Gaetano Donizetti
Don Pasquale
Komische Oper in drei Akten
Personen
Don Pasquale, ein alter Junggeselle, altmodisch, geizig, leichtgläubig, eigensinnig, im Grunde ein guter Kerl (Baß)
Doktor Malatesta, Arzt, ein findiger Kopf, zu allen Scherzen gern aufgelegt, unternehmungslustig (Bariton)
Ernesto, Neffe des Don Pasquale, jung, glücklicher Liebhaber von Norina (Tenor)
Norina, eine junge Witwe, sprunghaftes Naturell, unfähig Widerspruch zu ertragen, aber aufrichtig und gefühlvoll (Sopran)
Ein Notar, verkleideter Freund Malatestas (Baß)
Ein Haushofmeister. Mehrere Bediente und Mägde. Eine Putzmacherin. Ein Friseur
Ort und Zeit der Handlung: Rom um 1750
Ouvertüre
Erster Akt
Saal im Hause Don Pasquales
Haupttüre im Hintergrunde, zwei Seitentüren nach den anderen Zimmern. Es ist Tag.
Erster Auftritt
Don Pasquale allein. Dann Malatestas Stimme.
Nr. 1. Introduktion
DON PASQUALE sieht ungeduldig auf die Uhr.
Schon um neune! Ach, der Doktor
könnte endlich wiederkommen!
Horch … mir scheint … er ist es … Unsinn!
’s war im Garten nur der Wind.
Welch ein Pillchen, mein Herr Neffe,
geb‘ ich Eurem Mund zu beißen,
und ich will Don Schafskopf heißen,
zeig‘ ich Euch nicht, wer wir sind!
MALATESTA von draußen.
Ist’s erlaubt?
DON PASQUALE.
Nur näher, näher!
Zweiter Auftritt
Don Pasquale. Doktor Malatesta.
PASQUALE ängstlich.
Habt Ihr?
MALATESTA.
Ruhe! Haltung! Würde!
PASQUALE.
Mich zerquetscht der Sehnsucht Bürde …
Habt Ihr eine?
MALATESTA.
In der Tat!
PASQUALE.
Dank dem Himmel!
MALATESTA für sich.
O der Trottel! O Pasquale!
Laut.
Hört mich mit gespannten Ohren!
Eine, die für Euch geboren,
nur für Euch, Don, ganz allein!
PASQUALE.
Sprecht, ich bin nur noch zwei Ohren,
selig, stumm, ein Bild von Stein.
MALATESTA.
So höret!
Nr. 2. Romanze
MALATESTA.
Schön wie ein holder Engel,
hierher gesandt zur Erde,
und wie die Lilie keusch und rein,
kurz, eine ganz Verklärte.
Blicke voll ros’gem Lachen,
Blicke, die selig machen,
lächelnde, ros’ge Lippen
und wie Ebenholz das Haar.
PASQUALE.
Wie? Meine Frau das? O welch ein Glück!
Ach, Doktor, Doktor! Ist’s auch wahr?
MALATESTA.
Unschuldig wie ein Engel,
fremd allen bösen Trieben,
bescheiden wie ein Veilchen
und anmutig zum Verlieben.
Mildtätig mit den Armen,
voll Güte und Erbarmen;
Gott schuf es Euch zum Lieben,
dies Wesen wunderbar!
Rezitativ
PASQUALE.
Familie?
MALATESTA.
Fein, vermögend!
PASQUALE.
Der Name?
MALATESTA.
Wie der meine.
PASQUALE.
Verwandt mit Euch am Ende?
MALATESTA.
Ein bißchen, ja … entfernt …
PASQUALE.
O, was Ihr saget!
MALATESTA.
’s ist meine Schwester!
PASQUALE.
O Freude! Das macht mich doppelt froh.
Wann darf ich sie sehen?
MALATESTA.
Nun … morgen um die Abendzeit.
PASQUALE.
Erst morgen? Nein, heute! Heute!
Ich will sie gleich betrachten.
MALATESTA.
Erst noch ein wenig schmachten!
Es tut Euch gut, bewegt das Blut.
Bald kommt sie zu Euch her.
PASQUALE.
Wahrhaftig?
MALATESTA.
Zähmt das heiße Blut!
Ich bringe sie Euch her.
PASQUALE.
O Lieber!
MALATESTA.
Doch höret mich …
PASQUALE.
Geht, ich bitte.
MALATESTA.
Doch … hört!
PASQUALE.
Beflügelt Eure Schritte
und holt sie gleich mir her!
Hält ihm den Mund zu und treibt ihn fort.
Dritter Auftritt
Don Pasquale allein.
Nr. 3. Kavatine
PASQUALE.
Ein Feuer, Feuer,
es brennt mich, brennt mich,
auswendig, inwendig,
in Herz und Hirne.
Alter vergangen,
Jugend kam her.
Grad, als ob zwanzig,
zwanzig ich wär‘!
Du Holde, komme doch,
süße Gemahlin!
Von Mädchen, Buben
fühl‘ ich mich Vater.
Ich seh‘ sie springen,
höre sie schrein,
woll’n mit mir spielen
und lustig sein.
Neues Leben!
Komm heran nun, mein Herr Neffe!
Mit Euch rupf‘ ich ein Hühnchen,
sobald ich Euch treffe …
Da ist er schon!
Vierter Auftritt
Don Pasquale. Ernesto.
Rezitativ
PASQUALE.
Kommst eben recht.
Wollt‘ dich grade rufen lassen.
Bitte, bitte!
Will dir keine Rede halten,
nur ganz kurz möcht‘ ich fragen.
Also höre!
Ist’s wahr oder nicht wahr,
daß ich jetzt vor acht Wochen
dir ein Mädchen ohne Tadel
anbot, reich, schön, von Adel?
ERNESTO.
Es ist wahr.
PASQUALE.
Und versprach ich dir nicht weiter
’ne Rente noch dazu und nach meinem Tode,
was ich besitze?
ERNESTO.
So ist es.
PASQUALE.
Ferner droht‘ ich
im Falle des Trotzes
dich zu enterben und nötigen Falles
noch mich selbst zu vermählen.
ERNESTO.
So ist es.
PASQUALE.
Wohlan denn!
Ich biete dir noch einmal
wie vor acht Wochen
die Gattin an.
ERNESTO.
Ich kann nicht. Ach, nur Norina,
ihr gehört meine Liebe.
PASQUALE.
Wohl – doch sonst auch nichts.
ERNESTO.
Mit Respekt solltet Ihr lieber reden
von der Armut, rein und voll Tugend.
PASQUALE.
Du bist also entschlossen?
ERNESTO.
Unwiderruflich fest.
PASQUALE.
Nun gut, so such dir
auf der Stell‘ eine Wohnung!
ERNESTO.
So wollt Ihr mich verjagen?
PASQUALE.
Dein Trotz und Ungehorsam,
er enthebt mich der Rücksicht.
Sorg‘ für dich selber künftig.
Ich nehm‘ mir ’ne Frau!
Nr. 4. Duett
ERNESTO. Ihr – ’ne Frau?
