Hector Berlioz

Faust’s Verdammung

Dramatische Legende in vier Abteilungen

Personen
Faust (Tenor)
Mephisto (Bariton oder Bass)
Margarete (Mezzo-Sopran)
Brander (Bass)
Die Fürsten der Finsternis (Bässe)
Eine Stimme von oben (Sopran)
Chor der Bauern
Osterchor
Chor der Trinker
Chor der Sylphen und Gnomen
Chor der Soldaten
Chor der Studenten
Chor der Irrlichter
Chor der Nachbarn
Chor der Höllengeister
Chor der Seraphim
Chor der himmlischen Geister

Erster Teil.

1. Scene

Ebene in Ungarn.

FAUST allein bei Sonnenaufgang.
Der Winter floh, der holde Lenz ist da,
Frei von Eis rauschen Strom und Bäche;
Und sieh‘, von des Himmels Dom hernieder
Strahlt rein und mild neuen Licht’s gold’ner Glanz. –
Ich fühle sanft den Hauch der linden Morgenlüfte,
Und meine heisse Brust saugt atmend süsse Düfte.
Wie zart tönt mir ins Herz holder Vögel Gesang!
Erfrischt fühl‘ ich von Bach und Wald mich hier umrauscht!
O Wonne, zu geniessen der Ruh‘ friedlicher Fluren,
Fern aller Menschen Kämpfe und fern ihrem Gewühle!

Ferne ländliche und kriegerische Klänge ertönen – Bruchstücke des folgenden Bauerntanzes und des Rakoczy-Marsches.

2. Scene

Bauerntanz

CHOR.
Der Schäfer putzte sich zu Tanz
Mit bunter Jacke, Band und Kranz;
Heisa! He!
Schmuck war er angezogen!
Schon um die Linde war es voll,
Und Alles tanzte schon wie toll,
Juchheisa! Heisa!
He! Tra la la,
So ging der Fiedelbogen.
FAUST. Was tönt von fern? – Gesang vernimmt mein Ohr! – Den Tag, der neu erwacht, feiert fröhlich das Volk mit Tanz und mit Gesang dort auf grünendem Plane. Um ihre Lust muss ich Armer sie neiden. –
CHOR.
Doch hurtig in dem Kreise ging’s,
Sie tanzten rechts, sie tanzten links.
Heisa! He!
Und alle Röcke flogen.
Sie wurden rot, sie wurden warm,
Und ruhten atmend Arm in Arm,
Juchheisa! Heisa!
He! Tra la la,
Und Hüft‘ an Ellenbogen.

Und tu‘ mir doch nicht so vertraut!
Wie mancher hat nicht seine Braut,
Belogen und betrogen!
Er schmeichelte sie doch bei Seit‘,
Und von der Linde scholl es weit,
Juchheisa! Heisa!
He! Tra la la,
Geschrei und Fiedelbogen.
(Goethe.)

3. Scene

Ein anderer Teil der Ebene mit vorüberziehenden Kriegerscharen

FAUST. Welch kriegerischer Glanz blitzt durch neblichte Ferne? – Ha, die Söhne der Donau, zum Kampfe gerüstet! – Mit Stolz schreiten freudig sie hin, zu streiten für die Heimat, für die Freiheit, für Recht! Im Siegesrausche erglüh’n ihre Herzen. – Nur das meine bleibt kalt, selbst dem Ruhme verschlossen! –

Ungarischer Marsch.

Das Heer zieht vorüber. – Faust entfernt sich.

Zweiter Teil.

4. Scene

In Norddeutschland.

FAUST allein in seinem Studirzimmer.
Ich verliess ohne Reu‘ jene lachenden Auen,
Wo ich die Ruh‘ nicht fand.
Freudlos kehr‘ ich zurück zu den ragenden Gipfeln;
Freudlos wieder zu dir, du mein väterlich Haus.
O, ich leide, ich leide!
Und die Nacht ohne Sterne, die bang herniedersinkt,
Alles weithin umdüsternd,
Erhöht des Herzens unnennbare Qual.
O Erde, die für alle blüht, nur nicht für mich,
Wo, ach, find‘ ich den Trost meinem freudlosen Leben? –
Suche ich denn umsonst? Vergeblich all‘ mein Hoffen!
Nun wohl, so sei’s getan! – Doch, ich wanke! –
Warum erbeben vor dem Abgrund, der offen mir gähnt? –
O Schale, die so gern sonst meine Hand erfasste,
Komm, komm, edler Krystall, diesen Saft nimm ihn auf!
Der Trank bringe mir Licht, oder Tod meinem Sein!

Er setzt die Schale an den Mund – Glockenklang – Gesang in der Kirche.

Osterhymne.

