundwerk.
BRENNER ebenso. Also auf Wiedersehen! Bis morgen, bis morgen!

Adelhof und Brenner gehen ab.

Siebenter Auftritt

Irmentraut allein.

IRMENTRAUT. Das ist ein recht ungehobelter Klotz, dieser Herr Euer Gnaden; hat er nur ein einziges freundliches Wörtchen mit mir gesprochen? Was haben die Männer jetzt für Sitten, wenn sie einer zarten Jungfrau gegenüberstehen! Wie anders waren sie zu meiner Zeit – vor einigen Jahren noch, will ich sagen – aber es ist, als ob sich die Welt rein umgedreht hätte.

Nr. 3. Ariette

Welt, du kannst mir nicht gefallen,
hast dich förmlich umgekehrt,
von den heut'gen Männern allen
ist auch keiner etwas wert.
Ich trete ein
mit Schüchternheit,
doch sie verliert sich mehr und mehr;
der grobe Mann
sieht mich nicht an,
als ob ich alt und häßlich wär.
Ich sag ihm
und sehr gemessen,
was man hier Sehenswertes nennt;
er dankt mir nicht,
läuft wie besessen
zur Tür, als ob der Kopf ihm brennt.
O holde Schwestern ihr,
die ihr Gefühl gleich mir,
heißt das nun Achtung, sprecht,
vorm zarteren Geschlecht?
O Welt, o Welt!
Welt, du kannst mir nicht gefallen,
hast dich förmlich umgekehrt,
von den heut'gen Männern allen
ist auch keiner etwas wert. –
In früheren Zeiten
naht man bescheiden
stets einer zarten Jungfrau sich,
und man war selig,
entspann allmählich
sich ein Gespräch fein sittiglich.
Man sprach vom Wetter,
von teuren Zeiten,
und nach und nach, jedoch ganz fein,
wußt man gar zart
vorzubereiten
von Lieb‘ ein einzig [winzig] Wörtelein.
Man reichte abgewandt
dem Flehenden die Hand;
er drückte, küßte sie,
sank vor uns auf die Knie,
und dann – und dann –

Verschämt ihre Schürze vor die Augen haltend.

Welt, du kannst mir nicht gefallen,
hast dich förmlich umgekehrt,
von den heut'gen Männern allen
ist auch keiner etwas wert.

Achter Auftritt

Irmentraut. Marie.

MARIE. Irmentraut, bist du allein?
IRMENTRAUT. Ja doch, mein Herzchen, komm nur.
MARIE. Ist der Ritter noch nicht hier?
IRMENTRAUT. Heutzutage sind die Liebhaber nicht mehr wie sonst. Aber er kommt gewiß, er hat mir's sagen lassen.
MARIE. Ich hätte doch nicht einwilligen sollen.
IRMENTRAUT. Nicht einwilligen sollen, da muß ich lachen! Ich weiß, wie wir Mädchen sind, ich habe mich oft gesträubt, aber es hat nichts geholfen. Das weiß ich besser.
MARIE. Du weißt immer alles besser. Weißt du, warum ich den Ritter noch einmal sprechen will?
IRMENTRAUT. Ihm ein Liebeszeichen zu geben, ein Ringelchen oder so etwas dergleichen, und – das wird ihm gar nicht unangenehm sein, wie dein Vater immer zu sagen pflegt.
MARIE. Nicht doch, den Abschied will ich dem Ritter geben, denn er ist ein böser Mensch, der keine guten Absichten haben kann.
IRMENTRAUT. Aber Engelskind, will er dich denn nicht heiraten? Kann ein Mann bessere Absichten haben?
MARIE. Mein Vater will mich ihm aber nicht geben – und ich habe mir's wohl überlegt, der Vater hat recht.
IRMENTRAUT. Aber der Ritter ist ein so schöner, artiger Herr!
MARIE. Schön? Und hast ihn, wie ich, nur immer nachts gesehen.
IRMENTRAUT. Still! – Das ist des Ritters Tritt! Freudig. Er kommt, er kommt! Sie eilt ihm entgegen und öffnet ihm die Tür.
MARIE. Ach, lieber Gott, mir wird angst und bang!

Neunter Auftritt

Die Vorigen. Der Graf als Ritter in einen Mantel gehüllt.

Nr. 4. Finale

GRAF.
Bei nächt'gem Dunkel
schleich ich herein,
Dank, holdes Mädchen,
du harrest mein.
Was darf ich hoffen,
was fürchten, sprich:
Schlägt, Heißgeliebte,
dein Herz für mich?
MARIE beiseite.
Ich weiß vor Angst kein Wort zu sagen.
Ich zittre wie ein Espenlaub.
GRAF. Du schweigst?
IRMENTRAUT leise zum Grafen.
Nur stille, ich will fragen!

Zu Marie.

So hör doch, Kind, bist du denn taub?
MARIE mit tiefem Knicks.
Herr Graf –
IRMENTRAUT.
Nicht gar so untertänig.
GRAF.
Ein süßes Wort der Liebe nur.
IRMENTRAUT leise zum Grafen.
Es kommt, sie ziert sich nur ein wenig,
das liegt in unserer Natur,
das liegt uns Mädchen in der Natur.
MARIE.
Ich weiß vor Zagen
kein Wort zu sagen,
wenn auch sein Mund mir Treue schwört.
Soll ich bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem mein Herz gehört?
GRAF.
Sie weiß vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch mein Mund ihr Treue schwört.
Möcht sie bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem ihr Herz gehört?
IRMENTRAUT.
Sie weiß vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch sein Mund ihr Treue schwört.
Nur frisch bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem dein Herz gehört.
's wird besser euch vom Munde fließen,
wenn ihr allein –
MARIE. Nein, nein, du bleibst da.
IRMENTRAUT.
Ich will ja Öl nur auf die Lampe gießen.
MARIE.
Ich schreie: Feuer! Feuer!
IRMENTRAUT.
Ja doch, ja.
GRAF.
Ihr bleibt!
IRMENTRAUT.
Ja doch, ich will nicht weichen.
GRAF.
Marie, teures Mädchen, sprich
und ende dieses bange Schweigen!
IRMENTRAUT zu Marie.
Sei doch nicht gar so zimperlich.
MARIE leise zu Irmentraut.
Sag ihm –
IRMENTRAUT.
Was denn?
MARIE.
Er soll gewähren
ein Zeichen seiner Liebe mir –
IRMENTRAUT eilt zum Grafen.
MARIE.
Bleib doch!
IRMENTRAUT leise zum Grafen.
Sie will sich mir erklären.
GRAF.
Im Ernst?
IRMENTRAUT.
Ich stehe gut dafür.
MARIE leise zu Irmentraut.
Hör doch! Will er mir das gewähren,
so soll er mich verlassen gleich.
IRMENTRAUT.
Wie?
GRAF zu Irmentraut.
Nun?
IRMENTRAUT.
Sie ist noch beim Erklären,
bald ist sie fertig, freuet Euch!
GRAF für sich.
Mein Argwohn schwindet.
Dies Schweigen kündet,
daß sie nur einen, einen liebt.
MARIE.
Ich weiß vor Zagen
kein Wort zu sagen,
wenn auch sein Mund mir Treue schwört.
Soll ich bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem mein Herz gehört?
GRAF.
Sie weiß vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch mein Mund ihr Treue schwört.
Möcht sie bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem ihr Herz gehört?
IRMENTRAUT.
Sie weiß vor Zagen
kein Wort zu sagen,
ob auch sein Mund ihr Treue schwört.
Nur frisch bekennen,
den Namen nennen
des Teuren, dem dein Herz gehört.
MARIE sich ein Herz fassend.
Herr Graf, ich muß Euch frei gestehen –
IRMENTRAUT zum Grafen.
Es kommt, es kommt.

Zu Marie.

Nur dreist und nicht verzagt.
MARIE.
Ich darf Euch ferner nicht mehr sehen –
mein Herz – mein Herz ist schon versagt.
IRMENTRAUT.
Kind, bist du toll? Was fällt dir ein?
GRAF.
Willst du mich der Verzweiflung weihn?
Du läßt mich kalt von hinnen scheiden,
mißtraust der Treue Schwur?
O gönne mir als Trost im Leiden
den Schein der Hoffnung nur!
Verschmähst du, weil ich vornehm bin,
nur meines Herzens Triebe?
Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin
für dich, für deine Liebe!

Zehnter Auftritt

Die Vorigen. Georg eilig.

GEORG.
Der Meister!
MARIE.
Der Vater!
IRMENTRAUT.
Der Meister!
GEORG.
Daß ihn der Teufel hol!
MARIE UND IRMENTRAUT zum Grafen.
Entfernt Euch! Entfernt Euch!
GRAF zu Marie.
Das letzte Lebewohl!
MARIE reicht ihm die Hand.
IRMENTRAUT, MARIE UND GEORG.
Entfernt Euch! Fort! Fort!
STADINGER stößt von außen den Fensterladen auf.
Alle Teufel! Der Ritter!
He, Konrad! Georg!
Wo stecken die Schlingel?
GRAF entfernt sich durch die Seitentür.
GEORG nimmt eine lange Lanze und sticht überall herum, als ob er den Grafen verfolge.
Reißt aus! Reißt aus!
Ich spieß Euch auf!
STADINGER UND GESELLEN kommen von verschiedenen Seiten.

Elfter Auftritt

Die Vorigen ohne Graf. Stadinger. Gesellen.