PASQUALE. Ja, mein Herrchen.
ERNESTO. Ihr?
PASQUALE. Wie ich jetzo vor dir stehe.
ERNESTO. Ach, entschuldigt mein Erstaunen.
PASQUALE.
Ich bin verlobet.
ERNESTO.
Welche Tollheit!
Ihr seid verlobet?
PASQUALE.
Ich sag’s zum zweiten Male:
Aus Cornato Don Pasquale,
Hausbesitzer, hier zuständig,
an Seel‘ und Leib lebendig,
hat die hohe Ehr‘ dir anzuzeigen,
daß er sich vermählen will.
ERNESTO.
Ihr macht Witze!
PASQUALE.
Witze? Ihr irrt Euch!
Zwar bin ich nicht mehr ein Knabe,
doch da gut gelebt ich habe,
ist mir Kraft und Saft geblieben.
Drum, Herr Neffe, mag’s belieben,
seht mein Haus von draußen an!
ERNESTO.
Weh, ich bin vom Glück vertrieben,
ach, mein Gott, was fang‘ ich an?
Traum in Nacht und Tagen,
nun bist du hingeschwunden.
Ich muß dem Glück entsagen,
eh ich es ganz gefunden.
Arm und verlassen,
verstoßen ins bittre Elend,
eh ich dich elend mache,
Teure, entsag‘ ich dir!
PASQUALE.
Ein Querkopf, nicht zu sagen!
Der Bursche ist aus Eisen!
So mag er’s denn auch tragen,
ich will es ihm beweisen.
Er hat es selbst verschuldet,
und was er nun erduldet,
mir soll er es nicht klagen, –
ist selber daran schuld!
ERNESTO.
Noch zwei Worte, Onkel, bitte!
PASQUALE.
Steh‘ zu Diensten.
ERNESTO.
Einer kann allein sich irren,
rätlich scheint, sich Rat zu holen,
und der Doktor Malatesta
ist ein Mann von Ernst und Würde.
PASQUALE.
Richtig, richtig!
ERNESTO.
Fragt ihn, Onkel, doch.
PASQUALE.
Ist auf’s schönste schon geschehen.
ERNESTO.
Widerriet er?
PASQUALE.
Nein, ganz und gar nicht,
gratulierte voll Entzücken.
ERNESTO.
Gratulierte?
PASQUALE.
Hör mich, komm, ich sag‘ dir mehr.
Sie … nun spitz die Ohren, Bester!
Sie … doch still … ist seine Schwester!
ERNESTO.
Seine Schwester? Laßt das Scherzen! Seine Schwester?
PASQUALE.
Seine Schwester!
ERNESTO.
Malatestas?
PASQUALE.
Malatestas!
ERNESTO.
Verräter, dem ich glaubte!
Wo ist die Geliebte?
Schicksal, das mich beraubte,
ach, ende diese Pein!
Was soll ich weiter leben,
rings nur von Leid umgeben?
Du nahmst mir die Geliebte,
so nimm mir auch das Sein!
PASQUALE.
Der Hieb hat gut gesessen.
Nun wird das Herrchen kirre,
hat seinen Witz vergessen,
steht da als wie von Stein.
Doch recht geschieht dem Knaben,
er wollt’s nicht anders haben
und wird, wenn ich nicht irre,
künftig vernünftig sein.
Sie gehen ab.
Verwandlung
Zimmer im Hause Norinas
Fünfter Auftritt
Norina tritt in einem Buche lesend ein. Später ein Diener.
Nr. 5. Kavatine
NORINA lesend.
»O diese Glut in Blicken,
Vorgeschmack vom Paradies,
daß sich der Held voll Entzücken
wonnig besiegen ließ
und in die Kniee niedersank
und ewige Liebe schwor.«
Sie legt das Buch weg.
Ich kenn‘ den tiefen Zauber
von einem Blick zur rechten Zeit,
ich weiß, wie schnell ein Herz entbrennt
in bittersüßer Seligkeit.
Der Blicke schnelle Grüße,
heimlicher Tränen Süße,
ich kenne sie und kenne
die liebe Mattigkeit.
Ich kenne all die Wege
und zärtlichen Gehege
der Liebe, der Treue
und ihre Heimlichkeit.
Den Kopf voll Kapricen.
lieb‘ ich nicht zu trauern,
bin nicht von den Sauern,
kenn‘ nicht Trauerton.
Will mal überfließen
die Galle und quälen:
bis drei gilt’s zu zählen,
da lache ich schon.
Rezitativ
Und der Doktor nicht zu sehen?
Dies dumme Warten!
Vom Lügengewebe
gegen Freund Don Pasquale
hört‘ ich nur allzu flüchtig;
so verstand ich nur wenig und warte.
Ein Diener tritt ein, übergibt ihr einen Brief und geht dann wieder.
Wie? Was? Ernesto? Ich zittre …
Sie liest voll Staunen, dann mit Schrecken.
Sechster Auftritt
Norina. Doktor Malatesta.
MALATESTA.
Guten Abend, Norina!
Das schöne Lügenplänchen …
NORINA.
Ist mißglückt, ist zu Ende!
MALATESTA.
Was denn? Was ist?
NORINA reicht ihm den Brief.
Da leset!
MALATESTA liest.
»Meine Norina, ich schreibe
den Tod im Herzen.«
Für sich.
Wir machen ihn munter!
»Don Pasquale, angestellt
von jenem Schurken -«
Für sich.
Danke!
»- dem doppelzüngigen Doktor Malatesta,
verlobte sich mit dessen Schwester,
verjagte mich aus seinem Hause,
enterbt mich völlig. Entsagen muß ich,
die Liebe will es so.
Ich verlasse Rom sofort und nächstens
Europa. Addio! Bleibt glücklich! Dieses
wünscht Euch von Herzen der Eure.. Ernesto.«
Die übliche Dummheit!
NORINA.
Doch wenn er abreist?
MALATESTA.
Er reist nicht, glaubt mir!
Bin ich bei ihm, und er erfährt,
was wir gesponnen, so wird er bleiben,
dess‘ bin ich überzeugt.
NORINA.
Doch möcht‘ ich wissen,
was Ihr gesponnen. – Bitte!
MALATESTA.
Um den Neffen zu strafen,
der nicht will, was er möchte,
will Pasquale sich kurzer Hand beweiben.
NORINA.
Das weiß ich schon.
MALATESTA.
Nun gut, ich bin sein Hausarzt
und steh‘ bei ihm in Ansehn
schon seit Jahren,
legt‘ mein Veto ein – vergebens.
Drum hab ich schnell gewechselt meine Taktik
und steh‘ ihm scheinbar bei.
Don Pasquale weiß,
daß hier in dem Kloster meine Schwester …
Und Ihr sollt für sie segeln.
Euch hat er nie gesehn, Euch präsentier‘ ich,
eh andre vor uns kommen;
sieht er Euch, ist er weg.
NORINA.
Ganz vortrefflich!
MALATESTA.
Und auf der Stell‘ ist Hochzeit!
Mein Vetter, Freund Carlotto,
gibt den Notar ab.
