Alexander Borodin

Fürst Igor

Oper in vier Aufzügen mit Prolog

Personen
Ìgor Swíatosslàwitsch, Fürst von Gewersk (Bariton)
Iaroslàwna, seine Frau in zweiter Ehe (Sopran)
Wladîmir Ìgorewitsch, sein Sohn aus erster Ehe (Tenor)
Wladîmir Iaroslàwitsch, Fürst Gàlitzky, Bruder der Fürstin Iaroslàwna (Baß)
Kontschàk (Baß),
Gsak (Baß), Polowêzkische Chane
Kontschakôwna, Tochter des Chans Kontschàk (Alt)
Owlûr, ein getaufter Polowzer (Tenor)
Skulà (Baß),
Eròschka (Tenor), Gudokspieler
Die Amme der Fürstin Iaroslàwna (Sopran)
Ein Polowêzkisches Mädchen (Sopran)
Russische Fürsten und Fürstinnen, Bojaren und Bojarenfrauen, Greise, russische Krieger, junge Mädchen, Volk
Polowêzkische Chane, Gefährtinnen der Kontschakòwna, Sklavinnen (Tschagen) des Chans Kon tschàk, russische Kriegsgefangene, Polowêzkische Wachen und Heer
Die Handlung geht vor sich: im Prolog, im 1. und 4. Aufzuge – in der Stadt Putivl; im 2. und 3. Aufzuge – im Polowêzkischen Feldlager. Jahr 1185.

Prolog

Ein öffentlicher Platz in der Stadt Putivl. Die Truppen sind zum Ausmarschieren bereit. Das Volk begrüßt sie. Beim Aufgehen des Vorhangs tritt Fürst Ìgor, von Fürsten und Bojaren begleitet, feierlich aus der Kathedrale.

CHOR DES VOLKES.
Helle Sonne sei Ehre, Ehre!
Hoch am Himmelsdom!
Dir, unserem Fürsten sei Ehre,
Ruhm im heiligen Rußland bei uns!
Ehre sei tapferem Fürsten Troubtschewsky,
Dem mutigen Wsèwolod Heil!
Heil euch! Unserem Fürsten sei Ehre!
Und in der Stadt Putivl jungem Wladîmir,
Wie Swiatoslâw, jungem Fürsten von Rilsk,
Sei Ehre, Ehre!
Ìgor sei gelobt im Russenland!
Helltönend‘ Loblied erklingt in den Steppen,
Wie an dem breiten Don bis an das weite Meer.
Fürsten, ihr werdet gelobt in der Fremde.
Heil euch, ihr Herrlichen, und eurem tapf’ren Heer.
Und holde Mädchen am Ufer der Donau
Singen im Chore euch, Fürsten, die Loblieder.
Süßen Ton’s fluten ihr‘ Lieder bis Kiew.
Lobt nun die Herrlichen, heil euren Kriegsleuten.
Heil euch! Heil euch!
FÜRST ÌGOR.
Voran, voran zum blut’gen Krieg!
CHOR DES VOLKES.
Gott helfe euch zu schlagen Feindes Heere!
Zum Kampf, zum Kampf mit Heiden-Chanen!
Jetzt gilt’s, an ihnen unsere Schmach zu rächen.
CHOR DER BOJAREN.
Sieg unserm Fürst, dem Sieger von Oltava!
Sieg unserm Fürst, dem Sieger von der Warle,
Und Tod dem Feind, wie einst am Ufer Merles,
Und mög‘ das mächt’ge Heer der Chane schmählich ganz untergeh’n.
Schlage, Fürst, des Feindes Schwarm!
FÜRST ÌGOR.
Wir zieh’n in den Kampf um zu streiten
Für Glauben, für Rußland, für Volk.
Ich möchte durchstreichen die Steppen
Kampflustig mit Speer,
Die weiten, die weglosen Steppen.
Dort einen ruhmvollen Tod finden,
Oder heimkehren siegreich.
CHOR DES VOLKES.
Gott begleite Euch! Gott sei mit euch Allen!
So ziehe in den Kampf mit Gottes Schutz und wehe dem Feind!
Bald kehrst du heim, o Fürst, als Sieger unseres Feind’s!
Heil dir! Heil dir!
FÜRST ÌGOR.
Auf! Auf! Die Stunde, sie ist da.

Es wird dunkel. Die Sonnenfinsternis fängt an. Alle blicken mit Erstaunen zum Himmel auf.

FÜRST WLADÎMIR GÀLITZKY.
Was soll’s bedeuten? Den hellen Tag verschlingt die Nacht!
Und, gleich dem Neumond, sieht wie die Sichel die Sonne aus!
CHOR.
Himmels Zeichen ist das, guter Fürst!
Ach, dieses Zeichen droht mit Unheil!

Es wird ganz dunkel auf der Bühne.

Sieh da: am Tage funkeln Sterne!
Die Erde hüllt sich in Dunkel ein!
Fürst, bleibe heim, ziehe nicht in den Krieg!

Allmählich wird es heller.

FÜRST ÌGOR.
Was dieses Zeichen voran deutet,
Das werden wir erfahren bald.
Da niemand dem Geschick entgehen kann,
Wozu dient uns’re Furcht?
Wir streiten für gerechte Sache:
Für Glauben, Heimat, für das Volk.
Es wäre schändlich heimzukehren ohn‘ Schwertstreich,
Da der Feind uns droht.
CHOR DER BOJAREN.
Fürst, du hast recht,
Doch wär‘ es besser nicht zu ziehn.
FÜRST ÌGOR.
Freunde, schwingt euch auf Rosse
Und fliegt zum blauen Meer mit Falkeneile!

Es wird ganz hell auf der Bühne.

CHOR.
Heil dir, Heil dir!

Fürst Ìgor entfernt sich, um seine Truppen zu besichtigen. Fürsten und Bojaren begleiten ihn.

SKULÀ.
Ihr, Freunde, zieht zu Feld; wir bleiben aber hier.
Wir wollen Glück versuchen anderswo.
ERÒSCHKA.
Beim Fürst Gàlitzky, unserm guten Herrn.
Frei und frank lebt man dort!
SKULÀ.
Richtig! Da genießt man Bier und Meth im Überflusse.

Sie werfen ihre Waffen zu Boden und schleichen davon.

FÜRST ÌGOR.
Wollen wir jetzt Abschied nehmen, Kriegsgesell‘,
Von unsern holden Frauen, an die Brust sie pressen.
IAROSLÀWNA Ìgor umarmend.
Mein Seelenfreund, o bleibe,
O bleibe doch bei mir; o zieh‘ nicht hin.
Es ist nicht Zeit, glaub‘ mir, mein Herz,
O kehr‘ zu mir, o hör‘ mein Fleh’n!
Ein großes Unglück wird ergeh’n,
O mein Geliebter, über dich und uns.
FÜRST ÌGOR.
Mein holdes Lieb, hör‘ auf zu weinen;
Trübe nicht umsonst die Augen.
’s ist nicht möglich heimzukehren, glaube mir.
IAROSLÀWNA.
Ich glaube meinem Herzen, Lieb;
Es tut mir so furchtbar weh.
FÜRST ÌGOR.
Ach, laß dein Klagen, laß dein Weinen.
Manchesmal schon hast du Abschied von dem Gatten genommen ohne Furcht.
Die Ehre will’s, die Pflicht zwingt uns zu streiten
für das Vaterland.
Wir müssen zieh’n, o glaube mir!
Die Ehre will’s, die Pflicht. Leb wohl, mein Lieb!
IAROSLÀWNA.
Ich glaube meinem Herzen, Lieb;
Die Angst preßt mir die Brust.
Ich weiß ja, was du sagen wirst im voraus,
Und ich begreife deine Worte, verstehe dich;
Doch nagt am Herzen bittres Leid; es ahnet Mißgeschick. Leb‘ wohl!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Ganz recht! Es muß so sein, wir zieh’n.
Die Ehre will’s, die Pflicht zwingt uns.
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Ganz recht! Ihr müsset zieh’n zum Krieg!
FÜRST ÌGOR.
Nun, Gott mit dir, mein Schatz. Zum Höchsten steh‘ für uns, Lieb!

Sich an Gàlitzky wendend.

Wladîmir, nimm meine Frau in deinen Schutz jetzt;
Und hüte sie vor Unglück und vor Gram,
Erleicht’re ihr die Last des bittren Loses
Durch kosend‘ Wort, durch kosend‘ Blick.
Ich bitte dich darum, Wladîmir.
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Bereit bin ich dir stets zu dienen, du hast mir manchen Dienst erwiesen.
Zur Zeit als Vater mich verbannt, und meine Brüder mich verließen,
Hast du Hilfe mir geleistet, hast den Vater mir ersetzt,
Versöhntest dann den Heimatlosen mit dem Vater, der verzieh;
Dann kehrte ich zurück zur Heimat,
Und dir verdank‘ ich das.
FÜRST ÌGOR.
Ei, geh doch, laß es. Es freut mich, daß ich dir geholfen.

Iaroslàwna mit den Fürstinnen und Bojarinnen ab.

’s ist Zeit; nun auf zum Krieg!

Fürst Ìgor nähert sich dem Greise.

Ehrwürd’ger Greis, o segne uns zum Kampf für unser Vaterland,
Die Fürsten segne und das Heer!
CHOR.
Zieht mit Gottes Schutz;
Gott steh‘ euch bei im Kampfe.
Gott helfe uns im blut’gen Streit.

Der Greis segnet die Armee.

Gott geb‘ den Sieg euch und schütz‘ die Krieger,
Scheuch‘ fort die Feinde, zerschmett’re ihr furchtbares Heer.

Ìgor, die übrigen Fürsten und Bojaren besteigen ihre Rosse und reiten voran.

HALBCHOR DER BOJAREN.
Rühmet die Fürsten, die Krieger!
CHOR DES VOLKES.
Lichten Sternen sei Ehre in der Höhe am Himmel,
Den Fürsten sei Ruhm im heiligen Rußland bei uns!
Mächtige Fürsten, kleinere Fürsten, seid nun alle gelobt!
Ehre sei euch, unsren Fürsten im Russenland.
Heil dem kampflustigen, mutigen Wsêwolod,
Jungen fürstlichen Falken Wladîmir.
Lasse Gott sie lange leben, unsre Fürsten, unsre Krieger, unser Heer!

Der Vorhang fällt.

