Blücher.

1.

Als Blücher auf dem Feld der Schlacht
Gewaltig disputiret,
Wo Gott der Herr mit seiner Macht
Ihm selber präsidiret;
Hat England ihn dafür
Nach Recht und nach Gebühr
Gemacht zum Doctor juris.

Doctor von ächtem Ritterrang,
Das Schwert ist deine Feder,
Die Streitsach ist ein Waffengang,
Das Schlachtfeld der Katheder;
Da trittst du mit Gewicht
Dem Feind vor's Angesicht,
Als rechter Doctor juris.

Fahr nur in dem Prozesse fort,
Den du mit ihm begonnen,
Führ mit Kanonenschall dein Wort,
Bis daß du hast gewonnen.
Lehr unser deutsches Recht
Dem Franzmann im Gefecht,
Held Blücher, Doctor juris!

2.

Als Blücher der Held und Wellington
Als Sieger zusammen traten,
Die beiden, die sich lange schon
Gekannt aus ihren Thaten;
Da sprach zu Wellington Blücher bald:
Du Held, so jung von Jahren,
An Klugheit und Bedacht so alt,
Wie ich mit grauen Haaren!

Da sprach zu Blücher Wellington:
Du Held von starker Tugend,
Von Locken so gealtert schon,
Das Herz so frisch von Jugend!
Da stand der Jüngling und der Greis,
Sie gaben sich die Hände,
Und fragten, ob auf dem Erdenkreis
Noch so ein Paar sich fände.

3.

Als von Frankreich Blücher der Held
Nach England überfuhr,
Ward er geehrt wie auf der Welt
Man ehrt in England nur.

Als nah das Schiff der Küste war,
Das Deutschlands Helden trug,
Jauchzt' ihm vom Strand der Britten Schaar
Entgegen laut genug.

Ein Kerl, stark wie ein Felsenriff,
Springt in die See vom Strand,
Und watet durch bis an das Schiff,
Hält's an mit seiner Hand.

Er langt hinein mit einem Griff,
Eh er sich's recht besehn,
Und zieht hervor aus Blücher's Schiff
Mit beiden Armen wen?

Der da zuvorderst steht im Schiff,
Das muß der Blücher sein;
Drum nach dem vordersten er griff;
Das muß der Blücher sein!

Er setzt ihn auf, durch's Meer ihn trägt;
Da von den Schultern spricht,
Der drauf sitzt und die Ehr' erwägt:
Ich bin der Blücher nicht.

»Und wenn du nicht der Blücher bist,
So mußt du in die Fluth.«
Wenn der ein guter Schwimmer ist,
So ist es für ihn gut.

Der Kerl noch einmal hin an's Schiff,
Und greift noch einmal drein,
Doch jetzt er nach dem größten griff:
Das muß der Blücher sein!

Die Lieb ist blind, die sich vergriff;
Seht! der ist Blücher, der!
Der größt' und vorderst nicht im Schiff,
Und doch der Blücher er!

Nun setzt ihn nur auf Schultern hoch,
Tragt ihn vor allen her!
So ist er nun der größte doch,
Der vorderste doch er.

4.

Als Blücher durch die Straßen
Londons im Wagen fuhr,
Drängte sich ohne Maßen
Das Volk auf seine Spur.

Sie wollten all ihn grüßen;
Da hielt er aus dem Schlag,
Weil man sie wollte küssen,
Die Hand den ganzen Tag.

Sie küßten auf und nieder,
Wo jeder kam dazu,
Die Hand durch alle Glieder,
Die Hand und ihren Schuh.

Da sprach der alte Streiter
Still zu sich mit Verstand:
Wenn das so fortgeht weiter,
So komm' ich um die Hand.

Man wird sie ab mir küssen;
Und ja nicht weiß ich doch,
Ob ich sie werde müssen
Nicht brauchen irgend noch.

Drauf eine Hand von Leder
Setzt' er an jener Statt:
Da küsse nun sich jeder
Nach Lust am Leder satt.

Sie sahn am Wagen baumeln
Die Hand, die schlapp genug;
Sie küßten sie mit Taumeln,
Und merkten nicht den Trug.