Das andere, Freundin, das ist Eure Sache,
ich glaube, daß Ihr’s trefft.
Bringt ihn zum Wahnsinn,
er ist ganz in Euren Händen.
NORINA.
Schon gut. Bin im Bilde.
Sodann …
MALATESTA.
Ganz vortrefflich!
Nr. 6. Duett
NORINA.
Gut, ja, ich tu’s! Für meine Liebe,
da will ich mich gerne maskieren
und den Alten brav vexieren,
alles soll kopfüber gehn!
MALATESTA.
Für Ernesto, für Norina
geb‘ ich mich gern ans Intrigieren,
und es wird mich amüsieren,
Don Pasqual im Netz zu sehn.
NORINA.
Nun, so sei es! Mög’s gelingen!
MALATESTA.
Seid nur schlau vor allen Dingen!
NORINA.
Spiel‘ ich die Traurige, die Tolle?
MALATESTA.
Nein, das ist nicht Eure Rolle.
NORINA.
Muß ich seufzen, weinen, schrein?
MALATESTA.
Wartet, ich will Lehrer sein. –
Spielt die Einfalt mir vom Lande.
NORINA.
O, das kann ich ausgezeichnet!
Ach, ich schäm‘ mich … bin so bange,
Danke … sehr, ich … bin noch klein.
MALATESTA.
Brava, brava, kleine Schlange,
besser könnt‘ es gar nicht sein!
NORINA.
Schief das Köpfchen.
MALATESTA.
Flüsterstimme.
NORINA.
Ach, ich schäm‘ mich.
MALATESTA.
O, die Schlimme! –
Besser könnt‘ es gar nicht sein.
NORINA.
Etwa so?
MALATESTA.
Ja, brava!
NORINA.
Schon der Plan zum großen Werke
gibt mir Lust und gibt mir Stärke.
Nun zum Kriege mit dem Alten
für der Liebe heil’ge Sache!
Was ich sagte, will ich halten,
was ich will, das kann ich gut.
Der Gedanke an die Rache
tut mir wie die Rache gut.
MALATESTA.
Ach, der arme Don Pasquale!
Aus der Liebe Racheschale
überschwemmt ihn bald mit Brausen
ungeheure Wetterflut.
Hu, des Sturmes wildes Sausen,
Blitzesschrecken, Donnergrollen!
Bald umtobt mit schweren, vollen
Strömen dich des Wetters Wut!
Zweiter Akt
Saal im Hause Don Pasquales
Es ist Tag.
Erster Auftritt
Ernesto, aufs äußerste niedergeschlagen.
Nr. 7. Rezitativ und Arie
Rezitativ
ERNESTO.
Armer Ernesto! Wie mit einem Mal
genieß‘ ich der Qualen allerbitterste Hefe!
Ach, mein Feind ist nun dieser,
dem als Freund ich so ganz und gar vertraute!
Norina verlieren – o Jammer!
Allein wie konnt‘ ich sie ketten
an dies elende Leben?
Nein, ich mußt‘ es ihr schreiben,
das Wort des Abschieds.
Weh mir, ich darf nicht bleiben!
Arie
In der Fremde will ich weilen,
will allein mein Unglück tragen.
Ach, es wird mein Herz nicht heilen
und nicht enden meine Klagen.
Doch es sollen nicht Not und Schmerzen
und es sollen nicht Land und Meer
weg dich reißen aus meinem Herzen,
meine Liebe geb‘ ich nicht her.
Und wenn einst in zartem Triebe
neu du glühest und vergessen
unser Glück, unsre Liebe,
die ich einst so reich besessen,
dann sollst du nicht fürchten, Süße,
daß ein Elender dich verflucht;
seine Seufzer sind die Grüße,
sind ein Hauch, der das Glück für dich sucht.
Rezitativ
Da ist der Onkel. Ich gehe.
Verwundetes Wild will sich verstecken.
Entfernt sich.
Zweiter Auftritt
Don Pasquale in großer Gala, begleitet von einem Diener.
PASQUALE zum Diener.
Wenn du hier eingelassen
den Doktor Malatesta – doch ohn‘ Begleitung –
paß genau auf, du Schlingel!
darf niemand mehr herein.
Wehe dir, du Tölpel,
wenn du dawider handelst!
Jetzt pack dich, verschwinde!
Der Diener ab.
Den Notar hab‘ ich selbst bestellt,
es ist mein bester, ältester Freund,
der von dort
Weist auf die Tür rechts.
wird erscheinen.
Man kann nicht wissen,
nicht jeder Herr Notar ist zuverlässig.
Holla, sie kommen!
Hymen, in deinen Schutz sei ich genommen!
Dritter Auftritt
Pasquale. Doktor Malatesta, die verschleierte Norina an der Hand.
Nr. 8. Terzett
MALATESTA.
Vorwärts! Mutig!
NORINA.
Ich vergehe. Ach, ich zittre!
MALATESTA.
Tretet nur ein!
Indem er Norina eintreten läßt, winkt er Don Pasquale zu, sich beiseite zu stellen. Dieser verbirgt sich in einer Ecke.
NORINA.
Ach, mein Bruder, ach mein Bruder!
MALATESTA.
Nicht so zittern!
NORINA.
Ach, ach Gott!
Sobald Norina in den Vordergrund gekommen, eilt Malatesta auf Don Pasquale zu.
MALATESTA.
Aus dem Kloster erst entlassen,
weiß sie sich noch nicht zu fassen,
diese kleine wilde Taube,
die zu zähmen Euch bestimmt.
NORINA.
Ach, mein Bruder!
MALATESTA.
Fassung, Fassung!
NORINA.
Gott, ach Gott, wenn jemand käme!
Für sich.
Daß ich diesen Narren zähme,
weiß ich jetzt schon ganz bestimmt.
PASQUALE in seinem Versteck.
Holde Einfalt! Jede Wendung
so, daß mich’s gefangen nimmt,
und ich heiße sie Vollendung,
wenn das Antlitz dazu stimmt.
NORINA.
Ach, mein Bruder!
MALATESTA.
Welch Gezitter!
NORINA.
So allein! Ach, ich vergehe!
MALATESTA deutet auf Pasquale.
Nicht allein. Sieh diesen Ritter!
Don Pasqual ist in der Nähe.
NORINA.
Wie? Was? Ein Mann! O weh, ich Arme!
Schnell fort von hier!
PASQUALE für sich.
Welch ein Kind, daß Gott erbarme!
Diese süße Unschuld mir!
MALATESTA für sich.
Ha, du bist schon im Alarme,
doch noch wärmer macht sie dir!
Rezitativ
MALATESTA zu Norina.
Keine Angst, nur nicht fürchten.
’s ist Don Pasquale,
mein Freund und Gönner,
Krone aller Ehrenmänner.
PASQUALE verbeugt sich tief.
NORINA schenkt ihm keinen Blick.
MALATESTA zu Norina.
Erwidert seinen Gruß doch!
NORINA ohne Don Pasquale anzusehen.
Danke …
bitte …
PASQUALE für sich.
Die Hand wie Alabaster!
MALATESTA leise.