Erster Akt

Erstes Bild

Szene im Hofe des Hauses Wladîmir Gàlitzkys

CHOR.
Ruhm sei unserem Fürsten Wladîmir Gàlitzky!
Heil dir!
SKULÀ.
Nun spiel‘! Nicht des Flusses Wellen brausen,
Aus den Ufern treten schäumend,
Nicht von Wellen wird die Gegend ringsumher ganz überschwemmt.
CHOR.
Sieh, das sind ja flotte Burschen, die des Nachts ein Mädchen rauben.
Ho! Ho! Wie sie schwelgen. Wie sie spielen!
Rühmen ihren Fürst die ganze Nacht hindurch.
Es lebe hoch nun unser Fürst Wladîmir.
ERÒSCHKA.
Wehe Mägdelein, dem süßen, wirft sie sich zu Fürstenfüßen.
Du, Herr mein! Sperr‘ mich doch nicht ein!
Will daheim zum Väterchen, will daheim zum Mütterchen!
Ach! Laß mich gehen, ach, schone mein!
CHOR.
Ho! Ho! Kerle schwelgen! Kerle spielen!
Rühmen ihren Fürst die ganze Nacht hindurch.
Es lebe hoch der Fürst Wladîmir Gàlitzky.
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Fürwahr, so ist’s: ich hass‘ die Langeweil‘.
Verhüt‘ es Gott, daß ich solch‘ Leben treib‘ wie Ìgor.
Mein Herz sehnt sich nach Lust, nach echtem Fürstenleben.
Mich ekeln Gram und Kummer an.
Ach, wählt mich einmal doch zu eurem Fürsten! Ich führ‘ dann flottes Leben. Ei was!
Wenn ich Fürst, wie Ìgor, wäre! Ach, hätt‘ ich mal diese Ehre,
Führt‘ ich dann fürwahr flottes Leben gar.
Tags beim froem Schmaus gemütlich hielte ich Gericht wohl gütlich,
Unter heit’rer Lust, meiner Kraft bewußt.
Bei mir wä’s so eingerichtet, daß wohl jedermann gerichtet
Würd‘ nach meiner Art, ohn‘ daß er drauf wart‘! Holla, Wein herbei!
Nachts der schmucken Mädchen Menge, hübsch, rotwangig, dick und weiß,
Stimmten an im Chor Gesänge, tanzten lustig all im Kreis!
Die schönsten schätzt‘ ich hoch im Preise, ständ‘ es nicht in meiner Macht?
Ehrte sie auf meine Weise: schwelgt mit ihnen in der Nacht.
Solches Los wär‘ zu beneiden, Freude, Lust würd‘ ich nicht meiden.
Wüßt‘ ich freudevoll, was ich machen soll.
Wär‘ die Kasse bald zu Ende, da ich Hab und Gut verschwende
Froh bei Tag und Nacht. Sonst wozu die Macht?
So im glücklich heitern Kreise lebte ich in froher Weise
Bis zu meinem Tod ohne Müh‘ und Not! Holla, Wein herbei!
CHOR.
Heil dem Fürsten Wladîmir! Heil dir! Und die Fürstin?
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Die Schwester? Ha, sie ist zu sanftmütig.
Mag ins Kloster gehen und laß‘ sie dort zum Höchsten fleh’n
Für meine sünd’ge Seel‘, daß er mein‘ Schuld erlaß!
Kommt lieber gleich zu mir all‘, von meinem Meth zu kosten.
He! Ihr Leute! Rollt dem Volke ein Faß Wein heraus!

Er will in den Terem gehen.

CHOR.
Heil Wladîmir! Heil dem Fürsten!

Eine Mädchenschar läuft herein. Wladîmir bleibt stehen.

CHOR DER MÄDCHEN.
Ach! Wehe uns! Ach! Not und Pein!
Fürst, deine Kerle sind sehr unverschämte Leut‘.
Haben ein Mägdelein pfiffig entführet uns.
Hab‘ Mitleid! Ach! Lief’re sie uns!
WLADÎMIR GÀLITZKY.
He, ihr Weiber, hört auf zu heulen,
Sitzt denn die Maid nicht im Terem des Fürsten,
Fehlt ihr etwas zum Wohlbehagen?
Trocknet die Tränen ab, sollt fröhlich sein,
Da ich sie mache ja zum Liebchen mein.
Ganz frei von Sorgen, vom lieben Morgen
Ißt sie sich und trinkt sich satt.
Nun, so geht fort, hört mein letzt‘ Wort:
Ihr kriegt euer Mädchen nicht!
CHOR DER MÄDCHEN.
Ach, wehe uns! Ach, großer Gott!
Fürst hab‘ Erbarmen doch, hab‘ Mitleid, schone sein.
Lief’re sie ihren Eltern, guter Fürst.
Gib es frei! Hab‘ Mitleid! Lief’re sie uns!
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Was bleibt ihr stehen, ihr kriegt die Maid nicht.
Fort, und fangt nicht nur den Lärm an von vorn,
Sonst trifft euch noch Unglück. Ei, fürchtet mein’n Zorn!
Hört auf zu wehklagen, ich hab‘ es satt, ei, hinaus!

Die Mädchen entfliehen. Der Prinz geht hinaus.

ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Da haben wir’s, lebt wohl, Väterchen, Mütterchen, macht euch fort!
Wohl nun bekomme, Mädel, euch der Schmaus!
SKULÀ.
Still, ihr Kerle, hört zu! Doch wenn die Fürstin Wind bekommt davon
Und läßt uns dann packen. Wirklich!
CHOR DES VOLKES.
Schwach ist die Fürstin! Ihr fehlt’s an Leuten. Wir sind die Mächt’gen
Sie ist zu schwach, ihr fehlen Leut‘,
Das Volk zog ja zu Felde. Wohlan! Nichts schreckt uns ab. Ist’s wahr?
SKULÀ.
Ganz recht! Nicht reich an Gnaden die Fürstin ist, die Geiz’ge.
Wohl bleibt sie ohne Diener.
ERÒSCHKA.
Versteht sich, du hast recht.
SKULÀ.
So steht es beim freigeb’gen Fürsten nicht,
Der schont, der liebt uns wie ein guter Vater; schau‘ hin: Wein ein ganzes Faß!

Die Diener des Fürsten rollen ein Faß Wein heraus.

SKULÀ grob und mit komischem Ernst.
Es versammelt sich bei dem guten Fürst,
Bei Wladîmir, unserem Fürst von Gàlitzky,
Es versammelt sich Säuferschar,
Des Fürsten Leute trinken all‘, sie trinken arg und stark.
Ihre Lust ist Wein.
SKULÀ UND ERÒSCHKA.
Schmerzlich stöhnen des Fürsten Leute:
Wir haben alles versoffen: Geld und Gut;
Tranken viel auf dein Wohlsein, Fürst;
Dabei vertranken all‘ Geld und Gut. Du unser Wohltäter, gnädiger Fürst.
Laß trinken uns, Herr, starkes Hirsenbier.
Vom schäumenden Meth biet‘ ein‘ Humpen voll!
Vom geistigen Wein schenk‘ uns reichlich ein,
Ein Faß starken Weins rolle uns heraus!
Dafür aber, gnäd’ger Fürst, wir werden dir treu dienen,
Dir knechtisch gehorchen stets, wir werden dein‘ Sklaven sein.
CHOR.
Ja, für dich opfern wir unser Leben auf, Fürst.
SKULÀ.
Also antwortet darauf der gnäd’ge Herr, unser guter Fürst Iaroslàwitsch:
He, ihr Säufer da, treue Diener mein,
Ei, wie hätte ich nicht Mitleid mit euch:
Recht herbes Schicksal ist das eurige,
Schwere Pflichten habt ihr wohl auf euch, schweren Dienst.
ERÒSCHKA.
Ihr arbeitet ja vom Morgen bis Abend ohn‘ Rast und Ruh,
Vom Mittag bis zur Nacht, von Vesper bis Frühmeß.
Wohl schwer ist die Arbeit, viel Müh‘ und Not hat man im Dienst bei mir,
Man trägt schwere Sorgen, nun tut eure Pflichten.
Trinkt und singt soviel ein jeder mag.
Nun, auf mein‘ Gesundheit trinket! Singt und schwelgt!
CHOR.
Der könnte wohl das Fürstentum regieren!
Wohlan, so sei’s! Wir machen ihn zum Fürsten!
Kriegsleut‘ sind fort und Ìgor ausgezogen.
Was zögern wir? Was haben wir zu fürchten? Was denn?
Es fehlt uns nicht an Leuten, uns droht ja kein‘ Gefahr!
Das Heer ist fort, die Fürsten ausgezogen. Die Hilfe fehlt.
ERÒSCHKA, SKULÀ UND CHOR.
So sammelt euch zu Scharen auf dem Platze; die Glocke zieht
Zum Wetsche ohne Säumen.
Wir setzen Ìgor ab. Wladîmir sei nun Fürst jetzt!
So sammelt euch zu Scharen zum Wetsche ohne Säumen,
Wir setzen Ìgor ab! Uns droht ja kein‘ Gefahr.
Flotte Burschen schwelgten, lachten,
Ihren Herrn zum Fürsten machten.
Wie sie schwelgen, wie sie spielen.
Rühmen ihren Fürsten die ganze Nacht!
Ruhm sei Wladîmir Gàlitzky!
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Will daheim zum Väterchen, will daheim zum Mütterchen!
Ach, laß mich gehn, ach, hör‘ mein Fleh’n!

Sie gehen, aufeinander gestützt, lachend ab.

Der Vorhang fällt.

Zweites Bild

Ein Zimmer im Terem Iaroslàwnas. Iaroslàwna allein.

IAROSLÀWNA.
Seit langer Zeit ist schon
Mein teurer Mann, mein holder Seelenfreund,
Gegen die Polowzer mit seinem Sohn,
Mit Wsèwolod, unserm Bruder,
Und mit Kriegern ausgezogen.
Seitdem kein Bote kam zu uns,
Und keine Nachricht hab‘ ich
Bis jetzt von meinem treuen Mann.
Nun eilt herbei, ihr Boten, sprecht mir
Von Ìgor und gebet meiner Seele Ruh‘!
Ach, mein Herz ist voll Unruh: es ahnt nur Schmerz;
Weh mir! Vor Gram vergehe ich, vor Kummer,
Mein Herzeleid quält mich, weissaget nichts Gutes mir!
Wo seid ihr, heit’ren Tage, wo mein Mann
Stets war mit mir, mein Heißgeliebter?
Die heit’ren Tage sind vorbei!
Allein bin ich mit meinem Schmerz,
Allein mit meinen bittren Tränen.
Mit Liebesglut harr‘ ich dein, mein süßer Mann,
Ich späh‘ nach dir! Gib mir Nachricht, schick‘ mir Boten!
Allein umsonst; kein Bote kommt;
Ich warte lange, lange!
Von bösen Träumen werde ich geplagt bei Tag und Nacht.
Ich träume oft von meinem Mann,
Als ob er noch mit mir wär‘.
Dann macht er mir den Wink: ich soll ihm folgen.
Weit, weit von mir geht er selbst indes, und läßt mich ganz allein.
O, dann ergreift mich Gram, Entsetzen. Ich wach‘ dann auf,
Und Ströme bittrer Tränen fließen; mich dann zu fassen weiß ich nicht.
Ach, einst in jenen Tagen unseres Glücks,
War ich stets munter, fröhlich, sorglos.
Dahingeflogen ist mein Glück:
Mein Geist ist trüb‘, mein Herz bestürzt.
Bei Tag und Nacht vergieß‘ ich Tränen.
Tagaus, tagein denk‘ ich nur des, der fort ist;
Nur eine Sorge plagt mich in der Nacht:
Warum schickt er kein‘ Boten mir
Seit langer Zeit, und läßt mich warten lange.
O! Komm zu mir, mein teurer holder Gatte.
O! Eil‘ herbei, mein Freund! Wo bist du, mein Fürst, mein Liebster?