GESELLEN.
Was ist geschehen? Was soll das Schrein?
Fangt auf den Dieb! Fangt auf, fangt auf!
STADINGER zu Georg.
Hagel und Wetter!
Du dummer Tölpel,
du ließest den Ritter
ja doch hinein.
GEORG.
Er kam soeben –
MARIE UND IRMENTRAUT.
Er kam soeben.
STADINGER ihnen nachäffend.
Er kam soeben –
Er kam soeben –
Gesindel, wollt ihr wohl ruhig sein?
Er ist nicht hinaus –
durchsucht das Haus –
rührt eure Beine!
Nicht so faul!
DIE GESELLEN teilen sich nach verschiedenen Seiten.
MARIE.
Ach, lieber Vater!
IRMENTRAUT.
Ach, lieber Meister!
STADINGER.
Still, altes Plappermaul!
IRMENTRAUT außer sich.
Plappermaul!
STADINGER zu Marie.
Du kommst ins Kloster!
MARIE.
Ach, lieber Vater!
STADINGER zu Irmentraut.
Sie aus dem Haus!
IRMENTRAUT gekränkt.
Ein altes Plappermaul!
MARIE leise zu Georg.
Wo ist der Ritter?
IRMENTRAUT ebenso.
Ist er hinaus?
GEORG ebenso.
Zum Fenster.
MARIE.
Gott sei Dank!
Nein, nun darf er nie mehr wagen,
dieser Pforte kühn zu nahn.
IRMENTRAUT.
Ach, nun wird er nie mehr wagen,
dieser Pforte kühn zu nahn.
GEORG.
Doch er wird sich ohne Zagen
bald der Pforte wieder nahn.
STADINGER.
Ha, er soll es nie mehr wagen,
dieser Pforte kühn zu nahn.
DIE GESELLEN sammeln sich wieder.
STADINGER.
Nichts gefunden?
GESELLEN.
Keine Maus!
STADINGER.
Wo ist der Konrad?
GESELLEN.
Nicht zu Haus!
GEORG sich stellend, als ob er eben erst von der Seite aufträte.
Der liegt schon längst in süßer Ruh‘.
STADINGER verwundert. Er schläft?
MARIE UND GESELLEN. Er schläft?
STADINGER.
Schlafmütze du!
Ich will nun auch zur Ruhe gehn,
um mit dem Frühsten aufzustehn
und meinem Hause Ruh‘ zu schaffen
vor diesem Liebenauer Grafen.
GESELLEN spöttisch
Graf Liebenau? Schau, schau!
MARIE.
O verzeiht nur einmal noch.
STADINGER zu Marie und Irmentraut.
Marsch zu Bett!
IRMENTRAUT.
Plappermaul!
STADINGER zu den Gesellen.
Gute Nacht!
GESELLEN.
Gute Nacht!
ALLE entfernen sich nach verschiedenen Seiten.
Die Bühne bleibt eine Zeitlang leer und dunkel.
MARIE öffnet dann leise die Seitentür und tritt mit der Lampe leise wieder herein.

Zwölfter Auftritt

Marie allein.

Rezitativ und Arie

MARIE schleicht nach Konrads Kammer und horcht.
Er schläft! Wir alle sind in Angst und Not,
und er kann schlafen, das begreif ich nicht.
Ach, er fühlt nicht wie ich, sonst müßt er ahnen,
daß ich ihm nahe bin, daß ich mich sehne,
'ne gute Nacht aus seinem Mund zu hören.
Er ist so gut, so brav und bieder,
sein redlich Herz find't man nicht mehr;
wie er beglückt mich keiner wieder,
und wenn's der König selber wär!
Reichtum allein tut's nicht auf Erden,
das ist nun einmal weltbekannt;
mit Konrad kann ich glücklich werden,
er gilt mir mehr als Kron‘ und Land.
Wie wär's, wenn ich ihn weckte? Gar zu gern
möcht ich ein süßes Wort mit ihm noch plaudern.

Sie geht an die Tür, klopft und ruft leise.

Konrad! Lauter. Konrad!

Ärgerlich und laut rufend.

Konrad! Du Murmeltier!

Sie erschrickt.

Wie unvorsichtig! Wenn man mich gehört!

Sie schleicht auf den Zehen zu den anderen Türen und horcht.

Nein, Gott sei Dank, 's ist alles still geblieben.
Ob wohl der Ritter glücklich heimgekehrt?

Sie öffnet leise den Fensterladen im Hintergrunde. Man erblickt die Gegend im Mondenschein.

O schöne Nacht, wie hell die Sternlein flimmern!

Sie erschrickt.

Täusch ich mich nicht, so stehet dort am Baume
der Ritter noch, im Mantel eingehüllt.

Sie riegelt schnell den Laden zu und stellt sich mit dem Rücken dagegen, als wolle sie ein Eindringen verhüten, dann sieht sie durch die Spalte.

Ein art'ger Herr ist's freilich, schlank und fein,
und zu beneiden mag die Dame sein,
die er zur Gattin sich erwählt.

's mag freilich nicht so übel sein,
zu wohnen in 'nem schönen Schloß,
zu sagen: Feld und Wald sind mein,
und mir gehorcht der Diener Troß.
Zu thronen beim Turniere
inmitten schöner Fraun
und hoch von dem Altane
voll Huld hinab zu schaun,
wie sie die Lanzen brechen
beim Schalle der Trompeten,
wie sie sich hauen, stechen,
bis einer Sieger ist;
man winket dann dem Tapfern
mit wohlgefäll'ger Mien‘
und reicht mit schönen Worten
den Ehrenkranz ihm hin.
Man spricht – man spricht:
Hier, lieber tapfrer Rittersmann,
sei Euch mein schönster Dank gebracht,
ich schaut Euch mit Vergnügen an,
Ihr habt's recht gut gemacht.
Dann zum Bankett,
zum reichen Mahl
im goldnen Saal
beim Kerzenschein!
Das muß 'ne wahre Wonne sein!

Pause.

Was ficht dich an, du töricht Mädchen?
Dein kind'scher Sinn führt dich zu weit!
Reichtum allein tut's nicht auf Erden,
das ist nun einmal weltbekannt;
mit Konrad kann ich glücklich werden,
er gilt mir mehr als Kron‘ und Land.

Sie nimmt die Lampe, und sich nach seiner Tür wendend, singt sie im Abgehen.

So schlummre sanft, du Trauter, du,
dir wünscht dein Liebchen süße Ruh‘!
Schlummre sanft! Schlummre sanft!

Der Vorhang fällt langsam.

Entr'act

Andantino G-dur 2/4

Zweiter Aufzug

Ein einfaches Zimmer in Stadingers Wohnung mit Mittel- und Seitentüren

Erster Auftritt

Graf als Schmiedegeselle. Dann Marie.

GRAF. Ich weiß in der Tat nicht, wie ich mich bis zur Zeit der Entdeckung gegen Marie benehmen soll. Am besten ist's, ich plage sie mit Eifersucht, vielleicht gesteht sie mir bei der Gelegenheit, was sie gestern abend mit dem Ritter – mit mir nämlich – gesprochen hat. Da ist sie! – Frisch, Konrad, sei eifersüchtig.
MARIE von der Seite auftretend und ängstlich auf Konrads Anrede wartend. Guten Morgen, Konrad.
GRAF sich verdrießlich stellend. Morgen!
MARIE. Bist du schon auf, Konrad?
GRAF. Schon lange!
MARIE. Bist du heute schon ausgewesen?
GRAF. Nein!
MARIE. Du kommst doch heute hinaus auf den Weinberg?
GRAF. Möglich.
MARIE. Du Brummbär, du! Sie wendet sich schnell zum Abgehen.
GRAF. Treibt Euch das böse Gewissen oder habt Ihr dem Ritter eine andere Liebesstunde gegeben?
MARIE. Konrad, mach mich nicht böse!
GRAF. Ich bin unwürdig Eures Zorns, gestrenge Rittersfrau.
MARIE. Meinen Zorn verdienst du, aber meine Liebe nicht.
GRAF. Könnt Ihr's leugnen, daß Ihr mit dem Ritter gestern eine Unterredung hattet?
MARIE. Nein, und ich werde noch recht oft mit ihm reden!
GRAF. Wie?

Nr. 5. Duett

GRAF.
Ihr wißt, daß er Euch liebt?
MARIE.
Ja!
GRAF.
Daß er verwegen ist –
MARIE.
Ja!
GRAF.
Daß er Euch auch entführen kann
gewaltsam wie durch List?
MARIE.
Ja, ja, ja, ja!
GRAF.
Darf ich den Ohren trauen?
MARIE
Der Ritter ist ein schöner Mann,
der Ritter ist ein reicher Mann,
der Ritter ist ein art'ger Mann,
den ich vor allen leiden kann –
denn, wenn ich mit ihm reden tu,
so hört er aufmerksam mir zu
und liegt nicht da und schläft!
Verstanden? Verstanden?
Nun geh, laß mich in Ruh‘.
GRAF.
Doch warum die Ärmste quälen,
ihr bereiten diese Pein?
Sie wird mich wahrlich schmälen,
mir im Ernste böse sein!
MARIE.
So mit Eifersucht sich quälen,
wär ein Leben voller Pein.
Lieber niemals sich vermählen,
lieber alte Jungfer sein!

Sie setzt sich weinend an den Tisch.

So bitter die zu kränken,
die ihm ihr Herz geweiht.
GRAF für sich.
Allmählich einzulenken,
ist nun bald an der Zeit.
MARIE.
Wie gern vergäb ich ihm,
bereut‘ er sein Vergehn.
GRAF für sich.
Ja bald, bald sollst du mich
zu deinen Füßen sehn.
MARIE aufstehend.
Ich glaub, er kommt,
das dacht ich mir.
GRAF sich nähernd.
Es tut mir leid,
ich ging zu weit:
Doch Eifersucht
kennt keine Schranken.
MARIE beiseite.
Ich glaub, er kommt [Er gibt klein bei] und muß zuletzt
für gnäd'ge Strafe
sich bedanken.
GRAF.
Doch warum die Ärmste quälen,
ihr bereiten diese Pein?
Sie wird mich wahrlich schmälen,
mir im Ernste böse sein!
MARIE.
So mit Eifersucht sich quälen,
wär ein Leben voller Pein.
Lieber niemals sich vermählen,
lieber alte Jungfer sein!
GRAF.
Was sprachst du mit dem Ritter?
Dies eine sage mir.
MARIE.
Je nun, wir sprachen – vom Wetter,
von diesem und von jenem,
von ganz gleichgült'gen Dingen,
wir sprachen auch von dir.
GRAF für sich.
Die Hexe, wie sie lügt.
MARIE für sich.
Den Stich hat er verstanden.
Er schweigt, drum hoffe ich,
ist Besserung vorhanden.
GRAF.
Du sagtest ihm – du sagtest ihm –
MARIE.
Daß ich mein Herz bereits verschenkt
an einen Undankbaren,
der mich nur quält und kränkt
und den ich dennoch liebe,
und wenn er mich auch quält –
das hab ich ihm erzählt.
GRAF sich vor ihr niederwerfend.
Marie, süßes Leben,
o kannst du mir vergeben
das unbedachte Wort?
MARIE.
Da liegt er ja, das wußte ich,
das mußte auch so kommen.

Mit Pathos.

Seid wiederum, Herr Waffenschmied,
in Gnaden angenommen.
GRAF.
Du zürnst nicht mehr?
MARIE.
Ich denk nicht dran!
GRAF.
Du wirst mein Weib?
MARIE.
Und du mein Mann!
GRAF.
Ich bin so arm –
MARIE.
Bin ich denn reich?
GRAF.
Dein Vater doch –
MARIE.
Das bleibt sich gleich.
Und wär ich noch so hochgestellt,
[Besäß ich alles Gut der Welt -] Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin
für dich und deine Liebe!
GRAF für sich.
Aha, das ist von mir!
MARIE.
Für dich und deine Liebe!
BEIDE sich umarmend.
Wo der Liebe Flammen brennen,
stellt auch Eifersucht sich ein;
doch soll keine Macht uns trennen,
keine Zwietracht uns entzwein.

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Irmentraut.