Er ist schon in Siedehitze.
NORINA für sich.
Wart, altes Laster!
PASQUALE rückt Stühle zusammen und setzt sich in die Mitte.
MALATESTA.
Na, was sagt Ihr?
PASQUALE.
Ach, ein Engel! Doch der Schleier …
MALATESTA.
Sie würde niemals wagen,
den Schleier aufzuschlagen
vor einem Mann. Wollt Ihr jetzo sondieren,
ob eure Charaktere harmonieren,
dann wird man sehen …
PASQUALE.
Verstehe. Es soll geschehen. –
Zu Norina.
Da ich mir darf gestehen …
Und da auch der Herr Bruder …
der beste der Doktoren …
hab‘ ich … das heißt …
MALATESTA leise.
… den Kopf verloren.
Zu Norina.
Gebet Antwort!
NORINA.
Bitte … danke …
Macht einen Knicks.
PASQUALE.
Ich wollt‘ Euch sagen, abends
haben die Damen gern Gesellschaft …
NORINA.
O, mein Herr, nein! In dem Kloster
waren abends wir alleine.
MALATESTA.
Doch zuweilen im Theater?
NORINA.
Ich weiß nicht, was das ist,
und mag’s nicht wissen!
PASQUALE.
Und dabei sollt Ihr bleiben.
Doch muß man so oder so die Zeit vertreiben.
NORINA.
Mit Sticken, Nähereien oder Stricken;
auch geht man in die Küche.
Die Zeit hat’s gar zu eilig.
MALATESTA für sich.
Die kennt die Schliche!
PASQUALE ebenso.
Sie ist für mich geschaffen.
Verdammter Schleier da!
MALATESTA.
Liebe Sofronia, leget ab Euren Schleier!
NORINA.
Ach Gott … vor einem Mann!
MALATESTA.
Wenn ich es wünsche …
NORINA.
… so gehorche ich gleich.
Nimmt den Schleier ab.
PASQUALE.
Alle Wetter!
MALATESTA.
Mein Gott, was ist?
PASQUALE.
Eine Bombe hat eingeschlagen,
Ihr müßt, Ihr müßt sie fragen,
ob sie will sein mein Eigen.
Ich kann bloß stehn und schweigen.
Ich schwitze! Ich friere! Bin tot!
MALATESTA.
Nicht verzagen! Mir scheint,
sie ist geneigt, ich will sie fragen. –
Zu Norina.
Schwesterchen, liebes, kleines,
sagt mir … wollt Ihr wohl … nun also …
Dieser Herr da … gefällt er Euch?
NORINA.
Ich schäme mich, ’s zu sagen …
MALATESTA.
Nur mutig!
NORINA.
Ja …
Für sich.
Du bist ein Riesenesel!
MALATESTA.
Meinen Segen! Da nehmt sie!
PASQUALE.
Ich Glücklicher! Ich juble auf!
NORINA leise.
Wart noch ein bißchen, warte!
PASQUALE.
Nun hurtig zum Notare!
MALATESTA.
Ich hab‘ für alle Fälle
den meinen mitgebracht.
Er sitzt im Warteflur, laßt mich ihn rufen.
PASQUALE.
Herr Doktor, dafür laßt mich nur sorgen.
BEIDE um die Wette.
Herein, Herr Notare, herein,
Herr Notare!
Vierter Auftritt
Die Vorigen. Der Notar. Diener, die einen Tisch zum Schreiben herrichten.
NOTAR grüßt, setzt sich und macht sich zum Schreiben fertig.
Nr. 9. Quartett und Finale
MALATESTA diktierend.
Es sind erschienen etcetera
Sofronia Malatesta,
gebürtig in etcetera,
in irgendeinem Nest da …
Und andrerseits etcetera
Der Ritter Don Pasquale etcetera …
NOTAR.
Etcetera.
MALATESTA.
Etcetera, daß sie, wie sich’s gebühret …
NOTAR.
Etcetera.
MALATESTA.
Gemäß dem Rituale,
nach tiefer Überlegung
und Hin- und Hererwägung …
NOTAR.
… wägung.
MALATESTA.
Eingehn der Ehe Copula,
dazu sind sie ja da.
PASQUALE zum Notar.
Habt Ihr geschrieben?
NOTAR.
Geschrieben!
PASQUALE.
Schon gut.
Zu Malatesta.
Wollt weiter belieben.
MALATESTA diktiert.
Der Herr, der Don etcetera,
tut hiermit deklarieren,
daß er von seinem Hab und Gut
die Hälfte will zedieren
der Obigen etcetera,
die er zum Ehweib sich ersah,
denn dazu ist er da.
NOTAR.
Geschrieben!
PASQUALE.
Und weiter wünscht er …
NOTAR.
… er …
PASQUALE.
Daß alle ehren sollen
sie als seine geliebte – Gemahlin
und ihr Gehorsam zollen.
Sie soll hier dominieren,
das will ich statuieren,
dazu bin ich ja da.
NORINA UND MALATESTA.
Wir bestätigen Eure Großmut,
dazu sind wir ja da.
NOTAR.
Hier der Kontrakt. Nun die Namen.
PASQUALE unterschreibt.
Hier ist der meine.
MALATESTA führt Norina an den Tisch.
Nun, liebe Schwester, der deine,
und dann ist es geschehn.
NOTAR.
Ein Zeuge ist noch nötig,
soll’s nach dem Rechte gehn.
Man hört Ernestos Stimme vor der Tür. Norina läßt die Feder fallen.
ERNESTO draußen.
Zum Teufel! Zurück, ihr Tagediebe!
Zurück! Ich will doch sehn!
NORINA für sich.
Ernesto! Jetzt beim Himmel,
bleibt mir das Herze stehn.
MALATESTA ebenso.
Ernesto! Ach, und er weiß nichts!
Verdammt! Wie wird das gehn!
Fünfter Auftritt
Die Vorigen. Ernesto.
ERNESTO zu Pasquale.
Ich will Adieu Euch sagen,
man weist mich von der Türe.
Wer darf die Frechheit wagen,
Wer darf sich’s unterstehn?
PASQUALE.
Ach Gott!
Wir hatten Geschäfte groß und wichtig,
doch kommst du eben richtig.
Es fehlt zum Ehkontrakte
ein Zeuge unterm Pakte.
Zeigt auf Norina.
Hier, Neffe, deine Tante!
ERNESTO für sich.
Norina! Schmach und Schande!
Fällt nicht der Himmel ein?
Das kann und kann nicht sein!
Laut und zornig.
Die hier?
MALATESTA.
Die Tante dort, mein Bester,
ist meine Schwester!
Leise zu Pasquale.
Ach, er ist erregt, habt Mitleid,
ich kriege ihn schon klein.
Zu Ernesto leise.
Verschon uns mit Protesten!
Es ist zu deinem Besten!
Willst du Norina halten,
mußt du jetzt folgsam sein.
NORINA.
Um Gotteswillen stille,
sonst stürzt das Ganze ein.
ERNESTO.
Sofronia, seine Schwester?
Ich muß von Sinnen sein.
MALATESTA laut.
