Giuseppe Verdi

Ein Maskenball

Oper in fünf Aufzügen

Personen

Richard, Graf von Warwich, Gouverneur von Boston (Tenor)

René, ein Kreole, Offizier (Bariton)

Amelia, Renés Gattin (Sopran)

Ulrika, eine Wahrsagerin (Mezzosopran)

Oskar, Page (Sopran)

Silvan, ein Matrose (Bariton)

Samuel (Bariton),
Tom (Baß), Offiziere, Verschworene

Der Oberrichter (Baß)

Ein Diener Renés (Bariton)

Ein Diener Amelias (Bariton)

Hofleute. Gesandte. Generale. Abgeordnete. Offiziere. Künstler. Gelehrte. Verschworene. Pagen. Lakaien. Masken. Tänzer. Tänzerinnen. Soldaten. Bürger. Bauern. Matrosen. Schiffer. Volk

Ort der Handlung: Boston und dessen Umgegend.

Im ersten Aufzug: Bogensaal im Palais des Gouverneurs Richard zu Boston. Im zweiten Aufzug: Der ärmliche Wohnraum der Wahrsagerin Ulrika am Hafen in Boston. Im dritten Aufzug: Öde schauerliche Felsenschneelandschaft am Hochgericht mit Aussicht über das Meer hinweg auf das weit entfernte Boston. Im vierten Aufzug: Renés Arbeitszimmer in Boston. Im fünften Aufzug: Kurzes Kabinett des Grafen Richard. Dann der große, glänzend erleuchtete Ballsaal im Gouvernementsgebäude zu Boston.

Zeit: Ende des 17. Jahrhunderts.

Rechts und links vom Darsteller.

Nr. 1. Präludium.

Drei Minuten.

Der Vorhang hebt sich im vorletzten Takte.

Erster Aufzug.

Nr. 2. Chor.

Bogensaal im Palais des Gouverneurs Richard zu Boston nach vorstehendem Dekorationsplan.

In der Mitte drei Eingänge. Rechts eine Thür, die zu den Gemächern des Gouverneurs führt. Links eine Thür und ein Balkonfenster. Zur Rechten ein großer Tisch mit Schriften, Karten, Plänen bedeckt; Armstühle dahinter und zur Seite. Kleinere Tischchen und Armstühle links und im Hintergrunde. Ein kleiner Kronleuchter an der Decke.

Es ist früh am Morgen und Empfangzeit.

Rechts und links vom Darsteller.

Erster Auftritt.

Samuel. Tom. Gesandte. Generale. Hofherren. Offiziere. Soldaten. Künstler. Gelehrte. Verschworene. Abgeordnete des Bürger- und Bauernstandes. Lakaien.

Alle in Erwartung des Gouverneurs

ALLE ohne die Verschworenen.
Schlummre ruhig; es möge der Morgen
Neuen Mut, neue Kraft dir verleihn;
Für dein Walten und all deine Sorgen
Wird das Land seine Liebe dir weihn!
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN für sich.
Unsre Rache, sie folgt deinen Schritten,
Täglich soll unser Haß sich erneun!
ALLE ohne die Verschworenen.
Schlummre ruhig!
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN.
Was durch dich unsre Freunde erlitten,
Nein, wir dürfen es nimmer verzeihn! Nein, nein!
SAMUEL UND TOM für sich.
Nimmer werden wir dir es verzeihen!
Nein, nimmer werden wir's verzeihen!
Was durch dich, ja, was durch dich unsre Freunde gelitten,
Nein, wir werden dir es nimmer verzeihn!
DIE VERSCHWORENEN für sich.
Was durch dich unsre Freunde gelitten,
Nein, wir werden es nimmer verzeihn! Nein, nein!
ALLE ohne die Verschworenen.
Schlummre ruhig; es möge der Morgen
Neuen Mut, neue Kraft dir verleihn;
Für dein Walten und all deine Sorgen
Wird das Land seine Liebe dir weihn!

Page Oskar kommt aus dem Zimmer rechts, dem Gouverneur vorantretend.

Gouverneur Graf Richard von Warwich folgt in Uniform von rechts.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Richard rechts. Oskar hinter ihm.