CHOR.
Christ, Christ ist heut‘ uns erstanden!
FAUST.
Was hör‘ ich?
CHOR.
Entsteigend der Nacht seines dumpfen Grabes
Schwebt verklärt er auf zum himmlischen Reich;
Zu den Wonnen sel’gen Lebens zu
Erhob er sich glorreich empor.
Seine treuen Jünger
Liess schmachtend er hier zurück.
Weh‘! Wehe! Schutzlos liess er die Jünger,
Tief gebeugt von zehrendem Schmerz.
O ew’ger Meister, dein Triumph,
Er brachte uns nur bittere Leiden!
O, ew’ger Meister, du lässt
Schmachtend tief gebeugt uns Jünger zurück!
FAUST.
Selig‘ Erinnern!
O, ihr himmlischen Lieder,
Mein tief erhebend Herz, zu Gott tragt es empor.
Der schwankende Glaube erstarkt,
Bringt aus der Jugendzeit den Frieden mir.
Holde, sel’ge Kindheit, wie süss war dein Gebet! –
O, reine Himmelfreude, im Lenz auf blum’ger Au,
Über grünende Felder, durch den Wald, durch die Fluren
Wie im Traume zu geh’n. –
Sel’ger Kuss süsser Himmelsliebe,
Du fülltest mir das Herz mit ahnungsvoller Lust
Und verbanntest die Gefahr dunkler, böser Triebe.
CHOR.
Christ, Christ ist heut uns erstanden!
Entsteigend der Nacht seines dumpfen Grabes
Schwebt verklärt er auf zum himmlischen Reich.
Zu den Wonnen sel’gen Lebens hier
Erhob er sich glorreich empor.
Seine treuen Jünger
Liess schmachtend er hier zurück
Doch fegt wir glauben an sein Erbarmen,
Sein heilig Trosteswort,
An die himmlische Heimat, die er uns verheissen.
Hosanna!
FAUST.
Doch ach! warum denn weckt ihr himmlischen Gesänge
Mich Verlorenen auf?
Inbrünstige Gebete, was kommt ihr jetzt,
Zu hindern den festen Entschluss?
Wie der liebliche Klang mir belebet das Herz!
Heil’ge Morgengesänge, o, tönet weiter!
Heiss quillt die Träne mir vom Aug‘,
Erde, nimm mich zurück!

5. Scene

MEPHISTO plötzlich erscheinend. O, Rührung wundersam! Du unschuldvolles Kind! Ich bewund’re dich traun! Denn das fromme Gebimmel dieser Glocken vom Dom scheint dem Doktor ja Seele und Hirn zu betören!
FAUST. Wer bist du, sprich! Du, dessen Flammenblick so schneidend scharf wie die Spitze des Dolch’s und glutsprüh’ndes Feuer brennt und senget die Seele.
MEPHISTO. Ho, Ho! Der weise Doktor zeigt heimliche Neugierd‘! – Ich bin der Geist des Lebens, bin der Geist, der dir Trost bringt: ich schaffe Alles dir: Macht und Glanz, Glück und Lust, erfülle jeden Wunsch, den sehnend du erdenkst.
FAUST. Wohlan, seltsamer Gast, deine Wunder lass sehen!
MEPHISTO. Wunder sollen dein Aug‘ und Ohr völlig berücken! Statt zu verschmachten hier, elend, gleich einem Wurm der sich vom Staub ernährt. – Auf, hinaus, in die Welt!
FAUST.
Ja, es sei!
MEPHISTO.
Lass uns zieh’n:
Lebensfreud‘ zu erjagen!
Dem Alter lass den Gram,
Froh geniesse die Jugend!

Sie fahren durch die Lust ab.

6. Scene

Auerbachs Keller in Leipzig.

CHOR DER TRINKER.
Holla, schafft Wein! Den Wein vom Rhein!
MEPHISTO eintretend. Komm nur, Faust! ’s ist ’ne Schenke voll von lust’gen Burschen. Mit Liedern, Wein und Scherz eilt den Frohen der Tag hin!
CHOR.
Ha, wie ist’s schön,
Wenn’s draussen wild vom Himmel wettert,
Zu schlürfen des Rheines edlen Saft,
Voll wie ein Fass, sich zu betrinken!
Gott Bacchus soll heut‘ Wunder tun!
Hoch, hoch der Wein, der süsse Tröster,
Er schwemmt die Sorgen mir hinweg!
Schon der Pathe bei meiner Taufe
Galt als ein Trinker stramm und fest. –
Ha, wie ist’s schön,
Wenn’s draussen wild vom Himmel wettert,
Zu schlürfen des Rhein’s edlen Saft!
Voll wie ein Fass im Keller drunten, sich zu betrinken!
Wunder soll Gott Bacchus heut‘ tun!
Hoch, Gott Bacchus hoch!
Hoch der Rhein!
Hoch, hoch der Wein!
EINIGE.
Wer singt uns nun ein lustig‘ Liedchen? Witz und Scherze würzen den Wein!
EIN ANDERER.
An Brandern ist’s!
MEHRERE.
Dem entschwand sein Gedächtnis!
BRANDER trunken.
Nein, ich weiss was, – ich selbst hab’s erdacht.
ALLE.
Ei, der Daus! Was denn?
BRANDER.
Wenn ihr’s begehret, so sing‘ ich es Euch; gebet Acht!
ALLE.
Wohlan, gebt Acht!

Brander’s Lied.