IRMENTRAUT. All ihr Heiligen! Was muß ich sehen?
GRAF UND MARIE. O weh!
IRMENTRAUT. So, mein feines Jüngferchen, wo es sich um Ihre Zukunft, Ihr Glück handelt, spielt Sie die Spröde, die Zimperliche, läßt sich aber von den Gesellen Ihres Vaters herzen und küssen, daß es eine Freude ist.
GRAF UND MARIE. Aber liebe Irmentraut!
IRMENTRAUT. Jungfrau Dorothea Scholastika Irmentraut bin ich für Ihn, Er küsseriger Schmiedegeselle. Und Sie, Jüngferchen, macht mir Vorwürfe, weil ich ein Verständnis begünstige, das Ihr nur Glanz und Ehre bringen kann, und nun muß ich sehen, daß Sie sich wegwirft! He? Und ich soll nicht Zeter schrein!
MARIE verletzt. Wegwirft?
GRAF. Ruhig, Marie! – Liebe Jungfrau Irmentraut! Halb für sich. Wenn ich nur Geld bei mir hätte!
IRMENTRAUT plötzlich besänftigt. Was sagt Er vom Gelde?
GRAF. Leider hab ich keins!
IRMENTRAUT laut. Und ich soll nicht schrein? Meister Stadinger, Euer Kind wird verführt!
GRAF. Vergebe Sie mir nur diesmal meine Verwegenheit, ich habe Sie so lieb – Sie glaubt es nicht.
IRMENTRAUT. Das tu ich auch nicht, denn Er hat mir nie einen Beweis davon gegeben. Warum, wenn Er mich wirklich lieb hat – küßt Er mich denn nicht? Ich bin ein gesetzter, solider Gegenstand und weiß mich dabei zu benehmen.
GRAF. Das will ich ja gern, wenn Sie mich nur diesmal nicht verraten will.
IRMENTRAUT. Das läßt sich hören, denn – einen Kuß in Ehren kann niemand wehren. Also – da: küß Er mir die Hand.
GRAF. Mit tausend Freuden. Er tut es.
IRMENTRAUT. So! – Nun küß Er mir auch den Mund.
GRAF. O weh!
MARIE. Ach, du armer Konrad!
GRAF. Was will ich machen? Er küßt Irmentraut mit Widerwillen.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Georg.

GEORG. Guten Appetit!
IRMENTRAUT sich böse stellend. Das probier Er noch einmal, Er Schlingel, mich mit Gewalt zu küssen. Oh, man ist vor den Zudringlichkeiten der Männer nirgends sicher!

Vierter Auftritt

Die Vorigen. Stadinger.

STADINGER. Was ist denn hier für ein Geschrei? – He, Konrad, was war's?
GRAF. Ich weiß nicht.
STADINGER. Jawohl! – Er weiß nie etwas. Georg, sprich du.
GEORG. Ich sah nur, wie die Jungfer Irmentraut –
IRMENTRAUT. Wie die Jungfer Irmentraut dazu kam, als der Mosje Konrad Seiner Tochter einen Kuß applizierte.
STADINGER. Wie? Was? Ist das wahr?
GRAF. Wenn's denn nicht anders ist – ja, ich kann's nicht leugnen.
MARIE. Ich brachte ihm sein Frühstück und da –
GEORG. Glaubt's nicht, Meister. Die Jungfer hat den Konrad geküßt.
STADINGER. Meine Tochter?
GEORG auf Irmentraut. Nein, die da!
MARIE. Ja, Vater, ich hab's gesehen!
IRMENTRAUT. Abscheuliche Verleumdung. Ich brachte ihm neulich vom Markte 'nen süßen Fladen mit, und da-
STADINGER. Küßte er sie heut dafür? Ich glaube, der Mensch küßt ums tägliche Brot. Auf Irmen traut. Hier hab ich ihm nichts zu verbieten, denn der Geschmack ist verschieden in der Welt; aber bei meiner Tochter drück Er seinen Dank künftig anders aus, sonst marschiert Er aus dem Haus. Das muß Ihm aber nicht unangenehm sein.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Adelhof.

ADELHOF. Kann ich den berühmten Waffenschmied Hans Stadinger sprechen?
STADINGER. Was ist denn das für eine Figur?
GEORG leise zum Grafen. Das ist der Kundschafter des Fräuleins.
GRAF. Still!
STADINGER. Ihr seht den Herrn des Hauses vor Euch. Was steht zu Euren Diensten?
ADELHOF. Fürs erste erlaubt, daß ich mich setze. Man gibt ihm einen Stuhl. Für sich. Ich muß die Sache schlau einfädeln. Laut. Ihr seid doch derselbe, der sich um das Wormser Tierreich so verdient gemacht hat?
STADINGER geschmeichelt. Man sagt so. Ich habe allerdings eine bedeutende Praxis. Erst gestern habe ich bei meinem Nachbar zwei Ziegen –
ADELHOF. Ganz recht. Für sich. Das schmeichelt ihm. Nur immer schlau. Laut. Ihr habt ja auch eine schöne Tochter?
STADINGER. Ei, wie kommt denn der Herr mit einmal von des Nachbars Ziegen auf meine Tochter?
ADELHOF. Das soll Euch gleich klarwerden – Für sich. Nur schlau. Laut. Kennt Ihr den Ritter Liebe nau?
STADINGER. Aha! Will's da hinaus?
MARIE UND GRAF. Was werd ich hören?
GEORG. Aha!
STADINGER. Nun, was soll's mit dem?
ADELHOF. Der stellt Eurer Tochter nach.
STADINGER lachend. Was Ihr mir sagt! – Das ist mir etwas ganz Neues.
ADELHOF. Ich bin daher gekommen, um Euch zu warnen, denn der Ritter ist ein liederlicher Lump.
IRMENTRAUT UND MARIE. Das ist nicht wahr!
GRAF auffahrend. Höll‘ und Teufel!
GEORG leise. Herr Ritter, mäßigt Euch.
GRAF laut. Wer hat ihn Euch so geschildert?
STADINGER. Ruhig, was geht denn das dich an?
ADELHOF den Grafen musternd. Aha! Das ist ja wohl am Ende der Bewußte.
GRAF für sich. Wär ich verraten?
STADINGER. Wollt Ihr mir nicht vor allen Dingen erklären, was Euch meine Tochter und mein Haus angehen?
ADELHOF. Damit kann ich dienen. Ich will Eure Tochter verheiraten, denn ich habe einen Mann für sie.
ALLE außer Adelhof. Was ist das?

Nr. 6. Sextett

MARIE, IRMENTRAUT, GRAF, GEORG UND STADINGER.
Der Mann scheint nicht bei Sinnen,
er tritt zur Tür herein
und will, seltsam Beginnen,
des Hauses Vormund sein.
ADELHOF beiseite.
Man hält mich für von Sinnen,
kaum trete ich hier ein,
will ich, seltsam Beginnen,
des Hauses Vormund sein.
STADINGER.
Erklärt vor allem mir genau:
Was tut hierher Euch führen?
ADELHOF.
Der Ritter Graf von Liebenau
will Euer Kind verführen.
GRAF vortretend.
Das ist nicht wahr.
STADINGER.
Was weißt denn du?
GEORG zum Grafen.
So schweigt doch!
MARIE UND IRMENTRAUT.
Konrad hat recht.
STADINGER zu Marie.
Du bist ganz stille zu Irmentraut und du auch.
Zu Adelhof. Wer sendet Euch denn, sprecht?
ADELHOF.
Das, lieber, guter Mann,
geht Euch hier gar nichts an.
STADINGER.
Den Teufel auch geht's mich was an.
MARIE, STADINGER. Ha, das begreife, wer es kann.
IRMENTRAUT. Ha, das begreife, wer es kann.
GRAF, GEORG. Ha, das begreife, wer es kann.
ADELHOF.
Nun ist ein Bursch‘ in Eurem Haus,
er soll sich Konrad nennen
und lange schon für Euer Kind
in heißer Lieb‘ entbrennen.
MARIE, GRAF UND GEORG.
O weh!
STADINGER.
Zum Kuckuck, ist das wahr?
ADELHOF.
Ja, ja, die Sach‘ ist richtig.
STADINGER.
Wie? Was?
MARIE, GRAF UND GEORG zu Adelhof.
Was wißt denn Ihr?
IRMENTRAUT zu Stadinger.
Er hat ganz recht,
lest ihm den Text nur tüchtig.
STADINGER.
Ich werde stumm.
MARIE, GRAF UND GEORG.
Was weißt denn du?
ADELHOF.
Sie lieben sich.
IRMENTRAUT.
Sie lieben sich.
STADINGER.
Vor Wut möcht ich ersticken!
ADELHOF.
Sie küssen sich.
IRMENTRAUT.
Sie küssen sich.
STADINGER.
Und hinter meinem Rücken!
Sehr nett, sehr fein,
mein sittsam Töchterlein!
Doch halt, ich red ein Wörtchen drein.
Alles im stillen so nett abgekartet,
Mordelement, darauf hätt ich gewartet!
Daraus wird nichts, daraus wird nichts!
Da hab ich einen andern Plan.
MARIE, GRAF UND ADELHOF.
Laßt Euch bedeuten, laßt Euch bedeuten,
seid nicht so wild und höret uns an.
IRMENTRAUT UND GEORG.
Was soll das heißen? Was soll das heißen?
Er sagt, es gilt einen andern Plan?
ADELHOF.
Laßt Euch bewegen, gebt Euren Segen,
Konrad muß ihr Gatte sein.
MARIE, GRAF UND GEORG.
Laßt Euch bewegen, gebt Euren Segen,
lieber Vater willigt ein.
lieber Meister willigt ein.
IRMENTRAUT.
Gebt meinetwegen Ihr Euren Segen,
lieber Meister, willigt ein!
STADINGER.
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein!
Ich sage nein für immerdar, nein, nein, nein, nein!
ADELHOF ärgerlich.
Ei, so hol dich doch der Teufel,
eigensinn'ger alter Narr!
STADINGER außer sich.
Alter Narr! Ein Wormser Bürger!
Mir das in meinem eignen Haus!
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF UND GEORG.
O weh, o weh, nun ist es aus.
STADINGER.
Er hat die Wahl, nun fliegt Er gleich
zur Türe oder zum Fenster hinaus,
zum Fenster oder zur Türe hinaus,
wo Er will!
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF UND GEORG.
Seinen Zorn so heftig zu erregen,
war gefehlt und unbedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Darum Mut und Vertraun,
ist auch das Ziel noch weit.
Wahre Lieb‘ kein Opfer scheut!
ADELHOF.
Seinen Zorn so heftig zu erregen
hätt ich nimmer mir gedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Glaubte schon, die Sache wär
sogleich in Richtigkeit –
doch vom Ziel bin ich noch weit!
STADINGER für sich.
Meinen Zorn so heftig zu erregen,
war sehr dumm und unbedacht;
mag er sich nun auch auf's Bitten legen,
alles bleibt, wie ich's gesagt.
Glaubet wohl, die Sache wär‘
sogleich in Richtigkeit –
draus wird nichts in Ewigkeit!
ADELHOF.
Hört mich nur an –
STADINGER.
Ich will nicht, nein.
ADELHOF.
Es gilt ja Eures Kindes Glück –
MARIE UND GRAF.
Es gilt mein Glück –
Es gilt ihr Glück –
STADINGER.
Die Sorg‘ ist mein!
Entfernet Euch im Augenblick.
ADELHOF.
Ihr seid so grob –
STADINGER.
Nicht so wie Ihr.
ADELHOF.
Drum gehe ich.
STADINGER.
Da ist die Tür. In meinem Hause duld ich nicht,
daß man von alten Narren spricht.
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF UND GEORG.
Seinen Zorn so heftig zu erregen,
war gefehlt und unbedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Darum Mut und Vertraun,
ist auch das Ziel noch weit.
Wahre Lieb‘ kein Opfer scheut.
ADELHOF.
Seinen Zorn so heftig zu erregen
hätt ich nimmer mir gedacht;
ihn zur Sanftmut wieder zu bewegen,
walte nun der Schlauheit ganze Macht.
Glaubte schon, die Sache wär
sogleich in Richtigkeit –
doch vom Ziel bin ich noch weit!
STADINGER für sich.
Meinen Zorn so heftig zu erregen,
war sehr dumm und unbedacht;
mag er sich nun auf's Bitten legen –
alles bleibt, wie ich gesagt.
Glaubte wohl, die Sache wär
sogleich in Richtigkeit –
draus wird nichts in Ewigkeit!
STADINGER treibt den Ritter zur Mitte und Marie und Irmentraut zur Seite ab. Er selbst entfernt sich durch die Mitte.