Sie bedeckt das Gesicht mit ihren Händen und gerät in tiefes Nachdenken.

DIE AMME.
Da sind zu dir gekommen Mädchen, Fürstin.
Sie bitten um Rechtspflege. Sag‘, sollen sie herein?
Darf ich sie gleich einführen?
IAROSLÀWNA.
Gewiß! Nun, tu‘ es! Laß sie ein!

Die Amme ab. Dann kommt sie mit den Mädchen zurück.

DIE JUNGEN MÄDCHEN sich vor Iaroslàwna verbeugend.
Schweren Herzens kommen wir zu dir, o Fürstin!
Bitten, flehen dich um deine Gunst.
Nimm in deinen Schutz uns! Dir, wie unsrer Mutter,
Klagen wie die Not. O hilf!
Stürmisch drang ein Bösewicht ins Heim der Mädchen,
Er entführte uns ein Mädchen, sperrt‘ es ein und hält’s bei sich.
Ach, umsonst wir baten, ach, umsonst wir flehten,
Daß er nicht entehre unser armes Mädchen.
Höhnisch lachend, drohend schimpfend schickt er uns mit Schlägen fort,
Der Bösewicht! Sei gerecht und gnädig,
Bitten wir dich, Fürstin! Nimm in deinen Schutz uns gütig!
Laß uns nicht beschimpfen, strafe den Verführer. Laß das Mädchen uns gleich liefern!
Nein, büßen soll er das Verbrechen, wenn du es befiehlst!
IAROSLÀWNA.
Nun nennt mir doch den Verführer! Wer hat entführt die Maid? Wer ist es denn?
DIE JUNGEN MÄDCHEN zögernd.
So sagt es doch geschwind! Um Gottes Willen sprich! Sprich denn!
IAROSLÀWNA.
Wer ist’s? Wer ist es denn?
DIE JUNGEN MÄDCHEN.
Ich wag’s nicht. Es ist uns bange.
Gestehen wollen wir, gesteh’n alles sogleich.
Sei uns gnädig nun, ohne Groll auf uns, Fürstin,
Schaue her. Der Beleidiger ist der
Zornige Fürst Wladîmir,
Ja, Iaroslàwes Sohn, Fürst von Gàlitzky!
Jahrelang vorher verursachte schon viele
Leiden uns in der Stadt Putivl unser
Zorniger Fürst Wladîmir, Sohn Iaroslàws.
Ach, seit Ìgor zog in den Krieg zum Don
Sind wir elender und unglücklicher
Denn Wladîmir quält uns ja alle tot.
Über Stadt und Land, wie der Sturm losbricht,
Mit der Kriegerschar jagt er querfeldein,
Wild bei Tag und Nacht, unser zorniger Fürst Wladîmir,
Ja, Iaroslàwes Sohn, grauser Fürst!
Und die Rasenden, die Besoffenen,
Toben kreuz und quer und beschimpfen uns.
Ohne Rast und Ruh‘ Unfug treiben sie.
Selbst die Polowzer sind uns gnädiger,
Denn Wladîmir quält uns alle tot.
Freie Hand hat er loszuschlagen jetzt gegen Elende.
Seit der tapfre Fürst Ìgor uns verließ
Ist Putivl verwaist und ganz hilfelos!
Den Fürsten bring‘ zur Ruhe, Fürstin, wir bitten dich darum.

Wladîmir Gàlitzky tritt ein. Die Mädchen schreien vor Angst auf.

DIE MÄDCHEN.
Ach! Er ist es! Wehe uns! Gott sei uns nun gnädig!
WLADÎMIR GÀLITZKY die Mädchen bedrohend.
Fort, fort, hinaus, hinaus mit euch!

Sie entfliehen. Die Amme entfernt sich auf einen Wink Iaroslàwnas.

IAROSLÀWNA.
Waldîmir!
Mit einer Schar Verweg’ner
Drangst du in ein Haus ein, entführtest frech ein Mädchen bei Nacht,
Hältst es bei dir jetzt, nachdem du es entehrt;
Behältst es wider seinen Willen.
Ist es wahr? So sag‘ mir: Wer ist sie. Um Gottes willen, sprich!
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Was geht es dich doch an? Was nützet dir sein Name?
Ich halt‘ was ich gekriegt. Ich krieg‘ was mir gefällt;
Das Mädchen kenn‘ ich gar nicht und hab‘ dazu kein‘ Lust.
Die Welt ist voll von Mädchen; wer kennt sie alle da?
Nun, freut dich mein Besuch, mein Herzchen? Was? Du bist nicht hochbeglückt?
Eile freundlich mir entgegen, wenn ich käm‘ auch nicht gelegen.
Vollen Becher schenk‘ mir ein, Ehrenplatz sei mein.
Doch wenn ich dich wirklich stör‘, du hieltest Rat
Mit dem Gesindel; pfui, mit dem elenden.
Ich höre dich, fürwahr.
IAROSLÀWNA.
Ach! Wann endet meine Not? Dein Trotz und Unverschämtheit
Sind nicht mehr zu ertragen. Nun, ich bin es satt.
Ha! Warte nur! Bald kommt zurück mein Ìgor; ich sag‘ ihm,
Erfahren wird er’s schon. Ihm wirst du Rechenschaft ablegen müssen dann.
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Zu deinen Reden ja ich lache nur, fürwahr.
Dein Ìgor mag ankommen, was geht es doch mich an?
Bin ich nicht Fürst wie er? Bin ich nicht selbst Gebieter
Und Herr? Putivler gehorchen mir wie ihm,
Und auf mein Rufen werden mich wohl
Alle wählen gleich zum Fürsten,
Und auch Wetsche wird mich wählen.
Alle sind gewogen mir.
Dann wird an mir die Reihe sein zu herrschen über euch all‘!
Nimm dich in acht und fürchte meinen Zorn!
IAROSLÀWNA.
Du wagst mich zu bedroh’n?
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Nun zürne nicht, vergib mir meinen kleinen Scherz!
Ich wollte sehen nur, wie du dich ärgerst, dich betrübst.
O, wenn du wüßtest, Schwester, wie schön der Zorn dich macht!
Dieser Feuerblick, der Wangen Glut und Purpurröte, das Blut,
Das ins Gesicht steigt, brennt darauf! Du bist ja schön, du bist ja jung,
Dein Mann ist fern von dir jetzt. Die Einsamkeit ist traurig.
Ist’s möglich, daß seitdem du sei’st mit allen stets
So streng wie mit dem Bruder? Gewiß beglückst du schon
Mit deiner Liebe jemand. Ist’s möglich, daß du dem Manne treu bleibst?
Fürwahr, ich kann’s nicht glauben! Unmöglich ist’s!
IAROSLÀWNA.
Vergißt du denn, daß ich bin Fürstin, daß Fürstenmacht sei ja auch mein?
Ha, warte nur: Ich werd‘ verschicken dich nach Galitsch unter Wache,
Zu deinem Vater, zu dem strengen. Dann hast du ja mit ihm zu tun.
Befrei‘ das Mädchen ohne Säumen, gleich! Geh‘ fort, hinaus, hinaus!
WLADÎMIR GÀLITZKY.
Wohlan! Nun, wie du willst! So sei’s! Das Mädchen befreie ich
Und werde mir ein andres kriegen. Ei, was!

Er geht ab.

IAROSLÀWNA.
Am ganzen Leib‘ beb‘ ich, mich kaum beherrsche!
Ach! Möchte doch mein Ìgor bald ankommen,
Dann ruhte meine Seele aus von Leiden.
Ich bin schon müd‘ und für den Kampf zu schwach.

Die zum Stadtrate gehörigen Bojaren treten ein und verbeugen sich vor Iaroslàwna.

Willkommen seid ihr mir, Bojaren; es freut mich euer Besuch;
Mir weise Ratgeber seid ihr, der Fürstin Macht die feste Stütze;
Die treuesten Freunde in der Not, auf die man sich verlassen kann.
Gott euch zum Gruß! Doch saget mir, was führt euch
Zu mir zu dieser Zeit? Ihr, unerwartet‘ Gäste?
Ach, eine böse Ahnung trübt mein‘ Sinn mit Argwohn.
So saget mir: was ist gescheh’n?
DIE BOJAREN.
Sei mutig, o Fürstin, wir kommen um dir
Eine traurige Mär zu verkünden.
Ach, über uns all‘ ein sehr großes Unglück ist plötzlich ergangen.
IAROSLÀWNA.
Welches Unglück! Sprecht doch weiter!
DIE BOJAREN.
Die feindlichen Truppen in unserem Lande,
In unserer Nähe zieh’n rasch
Gegen uns. Der mächtige Chan,
Der furchtbare Gsak führt zahlreiche Scharen herbei.
IAROSLÀWNA.
Das Unglück hat uns ja bis jetzt verfolgt.
Wo ist unser Herr? Wo ist denn der Fürst? Ich will es erfahren sogleich!
O weh! Besiegt ist unser Heer. Der Fürst ist umgebracht.
Erkläret euch!
DIE BOJAREN.
Uns rastlos verfolgt die strafende Hand
Des zürnenden Gottes schon längst! Wir können ja nicht
Entgeh’n dem Geschick, und niemand es kann.
Zugrund‘ gegangen ist das ganze Heer,
Von zahlloser Menge gedrängt und besiegt.
Der Fürst ist verwundet, sein Bruder und Sohn
In feindliche Hände geraten, alle drei.
IAROSLÀWNA.
Verwundet ist der Fürst? O, Not und Pein!
Doch nein! Ich glaub’s nicht! Unmöglich! Nein! Nein!

Sie stürzt ohnmächtig zusammen. Aus ihrer Ohnmacht erwachend.

So ist es wirklich, gefangen, ach,
Und verwundet. Des grausen Chans Heer rückt heran?
Bojaren, wie ist zu helfen dieser Not jetzt?
Es fehlt uns an Hilfe, an Kriegsleuten! Wer wird die Stadt beschützen?
Sagt, wer?
DIE BOJAREN.
Manchesmal am Stadttor stehend
Harrten wir den Feind entgegen
Mutvoll, treu der hohen Pflicht.
Stark befestigt ist die Stadt ja:
Sei nun ruhig: unsre Mauern,
Unsre Gräben sind verstärkt.
Deshalb sei nun außer Sorge,
Mutig, kühn, mit Gottes Hilfe,
Retten wir Putivl;
Was sind Gräben und die Schanzen?
Uns verleiht die Kraft der Glaube
An den Herren Gott; unsern Arm stählt
Treue Liebe zu dem Fürsten
Und zu dir, o gnäd’ge Fürstin,
So wie zu unserm Vaterland.
IAROSLÀWNA.
Habt Dank, Bojaren! Es ist mir sehr erfreulich
Zu hören solche Reden, vom Herzen kommen sie ja.
Ich war schon entmutigt vor Gram und Kummer.
Doch eure edlen Reden beleben
Meine Seele; ohne Hoffnung war ich lange;
Ich geb‘ mich ihr jetzt hin.