Es war eine Ratt‘ im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst’t
Als wie der Doktor Luther.
Die Köchin hatt‘ ihr Gift gestellt;
Da ward’s so eng ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb im Leibe.
CHOR.
Als hätt‘ sie Lieb‘, ja Lieb im Leib.
BRANDER.
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt‘, zerkratzt‘ das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüten nützen;
Sie tät gar manchen Aengstesprung;
Bald hatte das arme Tier genung,
Als hätt‘ es Lieb‘ im Leibe.
CHOR.
Als hätt‘ sie Lieb‘, ja Lieb‘ im Leib.
BRANDER.
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt‘ und lag
Und tät erbärmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hätte sie Lieb‘ im Leibe.
CHOR.
Als hätt‘ sie Lieb‘, ja Lieb‘ im Leib.
Göthe.
Requiescat in pace! Amen.
BRANDER.
Nun stimmt an über’s »Amen« eine Fuge im Chor!
Ein akademisches Stück soll es sein!
MEPHISTO. Nun spitze fein das Ohr, und balde zeigt sich uns die Bestialität in ihrer vollen Pracht.
CHOR.

Fuge über das Motiv in Brander’s Lied.

Amen!
MEPHISTO. Schön Gruss, ihr Herrn! – Euer Sang ist erbaulich; so rührend, dass man wähnt, in der Kirche zu sein. Erlaubt mir, Euch zu sagen: Die Fug‘ war höchst gelahrt, ihr Styl weih’voll sogar. Ich kenne nichts, was würd’ger wär‘ für jenes tiefe Wort, mit dem die gläubigen Seelen die Andacht inbrünstig beschliessen. – Aber jetzt, wenn es Euch recht, singe ich Euch ein Lied, das wohl nicht minder rührsam ist, als das Eure.
CHOR. Sag‘ mir, spottet er, verhöhnt er uns? – Wer kennt den Menschen? Ha, wie er bleich ist, wie rot seine Haare glüh’n! – Doch sei es! Meinethalb, singt Euer Lied! – Nur zu! Fangt an! –

Mephisto’s Lied.

Es war einmal ein König,
Der hatt‘ einen grossen Floh,
Den liebt‘ er gar nicht wenig,
Als wie seinen eig’nen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran:
»Da, miss dem Junker Kleider,
Und miss ihm Hosen an!«

In Sammet und in Seide,
War er nun angetan,
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt‘ auch ein Kreuz daran,
Und war sogleich Minister,
Und hatt‘ einen grossen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bei Hof auch grosse Herr’n.

Und Herr’n und Frau’n am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königin und die Zofe,
Gestochen und genagt!
Und durften sie nicht knicken
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
Göthe.
CHOR.
Ha, bravo, das war schön!
Ja so soll’s jedem Floh ergeh’n!
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
FAUST. Rasch fort von diesem Ort, wo jedes Wort beleidigt, der Menschen Frohsinn und Witz mich verstimmt. Weisst du nicht and’re Freuden, kein trauliches Plätzchen mehr für mich, du, der Hölle Gesell‘?
MEPHISTO.
Nun, da dies dir missfällt – hinweg!

Sie fahren ab.

7. Scene

Gebüsch und Auen am Ufer der Elbe.

MEPHISTO.
Sieh‘ diese Rosen,
Die über Nacht erblühten
Auf diesem duftigen Beet.
O, mein teuerster Faust,
Hier ruhe!
Versink‘ in wollustvollen Traum,
Wenn dich entzückt der ros’gen Lippen heisser Kuss,
Wenn die Blumen die Kelche voll Sehnsucht dir öffnen;
Und dein Ohr höre himmlisch berauschende Klänge.
O lausche, wie die Geister der Erde, der Luft,
Mit süssem Singen wiegen in Schlaf sanft dich ein

Faust’s Traum.

CHOR DER SYLPHEN UND GNOMEN.
Schlaf‘, schlaf‘, sel’ger Faust!
Gar bald schliesst in Schlaf
Ein duftiger Schleier dein Aug‘,
Gold und azurgewebt
Hüllt er dich Sel’gen ein.
Hell strahlt dein Stern
Am Dome des Himmels dir.
Träumend schlürft
Liebeswonne dein Herz.
Entzückendes Geländ‘,
So weit der Himmel blauet,
Wohin das Auge schauet,
Erfreut der Blumen Pracht
Und stille schatt’ge Lauben,
Wo Liebespaare traut
Hinwandeln in Gedanken. –
Und weithin sind bedeckt
Die Zweig‘ der Rebengänge
Mit Knospen, Blüt‘ an Blüt‘
Und roten, vollen Trauben.
Sieh‘ durch das schöne Tal
Die Liebespaare wandeln,
Vergessend ganz der Welt
Im Dunkel frischen Laubes.
Ein schönes Mädchen naht
Gedankenvoll und still,
Verstohl’ner Tränen Glanz
Ihr Auge weich verklärt.
Dies Mädchen dort, sie wird dein Liebchen sein!
MEPHISTO.
Sel’ger Faust!
Bald entschliesset ein Schleier,
Golden und azurgewebet
Dein Aug‘. –
Hell strahlt dein Stern
Dir am Dome des Himmels. –
Sieh‘ dieses schöne Mädchen!
Sie wird dein Liebchen sein!
FAUST.
Ach, auf die Augen
Gleitet sanft ein Schleier. –

Träumend.