Sechster Auftritt

Graf. Georg.

GEORG. Nun, gestrenger Herr Ritter, so weit hätten wir es denn gebracht; Ihr seid von morgen ausquartiert, und ich, als Euer getreuer Schlafkamerad, muß gehorsamerweise Euer Schicksal teilen.
GRAF. Aber wie kam der Ritter nur auf den Gedanken?
GEORG. Das ist Euch nicht klar? Ach, werter Herr Ritter, ich glaube, die Liebe und der Schmiedehammer haben Euch stumpfsinnig gemacht. Ein Kunststückchen von Eurer Braut. Sie hat erfahren, daß Ihr in Worms verborgen seid, und will Euch das Mädchen vor der Nase weg verheiraten. Unglücklicherweise oder auch glücklicherweise trifft sie gerade den rechten Mann.
GRAF. Verdammt, daß der Alte so halsstarrig ist. So war ich mit eins am Ziel meiner Wünsche.
GEORG. Hörtet Ihr nicht, was er sagte: er hätte mit dem Mädchen einen andern Plan? Was mag er damit gemeint haben?
GRAF. Einerlei! – Nimm diesen Brief, worin ich als Ritter noch einmal um die Hand seiner Tochter bitte.
GEORG. Vergebene Müh!
GRAF. Ich will alle mögliche Güte versuchen, damit ich mir später nichts vorzuwerfen habe.
GEORG pfiffig. Herr Ritter, ich habe einen Einfall, ein Plänchen, das ließe sich prächtig beim heutigen Feste ausführen.
GRAF. Laß hören!
GEORG. Still! Der Alte!

Siebenter Auftritt

Die Vorigen. Stadinger.

STADINGER. Habe ich mich nicht geärgert! Konrad erblickend. Gut, daß ich dich sehe, du hast deinen Laufpaß. Ich kann keinen Gesellen brauchen, der in meiner Familie besser Bescheid weiß als in meiner Werkstatt.
GRAF. So hört mich nur einmal an.
STADINGER. Kein Wort, es bleibt dabei. – Georg, mit dir habe ich zu reden.
GEORG. Zu Befehl, Meister. Zuvor aber nehmt den Brief.
STADINGER. Ich will keinen. Es soll sich kein Mensch unterstehen, an mich zu schreiben.
GEORG. Warum denn nicht?
STADINGER. Weil ich Geschriebenes nicht lesen kann. – Wer hat ihn gebracht?
GEORG. Ein Knappe in einem prächtigen Waffenrock.
STADINGER. Lies ihn.
GEORG. Meister, ich kann auch nicht lesen.
STADINGER. Du bist mein Mann, das freut mich. Zum Grafen, der sich zurückgezogen hatte. He – du – du bist ja ein gelehrter Schmied – lies den Brief, aber deutlich, daß ich dich verstehe – Von wem ist er?
GRAF. Ich will ihn gleich erbrechen. Er erbricht ihn.
STADINGER. Kann man das nicht so sehen?
GRAF. Nein. – Er ist vom Grafen Liebenau.
STADINGER. Von dem Mädchenjäger? Was will er schon wieder?
GRAF liest. »Edler Bürger, berühmter Meister, hochgelahrter Doktor!«
STADINGER. Eine gute Erziehung hat der Mensch! – Weiter!
GRAF. »Da Ihr mir auf mein Begehren Eure edle Tochter Marie ohne Ursach‘ abgeschlagen habt -«
STADINGER. Ohne Ursach‘? Ist das nicht Ursach‘ genug: er ist ein Ritter.
GRAF. »So frage ich Euch zum letztenmal, ob Ihr sie mir gutwillig zu meinem Eheweib geben wollt; oder ob ich mit Macht und Ansehn sie Euch entreißen soll! Nehmt mich zu Eurem Feind – was mir aber lieber ist – zu Eurem Sohn an. Graf und Ritter Liebenau.«
STADINGER. Ei, so wollte ich doch, daß du ersticktest. Das ist eine ganz neue Art, von dem Vater die Tochter zu begehren. Wenn das Mode würde, möchte der Teufel Vater sein. Wenn dir das gelingt, so will ich keinen Tropfen mehr trinken. Der Himmel verzeihe mir den hohen Schwur. Aber da will ich einen Riegel vorschieben. Zum Grafen. Du gehst hinaus, ich habe mit Georg allein zu reden.
GRAF geht ab, nachdem er sich mit Georg noch durch Zeichen verständigt.
GEORG für sich. Was will er denn von mir? Mir wird ganz unheimlich zumute!
STADINGER. Georg, ich habe mit meinem Schwager Brenner um drei Ohm Hochheimer gewettet, daß der Ritter Liebenau nie mein Tochtermann wird, und diese Wette muß ich gewinnen. Georg, du bist mein Trost! Wie alt bist du?
GEORG. Das weiß ich nicht gewiß, es sind achtzehn Jahre, daß ich die Blattern hatte, und ich weiß nicht, war ich damals zehn oder zwanzig Jahre alt.
STADINGER. Tut nichts. Zum Heiraten bist du alt genug.
GEORG beiseite. Heiliger Bonifazius! Nun geht mir ein Licht auf.
STADINGER. Also – du wirst die Ehre zu schätzen wissen – ich mache dich zu meinem Schwiegersohn; es muß dir aber nicht unangenehm sein.
GEORG beiseite. Nun, das ist nicht übel! – Laut.Meister, was fällt Euch ein? Ich bin zum Heiraten verdorben.
STADINGER. Wieso?
GEORG. Mit mir hält's keine aus.
STADINGER. Warum nicht?
GEORG. Ich habe zuviel Fehler.
STADINGER. Fehler hat jeder Mensch, die lassen sich abgewöhnen; hab ich mir zum Beispiel mein dummes Sprichwort abgewöhnt –
GEORG. I nun, es kommt noch oft genug.
STADINGER. Du sollst mich darauf aufmerksam machen, so oft ich's sagen will.
GEORG. Soll geschehen, Meister –
STADINGER. Es muß dir aber nicht unange –
GEORG. Meister!
STADINGER sich vor den Mund schlagend. Daß dich das Wetter! – Na, ruf mir gleich zu, ich laß es schon. – Also wiederum zur Hauptsache zu kommen!

Nr. 7. Duett

STADINGER.
Du bist ein arbeitsamer Mensch,
bist brav, gesund und derb;
drum geb ich meine Tochter dir
und später mein Gewerb‘.
GEORG.
Ihr spaßt wohl, Meister!
STADINGER.
's ist mein Ernst,
mit so was spaß ich nicht.
Mein Mädel ist ein gutes Kind,
hat auch ein hübsch Gesicht.
GEORG.
Der Antrag ist sehr ehrenvoll –
STADINGER.
Besinn dich drum nicht lang.
GEORG beiseite.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll –
es wird mir angst und bang.
STADINGER.
Greif zu geschwind!
GEORG.
Ich fürchte mich!
STADINGER.
Geh, sei kein Hasenfuß.
GEORG.
Das ist 'ne Sache, die man sich
erst überlegen muß.
BEIDE für sich.
Das Mädel hat ein hübsch Gesicht,
drum wär der Spaß so übel nicht,
schnappt ich / sie meinem Ritter / dem Herrn keck
so grade vor der Nase weg.
Das wär ein guter Spaß!
GEORG.
Es geht nicht, Meister.
STADINGER.
Was ist das?
GEORG.
Ich sag's Euch grade hin,
daß ich mich nicht vermählen kann,
weil ich Leibeigner bin.
STADINGER.
Ich kauf dich los.
Die hab ich, die paar Dreier!
Wo bist du her?
GEORG.
Ach Gott, das weiß ich gar nicht mehr!
STADINGER.
Verflucht, da wird es teuer.
GEORG.
Nicht wahr?
STADINGER.
Doch koste es auch, was es will,
ich zahle die Dukaten.
GEORG.
Mir steht der Angstschweiß auf der Stirn.

Verzweifelt.

Ich will gar nicht heiraten.
STADINGER.
Du willst nicht?
GEORG.
Nein!
STADINGER.
Du mußt!
GEORG.
Oho! Für sich. Nun wird's mir bald zu toll.
STADINGER.
Willst du, daß meine Wette ich
etwa verlieren soll?
GEORG.
Wenn mich das Mädchen nun nicht will –
STADINGER.
Sie muß dich woll'n, jetzt schweigst du still.
GEORG.
Was will sie denn mit einem Mann,
der ihr nicht einmal sagen kann,
wer seine Eltern sind.
Ich bin ein Findelkind;
ich bin auch, glaub ich, nicht getauft,
die Schriften, die man bei mir fand,
ich habe sie verloren.
STADINGER die Hände zusammenschlagend.
Am Ende ist der ganze Kerl
noch nicht einmal geboren!
Doch das ficht alles mich nicht an,
du wirst mein Tochtermann.
BEIDE.
Das Mädel hat ein hübsch Gesicht,
drum wär der Spaß so übel nicht,
schnappt ich sie meinem Ritter keck
schnappt er sie dem Herrn keck
so grade vor der Nase weg.
Das wär ein guter Spaß!
STADINGER.
Nun schweigst du still, sprichst nicht mehr drein.
Du findst beim heut'gen Fest dich ein;
dort wird, wie sich's gebührt,
Verlobung deklariert.
GEORG.
Warum nicht gar.
STADINGER.
Es bleibt dabei!
Zum Teufel mit der Ziererei!
GEORG.
Ich komm nicht los, ich armer Mann!
STADINGER.
Was gilt's, er stellt sich nur so an.
GEORG.
Ich weiß mir nicht zu raten,
er peinigt mich zu Tod!
Mein Herr durch kühne Taten
hilft mir wohl aus der Not.
Man zwingt in Hymens Tempel
mich mit Gewalt hinein;
ich muß doch ein Exempel
von einem Eh'mann sein!
STADINGER.
Ein hübsches Weibchen, ein gut Gewerbe
und in die Hand noch bares Geld,
zu hoffen einst ein nettes Erbe,
was gibt es Schön'res auf der Welt?
Das kann dem Menschen schon behagen
und ließe, dächt ich, sich ertragen;
doch der Verstand wird zu seinem Frommen
ihm schon noch kommen,
er wird mir danken und ein Exempel
von einem guten Eh'mann sein!