Sie verbeugt sich vor den Bojaren. Hinter der Bühne ertönen die Sturmglocken. Die Bojaren hören hin.

DIE BOJAREN.
Horcht! Sturmglocken! Ihre Unglücksklänge
Verheißen uns großes Elend und Beschwerden viel.
IAROSLÀWNA.
Ist’s möglich? Gerechter Gott! Das ist der Feind, der stürmt auf uns ein!

Aus den Fenstern wird die Feuersglut sichtbar. Hinter der Bühne hört man die Weiber wehklagen.

Hilf Himmel! Was soll aus uns werden? Du, heil’ge Mutter Gottes, steh‘ uns bei!
O du mein Gott! Ach, Gottes Zorn ist’s,
Gottes Strafe trifft uns!
Wir können ja nicht dem Geschicke entgeh’n!
DIE BOJAREN.
Der Feind naht, der mächt’ge Feind ist da. Es brennt.
Die Festung brennt, auf den Feldern jagen Feinde!
Bojaren, besteigt geschwind die Mauern!
Ach! Gottes Strafe, Gottes Zorn!

Die Bojaren ziehen ihre Schwerter.

Doch halte sich ein Teil von uns bereit, die Fürstin zu beschützen.
Wir können ja nicht dem Geschicke entgeh’n!

Der Vorgang fällt.

Zweiter Akt.

Im Polowêzkischen Feldlager. Am Abend.

EIN POLOWÊZKISCHES MÄDCHEN.
Sonnenglut verdörrt dich, Blümchen,
Dich erfrischt kein Tropfen Wasser,
Und du neigest tief zur Erde
Wehmutsvoll die welken Blättchen.
CHOR DER MÄDCHEN.
Doch wenn Nacht die Kühlung zuweht,
Wenn der Tau sich niederläßt,
Hebst du froh empor dein Häuptchen,
Wird ganz frisch dein Blütenkleid.
Und, vom Tau benetzt,
Belebt sich deiner Farben bunter Schmuck.
DAS JUNGE MÄDCHEN.
Gleich dem Blümchen, dem verdorrten,
Welkt das Herz vor Leid und Unglück,
Freudlos schmachtet nach der Liebe,
Nach dem süßen Kosungswort.
CHOR.
Doch sie Nacht kommt, die erwünschte,
Holder Seelenfreund mit ihr.
Alles, was das Herz bekümmert,
Scheucht er fort im Augenblick.
Gleich vom Tau benetztem Blümchen,
Wird das Herz ganz munter, frisch.

Tanz der Polowêzkischen Mädchen.

KONTSCHAKÒWNA.
Tageslicht erlischt. Endet den Gesang,
Und den Tanz! Schwarze Nacht breitet aus ihren Schleier.
Nacht, o brich doch schnell ein, in dein‘ Flor hüll‘ mich ein, in den
Nebelflor grau und feucht. Ach, die Stunde schlägt, wo wir uns seh’n.
O, komm, mein holder Freund! Ahnt nicht dein Herz, daß ich
Dein‘ harre lange, daß ich späh nach dir?
Wo bist du, Seelenfreund? Sage mir, Holder, wo bist du?
Ich harre dein, Herzliebster mein! Die Stunde schlägt des sel’gen Glücks.
Sie ist da, die Stunde, wo ich dein und wo du mein!
Nacht, o brich doch schnell ein, in dein‘ Flor hüll‘ mich ein,
In den Nebelflor grau und feucht!
Ach, die Stunde schlägt, wo wir uns seh’n. Sie ist nah!

Russische Kriegsgefangene, die von der Arbeit zurückkehren, erscheinen im Hintergrund unter Wache.

KONTSCHAKÒWNA.
Ihr, holden Freundinnen, gebt den Gefangenen
Zu trinken Kumyß und lindert ihren Schmerz
Mit süßem Kosungswort.

Die Polowêzkischen Mädchen begrüßen die Gefangenen und bieten ihnen Trank und Speise.

DIE RUSSISCHEN GEFANGENEN.
Herr Gott schenke euch Gesundheit,
Schmucke Mädchen, für das herzlich gute Wort.
Trank und Speise bietet ihr uns
Und mit kühlem Kumyß stillet unsern Durst.
Den gefang’nen Kriegern waret ihr stets gnädig; habt bis jetzt
Uns nicht einmal beleidigt.
Herr Gott schenke euch Gesundheit, schmucke Mädchen, für das herzlich gute Wort.
Und die purpurrote Rose, Chanes Tochter, soll leben!

Die Kriegsgefangenen grüßen die Mädchen und Kontschakòwna und entfernen sich hinter die Bühne.

Auf der Bühne erscheint die Polowêzkische Patrouille, welche die Runde macht. Kontschakòwna und ihre Mädchen gehen ab. Gegen das Ende des Chors wird die Bühne ganz leer. Die Nacht bricht ein. Im Hintergrunde wird nur Owlûr sichtbar, der Wache hält.

CHOR DER POLOWÊZKISCHEN STREIFWÄCHTER.
Hinter Bergeshaupt verbirgt die Sonne sich.
Geht zur Ruh‘; mit ihr das Tageslicht erlischt.
Zündet an der Himmel seine Sterne,
Himmel schickt den Mond in blaue Ferne.
Und beleuchtet all‘ auf dem Erdenball.

Die Patrouille entfernt sich hinter die Bühne.

’s ist Zeit zu gehen zur Ruh‘!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Tageslicht langsam erlischt,
Sonnenball steht hinter’m Walde,
Abendrots Strahlen verglühen.
Schwarze Nacht bricht ein auf Erden;
Nächtliche Schatten hüllen die Steppe
In schwarzen Schleier. O, laue südliche Nacht!
Du wehst uns zu Liebesträume;
In dem Busen Wonne erregst und lockst zur Liebe.
Harrest du mein, o holde Herzensmaid?
Harrst du? Wohl mein Herz ahnet es, sagt es mir.
Laß meinen Ruf nicht antwortlos!
Mit heißer Ungeduld harr‘ ich dein, holdes Lieb.
Komm zu mir! O, komm geschwind;
Mein Herz ruft dich, holde Maid!
Fühlst du, daß der Liebe Leid mein Herz durchglüht?
Heiß für dich glühe ich, mein Herzenslieb!
Gebe gern mein Leben für dich hin! Nun, was zögerst du, Lieb?
Eile doch herbei, komm ohne Furcht, die ganze Welt ruht,
Versunken in den Schlaf; ruht in dem Schoß der Nacht.
Mein Herz ruft dich, holde Maid!
O, komm in schwarze Nacht gehüllet,
Wann alles ruht und Träume weh’n,
Wann Liebe unser Herz erfüllet,
Bloß Himmelsaugen uns anseh’n.
Die ganze Welt ruht. Alles schläft
Im Nachtschoß. O, komm!
KONTSCHAKÒWNA.
Bist du es, Herzensfreund? Bist du’s, Geliebter mein,
Dem ich mein Herz geschenkt? Innig erwünschter Freund,
O, wie ich deiner geharrt!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Liebst du mich?
KONTSCHAKÒWNA.
Herzinniglich!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Liebst du mich treu? Sag‘ es noch, Lieb!
KONTSCHAKÒWNA.
O, innig und treu; voll Liebe ist mein Herz. Du, meine Freude!
Ja, ich liebe dich, Freund, von ganzem Herzen,
Heiß glüht meine flammende Seel‘ für dich,
Nur dir will mein Herz gehören.
Du bist mir alles in der Welt.
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Wann schließen wir den Ehebund?
Wann wirst du, Herzensmaid, ganz die Meine sein?
Wann nenn‘ ich dich mein süßes Weib?
KONTSCHAKÒWNA.
Wann werde ich die Deine sein?
Herzensfreund! Mein süßes Glück!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Ach, wiederhol‘ dies Kosungswort!
Es klingt so süß, so schön! Du teures Herzlieb!

Duett.

KONTSCHAKÒWNA.
Ja, ich liebe dich, Freund,
Mit ganzer Glut meiner jungen Seel‘.
Mit zärtlich reiner Glut, o du mein Schatz.
Voll Treue, voll Lieb‘ ist mein Herz!
Ach, wann werde ich ganz die Deine sein?
Und auf ewig dein?
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Ach, liebe mich wieder,
Innig, zärtlich, teures Mädchen,
Liebe ewig deinen Freund!
Lieb‘ mich innig und treu!
Ach, wann wirst du denn ganz die Meine sein?
Auf ewig mein?
O holde Maid, o süßes Lieb! Auf ewig mein!
KONTSCHAKÒWNA.
Was sagt dein Vater? Ach, wird er segnen unser Band, Geliebter?
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
O nein! Mein Vater wird’s nicht tun, bis wir beide ganz frei werden, Liebe.
KONTSCHAKÒWNA.
Schade, daß er dem Starrsinn treu bleibt. Mein Vater wünscht dich ja sogleich zum Sohn.
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Ein leis‘ Geräusch dort, horch! Jemands Schritt.
KONTSCHAKÒWNA.
Uns hört kein Lauscher hier.
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Doch! Wir werden gestört, mein Vater ist’s!
KONTSCHAKÒWNA.
Ach, bleib‘ noch; verlaß mich nicht!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Leb‘ wohl!
KONTSCHAKÒWNA.
Du fliehst, läßt mich allein?
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Leb‘ wohl!

Sie gehen nach verschiedenen Seiten auseinander.