Margarete!
CHOR.
Des Sees Fluten breiten
Sich rings um die Hügel,
Munt’re Bäche sich schlängeln
Durch die grünenden Au’n.
Hell in jauchzenden Chören
Den Ufern schallt’s entlang, ha –
Jubelnd finden sich And’re
Zum freud’gen Tanz vereint.
Die Berge zu erklimmen
Treibt Manchen froher Mut, ha –
Lustige Schwimmer spielen
In silberheller Flut.
FAUST.
Margarete, o Margarete!
CHOR.
Des Sees Fluten breiten
Sich rings um die Hügel,
Munt’re Bäche sich schlängeln
Durch die grünenden Au’n.
Fernhin flatternde Vögel
Suchen Schatten und Rast,
Fliehen schnellesten Fluges
Hin zu kühl feuchtem Grund.
Lebensgenuss lacht Allen,
Forschen im Himmelsraum
Nach dem leuchtenden Stern,
Der Glück dir verheissend strahlt.
FAUST.
Margarete!
CHOR.
Sie ist es, die Wonnige,
Die dir dein Stern beschied.
Schlaf‘, schlaf‘,
Sel’ger Faust, schlaf‘, schlaf‘!
MEPHISTO.
Der Zauber wirkt,
Bald ist er mein! –
Gut, gut, sehr gut, mein junges Volk,
Ihr habt mein Lob verdient!
Wiegt sanft ihn ein,
Sanft in seligen Traum!

Sylphentanz.

Die Geister schweben noch eine Weile um den schlafenden Faust und verschwinden dann allmählich.

FAUST. erwachend. Margarete! Welch‘ ein Traum! Ist es wahr? Ha, welch‘ ein reizend Wesen, welch‘ lieblich Engelsbild! – Wo find‘ ich sie, mich ihr zu weihen, anbetungsvoll ihr zu Füssen?
MEPHISTO. Schon gut – ich führ‘ sogleich dich hin: zum berauschend süss duftenden Stübchen, wo sie ruht, die so heiss Geliebte. Dieser Schatz, Glücklicher, ist dein! – Dort kommt ein lust’ger Schwarm von Studenten und Kriegern, der an ihrem Häuschen wohl vorbeizieht. Der Jugend tolle Lust und freudiger Gesang sollen verkürzen uns den Weg. – Zähm‘ die innere Glut, Folg‘ getrost meinem Rat.

8. Scene

SOLDATENCHOR.

Soldaten und Studenten durch die Stadt wandernd.

Stolze Burgen,
Mauernumringt, hoch umwallt, Ihr Mädel
So reizend, wenn auch spröd ihr seid,
Die sichersten Siege
Winken hier uns’rem Mut!
Wenn schwer auch das Mühen,
Doch herrlich der Lohn!
Beim Klang der Trompeten
Der Tapf’re zieht aus
Zum fröhlichen Fest
Wie zum grimmigen Strauss!
Und Mädchen und Wälle,
So sehr sie sich sträuben,
Ergeben sich doch bald uns,
Ergeben sich doch,
Wenn schwer auch das Mühen,
Doch herrlich der Lohn!

(Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen:
Mädchen mit stolzen,
Höhnenden Sinnen
Möcht‘ ich gewinnen!
Kühn ist das Müh’n,
Herrlich der Lohn!
Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das ist ein Stürmen!
Das ist ein Leben!
Mädchen und Burgen
Müssen sich geben.
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn!
Und die Soldaten
Ziehen davon.) (Göthe.)

Studentenlied.

Jam nox stellata velamina pandit: nunc bibendum et amandum est! Vita brevis fugaxque voluptas. Gaudeamus igitur, gaudeamus!
Nobis subridente luna per urbem quaerentes puellas eamus: ut cras, fortunati Caesares, dicamus: veni vidi, vici! Gaudeamus igitur, gaudeamus!
Schon breitet die Nacht ihren bestirnten Schleier aus; nun gilt’s zu trinken und zu lieben! Kurz ist das Leben, flüchtig die Freude. Drum lasst uns lustig sein!
Beim lächelnden Monde durchstreifen wir nach Mägdlein spähend die Stadt, auf dass, gleich glücklichem Cäsar, wir am Morgen sagen können; Ich kam, sah und siegte! So lasst uns fröhlich sein!

Dritter Teil.

9. Scene

In der Ferne Zapfenstreich.

FAUST.

Abends in Margaretens Zimmer.