Hier ist der zweite Zeuge,
Ernesto will es sein.
Führt Norina zum Unterschreiben.
ERNESTO unterschreibt ebenfalls, wenn auch zögernd.
NOTAR.
Nun ist geschehn die Vermählung.
Entfernt sich unauffällig.
PASQUALE will Norina umarmen.
Mein Schneckchen!
NORINA plötzlich in verändertem Tone.
Nur Ruhe bitte!
Vom Leibe mir zwei Schritte,
und fragt erst um Erlaubnis.
PASQUALE unterwürfig.
Darf ich, mein Mäuschen?
NORINA.
Nein!
ERNESTO lacht.
Ha! Ha!
PASQUALE.
Was gibt’s da zu lachen?
Wart nur, du Frecher, dich will ich lehren!
Du sollst dich jetzo zum Teufel scheren!
NORINA.
O pfui!
Solch bäurisches Betragen
find‘ ich durchaus nicht fein.
Zu Ernesto.
Ihr bleibet!
Zu Pasquale.
Die guten Sitten,
die flöß‘ ich Euch noch ein.
PASQUALE.
Herr Doktor?
MALATESTA.
Don Pasquale?
PASQUALE.
Welch Wechsel!
MALATESTA.
Sehr fatale!
PASQUALE.
Was soll das nur?
MALATESTA.
Beruhigt Euch,
ich werde bei Euch sein!
NORINA UND ERNESTO für sich.
Ich kann nicht mehr, ich platze,
mir drückt’s das Zwerchfell ein!
NORINA zu Pasquale.
Ein Mann wie Ihr, so greisenhaft
und dick und ohne Allüren,
kann keine schöne junge Frau
galant spazieren führen.
Ich brauch‘ einen Cavaliere;
Zu Ernesto.
erweist Ihr mir die Ehre?
PASQUALE.
O nein, Madame, Entschuldigung,
o nein, das kann nicht sein!
NORINA.
Kann nicht sein? Warum?
PASQUALE energisch.
Weil ich’s nicht wünsche.
NORINA.
Ihr wollt’s nicht haben?
PASQUALE.
Nein!
NORINA mit gemachter schmeichlerischer Sanftmut.
Nein?
O mein Engelchen, was fällt Euch ein?
Ihr wollt? Wie dürft Ihr wollen?
Ich will! Nach dem Kontrakte
soll ich nur wollen sollen!
PASQUALE.
Herr Doktor!
NORINA.
Mir sollen alle gehorsam sein,
mir, mir und mir nur allein!
MALATESTA für sich.
Jetzt kommt es zur Entscheidung.
ERNESTO ebenso.
Jetzt heißt es: schnappt er ein?
PASQUALE.
Doch wenn … nun aber der …
NORINA.
Ich dulde kein »aber«!
PASQUALE.
Wenn dieser …
NORINA.
Wer? Ihr habt zu schweigen!
Still da! Jetzt war ich milde,
doch kann ich Krallen zeigen.
Mit entsprechender Geste.
und grab‘ dem Götterbilde
ein Angedenken ein.
PASQUALE weicht zurück.
O träum‘ ich? Wach‘ ich? Welch ein Schrecken!
Beißen? Kratzen? Brava! Prächtig!
Oder will sie mich nur necken?
Das sind dumme Spässe, dächt‘ ich.
Wehe, wehe, Don Pasquale,
was wird wohl dein Ende sein?
NORINA UND ERNESTO.
Bitter scheint es ihm zu schmecken!
Dieser Schreck ergreift ihn mächtig!
MALATESTA.
Wie sich seine Glieder strecken,
fast wird er vor Schrecken schmächtig!
Mut, mein lieber Don Pasquale,
es ist nur ein böser Schrecken,
es ist nur ein böser Schein.
NORINA UND ERNESTO.
Unsre lustige Kabale
wird nun wohl begriffen sein!
NORINA ergreift eine Klingel und schellt heftig.
DIENER tritt ein.
NORINA.
Ich wünsche hier geschwinde
die Dienerschaft zu sehn.
DIENER ab.
PASQUALE für sich.
Was will sie? Mein Gesinde?
MALATESTA ebenso.
Soll’s auf dem Kopfe stehn?
Sechster Auftritt
Die Vorigen. Haushofmeister. Zwei Diener.
NORINA.
Drei im ganzen? Hahaha, ausgezeichnet!
Knapp ausgerechnet drei!
Zum Haushofmeister.
Zu Euch!
Mich dünkt, Ihr seid der Chef
der Dienerschaft, beflissen
in aller Treu, ein Mann von Ehr‘,
Erfahrung, Würde, Wissen.
Drum wünsche ich, daß Euer Sold
jetzo verdreifacht sei.
Ich brauche neue Leute,
Lakaien, Kammerzofen,
mich dünkt, es sind zwei Dutzend
für’s erste mir genug.
PASQUALE wütend.
Jetzt seid Ihr doch wohl fertig?
NORINA.
Schon jetzt? Ihr seid nicht klug.
Zum Haushofmeister.
Gleich nachher müßt Ihr laufen,
zwei Wagen mir zu kaufen
mit Polstern und mit Federn,
vom Holz der feinsten Zedern.
PASQUALE.
Jetzt seid Ihr endlich fertig?
NORINA.
Doch fast hätt‘ ich vergessen:
das Haus ist ganz abscheulich,
die Möbel mehr als greulich;
die ganze Rumpelkammer wird
von Grund aus umgekehrt.
Besorgt mir noch behende
für punkt vier Uhr ein Essen,
besorgt es mir aufs beste,
es kommen fünfzig Gäste.
Und daß mir auch nicht das Kleinste fehlt,
so wie es sich gehört.
MALATESTA UND ERNESTO.
Ein Blitz herunterfährt!
HAUSHOFMEISTER entfernt sich mit den beiden Dienern.
PASQUALE.
Wer zahlt das?
NORINA.
Mein Himmel, Ihr!
PASQUALE.
Ich aber schwöre hier,
ich zahle gar nichts.
NORINA.
So?
PASQUALE.
Nein, bin ich der Herr im Hause?
NORINA.
Ach, laßt doch diese Flause!
Herr – hier, wo ich befehle?
MALATESTA zu Norina.
Ich bitt‘ Euch …
NORINA zu Pasquale.
Bei meiner Seele,
Ihr seid ein Bauer, ein Ungetüm,
ein unerzogner Narr!
PASQUALE höhnisch.
Drum nahm ich Euch zur Frau!
MALATESTA zu Pasquale.
Nehmt es nicht so genau!
NORINA.
Doch nur Geduld, ich komme,
fürwahr, ich komme ihm!
PASQUALE.
Ha, sie will mich massakrieren,
in die Hölle mich bugsieren,
will mich zum Gelächter machen,
doch das soll nicht also sein.
Aus des Teufels Elixieren
gab sie mir zu trinken ein.
NORINA zu Ernesto.
Dir den Star zu operieren,
spiel‘ ich heute hier den Drachen,
nur um dich nicht zu verlieren,
ging auf dieses Spiel ich ein.