FÜRST ÌGOR in den Vordergrund tretend.
Umsonst nach Ruhe sucht das trübe, schwere Herz.
Erquickend süßer Schlaf schließt nicht die Augen.
Du bist in der Erinnerung verloren,
Vom Gram umwallter Geist!
In Schmerz denk‘ ich an Himmelszeichen,
Vor mir taucht auf das Bild des Ruhmes,
Errung’ner Siege über Feind.
Nach jammervollem Ende meines Ruhmes
Kommt die Gefangenschaft, die Schmach.
Die Brust voll Kampflust, fielet ihr,
Krieger, im Schlachtgewühl für die Heimatsehre,
Geschändet sind mein Ruhm und meine Ehre;
Die traute Heimat flucht ihrem Fürst,
Schimpf und Schande, ach, und der Schmerz der Fessel noch!
Und der Verachtung preisgegeben.
O, gebt mir meine Freiheit wieder,
Und ich wasch‘ weg die Schmach mit Blut im Kampf.
Ich rette meine Fürstenehre,
Vom gier’gen Feind mein Heimatland!
Du allein, mein holdes Täubchen,
Wirst verzeihn dem armen Dulder,
Fühlen wirst mit deinem Herzen,
Was mich kränkt und drückt.
Und in unruhvollem Sinne
Spähest du den Weg entlang,
Tag und Nacht ins Land hinaus.
Und bittre Tränen wein’st.
Wie? Schmachten in Gefangenschaft und wissen,
Daß unser Feind bedrängt das Land, uns plagt,
Quält mit gier’ger Wut!
Unterm grausen Joch der Heiden
Stöhnt jetzt das Russenland, flucht mir!
O, gebt mir meine Freiheit wieder,
Und ich wasch‘ weg die Schmach mit Blut im Kampf,
Vom Feinde rett‘ das Heimatland!
Umsonst nach Ruhe sucht das müde, schwere Herz.
Erquickend süßer Schlaf schließt nicht die Augen.
Du bist in der Erinnerung verloren,
Vom Gram umwallter Geist!
Kein Ausgang stellt sich dar! Ach, drückend
Ist es mir, grausig. Kein Stern winkt im Dunkel freundlich mir!

Owlûr nähert sich dem Fürsten Ìgor. Das Morgenrot erglänzt. Gegen das Ende des Gesprächs wird es ganz hell.

OWLÛR.
Darf ich dich gnäd’ger Fürst anreden?
Dir einen Rat zu geben wage ich.
FÜRST ÌGOR.
Was ist denn?
OWLÛR.
Glührot stammt der Ost auf, sieh da,
Und seiner Strahlen Glanz verscheucht die Nacht.
Das Frührot flammt für dich bald auf und für die Heimat.
Ich werde dir zur Flucht verhelfen.
Verschaffen will ich dir ein flinkes Roß,
Schwing‘ dich rasch drauf und zieh‘ von dannen.
FÜRST ÌGOR.
Ich? Flieh’n? Heimlich die Flucht ergreifen? Das wäre nicht brav.
Ha, bist du wohl bei Sinnen, Freund?
OWLÛR.
Ach, vergib mir meine Frechheit;
Verschmähe nicht den Rat, den ich dir gab.
Doch nicht für dich, für Russenland mußt du jetzt flüchten;
Du kannst ja retten dadurch dein Volk,
Glauben, dein‘ Ehre. Verschmäh‘ es nicht!
FÜRST ÌGOR.
Schweig‘ still nun!

Für sich.

Er hat vielleicht auch recht.
Ich muß die Heimat rächen.
Ich weiß kein andres Mittel, vielleicht verkündigt mir
Das Frührot, das jetzt erwacht,
Des jungen Morgen Glanz, der flammt für mich bald auf,
Fürs Heimatland.

Zu Owlûr.

Wie? Flüchten? Doch wär’s schändlich,
Den Chan zu täuschen, der für mich bürgt. Geh‘ fort!
OWLÛR.
Dich bindet ja kein heil’ger Eidschwur, Fürst.
Dich knüpft kein Schwur ja an den Chan bis jetzt.
FÜRST ÌGOR.
Geh fort! Hab‘ Dank für deinen Dienst, Freund! Doch flüchten kann ich nicht.

Owlûr geht ab mit trauriger Miene. Kontschàk tritt auf.

KONTSCHÀK.
Wie geht es, Fürst? Weshalb bist du so traurig?
Ist gescheh’n dir ein Unglück, Fürst?
Was? Fehlt es dir an Netz? Was? Sind die Sperber mild?
Erlegen nicht die Beute pfeilschnell. Die meinigen nimm.
FÜRST ÌGOR.
Es fehlt nicht d’ran. Die Sperber sind voll Habgier.
Doch quält sich der gefang’ne Falk‘ zu Tode.
KONTSCHÀK.
In meinem Lande bist du kein Gefang’ner.
Du bist mein teurer Gast. Man liebt dich,
Schätzt und ehrt dich. Verwundet an dem Fluß Kajàla,
Gefangen wurdest du.
Für dich bin ich jetzt Bürge.
Du bist mein teurer Gast.
Man ehrt dich hier wie einen Chanen, Fürst.
Alles steht zu deinen Diensten.
Selbst dein Sohn und deine Krieger. Du lebst hier
Wie ein Chan. Du lebst hier wie ich selbst.
Gefang’ne leben nirgends so, wie du hier!
Richtig? O, nein, bei mir bist du wohl kein Gefang’ner.
Ich behandle dich ja achtungsvoll.
Teurer Bruder, dich hab‘ ich stets bewundert,
Deinen Mut in dem Kampf, deine Tapferkeit, Fürst,
Halte dich teuer und lieb.
Ja, dich schätzt‘ ich immer hoch.
O, halt mich nicht für deinen Feind. Nein, dein freundlicher Wirt
Bin ich jetzt, lieber Gast. So erzähle doch mir
Was so trübe dich macht, so unglücklich.
Willst du von meinen flinken Rossen?
Nimm auch das beste Zelt. Das scharfe Schwert der Ahnen
Ist auch dein. Gewalt’ge Hiebe führt es,
Und Ströme Blut vergoß es, sein Blinken ist Todesleuchten.
Und wo es erscheint, weicht alles scheu.
An Macht, an Stärke ist der Chan unermeßlich,
Alles zittert vor mir ringsumher.
Ich bin tapfer, unerschrocken furchtlos,
Meinem Joch neigt sich all‘, meinem furchtbaren Joch,
Doch hast du niemals gebeuget dein stolzes Haupt vor mir,
Ach wie gern möchte ich sein stets dein Bundesgenoß‘
Und dein liebender Bruder und Freund, nicht dein Feind.
Ja, mein innigster Wunsch ist es, glaub‘ mir!
Willst du gleich kriegen, Fürst, schönste Sklavinnen:
Neulich vom Kaspimeer sind sie hergeführt. Was? Verlangt dir’s
Nach Sklavinnen? Nimm davon was dein Herz nur begehrt.
Viele prachtvolle Schönheiten habe ich.
In schwarzen Flechten wallt langes Haar, schlängelt sich.
Feueraugen sind so voll von Leidenschaft,
Funken sprühen, bald kosen mit zärtlichem Blick.
Nun, was schweigst du? Wähle gleich dir die schönste der Sklavinnen, Fürst!
He! Sklavinnen führt gleich herbei! Mögen sie tanzen, Lieder singen
Zu unsrer Lust und zur Ergötzlichkeit des Fürsten.
FÜRST ÌGOR.
Ich dank‘ dir, Chan, für deine Güte,
Du hast mich stets sehr großmütig behandelt,
Ich möchte gern auch dir was Gutes tun.

Er drückt ihm die Hand.

Doch wird das Leben mir zum Tod in der Gefangenschaft, die drückt mich.
KONTSCHÀK.
Der Gram ist’s ob Heimat! Nun, wenn du willst, so tut
Sich gleich auf dein Gefängnis, Fürst. Gib nur dein Wort mir gleich,
Daß gegen mich wirst du nie kämpfen, Ìgor,
Und wirst mir nie den Weg verlegen.
FÜRST ÌGOR.
Nein, ich bin ein Mann von Wort,
Und deshalb geb’s nicht. Ich gesteh dir offen,
Daß ich nicht hielte solchen Schwur.
So wisse, Chan: ich würde kämpfen
Mit dir auf Leben und Tod.
Einfallen würd‘ ich in dein Land,
Verlegen würd‘ ich dir den Weg.
Ich will mit meinem Helme Wasser aus dem Don schöpfen.
KONTSCHÀK.
Wohlan! Wie derb sagst du die reine Wahrheit.
Ganz so wie ich! Wenn wir Bundesgenossen wären,
Krieg zusammen führten! Wir machten alles untertan.
Wie zwei Tiger jagten wir zusammen
Und in gier’gem wildem Trieb Blut tränken.
Wohl alles neigte sich unserm grausen Joch.
Weh‘ dem, der trotzt‘ uns! Er wäre tot im Nu.
Richtig? Ha, ha, ha, ha, doch weigerst du dich noch? Nimm Platz!

Polowêzkische Sklaven und Sklavinnen treten ein. Einige von ihnen sind mit Tamburinen und anderen Musikinstrumenten versehen. Nach diesen schreiten die Männer des Gefolges Kontschàks. Fließender Tanz der Mädchen.

CHOR.
Auf den Flügeln linden Zephyrs,
Du, trautes Lied, flieg‘ fort zum Heimatlande,
Dahin, wo heimatliche Töne klangen
So lieb, so süß dem Ohr der freien Mädchen.
Wo die Luft voll Wonne weht uns sanft entgegen,
Wo in Wolken schlummern Bergeshöh’n, vom Meer gewiegt,
Wo die heim’schen grünen Berge
Mit lichten Streifen glüh‘ umzieht die Sonne,
In üpp’ger Pracht die Rose blüht und duftet.
Im Laub der Wälder, wo die Vögel singen
Im grünen Laub. Schwing‘ dich, Lied, zu jenem Lande.

Tanz der Männer. Allgemeiner Tanz.

Rühmet, preiset unsern großen Chan!
Lobet, preiset seine Taten!
Heil dem Chan!
Heller Sonne gleicht ja seine Macht!
Seinesgleichen gibt es nirgends.

Tanz der Sklavinnen.

KONTSCHÀK zu Ìgor.
Siehst du die Sklavinnen? Diese Schönheiten
Hinter dem Kaspimeer hab‘ ich hervorgebracht.
Sag‘ mir, welche am meisten gefällt dir, Fürst.
Gleich werd‘ ich schenken das Mädchen, das du dir gewählt.

Allgemeiner Tanz.

CHOR.
Rühmet, preiset unsern Herrn!
Lobet, rühmet seine Taten.
Seinesgleichen gibt es nirgends.

Tanz der Knaben.

Gleich den Ahnen bist du ruhmvoll, großmächt’ger Chan.

Tanz der Mädchen. Fließend.

Auf den Flügeln linden Zephyrs usw…

Schneller Tanz der Sklaven, Tanz der Männer, allgemeiner Tanz.

Zur Ergötzlichkeit des Chanes
Tanzet Mädchen, singet, spielet.
Zu der Lust des Chanes, Mädchen,
Tanzet, singet alle lustig,
Tanzet, schmucke Mädchen,
Tanzet zur Lust des großen Herrn.
Heil unserm Chan! Ruhm und Preis.

Der Vorhang fällt.

Dritter Akt.

Der Vorhang geht auf. Ein Rand des Polowêzkischen Lagers wird sichtbar. Von allen Seiten eilen Polowzer herbei und in die Ferne blickend, erwarten die Ankunft der Armee von Gsak. Die Bühne füllt sich nach und nach mit dem heranziehenden Heere Gsaks. Trompetenbläser, Tamburinschläger usw. usw. Die Krieger führen russische Kriegsgefangene herbei und tragen eine reiche Beute. Die Polowzer begrüßen die Krieger mit wilden körperlichen Bewegungen. Gegen das Ende des Marsches erscheint Chan Gsak zu Pferde auf der Bühne; ihm nach das Detachement seiner nächsten Umgebung. Kontschàk eilt ihm entgegen und begrüßt ihn. Fürst Ìgor, Wladîmir Ìgorewitsch und russische Gefangene halten sich zurückgezogen, alles beobachtend.