Georg geht ab.

Achter Auftritt

Stadinger. Adelhof.

ADELHOF erhitzt. Gut, daß ich Euch noch treffe! Ich habe Wichtiges mit Euch zu reden.
STADINGER. Wollt Ihr etwa schon wieder in meinem Hause jemand verheiraten?
ADELHOF. Allerdings. – Eure Tochter! Aber nicht mit dem Gesellen Konrad, sondern – habt Ihr nicht auch einen namens Georg in Eurem Hause?
STADINGER. Sehr richtig.
ADELHOF. Der muß Eure Tochter heiraten – es war ein Mißverständnis.
STADINGER. So? Es ist mir nur lieb, daß Ihr mich gleich darüber aufklärt. – Mein lieber Herr Ritter aus Schwaben, ich muß Euch rundheraus sagen, daß ich Herr in meinem Hause bin und die Hand meiner Tochter gebe, wem ich will. Verstanden? Bekümmert Euch also ferner weder um meine Tochter noch um ihren Zukünftigen.
ADELHOF. Aber, lieber Meister –
STADINGER. Aber, lieber Herr Ritter, dabei bleibt's. Es muß Euch aber nicht unangenehm sein. Er ruft. He, Marie, Marie!

Neunter Auftritt

Die Vorigen. Brenner.

BRENNER eilig. Finde ich Euch endlich, Herr Ritter, ich sucht Euch überall. Das Fräulein erwartet Euch, sie hat Euch Wichtiges zu verkünden. Guten Tag, Schwager.
STADINGER. Guten Tag.
ADELHOF. Aber ich komme ja im Augenblick von ihr her.
BRENNER. Einerlei! Ihr sollt sogleich zurückkehren.
ADELHOF. Das weiß der Teufel!

Sie gehen gegen den Hintergrund und reden miteinander.

STADINGER an der Seitentür. Nun, zum Henker, wo steckt denn das Mädchen?

Zehnter Auftritt

Die Vorigen. Irmentraut.

IRMENTRAUT. Ihr habt mich gerufen?
STADINGER. Heißt Sie denn Marie? Ich rief nach meiner Tochter.
IRMENTRAUT. Ich hörte Euch »Mädchen« rufen.
STADINGER. Sie alte Schachtel! Wenn ich »Mädchen« rufe, werd ich Sie doch nicht meinen.
IRMENTRAUT. Aber, Meister Stadinger –
STADINGER. Doch da Sie nun einmal da ist, so ist mir's auch recht. Sind die Körbe hinausgeschafft?
IRMENTRAUT. Ja, Meister.
STADINGER. Der Wein, das Essen?
IRMENTRAUT. Ja, Meister.
STADINGER. Die Humpen, die Becher?
IRMENTRAUT. Ja, Meister.
STADINGER. Gut. – Zu Adelhof. Herr Ritter, ich kann nicht nachtragen. Wollt Ihr mir die Ehre geben, mich heut auf meinem Weinberg zu besuchen, ich feiere ein kleines Fest.
ADELHOF. Wenn es meine Zeit erlaubt –
STADINGER. Soll mir lieb sein. – Zu Irmentraut. Ich gehe jetzt voraus, Sie kommt mit Marien nach. Daß ihr mir aber keine Schleichwege macht, sonst –
IRMENTRAUT. Behüte mich der Himmel! Noch eins, Meister. Nennt mich draußen vor den Gästen nur nicht alte Irmentraut oder alte Schachtel, ich bitte Euch.
STADINGER. Ich werde immer sagen: Du liebes, kleines, junges Ding –
IRMENTRAUT freudig. Ach ja, Meister!
STADINGER lachend. Es muß Ihr aber nicht unangenehm sein. – Auf Wiedersehn, Herr Ritter! Leb wohl, Schwager! Er geht mit Irmentraut ab.

Elfter Auftritt

Adelhof. Brenner.

BRENNER. Also das Fräulein –
ADELHOF. Wie ich Ihm sage: ich glaubte meinen Auftrag recht schlau ausgeführt zu haben, da rief sie wütend: »Der Konrad darf nun und nimmermehr des Mädchens Gatte werden.«
BRENNER. Fragtet Ihr nicht, weshalb?
ADELHOF. Nun freilich, aber sie meinte, den Grund würde ich später erfahren. Welcher Teufel mag nur so plötzlich ihren Sinn geändert haben?
BRENNER beiseite. Der Teufel war ich. Laut. Das ist mir unbegreiflich.
ADELHOF. Nun soll der Georg sie heiraten.
BRENNER. Wirklich höchst seltsam! Aber Ihr vergeßt, daß Euch das Fräulein erwartet.
ADELHOF. Ich gehe schon. Am Ende ist ihr der Georg jetzt auch nicht recht. O Katzenstein, wenn deine Goldgulden nicht wären, so ließe ich dich sitzen, aber so – Verstand hab ich, aber kein Geld.
BRENNER für sich. Mit dem letzteren bin ich –
ADELHOF. Wie?
BRENNER laut. Ganz einverstanden.
ADELHOF. Nun will ich einmal sehn, was sie von mir will. Er geht ab.
BRENNER allein. Lauf nur, guter Schwabe, du wirst noch mehr Lauferei haben. Die Sache ist ganz einfach. Der Graf Liebenau bezahlt mich, daß ich ihm zu dem Mädchen verhelfe. Das reiche Fräulein bezahlt mich, daß ich ihm nicht zu dem Mädchen verhelfe. Da ist Verdienst auf beiden Seiten – und als Familienvater! – Jetzt hab ich ihr gesteckt, daß der Schmiedegeselle Georg und der Knappe des Grafen eine Person wäre. Das trug etwas ein. – Nun entdecke ich ihr wieder, daß der Schmiedegeselle Konrad und der Graf eine Person sind, da setzt's wieder etwas, und so opfert man sich für die Menschheit auf, um nur einigermaßen redlich durch die Welt zu kommen. Er geht ab.

Verwandlung

Weinberg

Auf den Terrassen wie unten zur Seite sind die Nachbarn Stadingers mit ihren Frauen und Kindern essend und trinkend gruppiert.

Zwölfter Auftritt

Stadinger. Brenner. Nachbarn. Männer und Frauen. Gesellen in fröhlicher Bewegung.

Nr. 8. Chor

Wie herrlich ist's, im Grünen,
im traulichen Verein,
bei Wein und frohen Mienen
des Lebens sich zu freun,
des schönen Lebens sich zu freun!

Dreizehnter Auftritt

Die Vorigen. Georg, von mehreren Gesellen gehalten.

EIN GESELLE. Hier, Meister, bringen wir einen Widerspenstigen, er wollte durchaus nicht mit.
GEORG. Nehmt's nicht übel, Meister, aber es war mir so übel zumute.
STADINGER. Deine Krankheit kenne ich, soll ich dir etwa ein Rezept verschreiben? – Frisch, sing uns ein Lied, da wird dir besser werden.
GEORG. Mir wär's ums Singen.
STADINGER. Georg, mach mich nicht bös. Ja so. Hast du meine Tochter mit der Alten nicht gesehen?
GEORG. Mit keinem Auge.
STADINGER. Sie müßten doch zum Kuckuck längst hier sein! – Na, werden wieder viel anzuputzen haben. Jetzt, Georg, mach keine Umstände, sing uns was, es muß dir aber nicht unange –
GEORG. Meister!
STADINGER ärgerlich. Daß dich – Er geht nach dem Hintergrunde.
GEORG für sich. Ich will singen, damit niemand den Berg verläßt, denn jetzt wird der Spaß unten losgehen.

Nr. 9. Lied mit Chor

GEORG.
War einst ein junger Springinsfeld,
der wollt auf Reisen gehn,
erwerben Ehre, Gut und Geld
und sich die Welt besehn.
»Leb wohl, fein Liebchen, weine nicht.
Bald kehr ich heim.« Sie aber spricht:
»O geh nicht in die Welt hinaus,
bleib lieber doch bei mir zu Haus,
es schadet oft, wenn man auf Reisen geht!«
CHOR.
»O geh nicht in die Welt hinaus,
bleib lieber doch bei mir zu Haus,
es schadet oft, wenn man auf Reisen geht!«
GEORG.
Er ging zur See. Nach Mexiko
wollt er fürs erste hin,
denn dorten gibt es Gold wie Stroh,
dacht er in seinem Sinn.
Doch ein Korsarenschiff erscheint,
das es mit ihm gar übel meint;
da ruft er in Verzweiflung aus:
»Ach, warum blieb ich nicht zu Haus?
Das kommt davon, wenn man auf Reisen geht!«
CHOR.
Da ruft er in Verzweiflung aus:
»Ach, warum blieb ich nicht zu Haus?
Das kommt davon, wenn man auf Reisen geht!«
GEORG.
Zuletzt befreit ein Zufall ihn
von seinem Mißgeschick;
er kehrt mit bittersüßer Mien‘
ins Vaterland zurück.
Er eilt zum Liebchen froh und keck,
doch trifft ihn bald der Schlag vor Schreck.
Sie stellt ihm ihren Bräut'gam vor
und flüstert ihm dabei ins Ohr:
»Das kommt davon, wenn man auf Reisen geht!“
CHOR.
Sie stellt ihm ihren Bräut'gam vor
und flüstert ihm dabei ins Ohr:
»Das kommt davon, wenn man auf Reisen geht!«
STADINGER. Nun möcht ich aber doch ernstlich wissen, wo mein Mädel bleibt. Ja – weil ich gerade von ihr rede, ihr Freunde, da muß ich euch einen Spaß erzählen. Heut kommt ein närrischer Kauz, ein schwäbischer Ritter in mein Haus und will mit Gewalt meine Tochter verheiraten. Erst wollte er ihr den Konrad geben, dann sollte Georg sie haben, und ich stehe doch nicht dafür, daß, ehe es Abend wird –

Vierzehnter Auftritt

Die Vorigen. Adelhof.

