Kodály, Zoltán * 16. Dez. 1882 in Kecskemét † 6. März 1967 in Budapest Komponist, Volksmusikforscher und Musikpädagoge
Leben und Werke
- Notre Dame de Paris, Schauspielmusik (Febr. 1902 Budapest)
- Le Cid, Schauspielmusik (Febr. 1903 Budapest)
- A nagybácsi (Der Onkel), Schauspielmusik (Febr. 1904 Budapest)
- Pacsirtaszó (Lerchenlied; Zsigmond Móricz), Schauspielmusik (14. Sept. 1917 Budapest)
- Háry János - (János Háry) Seine Abenteuer von Groß-Abony bis zur Wiener Hofburg (Béla Paulini/Zsoltán Harsányi nach dem Epos Der Veteran von János Garay), Singspiel in vier Abenteuern mit Vorspiel und Nachspiel op. 15 (1. Fassung in 5 Abenteuern: 16. 10. 1926 Budapest, Ungarische Staatsoper; 2. Fassung: 10. Jan. 1928 Budapest; 3. Fassung: 16. Dez. 1953 Budapest; Deutsche EA: 26. Sept. 1931 Köln) DETAILS Personen
Háry János - Bariton
Örzse, seine Verlobte - Mezzosopran
Die Kaiserin - Sopran
Napoleon - Bariton
Marie-Luise, seine Gattin - Mezzosopran
Marci, Kutscher bei Marie-Luise - Baß
Ritter von Ebelasztin - Tenor
Sprechrollen:
Kaiser Franz; General Kruzifix; General Dufla; Gräfin Melusina; Baronin Estrella; Ungarische Schildwache; Russische Schildwache; Das Mütterchen; Erster, Zweiter und Dritter Husar; Erster und Zweiter Artellerist; Lakai; Die Wache; Hofmeister; Der Dorfschulz; Der Student; Der Wirt; Erster und Zweiter Bauer
Chor:
Ruthenische Mädchen; Ungarische und französische Soldaten; Hofdamen und Kammerfrauen am Wiener Hof; Kleine Herzöge und Prinzen; Ungarische Bauern
Ort und Zeit
Nagyabony (ungarisches Dorf), russisch-ungarische Grenze, Garten der Hofburg in Wien, ein Schlachtfeld vor Mailand, Zimmer in der Wiener Hofburg; zur Zeit der napoleonischen Kriege
Orchester
3 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Ventilkornette, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Zimbal, Klavier, Celesta, Streicher
Gliederung
Singspiel (31 Musiknummern) mit gesprochenen Dialogen
Dauer
ca. 2 1/2 Stunden
Verlag
Universal Edition, Wien
Bild-/Tondokumente
1958 János Ferencsik; Chor und Orchester der Ungarischen Staatsoper Budapest
Örzse: Magda Tiszay
Marie Louise: Judith Sándor
Ebelasztin: Endre Rösler
Háry János: Imré Pallo
Marci bácsi, der alte Kutscher: Oszkar Maleczky
Napoleon: György Melis
Erzähler: ?
Qualiton HLPX 1023-5 (3 LP)
1968 István Kertész; Wandsworth School Children Chorus, Edinburgh & Brighton Festival Choruses, London Symphony Orchestra
Örzse: Erzsébet Komlóssy
Marie Louise: Olga Szönyi
Ebelasztin: Zsolt Bende
Háry János: György Melis
Marci bácsi, der alte Kutscher: Lászlo Palócz
Napoleon: György Melis
Erzähler: Peter Ustinov
Decca SET 399-400 (2 LP); Decca 443 488 (2 CD)
1981 János Ferencsik; Kinderchor des Ungarischen Rundfunks, Chor und Orchester der Ungarischen Staatsoper Budapest
Örzse: Klára Takács
Marie Louise: Katalin Mezöly
Ebelasztin: Sándor Palczó
Háry János: Sándor Sólyom-Nagy
Marci bácsi, der alte Kutscher: Jozsef Gregor
Napoleon: Balŕsz Póka
Erzähler: ?-
Hungaroton SLPX 12187-9 (3 LP); Hungaroton HCD 12837-8 (2 CD) - Székely fonó (Die Spinnstube; Zoltán Kodály nach Volksliedtexten), lyrisches Spiel [ungarisches Lebensbild aus Siebenbürgen] 1 Akt (24. April 1932 Budapest, Opernhaus)DETAILSPersonen
Hausfrau - Dramatischer Alt
Ihr Freier - Charakterbariton, auch Lyrischer Bariton
Nachbarin - Spielalt
Junger Bursche - Lyrischer Tenor
Junges Mädchen - Lyrischer Sopran
Ein Vermummter in der Maske eines Flohs - Charakterbariton, auch Charakterbaß
Kleine Rollen:
Zwei Gendarmen - Stumm
Eine alte Frau - Stumm