CHOR.
Unsre Krieger nah’n siegreich, im Triumphe.
Heil dem braven Heere! Singet ihm Siegesgesänge!
Heil dem grausen Chanen!
Gsak kommt an als Sieger. Chans Kämpen ziehn
Mit reicher Beut‘. Heil dem grausen Chanen!
Habt viel Dörfer wohl verbrannt!
Manches Weib entführt vom Land!
Habt besäet manches Feld
Mit der Feinde Knochen. Heil euch!
Dem wilden Wüstentiger gleich
Sprengt er und flog
Mit Windesschnelle in den Feind,
Schlug ihn, zertrat im Kampfgewühl;
Da legten sie sich nieder bald, die Söhne Russenlands.
KONTSCHÀK.
Den Sieg hast du errungen,
Du Schwert der grausen Chane!
Da alles uns gelungen,
Besiegt wird bald das Russenland.
Nach der Schlacht an der Kajàla
Ist das Schwert berühmt geworden:
Die Stadt Rimy hat erobert
Sie den Flammen preisgab. Chane,
Euch der Ruhm verherrlicht, weit ertönt das Lob der Grausen.
Ja, alles neigt sich unserm Joch,
Und niemand steht uns gleich an Macht.
CHOR.
Heil den Chanen Gsak und Kontschàk!
KONTSCHÀK.
Wie viele Städte in dem Land
Sind verbrannt! Dort breitet sich die Steppe aus,
Pfadlos öd! In ihrem Schoß viel Menschen ruhn.
Dort sprengen nur wilde Tiere, heulen.
Wie viele Mütter stöhnen auf, weinen, trauern.
Indessen ruhn die Kinder still im Schoß der Steppe,
Wo Adlergeschrei ruft die Tier‘ zum Schmaus herbei.
Den Sieg hast du errungen… usw.
Trompeten schmettert! So wollen wir jetzt teilen unter uns die reiche Beute!
Nun kommt! Laßt einen großen Schmaus ausrichten,
Lobgesänge laßt erschallen!
Die Tänzer ruft herbei! Die schönsten der Gefangenen führt
In mein Zelt herein. Geschwind! Morgen früh wir halten Rat,
Wie neuen Angriff bald zu wagen.
Paßt auf, daß die Gefangenen nicht entflieh’n;
Sonst, Wächter, wehe euch! Nun kommt!

Ab.

CHOR DER CHANEN.
So eilen wir sogleich zu Rat;
Womöglich schnell zu einer Tat.
Was, wagen wir gleich neuen Schlag,
Statt abzuwarten manchen Tag?
Wer muß zu Felde zieh’n? Ich oder mein Kam’rad?
Zieh’n wir gen Kiejew und belagern diese Stadt?
So eilen wir sogleich zu Rat.

Alle ab außer den Russen.

WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Wie? Chan Gsak nahm unsre Stadt? Er hauste ohne Schonung dort?
Mit sich die Kinder führte er und Weiber, als Gefangene,
Zarte Mädchen hat entehrt, geplündert unser Land,
Der grause Chan; entließ keinen Mann lebendig aus der Stadt.
Ach, flieh, Fürst; zur Rettung deiner Heimat flieh!
Sonst geht zugrunde Russenland! Fürst, Owlûr wird dir
Zur Flucht verhelfen; er verspricht’s.
Fürst, durch Freundeshilfe flieh, beschütze uns;
Sonst geht zugrunde Russenland!
FÜRST ÌGOR.
Wie? Chan Gsak nahm unsre Stadt? Er hauste ohne Schonung dort;
Hat unsre Weiber dann entführt und unsre zarten Jungfrauen frech entehrt;
Entließ lebendig niemand, grauser Chan.
Ich bleib‘ nicht länger hier. Ja, bald zieh‘ ich für
Mein Land das Racheschwert. Ja, uns droht die Gefahr auf allen Seiten jetzt.
Der Feind stürmt auf Russenvolk; zum Angriff führt sein Heer.
Bald zieh‘ ich für mein Land das Racheschwert!
CHOR DER RUSSISCHEN GEFANGENEN.
Ja, Chan Gsak nahm unsre Stadt; entließ lebendig keinen Mann;
Mit sich als Gefang’ne hat er geführt die Weiber, zarte Mädchen hat entehrt.
Entflieh‘, Fürst! Die Flucht ergreif‘ zur Rettung deiner Heimat.
Owlûr verspricht dir flinke Rosse zu verschaffen.
Zieh‘ von dannen, Fürst, nach Rußland und rette es!

Es fährt ein mit Kriegsbeute beladener Wagenzug heran. Die Polowzer laufen in Scharen herbei.

CHOR DER POLOWZER Knaben.
Man führt uns Leute an! Ha, wehe euch!
Der Chan hat viel geraubt! Ha, Tod dem Feind!
CHOR DER RUSSISCHEN GEFANGENEN.
Sieh da, Fürst, die Beute, die man anführt!
Siehst du, wie der blut’ge Mörder unser Land geplündert hat.

Es werden einige Kriegsgefangene herbeigeführt.

CHOR DER POLOWZER.
Die Kriegsgefang’nen sind’s. Ha, wehe euch!
Der Chan hat viel geraubt! Ha, wehe euch!
Tod dem Feind! Schmach über euch! Blut um Blut!
Wehe über euch! Dem Fürsten Tod!
CHOR DER RUSSISCHEN GEFANGENEN.
Sieh da, Fürst, die Kriegsgefang’nen, die Chan uns fortgeführt.
Wieviel Männer hat der blut’ge Mörder fortgeführt mit sich.
Weh, bei ihnen ist ja kein Erbarmen. Wie sie drohen uns!
O flieh‘, Fürst, und zieh‘ nach Haus; beschütze Rußland vor dem Feind!

Die Polowzer ab; russische Kriegsgefangene gehen in ihre Zelte hinein. Krieger Wache stehend. Hinter der Bühne hört man Trompeten schmettern.

CHOR DER WACHEN.
Der hellen Sonne gleicht Kontschàk. Dem lichten Monde gleich Chan Gsak.
Den Sternen sind die Chane gleich. Hell glänzt Ruhm unsrer Chane.
Er glänzt wie Lichter des Himmels, herrlich
Auf das Wohlsein unsrer Chane, Heil!
Laßt uns Kumyß trinken gleich.
Uns aufheitern wird der Kumyß.
Wachen wir dann ohne Rast.
Weh‘ dem Flüchtling, dem verweg’nen!
Sicher treffen unsre Pfeile!
Unsre flinken Rosse werden
Ihn erreichen bald im Steppenraum.
Wir schufen Lieder zum Ruhm der Chane
Durch ihre Kriege hoch berühmt!

Owlûr geht durch die Bühne, Säcke mit Kumyß tragend. Die Wachen trinken, singen und fangen an zu tanzen. Ein Tänzer fällt; ein zweiter, ein dritter. Gegen das Ende des Tanzes wird es dunkel auf der Bühne. Die Wachen schlafen ein.

OWLÛR schleicht vorsichtig spähend zum Zelte Ìgors.
Schick‘ dich an zur Reise, Fürst.
Besoffen ist das Volk; die Wachen schliefen ein.
Gesattelt stehn die Rosse; jenseits des Dons
Werd‘ ich erwarten dich und deinen Sohn.

Flüsternd.

Um Mitternacht werd‘ ich laut pfeifen.
Kommt beide schleunigst dann zum Fluß zu mir;
Eile, Fürst, wie ein Hermelin zum Schilf;
Ins Wasser gleich wie eine Ent‘;
Und werfe dich aufs flinke, mut’ge Roß;
Wie Falken fliegen wir dann beide, Ìgor,
Hoch über den Nebeln.
FÜRST ÌGOR im Zelte.
So sei’s. Zur Reise schon sind wir bereit.

Owlûr ab.

Kontschakòwna stürzt in höchster Erregung herein und bleibt vor dem Zelte Wladîmirs stehen.

KONTSCHAKÒWNA.
Wladîmir! Ist’s möglich, daß du fliehest? Verlaß mich nicht!
O sieh mein Herzeleid! Mir ist bekannt ja alles:
Gefaßt ist der Entschluß nach Rußland zu fliehn.
So willst du mich verlassen, die dich zum Rasen liebt,
Die dein auf ewig ist? Ich kann’s nicht glauben,
Das wäre grausam ja. Es kann nicht sein!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Leb‘ wohl! Wir müssen scheiden! Leb‘ wohl, mein süßes Lieb!
Die Ehre will’s, die Pflicht. O wehe mir!
Mein Blick wird trüb‘, im Busen pocht das Herz.
Mein Mut ist aus! Nicht mehr weiß ich zu fassen mich.
Mein Lieb‘, leb‘ wohl!
KONTSCHAKÒWNA.
O widersteh‘ nicht mehr dem Bitten deines Liebs!
Laß mich, Geliebter, ziehn mit dir nach Russenland.
Mit meiner Liebe nimm auch meine Freiheit, Fürst.
Verschließ nur nicht dein Herz. Wie deine Sklavin bin bereit
Mit dir gleich fortzugeh’n.
FÜRST ÌGOR kommt aus seinem Zelt.
Wladîmir, sag‘ was soll’s bedeuten? Du mit der Fürstin hier?
Ha, bist vielleicht zum Feind geworden, zum Verräter, Sohn?
Vielleicht zum Götzenknecht?
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Leb‘ wohl, mein Lieb!
KONTSCHAKÒWNA.
Erhöre mich! Sieh, ich verderbe ja!
Ich, freies Kind der Steppen, erblüht in Schönheitspracht;
Ich, Stolz des Heimatlands, ich, Tochter des Gebieters,
Zu deinen Füßen sink‘, umklamm’re deine Knie!
O nimm mich, nimm mich mit von dannen!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Wer mag ihr widersteh’n? Heiß schlägt mein Herz! Es bebt die Seele!
FÜRST ÌGOR.
Laß ab von ihm! Uns eilen laß! Fort, fort!

Man hört Pfeifen hinter der Bühne.

WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
O wehe mir! Wer mag ihr wiedersteh’n?
FÜRST ÌGOR.
Die Ehre will’s, die Pflicht! Das Wohl der Heimat zwingt dazu.
Sonst geht zugrund‘ das Land!
KONTSCHAKÒWNA.
Dir hab‘ ich ganz mich hingegeben.
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Es wogt die Brust! Es glüht das Blut.

Aufs neue Pfeifen.