Diesen Narren zu vexieren,
macht mir wahrlich selber Pein.
ERNESTO zu Norina.
Teure, sieh mich revozieren,
aus dem Mißtraun mich erwachen,
nie will ich mehr phantasieren,
daß du könntest untreu sein.
MALATESTA zu Pasquale.
Teurer Don, wollt Euch kalmieren,
das sind eben Ehesachen,
Jeder muß sie ausprobieren,
geht ins Bett und schlaft allein.
Zu Norina und Ernesto.
Aber euch, ihr Teufelsdrachen,
rat‘ ich auf der Hut zu sein!
Dritter Akt
Saal im Hause Don Pasquales
Auf Tischen, Stühlen und am Boden liegen zerstreut Toilettenartikel für Damen, Kleider, Hüte, Pelze, Spitzen, Schärpen, Kartons usw. Abend.
Erster Auftritt
Don Pasquale sitzt in großer Aufregung an einem Tisch voll Preislisten und Rechnungen. Diener stehen teils wartend umher, kommen teils aus Norinas Zimmer. Ein Friseur verläßt dieses soeben, eilt über die Bühne und geht durch die Mitteltüre ab. Später eine Putzmacherin.
Nr. 10. Introduktion
ERSTER DIENER.
Die Diamanten! Schnelle! Schnelle!
ZWEITER DIENER.
Die Marchande de modes!
DRITTER DIENER.
Komme sie nur!
PUTZMACHERIN tritt mit einem Berg von Kartons ein und verschwindet in Norinas Zimmer.
VIERTER DIENER mit einem Pelz, Blumenstrauß und Parfümflaschen.
In den Wagen auf der Stelle!
WEITERE DIENER.
Hier der Fächer, der Schleier, der Pompadour,
das Lorgnon, das Schnupftuch, das Puderkästchen.
Ist zum Souper schon alles gerichtet?
FÜNFTER DIENER.
Die Pferde ins Geschirre
und schleunigst angespannt!
PASQUALE.
Abscheuliches Gewirre,
ich komm‘ um den Verstand!
DIE DIENER haben ihre Aufträge ausgeführt und eilen hinaus.
Zweiter Auftritt
Don Pasquale allein.
Rezitativ
PASQUALE die Rechnungen studierend.
Laßt sehen!
Für die Modistin hundert Taler.
Sehr verbunden!
Den Herren Kutschern sechshundert.
Bagatelle!
Vierzehnhundertundfünfzig für Geschmeide.
Für die Pferde … Fahrt zum Teufel
alle Pferde, alle Händler und auch die Ehe!
Ausgehn am ersten Tag unsrer Ehe
ist so ohne Recht und Würde,
daß ich als Herr im Hause
muß protestieren,
muß Einspruch hier erheben,
was auch geschehe.
Doch wenn ich sie höre,
wenn ich sie vor mir sehe –
sie hat verteufelte Augen
so zum Regieren,
weiß so herrisch zu schauen,
daß ich das Fieber kriege vor Grauen
schon bei der Vorstellung.
O Don Pasquale, wohin bist du gekommen?
Auf alle Fälle versuche ich’s einmal,
es gehe so schief es wolle.
Ach, sie kommt. O wehe!
Dritter Auftritt
Don Pasquale.
Norina in großem Putz, ausgehfertig.
Nr. 11. Duett
PASQUALE.
Ei, wohin in solcher Eile,
schönes Fräulein, darf ich fragen?
NORINA.
Ins Theater, Langeweile
nach Gefallen zu verjagen.
PASQUALE.
Nun, und wenn der Mann bescheiden
einen Einspruch würde wagen?
NORINA.
Würde man so was nicht leiden,
denn der Mann hat nichts zu sagen.
PASQUALE.
Nur nicht auf die Spitze treiben
dies unglaubliche Betragen!
Heut zuhause soll’n Sie bleiben,
auf Ihr Zimmer gehen Sie!
NORINA spöttisch.
Nur nicht sich so sehr erregen!
Alten Leuten ist zu raten,
zeitig sich ins Bett zu legen.
Alles andre morgen früh.
Marsch zu Bette, wohl zu ruhen,
marsch zu Bette, gute Nacht!
PASQUALE vertritt ihr den Weg.
Hier geblieben?
NORINA.
Zu Befehle!
PASQUALE.
Ich bin müde.
NORINA.
Ich bin munter.
PASQUALE.
Freche Katze!
NORINA.
Unverschämter!
Holla nimm, da hast du deinen Lohn!
Gibt ihm eine Ohrfeige.
PASQUALE.
Dies das Ende, Don Pasquale,
brauchst nicht weiter nachzudenken,
irgendwo dich aufzuhenken,
wird nun wohl das Beste sein!
NORINA für sich.
Dieser Knalleffekt war bitter,
doch ich konnt‘ ihn dir nicht schenken,
denn ich muß zum Ziele lenken
und darf nicht bedenklich sein.
Laut.
So – ich gehe!
PASQUALE.
Geht, doch spart Euch
ja des Wiederkehrens Mühe.
NORINA.
Morgen komm‘ ich in der Frühe.
PASQUALE.
Zugeschlossen wird mein Haus.
NORINA.
Ei, ei, mein Gebieter,
spiel Er nicht den Tiger,
leg dich lieber nieder,
mein guter Großpapa.
Wenn Träume dich wiegen,
wird Ärger verfliegen,
und morgen zur Früh ist
die Gattin dir nah.
PASQUALE.
Ich lasse mich scheiden!
Ich pfeif‘ auf die Ehe!
Vor Ärger und Leiden
schon starb ich beinah.
Erst wenn ich geschieden,
kehrt wieder der Frieden,
nie wieder geschieht mir,
was jetzt mir geschah!
NORINA geht ab, beim Fortgehen läßt sie einen Zettel fallen.
Vierter Auftritt
Don Pasquale allein. Später ein Diener.
Rezitativ
PASQUALE hebt den von Norina fallengelassenen Zettel auf.
Noch so ein Zettel voll Häubchen und voll Spitzen,
wie sie die Gnädige sät in den Stuben.
Öffnet den Zettel und liest.
»Vielgeliebte Sofronia!« –
O wehe, was soll das heißen?
»Zwischen neun und zehn Uhr heut Abend
erwart‘ ich meine Vielgeliebte
hinterm Garten, Du weißt, am bewußten Platze.
Ich empfehle meinem Schatze,
wenn es geht, mich zu lassen
durch’s kleine Hinterpförtchen. Dort ohne Stören
im Schatten könnten wir uns angehören.
Noch eines, Geliebte,
ich werde ein Zeichen durch Singen Dir geben.
Nun spitz deine Öhrchen!
Der Deine in Treue fürs Leben.«
Außer sich.
Das ist zuviel! Zuviel! Sie will
mich um das Leben bringen.
O weh, ich kann nicht mehr,
ich bin am Ende.
Ich rufe Malatesta.
Klingelt, ein Diener erscheint.
Sofort zum Doktor laufen,
und sag ihm, ich sei krank,
ich lieg‘ im Sterben.
Diener ab.
Werd‘ ich sie nimmer los,
muß ich verderben!