Hab‘ Dank, dämmernder Abend,
O, herzlich grüss‘ ich dich!
Erschliesse endlich mir
Dieses heil’ge Gemach.
Um die Schläfe mir weht’s
Wie holde, süsse Träume.
Gleich lindem Morgenduft
Kühlt es sanft mir die Stirne!
Liebe bist du’s?
Ist’s die ersehnte Liebe? –
Was auch die Seele trübt,
Jede Sorg‘ hier entflieht,
Und heit’re, sel’ge Ruhe
Zieht leise mir ins wogende Herz. –
Anmutig‘ Mädchen, innig Geliebte,
Du mein Leben, mein Heil, mein Engel!
Welches Gefühl durchbebt mich in diesem Augenblick!
Entzücken, ach, zu schau’n,
Wo die Unschuld verweilt.
Reinste Luft, die ich atme! –
Allgüt’ger Gott,
Nach solch‘ bitteren Schmerzen,
Welch‘ reines Glück!

Langsam umherschreitend, betrachtet Faust mit leidenschaftlicher Neugier das Innere des Gemachs.

10. Scene

MEPHISTO herbeieilend.
Horch, sie naht! Der Vorhang hier verberg‘ dich vor ihr!
FAUST.
Gott! Die Freude sprenget mir mein Herz!
MEPHISTO. Den Augenblick nimm wahr – Leb‘ wohl! Sei nicht zu rasch, sonst schreckst du sie! Faust verbirgt sich. So, meine Schar und ich, wollen jetzt euch ein schönes Hochzeitsliedchen singen. Ab.
FAUST.
Fassung, mein armes Herze!

11. Scene

MARGARETE mit einer Lampe. Wie schwül ist hier die Luft! – Mir bangt wie einem Kind! – Seit dem gestrigen Traume bin ich ganz verwandelt. Im Schlafe sah ich ihn, der all mein Sehnen nun. Wie war er schön! Gott, er liebt mich, o Wonne! Und wie lieb‘ ich auch ihn! – Werd‘ jemals ich ihn seh’n in diesem Leben? – O, Torheit!

Sie singt, indem sie sich auskleidet.

Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen gold’nen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert‘ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus,

Und als er kam zu sterben,
Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,
Gönnt‘ Alles seinen Erben,
Den Becher nicht zugleich.

Er sass beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloss am Meer.

Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer.
Die Augen täten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
Goethe.

12. Scene

MEPHISTO vor Margaretens Haus. Der Flackerflammen irre Geister eilt herbei, helfen sollt ihr mir! Eilt herbei, eilt herbei! – Mit eurem falschen Schein, euren tückischen Flammen, kommt, betört dieses Kind, dass es der Sünd‘ verfall‘! In Teufels Nam‘, nun tanzet! Und ihr, streichet fest mir die Weise, der Hölle Fiedler ihr, sonst lösch‘ ich flugs euch aus.

Tanz der Irrlichter.

MEPHISTO die Bewegung eines spielenden Leiermanns machend. Lasst uns jetzt dem unschuldigen Kind ein sittsam Liedchen singen, wir verderben sie sicher so!
Mephisto’s Ständchen mit dem Chor der Irrlichter.

Was machst du mir
Vor Liebchens Tür,
Kath’rinchen, hier
Bei frühem Tagesblicke?
Lass, lass es sein!
Er lässt dich ein,
Als Mädchen ein,
Als Mädchen nicht zurücke.

Nehmt euch in Acht!
Ist es vollbracht,
Dann gute Nacht
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Tut keinem Dieb
Nur nichts zu Lieb‘,
Als mit dem Ring am Finger! (Goethe.)
MEPHISTO. Schweigt, vergeht in Nichts! Die Irrlichter verschwinden. Jetzt Ruhe! Lasst uns lauschen dem Turteltaubenpaar!

13. Scene

MARGARETE. Faust erblickend. O Gott! was seh‘ ich! Ist er es selbst? – Trügt mein Auge mich nicht?
FAUST.
Dein himmlisch Bild,
Du hehrer, lichter Engel,
War Sonne meinem Herzen,
Noch eh‘ ich dich erschaut‘.
Nun endlich nahst du mir:
Und jene neid’sche Wolke,
Die dich mir noch verbarg,
Ist verscheucht von der Liebe.
Margarete, Geliebte!
MARGARETE.
Du kennst meinen Namen?
Den deinen hab‘ oft schon ich genannt:
Faust!
FAUST.
So heiss‘ ich, du Traute!
Doch anders auch,
Wenn dir ein and’rer werter scheinet.
MARGARETE.
Im Traume sah ich dich
So, wie du vor mir stehst.
FAUST.
Im Traume – sahst du mich?
MARGARETE.
Hört‘ auch der Stimme Laut,
Den Klang der süssen Worte.
FAUST.
Liebtest du mich?
MARGARETE.
Ich hofft‘ auf dich –
FAUST.
Margarete, o Göttin!
MARGARETE.
Und in ahnendem Sehnen
Ward ich liebend dein!
FAUST.
Margarete ist mein!
MARGARETE.
Dein edles Bild,
Herrlichster, heiss Geliebter.
FAUST.
Dein himmlisch Bild,
Du hehrer, lichter Engel,
BEIDE.
War Sonne meinem Herzen,
Noch eh‘ ich dich erschaut‘!
Nun endlich nahst du mir:
Und jene neid’sche Wolke,
Die dich mir noch verbarg,
Ist verscheucht von der Liebe,
Sie verschwand vor dem Glanz deines Licht’s.
FAUST.
Margarete, mein Leben,
O stille meines Wunsches Ungestüm,
Der zu dir mich geführt.
MARGARETE.
Welcher Taumel der Wonne
Zieht zu ihm, zieht zu ihm dahin!
Auflodern Liebesgluten,
Zu dir zieht’s mich dahin!
Ein schmachtend Bangen
Füllet meine Seele!
FAUST.
Das höchste Glück, Herz an Herz,
Winkt uns wonnig. Komm, o komm!
MARGARETE.
In dem Aug‘ die Trän‘ –
Alles schwindet – o Gott –
Ich vergehe! ach, Geliebter!