ADELHOF außer Atem. Guten Tag, Leutchen, laßt euch nicht stören.
STADINGER. Da ist er!
ADELHOF zu Stadinger. Alter Freund, nur ein paar Worte, denn ich muß gleich wieder fort: Der Georg darf auf keinen Fall Eure Tochter heiraten, denn –
STADINGER lacht. Hab ich's nicht gesagt!
ALLE lachen.
ADELHOF. Der Georg steckt mit dem Ritter Liebenau unter einer Decke.
STADINGER. Was ist das?
GEORG. Welche Verleumdung! Meister – und ihr könnt das dulden?
STADINGER. Ruhe – Beweise!
ADELHOF. Mein Fräulein weiß die Sache genau.
STADINGER. Euer Fräulein ist mit Respekt zu melden –
ADELHOF. Was?
STADINGER. Nicht recht gescheit!
ADELHOF. Meister Stadinger, bedenkt, was Ihr sprecht.
STADINGER. Herr Ritter, bedenkt Ihr, daß Ihr Euch in einem fröhlichen Kreise befindet, der ebensowe nig wie ich von Euren Narrheiten etwas wissen will.
ADELHOF. Aber mein Fräulein sagte mir doch –
STADINGER für sich. Hol dich und dein Fräulein der Teufel!

Man hört Irmentraut hinter der Szene »Hilfe« schreien.

BRENNER. Welch ein Geschrei?
ALLE durcheinander. Was ist geschehen?

Fünfzehnter Auftritt

Die Vorigen. Irmentraut. Später der Graf und Marie.

Nr. 10. Finale

IRMENTRAUT außer sich.
Zu Hilfe! Zu Hilfe!
STADINGER.
Was muß ich sehn?
Du bist allein! Wo ist mein Kind?
IRMENTRAUT.
Ach, eilt zu Hilfe ihm geschwind!
ALLE.
Marie? Was geschah mit ihr?
IRMENTRAUT.
Weit weggeführt ward sie von hier,
geraubt von einer großen Schar.
ALLE.
Wie? Geraubt! Entführt! Wie, ist das wahr?
STADINGER dem man nachgerade die Wirkung des Weines anmerkt.
Mir das! Mir das! Ha! Höll‘ und Teufel.
Das ist der Ritter ohne Zweifel!
Fort, fort, zur Stadt,
zum hohen Rat,
um mit den Waffen
mir Recht zu schaffen.
CHOR.
Fort, fort, zur Stadt,
zum hohen Rat,
ihm mit den Waffen
Recht zu schaffen. –
Da ist sie!
ADELHOF verschwindet unmerklich im Tumult.
MARIE UND GRAF treten auf.
STADINGER Marie in die Arme schließend.
Mein Kind! Mein teures Kind!

Plötzlich wieder wütend.

Du ungeratne Dirne,
ich dachte gleich:
Das wird das Ende sein
von euren Liebelein!
MARIE.
Was kann denn ich dafür?
BRENNER UND EINIGE MÄNNER.
Geh, Alter, sei gescheit.
MARIE auf den Grafen deutend.
Seht meinen Retter hier;
sein Arm hat mich befreit.
STADINGER, BRENNER UND CHOR.
Er allein? Ist das wahr?
MARIE.
Trotzte kühn der Gefahr.
GRAF.
Ja, preisen muß ich das Geschick,
das mich hierhergeführt.
Und sie zu retten, hätt mein Leben
tausendfach ich hingegeben.
STADINGER.
Oho!
MARIE.
O lieber Konrad!
STADINGER.
Ruh‘!

Zur Gesellschaft.

Was sagt denn ihr dazu?
Die Ritterschaft macht sich den Spaß
und balgt bei hellem Sonnenschein
sich um mein sittsam Töchterlein!
Das ist 'ne schöne Wirtschaft, das!
Hammer und Amboß! Nun hab ich's satt!
Das gibt 'nen Mordsskandal in der Stadt.

Zu Marie.

Jetzt sperr ich dich ins Kloster ein!
Das muß dir aber nicht unange –
GEORG ruft ihm zu.
Aber Meister!
STADINGER kann sich nicht bezwingen und schließt mit dem Worte.
– sein!
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF, GEORG, BRENNER UND CHOR.
Zornesglut färbt seine Wangen,
doch wir kennen dieses Dräun,
mit der Morgenröte Prangen
wird er andern Sinnes sein.
STADINGER.
Du erfüllest mein Verlangen,
schließest dich ins Kloster ein,
so nur kann ich ohne Bangen,
ohne Furcht und Sorgen sein.
Doch halt! Das geht nicht an.
Ich hab ja einen andern Plan,
ich hab 'nen Mann für dich.
GEORG für sich.
O weh! Nun kommt die Reih‘ an mich.
STADINGER auf Georg zeigend.
Hier steht er, den ich meine.
MARIE erschrocken.
Georg!
ALLE.
Wie, Georg?
MARIE.
Den nehm in meinem Leben
ich nun und nimmermehr.
GEORG.
Dies schmeichelt mir gar sehr.
STADINGER zornig.
Du willst nicht?
DIE ANDERN ohne Marie.
Aber Meister –
STADINGER.
Ich bring das Mädel um! Du willst nicht?
GEORG.
Ich will auch nicht.
STADINGER.
Schweig, Kerl, du bist zu dumm!

Zu Marie.

So willst du zu der Heirat
durchaus dich nicht verstehn?
MARIE.
Ach nein! Da will ich lieber
zehnmal ins Kloster gehn.
MARIE, IRMENTRAUT, BRENNER UND CHOR.
Zornesglut färbt seine Wangen,
doch wir kennen dieses Dräun,
mit der Morgenröte Prangen
wird er andern Sinnes sein!
Nur das eine tut mir leid,
daß die schöne Lustbarkeit
sich verwandelte in Streit.
GEORG.
Zornesglut färbt seine Wangen,
doch wir kennen dieses Dräun,
mit der Morgenröte Prangen
wird er andern Sinnes sein!
Nur das eine mich erfreut,
daß ich nach dem langen Streit
von der Heirat bin befreit.
GRAF.
Zornesglut färbt seine Wangen,
doch wir kennen dieses Dräun,
mit der Morgenrote Prangen
wird er andern Sinnes sein!
Nur das eine mich erfreut,
daß sie voller Zärtlichkeit
mir aufs neu‘ ihr Herz geweiht.
STADINGER.
Du erfüllest mein Verlangen,
schließest dich ins Kloster ein,
so nur kann ich ohne Bangen,
ohne Furcht und Sorgen sein.
Nur das eine tut mir leid,
daß die schöne Lustbarkeit
sich verwandelte in Streit.

Während alle Stadinger zu besänftigen suchen, fällt der Vorhang.

Entr'act

Moderato g-moll 2/4

Dritter Aufzug

Dasselbe Zimmer wie im zweiten Aufzug

Erster Auftritt

Marie am Spinnrad sitzend.

MARIE. Es geht nicht. Ich bringe nichts Gescheites zustande. Alle Augenblicke reißt der Faden. Das tut die Unruhe, die Angst, das böse Gewissen – ich habe wahrhaftig ein gutes Gewissen. Und vor des Vaters Drohung bin ich auch nicht bange; er will mich bei jeder Gelegenheit ins Kloster schicken – ich weiß doch, daß nichts daraus wird. Aber das Gerede der Leute, wie werden sie mit Spottreden über mich herfallen – und mit Unrecht, denn ich bin unschuldig, und wenn man von einem ganzen Haufen Männern überfallen wird – hat man doch manchmal mit einem schon seine liebe Not!

Nr. 11. Arie

Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!
Um unsern guten Ruf
ist's nur zu leicht geschehn;
man kann beim besten Will'n
nicht alles vorhersehn.
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!

Kaum sieht man einen Mann
nur von der Seite an,
so heißt's mit spött'scher Mien‘:
»Sie hat ein Aug‘ auf ihn.«
Schuf denn der liebe Gott
die Männer uns zum Groll –
daß man sie ausnahmsweis
nicht einmal ansehn soll?
Ein Mann kann machen, was er will,
da schweigt der böse Leumund still,
bei uns da schreit er laut.
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!

Geht man am lieben Sonntag
mit kindlich frohem Sinn,
fein sauber angekleidet,
ehrbar zur Kirche hin
und hat vielleicht zufällig
ein Bändchen mehr am Kleid –
gleich sprechen böse Zungen:
»Die strotzt von Eitelkeit.«
Da stecken Muhm‘ und Basen
zusammen ihre Nasen
und hecheln dann und keifen:
»Seht nur die vielen Schleifen!
Die geht auch nicht zum Beten
heut in die heil'gen Hallen;
es will die eitle Dirne
den Männern nur gefallen;
seht nur, wie sie sich bläht,
wie sie sich wendet und sich dreht;
seht nur, wie sie sich ziert
und mit den Augen kokettiert!«
Ein Mann kann machen, was er will,
da schweigt der böse Leumund still.
Doch ach, wir armen Mädchen! –
Wir armen, armen Mädchen
sind gar so übel dran;
ich wollt, ich wär kein Mädchen,
ich wollt, ich wär ein Mann!
Ich wollte, ich wär ein Mann,
ich wollte, ich hätt'nen –

sie hält ein wenig inne, dann fährt sie, gleichsam ärgerlich über ihr Versprechen, fort

ich wär ein Mann.

Zweiter Auftritt

Marie. Stadinger. Brenner.

BRENNER. Ich sage dir, Schwager, du wirst den Ritter nicht anders los, als wenn du das Mädel verheiratest. Ist sie einmal unter der Haube, wird sich seine Leidenschaft auch abkühlen.
STADINGER. Hatt ich denn etwas andres im Sinn? Das Mädel sollte den Georg heiraten, aber der Strohkopf will ja nicht.
MARIE. Ich, Vater, will aber auch nicht.
STADINGER. Du schweigst, bist du gefragt wirst.
BRENNER leise zu Marie. Sei still und laß mich gewähren. Laut zu Stadinger. Mit deinem Georg! Da ist doch aber der Konrad ein ganz anderer Mann.
STADINGER. Ich kann den Burschen nicht leiden, er versteht nichts vom Gewerb, ist ein schlechter Arbeiter –
BRENNER. Du bist ihm aber Dank schuldig.
STADINGER. Ich will ihn auch belohnen.
BRENNER. Womit denn?
STADINGER. Ich will ihn am nächsten Sonntag in der Herberge freihalten.
BRENNER. Das wäre eine schöne Belohnung! Du kannst nicht weniger tun, als ihm deine Tochter geben.
STADINGER. Schweig mir nur von dem Kapitel still. Jetzt will ich erst die ganze Entführungsgeschichte klar wissen. He, Konrad! Denn gestern abend – der Ärger war mir so zu Kopfe gestiegen, daß ich mich nicht mehr auf alles besinnen kann.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Georg.