Ein kleines Mädchen - Stumm
Gendarmen, Alte Frau und Kleines Mädchen. Mädchen und Burschen des Dorfes (Volkschöre) (Große Aufgaben)
Ort und Zeit
Ort: Spinnstube in einem Széklerdort in Siebenbürgen; etwa 1935
Ballett
Mädchen und Burschen des Dorfes (Volkstänze) (Mittlere Aufgaben)
Orchester
2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3Posaunen, Pauken, Schlagzeug, Streicher
Handlung
In einem Székler-Dorfhaus sitzen die Hausfrau und ihr Freier dumpf brütendmit gesenkten Häuptern. Ursache ihres Trübsinnes ist der bevorstehende Abschieddes Freiers. Ihm ist die Polizei wegen eines Vergebens auf der Spur, und erbeschließt, in einem fremden Land Unterschlupf zu suchen. Warnend stürzt einkleines Mädchen herein - die Gendarmen werden gleich kommen. Verzweifelt nehmendie beiden Liebenden voneinander Abschied. Kaum ist der Freier aus dem Fenstergesprungen, erscheinen auch schon die Gendarmen in der Tür. Ihr erster Blickgilt der Hausfrau, dann suchen sie bedächtig den Raum ab. Unverrichteterdingemussen sie wieder abziehen. An diesem Abend kommen die Mädchen des Dorfes zu derHausfrau, um bei ihr an dem langen Winterabend Flachs zu spinnen. Nur dieHausfrau sitzt teilnahmslos beiseite. Erst als das kleine Mädchenfreudestrahlend mitteilt, daß der Freier in Sicherheit ist, mischt sie sichüberglücklich unter die übermütigen Mädchen. Man beginnt mit einemvolkstümlichen Spiel, dem Hennenspiel - ein heftiges Pochen unterbricht dasfröhliche Treiben: mit einem Spottlied auf die Mädchen erscheinen draußen dieBurschen, die sich den Eintritt in die Spinnstube erst erzwingen müssen. Neueausgelassene Spiele heben an. Das Spiel von der Jungfrau Liese und dem JunkerHans wird aufgeführt; und mit tollen Sprüngen versucht ein als Floh verkleideterBauernbursche, der wegen seines üblen Leumunds mit Mißtrauen und Widerwillenempfangen wird, das Spiel zu stören. Da wird plötzlich der an beiden Armengefesselte Freier von den Gendarmen hereingeführt. AllgemeineYerwirrung! Weilder Freier hartnäckig seine Unschuld beteuert, soll ein altes Weib denwirklichen Täter, unter den Anwesenden herausfinden. Mit strengen Blick mustertsie die jungen Männer und erkennt in dem Floh den wahren Schuldigen. Voller Zornwill sich der Freier auf den Übeltäter stürzen. Doch die Gendarmen geben denunschuldig Festgenommenen noch nicht frei, sondern führen beide jungen Männerunter dem Geleit der empörten Jugend ab. Inzwischen muß aber auch die Polizeieinsehen, daß sie den Falschen erwischt hatte. Der Freier eilt zu seinerLiebsten zurück; und in die Freude der glücklich wieder Vereinten mischt sichder Jubel des ganzen Dorfes.
Rezeption
Der Hintergrund. "Ungarisches Lebensbild aus Siebenbürgen" nenntKodály bescheiden sein volkstümliches Liederspiel. Die jungen Leute einesungarischen Dorfes sind zur Spinnstube zusammengekommen und singen Lieder, diemimisch gedeutet werden. Im Mittelpunkt stehen das "Hennenspiel" und "JunkerHans und Jungfer Liese", musikalisch-pantomirnische Darstellungen des Einkaufensauf dem Markt und der Verzauberung eines Bräutigams, den sein Mädchen dannerlöst. Um diesem Nebeneinander von zwei durch eine verwandte Stimmung nur loseverbundenen, in ihren mythologischen Wurzeln freilich zusammengeahnten Spielenein theatralisches Rückgrat zu geben, hat Kodály einen kleinen Kriminalfallhinzugefügt. Leiden und glückliches Wiederfinden zweier Liebender sind die realeHandlung des Stücks, als dessen wahrer Held das ungarische Volk mit seinenLiedern und Tänzen anzusehen ist.