FÜRST ÌGOR.
Nun, hörst du, ein fernes Pfeifen? Uns ruft Owlûr.
Fort, fort! ’s ist Zeit! Laß, Fürstin, ab von ihm!
WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
O, welche Pein! Wehe mir! Wer mag ihr widerstehn!
KONTSCHAKÒWNA.
Hab‘ Erbarmen! Bleib‘ bei mir! Auf mein Flehn gib acht!
FÜRST ÌGOR.
Verloren sind wir dann! Uns droht der Tod! Aus Träumen nun erwach‘, mein Sohn!

Fürst Ìgor will ihn fortziehen.

WLADÎMIR ÌGOREWITSCH.
Laß, Vater, mich sie pressen noch an meine Brust, zum letzten Mal.
FÜRST ÌGOR.
Laß ab von ihr! ’s ist Zeit zu flieh’n!
KONTSCHAKÒWNA.
Auf ewig schwurst dich mein und ich bin auch ganz dein;
Ja, unaufhörlich dein. Ich teile dein Geschick.
Kalt bleibt dein Herz bei meinem Schmerz: taub ist dein Ohr.
Wohl denn! Ich wecke auf das Lager!

Sie schlägt auf das Wachtbrett, um Leute zusammenzurufen.

FÜRST ÌGOR.
Leb‘ wohl!

Entfliehend.

KONTSCHAKÒWNA zu den Polowzern, die von allen Seiten herbeieilen.
Fürst Ìgor ist entflohn, mit Hilfe des Owlûr!
Ach, haltet fest den Sohn!
DIE POLOWZER.
Schwingt euch auf Rosse, schießt scharfe Pfeile,
Dem Flüchtling setzt nach mit Falkeneil‘!
Freunde, sprengt rasch, pfeilschnell! Den jungen Fürsten aber
Bindet an den Baum, schießt ihn herunter gleich!
Unser Pfeil sicher trifft!
KONTSCHAKÒWNA.
O nein, mein Freund soll leben! Er ist auf ewig mein!
Nehmt hin mein ganzes Blut! Laßt mich statt seiner sterben!
Mich treff‘ der Tod! Schießt mich zuerst herunter
Mit euren Pfeilen; laßt mich gehn
Mit meinem Freund in Tod! Ich folge ihm!
DIE POLOWZER.
Ruft alle Chane gleich herbei! Auf ihr Gebot laßt uns jetzt hören!
Da kommt Kontschàk nun selbst!

Kontschàk und die Chane treten ein.

KONTSCHÀK.
Ha, welch ein Lärm? Was ist’s? Tochter, sag‘ was machst du hier?
DIE POLOWZER.
Fürst Ìgor ist entfloh’n. Warf sich aufs flinke Roß
Mit Hilfe des Owlûr, und beide sprengen fort.
KONTSCHÀK.
Ha, wack’rer Bursch!
Fürwahr, er ist meiner Liebe wert.
Das ist sehr brav von ihm! So wie er hätt‘ ich getan!
Wie gerne wär‘ ich sein bester Freund.
Und sein Bundesgenosse blieb‘ ich treu.
Heida! Die Wachen führt zum Tod! Wladîmir aber lebe!
Folgt rasch dem Befehl!
CHOR DER CHANEN.
Kontschàk, laß uns Rat halten! Hör auf unser Wort; vernünftig ist’s,
Wir folgen ja auch deinem Rat, wenn es sich handelt um den Krieg.
Der junge Falke folgt dem alten Falken nach.
So wollen wir herunterschießen ihn mit Pfeil.
Folg‘ unserm Rat und tue so.
Wir hören ja stets auf dein Wort,
Wenn es sich handelt um den Krieg.
Verschmähe auch nicht unsern Rat.
Den frechen Schwarm der Russen laß hinrichten ohne Aufschub, Chan!
KONTSCHÀK.
Nein, da der Falk‘ geflogen ist in sein Nest,
So wollen wir den Jungen mit einem Mädchen fesseln gleich.
Hier ist deine Braut, Wladîmir!
Kein Feind bist du; du bist mein Schwager.
Und morgen waffnet euch zum Kampfe.
Auf, auf zum Streit! Nach Russenland! Schmach, Tod dem Feind!
DIE POLOWZER UND DIE CHANE.
Nach Russenland! Schmach, Tod dem Feind!
Zum Kampf, zum Streit! Allen Chanen Heil!

Der Vorhang fällt.

Vierter Akt

Die Mauern der Stadt Putivl und ein Platz. Der Tag bricht an. Iaroslàwna ist allein auf den Zinnen der Mauer.

IAROSLÀWNA.
Ihr, Tränen, fließt! Lindert meinen Schmerz.
Zum Gemahl schick‘ ich sie all‘,
Zum blauen Meer schick‘ ich sie morgens früh.
Ach, ich möchte wie ein Kuckuck
Längs der Donau pfeilschnell fliegen,
Meinen Biberärmel in der
Kajala anfeuchten,
Um dem Fürsten seine Wunden,
Die bluttriefenden, zu waschen.
O du lieber Wind. O weshalb wehst du so heftig?
Weshalb trägst du Chansche Pfeile unserm Herrn entgegen?
Ist es dir zu wenig unter Wolken dort zu wehn,
Und die Schiffe auf dem Meer zu schaukeln?
Weshalb hast du, lieber Wind, so lang‘ geweht im Felde?
Weshalb hast du, Herr, verweht mein‘ Freude auf dem Grase?
Ihr Tränen fließt, lindert meinen Schmerz.
Zum Gemahl schick‘ ich sie all‘,
Zum blauen Meer schick‘ ich sie morgens früh.
O du, hochberühmter Dnieper,
Du hast steinerne Gebirge
Ja durchbrochen im Polowzer Gebiet.
Swjatoslàves lange Böte
Zu den Zelten des Kobiak
Hast du, lieber Dnieper, getragen, großer, blauer, berühmter Dnieper!
Bring zurück mir meinen Fürsten, damit ich nicht länger wein‘,
Tränen nicht zu schicken brauche zum blauen Meer, zum Fürst.
Leuchtend‘, dreimal leuchtend‘ Sonne! Allen scheinst du warm und schön und hell,
Alle wärmst du und liebkosest. Allen bist gewogen.
Weshalb hast du brennend‘ Strahlen
Auf die Krieger ausgegossen?
Durch Durst im wasserlosen Felde
Ihre Bogen hast gebunden,
Und mit Schmerz die Köcher ihnen
Fest geschlossen hast? Warum?

Eine Schar Landleute ziehn vorbei, ein Lied singend. Iaroslàwna sitzt in Gedanken versunken.

CHOR DER LANDLEUTE.
Nicht ein Sturmwind ist’s, der tobt und heult,
Uns mit Unheil droht, uns bedroht.
’s ist Chan Gsak der stürmt auf uns.
Nicht ein Rabe naht im schnellen Flug,
Vor dem Unglück warnt, und uns warnt.
Chan Gsak ist’s, der auf uns losrückt.
Nicht ein grauer Wolf Herden schreckt,
Chan Gsak ist’s, der das Land zerstört.
IAROSLÀWNA die zerstörten Umgebenden ansehend.
Wie verwüstet ist das Land! Dörfer sind verbrannt. Felder steh’n öd und leer.
Ach, der Feind hat uns zerstört, was blühend war.
Und Stille herrscht weit in der Rund‘, kein Lied erschallt jetzt lustig.

Blickt spähend in die Ferne.

In der Ferne seh‘ ich da zwei Ritter nah’n.
Der eine trägt die Kleidung unserer Feinde.
Ach, vielleicht rückt wieder los der Chan auf uns?
Gott bewahr‘, behüte! Nun, was wird aus uns werden?
Wer wird Putivl beschützen dann?
Der andre Reitersmann trägt ja ein russ’sches Kleid.
Wohl ist es kein gemeiner Krieger.
Von Haltung stolz und prächtig ist er,
Und trägt auf sich der Herrschaft Zeichen.
Gewiß ein russ’scher Fürst kommt zu Besuche.
Wer mag dieser Fürst sein? Wer ist es? Was will er?
Was weiß ich? Auflösen kann ich nicht dieses Rätsel.
Ach! Es kann nicht sein! Ist es Traum, ein Spiel des Bösen?
Nein. Das sind die Züge meines Mannes ja!
Die mir längst bekannten, teuren Züge. Das ist er.
Heimgekehrt ist Ìgor!

Fürst Ìgor erscheint zu Rosse auf der Bühne. Owlûr begleitet ihn. Der Fürst springt aus dem Sattel und eilt zu Iaroslàwna.

FÜRST ÌGOR.
Sei gegrüßt, Geliebte! Sei gegrüßt, Geschätzte!
Gott vereint uns aufs neu! Du mein holdes Lieb!
IAROSLÀWNA.
Du, mein lichter Falke! Du mein Trost, mein‘ Freude!
Herzgeliebter! Du mein teurer Gatte!
Ist es die Wahrheit, ist es Traum?
Ich traue eignen Augen kaum,
Von bösen Träumen aufgeschreckt,
Die mich bis jetzt geplagt, geneckt.
Wie oft hab ich geträumt von dir,
Bei Tag, sowie bei Nacht!
Wie oft erschienst du,
Liebster, mir, wie jetzt in dieser Kriegerstracht!
FÜRST ÌGOR.
Dein Gatte kommt aus fremdem Land;
’s ist kein Gespenst, das drückt dein‘ Hand.
Ich schaue deiner Augen Glut
Und mich belebt aufs neue Mut.
Nun kommt dein Herzensfreund zurück;
Mit ihm das längst erwünschte Glück.
IAROSLÀWNA.
Du gibst mir wieder deinen Kuß,
Nichts stört jetzt unseres Glücks Genuß;
Kein Mißtraun und kein Überdruß!
Hin ist mein Herzeleid.
Deiner Hände zartes Drücken,
Deiner Liebesglut Entzücken,
Holder Augen süßes Blicken
Mich beleben jetzt aufs neu.
Gott, wie ich um dich gelitten,
O, du meine höchste Wonne,
Meiner Seele lichte Sonne!
Du, mein einz’ger Trost, mein Held,
Du, mein Höchstes, Einz’ges in der Welt!
FÜRST ÌGOR.
Ja, vorbei sind böse Träume,
Die bis jetzt dich, Lieb, geplagt
Und gestöret in der Nacht.
IAROSLÀWNA.
Bist du entflohn?
FÜRST ÌGOR.
Bin heimlich entflohn vom Chan,
Als ich erfuhr, daß Gsak rückt los
Auf unser Land, plündert es.
Ich bin dem Heiden-Chan entflohn,
Um wieder ein neues Heer zum Angriff zu führen bald,
Um zu verlegen unserm Feind den Weg.
IAROSLÀWNA.
Deiner Hände weiches Drücken,
Deiner Liebesglut Entzücken,
Holder Augen süßes Blicken
Mich beleben jetzt aufs neu.
Gott, wie ich um dich gelitten usw. …
FÜRST ÌGOR.
Vorbei sind böse Träume all,
Vorbei der Trennung Weh und Qual.
Aus unserem Herzen, unserem Sinn
Ist aller Gram und Argwohn hin,
Die Freude hat uns neu belebt.
So scheint die Sonne strahlend mild,
Nach grausem Sturm, der tobte wild;
Und es wird wieder hell.
Bald neue Scharen werbe ich,
Zum Angriff führe sie zum Krieg.
Und sicher treffen wir den Feind!