Er entfernt sich.
Fünfter Auftritt
Die Dienerschaft des Hauses.
Nr. 12. Chor
ALLE.
Welch unaufhörliches Hinum und Herum,
just wie geschlagen, o jerum, o jerum.
Kling-kling von dort, ping-ping von da,
man wird verrückt, verrückt beinah.
Alles so fein, in großem Stile,
wir schwimmen im Fett, halleluja!
DIE ZOFEN.
Nach Tische kam man sich in die Haare.
DIE DIENER.
Das fängt gut an; gebt uns Bericht.
DIE ZOFEN.
Sagte die Gnädige: Adieu, ich fahre.
Sagte der Herr: Du fährst mir nicht!
Mit Zank und Schnaufen
gab es ein Raufen.
DIE DIENER.
Aber die Gnädige gewann, hahaha!
Da steckt ein Neffchen im Hintergrunde.
DIE ZOFEN.
’s ist für den Alten ’ne böse Stunde.
DIE DIENER.
Der Gnäd’gen mangelt es nicht an Feuer.
DIE ZOFEN.
Dem Alten ist es nicht recht geheuer.
ALLE.
Stille, es kommt wer; wir wollen verschwinden.
Wir schwimmen im Fett, halleluja!
Sie ziehen sich zurück.
Sechster Auftritt
Doktor Malatesta und Ernesto.
Rezitativ
MALATESTA.
Wohl verstanden?
ERNESTO.
Vortrefflich. Schnell in den Garten,
meine Rolle fein zu spielen.
MALATESTA.
Und ich die meine dito!
Doch vor allem, daß dich der Alte
nicht erkenne!
ERNESTO.
Nur nicht ängstlich!
MALATESTA.
Sobald du uns kommen hörst …
Ernesto …. bin ich über die Mauer.
MALATESTA.
Bravo, bravissimo!
ERNESTO.
Auf Wiedersehen!
Eilt davon.
MALATESTA allein.
Diese plötzliche Berufung lehrt mich,
er ist auf den Leim gegangen
und will die Ungetreue jetzt erwischen.
Sieht in die Kulisse.
Armer Kerl! Gott, wie schaust du doch verändert!
Die Augen umrändert!
Man könnte Mitleid fühlen …
Doch heißt es Haltung,
wieder den Doktor spielen.
Siebenter Auftritt
Doktor Malatesta.
Don Pasquale.
Rezitativ
MALATESTA.
Don Pasquale?
PASQUALE.
Ha, Schwager, Ihr seht in mir
’ne wandelnde Leiche.
MALATESTA.
Laßt mich hören!
Was kann im Glück Euch stören?
PASQUALE für sich.
Zu denken, daß die eigne Borniertheit
mir eingebrockt die Suppe!
Hätte doch lieber der Junge seine Puppe!
MALATESTA für sich.
Das ist wichtig zu wissen!
Laut.
So sagt mir endlich doch …
PASQUALE.
Fast eine ganze Jahresrente
in Hauben und Bändern verschwenden –
das ist nicht alles.
MALATESTA.
Was weiter?
PASQUALE.
Das gnädige Fräulein
möchte ins Theater fahren.
Ich widerspreche milde,
jedes Wort ist vergeblich,
ist ganz verloren.
Ich befehle … sie gibt die Antwort
mir hinter die Ohren.
MALATESTA.
Eine Schelle?
PASQUALE.
Eine Schelle, ja, so ist es.
Doch noch nicht alles,
es kommt noch viel schlimmer.
Da leset …
Gibt ihm den Brief.
MALATESTA nachdem er gelesen.
Bin versteinert!
PASQUALE.
Doch bei allen Teufeln, ich nehme Rache!
MALATESTA.
Sehr richtig!
PASQUALE.
Ich werd‘ sie fassen
in flagranti!
MALATESTA.
Wie das?
PASQUALE.
Hört mich ruhig. Ich hab‘ mein Plänchen.
Höret an!
MALATESTA.
So redet!
Nr. 13 Duett
PASQUALE.
In den Garten, leise, leise,
schleichen wir, und meine Leute
bilden dichte Zingelkreise,
fangen uns die freche Beute.
Ist das Paar ins Garn gegangen,
haben wir sie fest gefangen,
sei kein Augenblick verloren,
gleich zum Bürgermeister hin!
MALATESTA.
Doch bedenket, Eure Beute,
sie ist ja doch meine Schwester.
Soll es denn für Eure Leute
ein erwünschtes Schauspiel sein?
Bessren Plan laßt uns ersinnen.
Halt – mir fällt schon erwas ein!
Hört mich an, wie ich es meine:
Gehn wir beide schnell alleine,
lauern wir in den Gebüschen,
bis die beiden wir erwischen,
und wir packen sie und drohen,
drohen mit der Polizei,
bis die beiden uns versprechen,
daß die Schmach zu Ende sei.
PASQUALE.
Doktor, nein, so kann’s nicht sein.
MALATESTA.
Sagt, ist denn der Plan nicht fein?
PASQUALE.
Für so niederträcht’ge Dinge
ist die Strafe zu geringe.
Fort muß sie aus meinem Haus.
BEIDE.
Delikat ist die Affäre,
Rache ist, was ich (er) begehre (begehret),
doch die Klugheit muß der Strenge
freilich an der Seite sein.
PASQUALE.
Ihr müßt wissen …
MALATESTA.
Ha, gefunden!
PASQUALE.
Was? Ich bitte
schnelle, schnelle. Bitte redet!
MALATESTA.
Unsre Schritte
lenken wir ins Büschedunkel
und belauschen das Gemunkel
der Verruchten. Ist es sündig,
dann soll sie vertrieben sein.
PASQUALE.
Bravo, bravo, bin’s zufrieden.
Bravo, bravo, mag’s geschehen.
Warte, mein Drache,
leise, verstohlen,
so naht die Rache,
ha, dich zu holen.
Haha, sie packt dich,
ha, am Genicke,
all deine Tücke
büßest du mir.
Da wird nichts helfen,
Kabale und Schliche,
erlogenes Lächeln,
Seufzer und Tränen.
Dich hat meine Rache
in sicherer Schlinge,
in eiserner Falle
zappelst du mir.
MALATESTA.
Träume, nur träume,
armer Pasquale,
Träume sind Schäume.
Doch das Finale,
wehe, es packt dich,
eiserne Kralle,
und in der Falle
zappelst du hier.
Der Arme baut
Kalkül auf Kalkül,
ahnt nicht, daß alles
Blasen im Winde.
Der Tölpel merkt nicht
die offene Falle,
springt in das Eisen
mit Wollust schier.
Sie gehen zusammen ab.
Verwandlung
Garten am Hause Don Pasquales
Nacht. Mondschein.
Achter Auftritt
Ernesto, in einen Mantel gehüllt. Chor hinter der Szene.
Nr. 14. Serenade
ERNESTO.
O süße Nacht
im Mai durchwacht!
Tiefblauer Samt
der Himmel, vom Mond durchflammt.
CHOR.
O süße Nacht
im Mai durchwacht!