14. Scene

MEPHISTO hastig eintretend.
Fort, Fort! es ist schon spät!
MARGARETE.
Wer ist der Mensch dort?
FAUST.
Ein Schelm!
MEPHISTO.
Nein, ein Freund!
MARGARETE.
Wie sein Blick mir beklemmet das Herz
MEPHISTO.
Verzeihung, wenn ich störe –
FAUST.
Was hat dich hergeführt?
MEPHISTO.
Es gilt dein Lieb zu retten!
Schon hat unser Gesang alle Nachbarn erweckt;
Herbei eilen sie, zeigen mit Fingern aufs Haus.
Margarete verhöhnend, rufen laut sie die Mutter;
Schon naht die Alte sich.
FAUST.
Was tun wir?
MEPHISTO.
Flieh’n wir von hier!
FAUST.
Hölle und Tod!
MEPHISTO.
Könnt euch ja morgen sehn:
Das sei heut‘ euer Trost,
Schmerzen stillender Balsam.
MARGARETE.
Morgen, ja, liebster Freund!
In der Kammer hier neben
Schon hör‘ ich die Mutter.
FAUST.
Dahin die schöne Nacht,
Die kaum uns erst begonnen,
Dahin der Liebe Glück,
Das uns ihr Schutz gewährt!
MEPHISTO.
Fort, fort! schon graut der Tag!
FAUST.
Wann kehrst du wieder mir,
Schnell entflohene Stunde,
Wo mein Herz hehrstes Glück,
Der Liebe Wonnen fand?
CHOR DER NACHBARN.
Holla, Frau Nachbarin,
Schaut doch nach Eurem Gretchen!
Der gute Rat kommt grad‘ zur Zeit,
Hört, ins Haus schlich Euch ein Galan.
Lasst Ihr der Sach‘ den Lauf,
Wird’s Eurer Ehre schaden!
MEPHISTO.
Schon naht die Menge. – Eilen rasch wir von hier!
MARGARETE.
Gott, Gott! Du hörst ihren Spott.
O, du Himmel, ich sterbe, wenn sie dich jetzt hier sehn!
MEPHISTO.
Horch‘, man pocht an die Türe!
FAUST.
Missgeschick!
MEPHISTO.
Welche Torheit!
MARGARETE.
Leb‘ wohl, leb‘ wohl!
Durch jene Tür in den Garten entflieh!
FAUST.
Ach, bis morgen, mein Lieb!
MEPHISTO.
Ganz gewiss, morgen Nacht!
FAUST.
Endlich erkenn‘ ich wieder den Wert dieses Lebens!
Liebe ist’s, sonnig hell,
Ihrem Ruf folg‘ ich gern
Zu dir, wo mein Heil.
Du, o Göttin, erfüllst meine Seele mit Entzücken,
Wonnig gewährst du mir,
Was je ersehnt mein Herz!
MARGARETE.
O, mein Freund, teurer Faust! nimm mein Leben zu eigen!
Liebe füllt mir das Herz mit beglückender Wonne;
Sie erhält mich; dich lassen wär‘ mein Tod.
MEPHISTO.
Jetzt verschlingt Dich die Lust dieses Lebens, stolzer Geist!
Nah‘ ist schon die Stunde, wo für ewig du mein!
Nie Gewährung schafft den Wünschen Ruh:
Der Sinne toll Begehr im Genuss nur sich mehret!
CHOR DER NACHBARN.
Hört, in’s Haus schlich Euch ein Galan!
Lasst Ihr der Sach‘ den Lauf,
Wird’s schaden Eurer Ehre.
Holla! Frau Nachbarin!
Seht doch nach Eurem Gretchen!
Holla, ha, ha, ha!

Vierter Teil.

15. Scene

MARGARETE allein in ihrem Zimmer.
Der Liebe heisse Flamme
Verzehret meinen Leib,
Und der Friede der Seele
Für ewig starb dahin.

Seine Flucht, sein Entfernen
Wecken mir bitt’re Schmerzen,
Und ohne seine Nähe
Weint um mich her die Welt.

Verwirrt sind meine Sinne,
Die Gedanken verstört,
Mein Herz in bangem Zagen
Wird so kalt, ach, wie Eis.

Sein Schreiten, wie so edel,
Wie herrlich die Gestalt;
So süss war des Mundes Lächeln,
So sanft seiner Augen Glanz.