Fürst Ìgor und Iaroslàwna schreiten langsamen Schrittes zur Zitadelle. Während des folgenden Liedes der Gudokspieler bleiben sie vor dem Tore stehen in lebhafter Unterhaltung; dann verschwinden sie hinter dem Tore.

ERÒSCHKA UND SKULÀ treten ein, beide etwas berauscht; sie spielen und singen.
Summ‘ und brumm‘, Gudok, ei summ mit Saus und Braus,
Und spiel‘ ein Loblied sein unserem gnäd’gen Herrn;
Fürst von Sewersk ist jetzt sehr weit von uns;
Sitzt im Kerkerschloß in dem Steppenschoß,
Seinem Freund, dem Chan, ist er untertan.
Stürzt‘ sein Heer in den Tod, leidet selber Not;
Da im tollen Mut gar zur Unzeit,
Zog er in den Krieg, ließ man ihn im Stich,
Und in den sand’gen Steppen kam sein braves Heer
Ganz um vor Durst, vor Hunger und vom mörd’schen Speer.
Mit dem russ’schen Gold unser braver Fürst
Baute Brücken sich, doch dem Feinde wich.
In die Kajala hat sein Ruhm versenkt
Samt dem wackren Heer, Schätzen und Gewehr.
Deshalb heutzutage in dem ganzen Russenland,
In der weiten Welt, nun kurz, allüberall
Laut klagt man tausendfach unsern gnäd’gen Herrn
Den sewersk’schen Fürst an und wehklagt man
Ob dem tollen Fehltritt in der Stadt Kiew,
Sowie an der Donau und an dem buch’gen Meeresufer.
Summ‘ und brumm‘ Gudok, ei summ‘ mit Saus und Braus,
Spiel‘ ein Loblied fein dem wack’ren, mächt’gen Fürst.
SKULÀ.
Fürst von Sewersk, der brave gnäd’ge Fürst.

Voll Erstaunen hören sie auf zu singen, da sie in der Ferne den Fürsten Ìgor und Iaroslàwna erblicken, die in den Kreml hineingehen.

Ist’s Traum? Ist’s Spuk? Ei, sieh mal!
ERÒSCHKA.
Er ist’s!
SKULÀ.
Ist es möglich? Unglaublich ist’s.
ERÒSCHKA.
Gott steh‘ uns bei, Gott schütze uns!
Wehe uns! Nichts jetzt rettet uns.
Man wird uns zugrunde richten! Weh, weh!
Um unser Leben ist es getan!
Verloren sind wir, gänzlich verloren!
SKULÀ.
So schlimm steht es nicht, man weiß ja,
Was gilt bei uns, Russen, Wein und schlauer Streich.
Feinen Scherz muß unser Kopf ersinnen, Bruder.

Sie setzen sich einander gegenüber und fangen an zu denken.

Nun?
ERÒSCHKA.
Nun?
SKULÀ.
Nun?
ERÒSCHKA.
Nun?

Zögernd.

Entflieh’n?
SKULÀ.
Heim’schen Herd? Waldwärts wandeln? Dank schön! Närrisch wär’s.
ERÒSCHKA.
Ins Feld?
SKULÀ.
Steht dir der Sinn nach Gras und nach Baumrinde?
Statt guten Weins, willst du Wasser saufen?
Solches Hundeleben ist längst für mich dahin, bin es satt,
Was Besseres und Schlau’res müssen wir hervorsuchen.
ERÒSCHKA.
Was nun?
SKULÀ.
Schweig still…. Stör‘ mich nicht…. Ausgedacht den Streich!

Auf den Glockenturm hindeutend.

Siehst du? Siehst du?
ERÒSCHKA im Bedenken.
Jenen Glockenturm?
SKULÀ macht ihm den Wink mit der Hand, er soll läuten.
Läute! Läute!
ERÒSCHKA.
Wozu muß ich jetzt läuten, Freund?
SKULÀ.
Um zu retten unser Leben, nicht vor Hunger zu krepieren,
Dann auch Wein kriegen wir uns fein. He, läut‘ die Sturmglock‘, Freund!

Beide greifen nach den Stricken der Glocke und fangen an Sturm zu läuten.

ERÒSCHKA.
He, Volk, ei her, zu uns! Eilt rasch herbei ihr all‘!
Eilt alle herbei zu uns ohn‘ Säumen!

Das Volk läuft von allen Seiten herbei.

CHOR.
Welch ein Geläut! Was bedeutet das? Was soll das heißen?
ERÒSCHKA UND SKULÀ mit Ernst.
Gott schickt uns großes Glück, Gesell!
CHOR.
Von diesen tollen Gecken ist es noch ein Streich!
Wie sie schrei’n! Gewiß viel Wein habt ihr verschluckt.
He, fort mit ihnen! Schleppt die Schurken hinweg!
Fort mit ihnen, hinaus!
He, Freunde, halt‘ ein! Hört doch auf! Hört mal zu!
Horcht!
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Rechtgläub’ge, höret! Große Freud‘ schickt Gott.
CHOR.
Was freut euch, Säufer, so sehr?
SKULÀ.
Berauscht? Gott bewahre! Nein Freund, vor Freude sisn! wir wohl außer und.
Sie trübt unsern Sinn. Unser Fürst kommt!
CHOR.
Der Bösewicht von Gàlitzky? Sei er verdammt auf ewig.
ERÒSCHKA.
Es handelt sich doch nicht um ihn! Fürst Ìgor kommt! Ist schon da!
SKULÀ.
Ìgor Swjatoslàwitsch!
CHOR.
Ha, seid ihr wohl bei Sinnen? Was?
SKULÀ.
Du glaubst’s nicht? Sieh dort, auf dem Fußweg unsern Fürst.
Er ging gleich vorbei mit seiner Frau. Erkennst seinen Helm, sein‘ Speer?
Und hinter ihm her geht der Polowzer, der mit dem Fürsten angekommen! Da!
ERÒSCHKA.
Siehst du?
CHOR.
Fürst! Fürst ist’s ja! He, zieht die Glocke! Läutet das Volk rasch zusammen!
Fragt den Polowzer, ob wirklich der gnäd’ge Fürst gleich angekommen sei.
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Ei, horcht, Rechtgläubige!

Die Volksschar vergrößert sich nach und nach. Einige nähern sich Owlûr und belästigen ihn mit Fragen.

CHOR.
Wirklich ist er heimgekehrt?
Unsern Fürsten schickt uns Herr Gott!
ERÒSCHKA UND SKULÀ läuten aufs neue.
Gott schickt uns ein großes Glück!

Greise und Bojaren treten ein.

CHOR.
Gott schickt uns den Retter, den Vater des Volkes!
Plötzlich ist er heimgekehrt für das Wohl des ganzen Volkes!
DIE BOJAREN UND GREISE.
Wer hat zuerst verbreitet das Gerücht?
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Wir, armen Gudokspieler, Herr!
DIE BOJAREN UND GREISE.
Gudokspieler?
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Des guten Fürst’s ergeb’ne Diener, ehrwürd’ger Greis.
DIE BOJAREN UND GREISE.
Ihr seid die Diener des Aufrührers ja?
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Pfui! Im Dienst bei ihm standen wir noch niemals.
Wir sind die hiesigen, dem Lande einheimisch.
DIE BOJAREN UND GREISE.
Dennoch habt ihr verkehrt mit Fürsten Gàlitzky?
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Nein, mit ihm hatten wir gar keinen Umgang.
Seht treue Untertan sind wir unserm Fürsten Ìgor.
DIE BOJAREN UND GREISE.
Nun, heute soll
Sich alles freu’n; des Fürsten Rückkehr feiern!
Gott euch berate!

Sie übergeben den Lohn den Gudokspielern.

ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Ei, trinkt auf die Gesundheit unsres Fürsten, unsers Vaters!
Summ‘ mit Saus und Braus, Gudok, ei, spiel ein feines Loblied unserm Fürst!

Schlußchor.

DIE BOJAREN UND GREISE.
Nicht umsonst war unser Flehen: den geliebten guten Fürsten
Hat Gott heimgeführt, gerettet, uns bewahrt mit starker Hand.
DAS VOLK.
Plötzlich ist zurückgekommen unser Fürst aus fremdem Lande,
Freut sich alt und jung der Kunde seiner Wiederkehr.
ERÒSCHKA UND SKULÀ.
Strömt alle haufenweise geschwind zu Zitadelle!
Dahin muß man rasch ziehn. Wohlan! Wollen wir entgegeneilen
Unserm Fürsten, unserm Vater, jauchzend, jubelnd ihn begrüßen,
Froh, mit Lustgeschrei!
DIE BOJAREN UND GREISE.
Halt! Laßt uns geh’n zuerst zum Fürsten
Und begrüßen unsern Herrn.
Wartet hier: es wird sich zeigen
Seinem Volk der gnäd’ge Fürst.

Greise und Bojaren ziehen in den Kreml ein.

DAS VOLK.
Unsre Alten haben ja wahrhaftig recht:
Wollen wir den Fürst empfangen wie’s sich schickt.

Die Volksmenge vergrößert sich nach und nach, es ziehen geputzte Weiber herein. Viele tragen aus ihren Häusern Brot und Salz hinaus.

Wie am Festtag möge jeder sich ankleiden, sauber, fein,
Mög‘ sich schmücken mit den Bändern, mit Halsschnüren, Ohrgehäng!
Überreichen muß das Volk ihm Salz und Brot.
Für das Volk muß man bereiten Quaß und Meth.
ERÒSCHKA UND SKULÀ Gudok spielend.
Ei, trinkt auf die Gesundheit unseres Fürsten, unsers Vaters!
Summ‘ und brumm‘ Gudok; ei, singt ein Loblied fein dem Fürsten!
VOLK.
Wollen wir entgegeneilen
Unserm Fürsten, unserem Vater.
Glücklich ist zurückgekommen
Unser Fürst aus fremdem Land.
Wollen wir entgegeneilen
Unserm Fürsten, jauchzend, jubelnd
Werden gastlich ihn empfangen, nach der Sitte.
Nicht umsonst ist er gekommen. Ungemach vergang’ner Zeiten ist dahin.

Fürst Ìgor kommt mit der Fürstin aus dem Kreml heraus. Sie erscheinen auf dem Platze; Greise und Bojaren begleiten sie. Fürst Ìgor begrüßt das Volk und wird von demselben jubelnd empfangen.

VOLK.
Heil dem tapfren, guten Fürsten Ìgor!
Heil ihm und Preis!

Der Vorhang fällt.