GEORG. Ihr habt gerufen, Meister?
STADINGER. Dich nicht, du kannst aber auch dabei sein. Ruf mir den Konrad.
GEORG. Gleich, Meister! Er geht ab.
STADINGER zu Marie. Du, ruf mir deine würdige Erzieherin. Hoffentlich hat sie sich von ihrem Schreck erholt.
MARIE geht ab.

Vierter Auftritt

Stadinger. Brenner. Ein Geselle.

GESELLE. Meister, auf ein Wort.
STADINGER geht in den Hintergrund und spricht mit ihm.
BRENNER im Vordergrund. Das Fräulein zahlt nichts mehr, folglich diene ich dem Grafen wieder mit Leib und Seele. Wenn mir nur der Schwabe keinen Querstrich macht, denn er weiß jetzt alles.
STADINGER. Schon gut, ich werde dem Herrn Stadtvogt meinen Dank in Person abstatten!
GESELLE geht ab.

Fünfter Auftritt

Stadinger. Brenner. Marie und Irmentraut. Graf und Georg.

STADINGER. Da seid ihr ja beisammen. Stellt euch um mich herum und erzählt mir den Hergang.
MARIE. Als wir unten am Weinberge –
IRMENTRAUT. Als wir unten am Weinberge –
GRAF. Als wir unten am Weinberge –
STADINGER. Eins nach dem andern! Zu Irmentraut. Sie spricht zuerst. Das Alter hat den Vortritt.
IRMENTRAUT ärgerlich. Ach was, Alter –
STADINGER. Es ist aber doch wahr, also rede Sie.
IRMENTRAUT. Also – ach Gott, ich zittre noch an allen Gliedern – wir gingen von Hause weg –
STADINGER. Das weiß ich –
IRMENTRAUT. Ich erzählte unterwegs Marien –
STADINGER. Von Ihren vielen Eroberungen –
IRMENTRAUT ärgerlich. Aber wenn ich doch erzählen soll –
STADINGER. Die Hauptsache!
IRMENTRAUT. Als wir unten am Weinberge angelangt waren und in das Gebüsch traten, hörten wir flüstern, und ich vernahm deutlich, wie einer sagte: »Ich kann es meinem Herrn nicht verdenken, die Dirne ist hübsch!« – Anfangs glaubte ich, das ginge auf mich –
STADINGER. Mach Sie sich doch nicht lächerlich.
IRMENTRAUT. Da plötzlich drangen Bewaffnete aus dem Gebüsch –
MARIE. Jetzt laß mich erzählen. Ich fühlte mich von starken Armen erfaßt –
IRMENTRAUT. Ich sank in Ohnmacht –
MARIE. Nein, du liefst schreiend davon.
IRMENTRAUT. Nun ja, ich lief allerdings davon, weil eine Ohnmacht im Anzuge war.
MARIE. Da plötzlich drang Konrad aus dem Gebüsch hervor, nahm mich in seine Arme, entwand einem der Räuber die Waffe und befreite mich. Ach, du guter, edler, tapferer Konrad! Wie soll ich dir danken? Wie viele Wunden wirst du davongetragen haben.
STADINGER. Wunden? Wo hat er denn die?
GEORG. Ich habe sie ihm alle verbunden.
STADINGER. So, so!
BRENNER. Ja, ohne ihn wäre dein Kind verloren gewesen, drum mußt du dich dankbar gegen ihn beweisen. Gib ihm das Mädel, sonst nimmt sie dir der Ritter mit Gewalt. Zum Grafen und Georg. Legt euch aufs Bitten!
GRAF. Lieber Meister, ich will Euch ewig dankbar sein!
GEORG. Ich erst recht, Meister –
IRMENTRAUT. Ja, Meister, ich dächte auch –
MARIE. Lieber Vater, macht Euer Kind glücklich!
ALLE außer Stadinger. Laßt Euch erweichen!
STADINGER. Ihr Gesindel alle miteinander, ihr überrumpelt mich ja förmlich. Es fehlte weiter nichts, als daß der dicke Schwabe auch noch dazukäme!
BRENNER für sich. Das wäre mir nicht lieb.
STADINGER. Da ist er, wahrhaftig!

Sechster Auftritt

Die Vorigen. Adelhof.

Nr. 12. Septett

ADELHOF.
Gut, daß ich Euch noch treffe –
– hu, was bin ich gelaufen –
man will Euch armen Mann
verraten und verkaufen.
STADINGER.
Was ist denn wieder los?
ADELHOF.
Laßt mich nur erst verschnaufen.
MARIE zu Brenner.
Der muß uns bitten helfen.
BRENNER.
Nein, der ist gegen uns
und diese Heirat völlig eingenommen.
MARIE UND IRMENTRAUT.
Der Ritter? Der Ritter?
BRENNER.
Es ist, wie ich sage.
Laßt ihn, ich rat es euch,
ja nicht zu Worte kommen.
ADELHOF zu Stadinger.
Betrogner, armer Mann,
ihr geht in eine Falle.
BRENNER zum Grafen und Georg.
Wir jagen ihn hinaus,
denn er verrät uns alle.
STADINGER.
Ich geh in eine Falle?
Was wollt Ihr damit sagen?
DIE ANDERN.
Was wollt ihr damit sagen?
ADELHOF.
Du, guter Alter, bist zu blind!
Der Konrad und der Ritter sind –
DIE ANDERN.
Hinaus! Wir wissen schon, hinaus!
STADINGER.
Was sind sie denn?
ADELHOF.
Der Konrad und der Ritter sind –
DIE ANDERN.
Hinaus, wir wissen alles schon.
ADELHOF.
So laßt mich doch nur reden,
ich mein es herzlich gut.
STADINGER.
So laßt ihn doch nur reden –
er sagt, er mein es gut.
ADELHOF.
Ja, herzlich gut.
GEORG UND IRMENTRAUT.
Ihrer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
BRENNER.
Eurer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
MARIE.
Unsrer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
GRAF.
Unsrer Liebe droht Gefahr, wenn er spricht!
STADINGER.
Diesen Handel, ich begreif ihn nicht!
GRAF nimmt Adelhof beiseite.
Verratet, Waffenbruder,
verratet mich nicht.
ADELHOF verdutzt und geschmeichelt.
Wie, Ihr? Wie könnt Ihr glauben –
ich kenne Ritterpflicht!
BRENNER.
Der Mann hat eine Wut,
sich in dies Haus zu drängen.
STADINGER auf die Stirn zeigend.
Dem Manne fehlt es hier,
drauf lasse ich mich hängen.

Zu Adelhof.

Was werd ich nun vernehmen?
Wollt endlich Euch bequemen.
Der Konrad und der Ritter sind -?
ADELHOF in Verlegenheit.
Sind –
MARIE, IRMENTRAUT, GRAF, GEORG UND BRENNER.
Schweigt!
STADINGER.
Ruhe!
ADELHOF.
Sind beide – – ein paar Männer.
ALLE lachen.
STADINGER.
Fürwahr, Ihr seid ein Kenner!
Ich hätte nimmermehr gedacht,
daß Ihr es schon so weit gebracht
in der Naturgeschichte.
MARIE, IRMENTRAUT UND BRENNER.
Was ficht den dicken Mann
wohl nur so plötzlich an?
GRAF UND GEORG.
Nun ist der arme Mann
aufs neue übel dran.
STADINGER.
Also bin ich in einer Falle?
ADELHOF ärgerlich.
Hol euch der Teufel alle!
Ich finde mich in eure Kniffe
nicht hinein!
Und bin es endlich müd,
der Narre hier zu sein!
MARIE UND IRMENTRAUT.
Ich kann mir dies
Betragen nicht erklären, nein,
der arme Mann kann bei Verstande nimmer sein!
GRAF, GEORG UND BRENNER.
Man kann sich
sein Betragen nicht erklären, nein,
man glaubt, er könne bei Verstande nimmer sein!
STADINGER.
Nun seh ich's ein.

Zu den übrigen.

Bei dem Manne – glaubet mir –
spukt es hier.
MARIE UND GRAF.
O nahte bald der Augenblick,
wo uns der Liebe süßes Glück,
dem unsre Herzen sich geweiht,
vom läst'gen Zwang befreit.
IRMENTRAUT.
O schön muß sein der Augenblick,
wo uns der Liebe süßes Glück
vom läst'gen Zwang befreit!
GEORG.
O nahte bald der Augenblick,
wo mich des Frohsinns süßes Glück,
dem ich mein Leben hab geweiht,
vom läst'gen Zwang befreit.
BRENNER.
Reiste doch auf gutes Glück
er nach Schwaben gleich zurück;
dann wären wir auf lange Zeit
vom läst'gen Zwang befreit.
ADELHOF.
Ich glaub, es wär für mich ein Glück,
kehrt ich nach Schwaben schnell zurück;
dann wäre ich auf lange Zeit
vom Zwang befreit.
Hol euch der Teufel!
STADINGER.
Es wäre für mein Haus ein Glück,
kehrt er nach Schwaben bald zurück;
dann wären wir auf lange Zeit
vom Zwang befreit.
ADELHOF UND GEORG gehen ab.
STADINGER. Das ist ein närrischer Kauz; hoffentlich kommt er mir nun nicht wieder über die Schwelle. Zu Marie und Irmentraut. Ihr beide macht euch fertig, zu meiner Schwester nach Speyer zu fahren. Zu Marie. Da bist du fürs erste gebor gen!
MARIE. Aber Vater –
GRAF. Aber lieber Meister –
BRENNER. Du bist und bleibst doch ein rechter Dickkopf. Meinetwegen, wenn du denn durchaus Krieg haben willst, ich gehe meiner Wege. Leise zum Grafen. Eure Leute?
GRAF ebenso. Alles bereit.
BRENNER. So wollen wir denn den letzten Angriff wagen. Er geht ab.
GRAF. Wohlan denn, Meister, da Ihr durchaus halsstarrig seid, so gehe auch ich meiner Wege; leb wohl, Marie, und Ihr, mögt Ihr nie bereuen, meinen redlichen Antrag von Euch gewiesen zu haben.
MARIE. Vater, wenn der Konrad geht, spring ich ins Wasser!
STADINGER. Dagegen gibt's Mittel; ich sperre dich ein.
MARIE. Ich lege meinen Kopf auf den Amboß!
STADINGER. Da muß erst einer den Hammer schwingen.
MARIE. Ich hämmre mich selbst zu Tode!
STADINGER. Probier's nur einmal. Es muß dir aber nicht unangenehm sein.
MARIE weinend Irmentraut um den Hals fallend. Ach, Irmentraut, wer hätte das denken sollen.
IRMENTRAUT ebenso. O wir armen unglücklichen Mädchen!

Siebenter Auftritt

Die Vorigen. Brenner.