Es klang so hold die Stimme,
Wenn sein Arm mich umschlang,
Ich empfand seiner Hand zartes Schmeicheln
Und ach! ach! seinen Kuss!

Der Liebe heisse Flamme
Verzehret meinen Leib,
Und der Friede der Seele
Für ewig starb dahin!

Ich eile zu dem Fenster,
Vor die Türe, Tag um Tag,
Um endlich ihn zu sehen,
Ob er wieder zu mir kehret.

Mein Herz schlägt ihm entgegen,
Sobald es ahnet, dass er sich nahet.
O, führte meine Liebe
Ihn wieder mir zurück!

Wonneglühend‘ Entzücken!
O dürfte nur einmal noch
Ich mich berauschen an seinem Kuss
Und dann vor Lust vergeh’n!

In der Ferne Trommeln und Trompeten, zur Ruhe blasend. Chor der Soldaten und Studenten.

CHOR DER SOLDATEN.
Beim Klang der Trompeten
Der Tapf’re zieht aus,
Zum fröhlichen Fest
Wie zum grimmigen Strauss.
Wenn schwer auch das Mühen,
Doch herrlich der Lohn.
CHOR DER STUDENTEN.
Jam nox stellata velamina pandit. Per urbem quaerentes puellas eamus.
MARGARETE. Der Tag neigt seinem Ende, und die Stadt geht zur Ruhe. – Dem abendlichen Ruf der Trommeln und Trompeten vermischt sich froher Sang. So auch war’s jene Nacht, wo zuerst ihn ich sah! – Doch er kommt nicht – kehrt nicht zurück! – Weh mir! – o Tod! –

16. Scene

Wald und Höhlen. Beschwörung der Natur.

FAUST allein.
Natur, du mächt’ge, ew’go und allgewaltige,
Die einzig du gewährest Rast meinem steten Schmerz,
Lieg‘ ich dir an der Brust, fühl‘ mein Elend ich minder,
Neu erfasst mich das Leben, kräftigen Wollens Macht. –
Ja, wild heule Orkan, und kracht, ihr Riesenwälder!
Stürz‘ ein, du starrer Fels! Du Strom, lass deine Wogen brausen!
Freudig eint sich mein Ruf eures Tosens Gewalt!
O Wald, o Fels, o Strom, euch bet‘ ich staunend an!
Funkelndes Sternenheer, empor zu dir schwingt sich mein Wunsch;
Das bange Sehnen einer Seele, die lechzet nach dem Glück, das sie floh.

17. Scene

Recitativ und Jagd.

MEPHISTO zu Faust auf den Felsen steigend. An dem blauen Himmel schautest du wohl gar der treuen Liebe Stern? Es könnt‘ sein, Einfluss, Freundchen, grad‘ jetzt uns wohl nützen! Denn du träumst ruhig hier und dort das arme Kind, Margarete –
FAUST. O, schweig!
MEPHISTO. Natürlich sollt‘ ich schweigen: Du liebst nicht mehr! Und doch – geschleppt zum dumpfen Kerker, und als Mörd’rin der Mutter zum Tode verurteilt –
FAUST. Wie!
MEPHISTO. Die Hörner der Jäger erschallen im Wald.
FAUST. Vollende! Hört‘ ich recht? – Margarete in Haft!
MEPHISTO. Ein bräunliches Getränke, ein ganz unschuld’ges Gift, das sie von dir erhielt, die Mutter einzuschläfern, wenn Nachts euch die Liebe berauscht‘, ist am Unglücke schuld! Süsse Freuden ersehnend, jede Nacht dich erwartend, gab sie es ihr stets. Einmal reicht‘ sie zu viel und den Tod gab’s der Alten. Nun, verstehst du wohl jetzt?
FAUST. Himmel und Hölle!
MEPHISTO. Und dahin hat die Liebe für dich sie gebracht!
FAUST. Rette sie! Eile, hilf ihr, Verworf’ner!
MEPHISTO. Ha! bin ich jetzt der Schuld’ge? Wie feige und erbärmlich die Menschen doch sind! – Was liegt d’ran! – Wohl hab‘ ich Macht genug, diesen Kerker zu öffnen. – Doch, was empfing ich schon von Dir für diesen Dienst?
FAUST. Was forderst du?
MEPHISTO. Von dir? – Nur ein paar kurze Worte hier auf dies Pergament. Ich rette Margarete sofort, wenn du schwörst und den Pakt du unterschreibst, dass morgen du mir dienst.
FAUST. Was kümmert mich das Morgen, wenn heute ich leide. Nimm hin! Er unterzeichnet. Die Unterschrift! – Ohne Zögern nun eilen wir zum Kerker sogleich. – O unsagbares Wehe! – Margarete zu dir!
MEPHISTO. Zu mir, Vortex, Giaour! Steigt auf dieses Pferd, schnell fliegt es wie der Blitz. Und nun, fort, im Galopp, denn das Blutgericht säumt nicht!

18. Scene

Die Höllenfahrt.

Faust und Mephisto auf schwarzen Rossen dahinbrausend.