Der Text von Kodálys Hand geht auf altes Volksgut zurick und istdenkbar schlicht empfunden und geformt. Die Kriminalgeschichte dient ihm nur alsunumgänglicher dramaturgischer Halt für ein herzhaftes Bild ungarischenBauernlebens mit seinen Sitten und Gebräuchen. Der Begriff eines"Operneinakters" ist an musikdramatische Vorstellungen gebunden, die hier nichterreicht, aber auch nicht angestrebt werden.
Die Musik. Man sieht und hört den Ungarn bei der bunten Folge derszenisch dargestellten 21 heiteren und auch melancholischen Volkslieder insHerz. Die Musik ist erfüllt von der Melodik und der Rhythmik des ungarischenVolksliedes und -tanzes. Bei solchem Vorwand besteht das Kernstück derKomposition in einer geist- und liebevollen Übermittlertätigkeit, für die (nebenBéla Bártok) niemand eine solcheBeherrschung und Sachkenntnis mitbringt wie Kodály, der damals gerade seineSammlung von Volksliedern und Balladen unter dem Titel "Ungarische Volksmusik"beschloß. "Um die Stimme des Volkes zum Ertönen zu bringen, mußten wir sie erstselbst erkennen", äußerte er im Zusammenhang mit seinem Liederspiel. "Wir mußtendort einsetzen, wo Ferenc Erkel aufhörte. So entstand die Spinnstube, ein wahrhaft kollektives Werk, wobei derTonsetzer bloß ein Mitverfasser ist, eine Art Homer..." Derart fußen die dreiwesentlichen Musikszenen, die Abschiedsszene, das Balladenspiel und dieVereinigung der Liebenden, sämtlich auf frohen und traurigen Székler Weisen. Daßaus der kunstvollen Verknüpfung volkstümlicher Chor- und Tanzszenen, mitsturnmem Spiel statt des hier fremden Rezitativs, mit dem blutvoll und zugleichherzinnigen Ausklang keine dramatisierteVolksballade, sondern ein echtesungarisches Lebensbild entstand, ist Kodály zu danken. Zu den vielen schönenSeiten der Partitur gehört ihre feinsinnige, schillernde orchestrale Ausprägung.
Werkgeschichte. Schon 1924 trug sich Kodály mit dem Gedanken eineskleinen ungarischen Liederspiels. Unter dem Titel "Székely fonó" schrieb er einekleine Szene, die am Budapester Blaha-Theater mehr als dreißigmal gespieltwurde. 1931 kam er darauf zurück und schuf die endgültige Gestalt. In dieserForm errang das Werk am 24. April 1931 am Budapester Opernhaus unter SergioFailonis, mit Maria Basilides als Hausfrau, einen schönen, aber keineswegseinmütigen Erfolg. Der Meister erwiderte auf kritische Einwände, daß es sichdoch gar nicht um einen "Opernversuch" handele... Zu den Ländern, die bald aufdie "Spinnstube" aufmerksam wurden, gehörte Deutschland: die Erstaufführung inder Übersetzung Bence Szabolcsis war 1938 in Braunschweig. Nach dem Krieg wurdedas Werk u. a. 1958 in Berlin (Deutsche Staatsoper) und 1964 in Leipzigdargeboten.
Gliederung
Nur ein Bühnenbild. Orchestervorspiel. Durchkomponiert (Musikszenen)
Dauer
1 Stunde 10 Min.
Verlag
Universal Edition, Wien
Bemerkungen. Keine Oper, sondern ein Liederspiel! Vom Zuschauer wirddemnach verlangt, daß er sich, im Theater sitzend, dem Theater wieder entzieht,daß er diese Spinnstube nicht als für ihn dargestellt empfindet, sondern an ihrunmittelbar und ohne Umdeutung teilnimmt. Das bedarf keiner aufwendigenFolklore. Der deutsche Titel lautet "Die Spinnstube" oder noch besser einfach"Spinnstube". - Czinka Panna (Béla Balázs), Singspiel 3 Akte (15. März 1948 Budapest)