BRENNER eilig. Hab ich's nicht gesagt, daß der Teufel losgehen wird! Unten in der Straße blitzen Harnische und Pickelhauben. Der Graf ist im Anzuge.
STADINGER. Geh, mach keinen Spaß.

Achter Auftritt

Die Vorigen. Georg.

GEORG. Meister, Meister, wir sind geliefert. Viele tausend Reisige sind im Anmarsch mit Lanzen und Schwertern.
STADINGER. Donner und Hagel! Verrammelt das Haustor.
GEORG. Sie haben Mauerbrecher.
IRMENTRAUT. Mauerbrecher! All ihr Heiligen!

Neunter Auftritt

Die Vorigen. Ein Geselle.

GESELLE. Ein Diener vom Rat brachte dies Schreiben.

Er überreicht es und geht ab, woher er kam.

STADINGER. Her damit! – Was will denn der hohe Rat von mir? Zu Brenner. Da, lies einmal.
GEORG zu Brenner und dem Grafen. Nun kommt der Hauptwitz.
BRENNER liest. »Es ist ein Aufstand zu befürchten. Wir bitten und widrigenfalls befehlen wir Euch, zur Aufrechterhaltung der Ruhe unserer lieben Stadt, den Gesellen Konrad sogleich zu verheiraten.«
MARIE freudig. Dank, lieber hoher Rat!
BRENNER leise zum Grafen. Das wird wirken!
STADINGER. Stahl und Funken – freilich, wenn sich nun gar der hochweise Rat in die Sache mengt – so heiratet euch in Kuckucks Namen!
MARIE UND GRAF fliegen sich in die Arme. Dank, bester Vater!
IRMENTRAUT umarmt gleichzeitig vor Freude Georg. Dank, lieber Meister!
GEORG abwehrend. Nein, Jungfer, so ist die Sache nicht gemeint!
STADINGER. Und nun eilt zur Hintertür hinaus; die Kapelle ist nicht weit.
GRAF. Komm, Marie, bald mein trautes Weib.
BEIDE zur Seite ab.
IRMENTRAUT ihnen nach. Ich gehe mit als Brautjungfer.
STADINGER zu Brenner. Du hast ein gutes Mundwerk, geh dem Grafen entgegen und bewege ihn zum Rückzug.
BRENNER. Ich bringe die Sache in Ordnung. Verlaß dich darauf! Er geht ab.
GEORG. Und ich, Meister, gehe nun auch meiner Wege, aber wir sehen uns wieder.
STADINGER. Das denk ich.
GEORG. Ich will nur ein anderes Wams anziehen – es ist wegen des jungen Paares.
STADINGER. Tu das.
GEORG. Ob Ihr mich wohl darin wiedererkennen werdet?
STADINGER. In deinem andern Wams? Warum denn nicht?
GEORG. Ich meine nur so – aber es mag sein, wie es will – Er schüttelt ihm die Hand wir bleiben gute Freunde.
STADINGER. Kerl, was führst du denn für sonderbare Redensarten?
GEORG das Lachen unterdrückend. Wir bleiben gute Freunde. Ihr seid zwar zuweilen grob, aber das abgerechnet – doch eine gute, ehrliche Haut.
STADINGER. Bursche, was unterstehst du dich!
GEORG. Nicht böse werden, Meister; nur eine Frage: Ihr kennt doch die Geschichte von dem Absalom, der mit seinem Zopf am Baume hängen blieb?
STADINGER. Was soll's damit?
GEORG immer mit unterdrücktem Lachen. Dieser Biedermann hatte einen langen Zopf, der aber, den sie Euch gedreht haben, hahaha – der ist noch viel länger – hahaha – auf Wiedersehn, Meister. Er geht lachend ab.
STADINGER allein. Was schwatzte der Bursche da vom Zopf? Das habe ich nicht verstanden. Wird wohl so eine Schnurre sein wie gewöhnlich. Es ist und bleibt doch ein aufgeweckter Kerl, der Georg, und wenn ich ihn ansehe, so gedenk ich stets meiner eigenen Jugendzeit. Nur verliebter war ich als er, und das ist doch – wenn man jung ist – mit die Hauptsache.

Nr. 13. Lied

1

Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar,
an Mut wie an Hoffnungen reich;
beim Amboß von jeher ein Meister, fürwahr,
im Fleiße kam keiner mir gleich.
Ich liebte den Frohsinn, den Tanz, den Gesang,
ich küßte manch Dirnlein mit rosiger Wang‘ –
ihr Herz hat mir manche geweiht!
Das war eine köstliche Zeit!

2

Vor älteren Zeiten sich vieles begab,
was heut noch uns würde erfreun;
es regnete Manna vom Himmel herab,
und unverfälscht trank man den Wein.
Zu Kanaan füllten im Hochzeitssaal
die Krüge von selber sich allzumal,
für durstige Kehlen bereit.
Das war eine köstliche Zeit!

3

Wenn ehedem irgendein Ritter gewagt,
das Volk gar so hart zu bedrohn,
da wurde nicht lang prozessiert und geklagt,
man sprach aus 'nem anderen Ton.
Denn wurden der Kummer und Jammer zu laut,
so wehrte man sich mit dem Schwert seiner Haut,
es wurde barbarisch gebleut!
Das war eine köstliche Zeit!

4

Wenn jeder erglühte für Wahrheit und Recht,
wenn Hader und Zwietracht nicht wär,
wenn treu alle Frauen, der Wein immer echt,
wenn Herzen und Beutel nie leer,
wenn jeder bereit wär, mit tapferer Hand
zu fechten in Not für das Vaterland,
in Sachen des Glaubens kein Streit –
das wär eine köstliche Zeit!

5

Einst waren die Mädchen so treu wie das Gold,
und zog ihr Geliebter ins Feld,
so schwuren sie ihm, wenn sterben er sollt,
zu sterben gewiß unvermählt.
Sie dachten noch nicht, wenn gestorben der,
wo nehmen wir gleich einen anderen her?
Sie waren noch nicht so gescheit;
das war eine köstliche Zeit!

6

Einst gab es noch Schätze, von Geistern bewacht,
und manchem verwegenen Fant,
der mutig hinausging in finsterer Nacht,
kam Reichtum und Glück in die Hand.
Da hatten die Geister noch Geld im Haus
und liehen es ohne Prozente aus,
der Geist war nicht arm, so wie heut;
das war eine köstliche Zeit!

7

Einst galt das Versprechen mit Handschlag und Mund,
da hatte die Feder noch Ruh‘.
Schloß damals ein Pärchen den eh'lichen Bund,
so brauchte man wenig dazu.
Man schrieb im Kontrakt bei der Liebe Schwur
statt Namen und Titel ein Kreuzlein nur,
das Kreuz kam nicht nach, so wie heut;
das war eine köstliche Zeit!

8

Wenn's wieder so würde, wie einstens es war,
wo das Schwert nur für Recht sich erhob,
wo, geschlagen im Kampfe, die sündige Schar
wie Spreu vor dem Winde zerstob;
wenn Rechtlichkeit käme als Waffenschmied
und schüf auf dem Amboß, von Glut umsprüht,
ein Schwert, nur dem Guten geweiht –
das wär eine köstliche Zeit!

Er geht ab.

Verwandlung

Großer Hof vor Stadingers Hause mit einer Mauer und einem großen Tore in der Mitte. Die Fenster der Nachbarhäuser sind mit Schaulustigen angefüllt. Volk drängt sich zum Tore herein und sammelt sich auf der Mauer, den Zug erwartend.

Zehnter Auftritt

Stadinger von der Seite. Dann Brenner aus der Mitte.

Nr. 14. Marsch.

Die Musik beginnt in der Ferne.

STADINGER. Was ist denn das für eine Musik? Ich glaube, sie wollen mein Haus mit Sang und Klang stürmen.
BRENNER eilig. Du Glücklicher! Der Graf naht, aber in Lieb‘ und Eintracht mit Rittern und Vasallen, um sich bei dir zu bedanken.
STADINGER. Bedanken. Bei mir? Wofür denn?
BRENNER. Für – hähähä – das wirst du gleich erfahren.
STADINGER. Da bin ich sehr neugierig.

Elfter Auftritt

Großer Zug von Rittern, Knappen, Herolden, Pagen, Trompetern, weißgekleideten Mädchen mit grünen Zweigen, Hofdamen usw., welche sich zur Seite und im Hintergrunde aufstellen. Dann Graf Liebenau, in glänzender Rittertracht. Marie an der Hand. Georg im Wappenrock mit Irmentraut. Wie der Graf eintritt, rufen.

ALLE. Heil dem Grafen Liebenau.
MARIE UND GRAF knien vor Stadinger nieder. Teurer Vater, Euren Segen!
STADINGER. Wie ist mir denn? Bin ich denn verhext? Ist denn das nicht der Konrad?
GRAF. Der Graf von Liebenau und glückliche Gatte dieses Engels.
STADINGER. Stahl und Amboß! So ward ich betrogen?
GRAF. Verzeiht, teurer Vater! Meine kindliche Liebe und Achtung sollen Euch überzeugen, daß ich Eure Tochter verdiene.
BRENNER. Gib nach, Alter, was hilft das Sträuben?
STADINGER. Aber – ruft mir einmal den dicken Schwaben her.
BRENNER. Der ist abgereist und das Fräulein mit ihm!
GRAF. Glückliche Reise!
STADINGER zu Marien. So willst du den Ritter?
MARIE. Ach, Vater, ich hab ihn schon.
GEORG. Meister, wir bleiben gute Freunde!
STADINGER. Wie, Georg – du auch? Jetzt wird mir die Geschichte mit dem langen Zopf klar. O ihr Spitzbubengesindel alle miteinander. – Ich bitte um Verzeihung, Herr Graf –
GRAF. Nennt mich Sohn.
STADINGER. Herr – Sohn – hm – das Wort will noch nicht so recht rutschen – nun, da es denn der liebe Gott einmal so beschlossen, seid glücklich miteinander und nehmt meinen Segen. Es muß euch aber nicht unangenehm –
GEORG ihm in die Rede fallend. Aber, Meister!
STADINGER schlägt sich auf den Mund.
GRAF UND MARIE. Dank, teurer Vater!
GEORG UND IRMENTRAUT. So recht, Meister!
BRENNER. So recht, Schwager!
ALLE. Heil und Glück dem jungen Paare!
MARIE. Mir ist noch immer, als ob ich träume; dieser Glanz, dieser Reichtum –
GRAF. Und dennoch wiederhol ich dir: gedenkst du noch der Worte?

Nr. 15. Finale (Refrain

GRAF.
Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin
für dich, für deine Liebe!
MARIE.
Gern gäb er Glanz und Reichtum hin
für mich, für meine Liebe!
ALLE ÜBRIGEN.
Gern gäb er Glanz und Reichtum hin
für dich und deine Liebe!

Gegen Schluß werden die Fahnen geschwenkt, und der Vorhang fällt.