FAUST. Schmerzlich tönt mir ins Herz der Armen wehvoll Klagen! – O schmählich Verlass’ne!
CHOR VON LANDLEUTEN vor einem Kreuze auf dem Felde knieend.
Sancta Maria, ora pro nobis!
Sancta Magdalena, ora pro nobis!
FAUST. O störe nicht die Kinder und Frauen, die betend knien vor dem Kreuz!
MEPHISTO.
Was geht’s uns an? Fort, vorbei!
CHOR.
Sancta Margarita – ah!

Frauen und Kinder stürzen entsetzt davon.

FAUST.
Gott, ein grauenvoll Gespenst folget heulend uns nach!
MEPHISTO.
Du träumest!
FAUST. Was will dort der nächt’gen Vögel Schwarm? – Hörst du den Schrei? Ihre Schwingen mich peitschen!
MEPHISTO. sein Ross bändigend. Die Todtenglocke hör‘ ich schon erklingen für sie Hast du Furcht? Kehr’n wir um! Sie halten an.
FAUST. Vorwärts, nur fort, zu ihr! Die Rosse stürmen rascher dahin.
MEPHISTO. sein Ross antreibend. Hop! Hop! Hop!
FAUST. Schau, dort rings um uns her ein unendlich Gedränge, tanzend Totengebein mit grässlich hohlem Grinsen schlüpfet nickend vorbei!
MEPHISTO. Hop! Jetzt gilt es, sie zu retten. Lach‘ des Geisterspuck’s! Hop! Hop!
FAUST in wachsendem Grauen, atemlos. Die Rosse sie schaudern, sie sträuben die Mähnen, zerreissen den Zaum! Ich fühle, o Graus, erbeben die Erde, und furchtbarer Donner rollt wild in der Tiefe!
MEPHISTO. Hop! Hop!
FAUST. Es regnet Blut! – –
MEPHISTO mit donnernder Stimme. Der Hölle mächt’ge Scharen, lasst dröhnend eure Siegestrompeten schallen; denn er ist mein!

Sie stürzen in einen Abgrund.

FAUST. Entsetzlich! Ha!
MEPHISTO. Sieger bin ich!

19. Scene

Pandämonium

CHOR DER VERDAMMTEN UND HÖLLENGEISTER.
Ha! Siegend der Gewaltige naht!
Ha! Greif‘! Fass‘! Würg‘! –
DIE FÜRSTEN DER FINSTERNIS. Diese trotzige Seele, ist sie jetzt dir auf immer verfallen, o sprich?
MEPHISTO. Ja, ihr Meister bin ich!
DIE FÜRSTEN. Unterschrieb ohne Zwang Faust den furchtbaren Pakt, der ihn ewig verdammet?
MEPHISTO. Er ward mein ohne Zwang.
CHOR.

Orgie der Dämonen.

Sieg, Sieg!
Beuget euch dem Meister, der des Bösen Macht bewährte!
Stolze Seele, hör‘ es: Deine Pein ist Lust uns!
Wir sind verdammt zu rächen jede Schuld, hassen, was da lebt!
Sied‘, sprüh‘ und zische, Glutmeer, flamme auf und spei‘ aus
Giftesqualm zur Qual der uns Verfall’nen!
Jede Schuld zu rächen wir verdammt bis zum Tag, wenn der Mächt’ge erscheint
Und Vernichtung uns’res Schmerzensreich’s gebeut‘!
Und auch uns schleudert dann in das Nichts! Ha!

Sie tanzen um ihn her.

Glutmeer, flamme auf,
Sprühe und zische!
Heule, Sturmwind!
Brod’le, qualmende Lache!
Tanzet, Dämonen,
Beugt euch den Fürsten:
Belzebub, Belphegor,
Astaroth, Mephisto!
Triumph dem Reiche der Nacht!
Triumph, rufet laut,
Triumph uns’rer Macht!
Hört, der Siegruf
Donnernd die Höll durchtönt:
Triumph!

Epilog auf der Erde.

EINE STIMME. Der Hölle Mund verstummt. Das furchtbare Gezisch aus ihren Flammenmeeren, der Teufel wild Geheul, der Schmerzensschrei der Seelen dringt nicht hinauf zur Erde. – Tief in des Abgrund’s Schlund hat ein grausig Geschick sich erfüllt!
KLEINER CHOR.
Wehe, weh!

Epilog im Himmel.

SERAPHIM. anbetend vor dem Herrn.
Lob, Preis, sei Gott in der Höhe! –
Der Büssenden verzeih, o Herr!
EINE STIMME VON OBEN.
Margarete! – – –

Margaretens Verklärung.

CHOR DER HIMMLISCHEN GEISTER.
Steig‘ auf zu Gott, kindliche Seele,
Die aus Liebe fehlend litt.
Komm, nimm den Schmuck einst’ger Schönheit nun wieder.
Die durch Gram leidend getrübt.
Komm, die göttlichen Jungfrau’n,
Die Schwestern, tröstende Engel,
Trocknen die Zähren dir,
Welche irdisches Weh‘ deinem Auge erpresst.
Sei stark in deinem Hoffen,
Strebe freudig zum ewigen Heil!
Komm, Margarete! Komm, komm!