Auffiel ihr welk Geschlotter
Doch einem von der Schaar,
Der von Pudding und Potter
Genährt am besten war.

Goddam! sprach er verwegen:
Wie konnte diese Hand
Nur führen jenen Degen,
Der Frankreich überwand?

5.

Da kamen, von dem Namen
Des deutschen Feldmarschalls
Gelockt, die britt'schen Damen
Herbei nun ebenfalls.

Begehrten von den Haaren
Des alten Feldmarschalls,
Als Schmuck sie zu bewahren
Am Busen, um den Hals.

Da zog er ohne Stocken
Den Hut vom Haupte fein,
Und zeigte, daß die Locken
Ihm ausgegangen sei'n.

Verzeihung, schöne Damen,
Daß ich mit solchem Flor
Nicht dienen kann, es kamen
Euch andre schon zuvor;

Die mir die Locken nahmen,
Und stritten drum zumal;
Die Jahre, schöne Damen,
Sind's, die mich machten kahl.

Die kriegerischen Jahre,
Sie nahmen alles schier,
Und diesen Rest nur spare
Ich noch für Deutschland hier:

Daß, wenn mir altem Tropfe
Wird dort mein Lorbeerkranz
Er auf dem kahlen Kopfe
Sei ohne Halt nicht ganz.

6.

Der König Wilhelm Friederich
Sprach sanft zu seinem Helden:
Ihr spielt, und zwar nicht niederig,
Wie ich mir höre melden.

Ich bitt' euch, lieber alter Held,
Des bösen Beispiels wegen,
Stellt ein das Spiel um hohes Geld.
Da sprach der alte Degen:

Ich habe niedrig nie gespielt,
Seit ich das Spiel begonnen;
Und wo dem Feind die Bank ich hielt,
Da habt ihr stets gewonnen.

So laßt, Herr König, also mich
Fortspielen, weil ich lebe.
Doch will ich nicht dadurch, daß ich
Ein böses Beispiel gebe.

Nicht viel verlieren darf, wer noch
Gewonnen keine Schlachten;
Wer sie gewinnt, spielt nie zu hoch,
Das mögen sie beachten.

Und sollt' ich auch mein Fürstenthum
Im hohen Spiel verlieren,
Verlier' ich nie doch meinen Ruhm,
Noch meiner Preußen ihren.

7.

»Bei Gott, ich muß mich zum Empfang
Des alten Helden schicken,
Den ich verfolgt hab' oft und lang
Von hier mit meinen Blicken.

»Ich hab' gesehn in mancher Schlacht
Wohl seine Blitzesschnelle,
Und jetzund, eh ich es gedacht,
Ist er auch hier zur Stelle.

»Weit drüben, dacht' ich, sei er noch,
Dazwischen weite Klüfte,
Er aber ist hin drüber hoch
Gesprungen durch die Lüfte.

»Alsob im Dampf er vor sich hab'
Den Graben einer Schanze,
Ist er gesprungen über's Grab,
Und ist schon nah im Glanze.«

Im Himmel sprach's der alte Fritz,
Und hob des Blüchers wegen
Sich von dem hohen Heldensitz,
Und ging ihm stracks entgegen.

Der Blücher kam ihm doch zuvor,
Eintrat er gleich dem Blitze,
Und senkte, schreitend durch das Thor,
Vor ihm des Degens Spitze.

Vorbei schritt er dem alten Fritz,
Und trat, ohn umzuschauen,
Hin, wo er sah auf ihrem Sitz
Die Königin der Frauen.

Da bracht' er seinen ersten Gruß
Der preußischen Luise,
Und beugte vor ihr seinen Fuß,
Daß er ihr Ehr' erwiese.

Worauf er den Bericht ihr gab
Von Grüßen. die ihr Gatte,
Sein König, für sie über's Grab
Ihm anbefohlen hatte.

Sie dankt ihm mit Holdseligkeit;
Und so, nach abgethanen
Geschäften, trat er dienstbereit
Zu seines Königs Ahnen.

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