ERNESTO.
Herz, ah, wie weit!
Selige Mattigkeit!
O komme zu mir,
die ich erwarte hier.
CHOR.
Herz, ach, wie weit!
Selige Mattigkeit!
ERNESTO.
Es wehen Seufzer
in trüben Winden,
mein Herz, es suchet dich
und muß dich finden.
Ich warte dein,
du mein Herzbegehr,
bleib‘ ich allein,
so leb‘ ich nicht mehr.
Und all dein Weinen
ruft mich nicht zurück,
bin ich gestorben,
starb auch dir dein Glück.
CHOR.
Und all dein Weinen
ruft mich nicht zurück,
bin ich gestorben,
starb auch dir dein Glück.
Neunter Auftritt
Norina aus dem Hause. Ernesto, der den Mantel fallen läßt. Später Don Pasquale und Doktor Malatesta.
Nr. 15. Notturno
NORINA UND ERNESTO.
Laß es, ach, laß es mich hören,
sag es mir immer aufs neu,
daß wir einander gehören,
daß du für immer mir treu.
Das Wort von deinen Lippen
ist Balsam für meine Wunden.
Wo du bist, muß ich gesunden,
krank bin ich ferne von dir.
PASQUALE ist herbeigeschlichen und hat sich hinter einem Strauch verborgen.
Seht doch da, wohl aufgepaßt!
MALATESTA hinter Pasquale.
Nur leise, leise!
Zehnter Auftritt
Norina. Ernesto. Pasquale. Malatesta.
Rezitativ
PASQUALE hat sein Versteck verlassen und leuchtet Norina mit der Laterne ins Gesicht.
Halt da, halt!
NORINA.
Diebe! Zu Hilfe!
PASQUALE.
Stille! Wo ist der Buhle?
NORINA.
Wer?
PASQUALE.
Der eben hier war,
mit Euch im Gespräche!
NORINA.
Alle Himmel, wen könnt Ihr meinen?
Hier war keine Seele.
MALATESTA für sich.
Die freche Katze!
ERNESTO hat sich inzwischen aus dem Staube gemacht.
Elfter Auftritt
Norina. Pasquale. Malatesta.
PASQUALE.
Ihr wagt zu leugnen?
So werd‘ ich ihn Euch zeigen!
NORINA.
Noch einmal denn:
’s war niemand hier. Ihr scheint zu phantasieren.
PASQUALE.
Was trieb Euch, grad jetzt hier zu spazieren?
NORINA.
Frische Luft genießen.
PASQUALE.
Frische Luft! Die Unverschämte!
Fort aus meinem Hause oder …
NORINA.
Oho, mein Herr Gemahl,
Was habt Ihr für Ideen?
PASQUALE.
Fort sag‘ ich, hinaus!
NORINA.
Nicht mal im Traum. Das hier ist mein Haus.
Ich bleibe!
PASQUALE.
Bombengranaten tausend!
MALATESTA tritt dazwischen.
Don Pasquale,
jetzt ist die Reih‘ an mir. Laßt mich nur machen
und schweigt stille. Ich habe Vollmacht?
PASQUALE.
Vollkommen!
NORINA.
O Gott, jetzt kommt’s zum Krachen.
MALATESTA zu Norina.
Paßt auf! Erst die Erstaunte nach Kräften spielen.
Laut.
Ich bitte, Schwester, hört mich
geduldig an. Es gilt,
Euch eine Schmach zu ersparen.
NORINA.
Mir eine Schmach?
MALATESTA leise.
Vortrefflich so!
Laut.
In dieses Haus wird morgen
einziehn ’ne neue Gattin.
NORINA.
’ne neue Gattin? Mir das zu bieten!
MALATESTA leise.
Das ist der Moment, nun bitte wüten!
NORINA.
Gattin von wem?
MALATESTA.
Ernestos, Norina.
NORINA.
Das kokette Geschöpf, die schlaue Norina!
PASQUALE für sich.
Bravo, mein Doktor!
MALATESTA zu Norina.
Seht, schon gewonnen!
NORINA.
Das wäre grad so meine Sache!
Norina so mit mir unter einem Dache!
Niemals! Viel lieber geh‘ ich!
PASQUALE für sich.
O, machte sie’s doch wahr!
NORINA als ob sie überlege.
Doch … einen Augenblick!
Wenn diese Heirat eine List nur wäre?
Da will ich doch erst sehen …
MALATESTA.
’s ist richtig. – Don Pasquale, soll es gehen,
müßt den beiden Ihr euren Segen geben,
sonst geht sie Euch nicht fort.
PASQUALE.
Nun, meinetwegen!
MALATESTA ruft.
Heda, heda! Heraus da, Ernesto!
Zwölfter Auftritt
Die Vorigen. Ernesto.
Bediente.
ERNESTO.
Hier bin ich!
MALATESTA.
So höret.
Es gibt Euch Don Pasquale
zur Ehe Frau Norina und eine Jahresrente
von rund viertausend Talern.
ERNESTO.
Ach, teurer Onkel, ist das wahr?
MALATESTA zu Pasquale.
Jetzt keine Zeit verlieren,
sagt schleunig ja!
NORINA.
Ich will nicht!
PASQUALE.
Ich aber will es!
Zu Ernesto.
Lauf und hole Norina,
auf der Stelle will ich sie dir zum Weibe geben.
MALATESTA.
Nicht not, sie zu suchen.
Die Braut steht hier.
PASQUALE.
Wieso? Erklärt Euch!
MALATESTA.
Hier steht Norina.
PASQUALE.
Dies ist Norina? Bombengranaten!
Und Sofronia?
MALATESTA.
Im Pensionate.
PASQUALE.
Und meine Ehe?
MALATESTA.
War keine Ehe,
nur eine Warnung, vor Leid Euch zu wahren.
PASQUALE.
O diese Räuber!
Für sich.
Welches Vergnügen!
Himmel, ich dank‘ dir!
Laut.
So mich belügen!
ERNESTO.
Wollet verzeihen!
NORINA.
Wollet verzeihen!
MALATESTA.
Nun seid Ihr glücklich aus allen Gefahren.
PASQUALE.
Da, Generalpardon! Habt meinen Segen!
Schenk euch der Himmel sein schönstes Glück!
Nr. 16. Rondo-Finale
MALATESTA.
Bravo, bravo, Don Pasqual!
Nun vernimm auch die Moral!
NORINA.
Die Moral von der Geschichte
aufzufinden ist nicht schwer,
daß ich kurz sie Euch berichte,
bitt‘ ich um Gehör:
Weiße Haare sollen nicht freien
um der Jugend Lockenkranz,
sonst gibt’s böse Balgereien
und mit allen Teufeln Tanz.
PASQUALE.
Die Moral hat böse Spitzen,
doch auf mich, da paßt sie ganz,
und mit Recht ließ Blut mich schwitzen
dieser freche Mummenschanz.
ERNESTO UND MALATESTA.
Die Moral hat böse Spitzen,
doch es stimmt nun die Bilanz:
auf dem rechten Haupte sitzen
seht Ihr nun den Hochzeitskranz.