Nr. 3. Scene.

OSKAR.
Der Gouverneur!

Allgemeine tiefe Verbeugung.

RICHARD geht auf die Gesandten, Generale und Offiziere rechts zu, denen er die Hand reicht; dann wendet er sich nach links, freundlich zu den Abgeordneten des Bürger- und Bauernstandes, kalt und vornehm zu Samuel und Tom, im Gegensatz zu seinem freundlichen Benehmen gegen die übrigen.
O meine Freunde, Soldaten!

Zu den Abgeordneten.

Und ihr, die mir so lieb und wert!
Laßt sehen!

Die Bürger und Bauern umringen ihn und überreichen ihm Bittschriften.

Richard nimmt die Bittschriften entgegen, die er Oskar übergiebt.

Oskar legt sie auf den Tisch rechts.

RICHARD gütig.
Ich harre eurer Bitten.
Zu wachen über euch bin ich hier,
Gerechte Wünsche werd‘ ich gerne erfüllen.

Oskar sammelt während des Folgenden die etwa noch nicht durch den Gouverneur abgenommenen Bittschriften und legt sie auf den Tisch rechts.

RICHARD.
Tadel verdient die Macht,
Wenn sie die Thränen der Flehenden nicht rühren.
Ruhm soll es mir sein, zum Glück euch zu führen!
OSKAR nimmt vom Tisch rechts eine Liste.
Leset hier die Gäste, die zum Ball ich geladen.
RICHARD.
Du hast doch wohl keine Schönheit hier vergessen?
OSKAR überreicht ihm die Liste.
Da stehn die Namen!
RICHARD für sich.
Amelia! Auch sie ist hier! Ha, auch sie!
O welch‘ Entzücken!
Die Ersehnte soll ich heut‘ erblicken!
Ha, welche hohe Wonne
Wird mir dies Fest gewähren!
Sie schaun werd‘ ich und hören
Der lang entbehrten Stimme süßen Ton!
Leuchtet, ihr goldnen Sterne,
Mir bald aus blauer Ferne, ach!
Daß ich, mir nah‘, sie sehe,
Sie, meiner Sehnsucht einz'ger Lohn!
ALLE außer Richard und den Verschworenen.
Der Großmut Hochgefühle
Erfüllen seine Seele,
Zum einz'gen Lebensziele
Wird ihm des Landes Glück.
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN für sich.
Wir bleiben fest in unserm Bunde,
Doch nicht heut‘ kann der Plan gelingen,
Nicht günstig ist die Stunde,
Drum ziehn wir uns zurück!
RICHARD beglückt, für sich.
Ach! – Sie
Schaun werd‘ ich und hören
Der lang entbehrten Stimme süßen Ton,
Der holden Stimme Ton,
Der holden Stimme lang entbehrten Ton!
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN für sich.
Nichts würd‘ uns heut‘ gelingen,
Drum ziehn wir uns zurück,
Ja, ja, wir ziehn uns zurück,
Nicht günstig ist die Zeit,
Drum ziehn wir uns zurück!
Wir ziehn uns zurück,
Wir ziehn uns zurück, zurück!
OSKAR UND ALLE ohne die Verschworenen.
Zum höchsten Lebensziele
Wird ihm des Landes Glück;
Zum Lebensziele, zum Lebensziele
Wird stets für ihn des Landes Glück!

Nr. 4. Scene und Cantabile.

Scene.

RICHARD zeigt nach außerhalb, zu Oskar.
Harr‘ meines Winkes dort mit diesen Freunden.

Er giebt einen Wink zum Abgang und setzt sich nachdenklich an den Tisch rechts.

Die zehn Offiziere treten an den Mitteleingang und stellen sich zu beiden Seiten auf.

Die Generale, die Gesandten und die Hofherren entfernen sich, unter tiefen Verneigungen wie alle, durch den Mitteleingang nach rechts.

Samuel, Tom und die Verschworenen schließen sich an.

Die Künstler und Gelehrten entfernen sich nach links Mitte.

Die Bürger und Bauern ebenso nach rechts Mitte.

Die zehn Offiziere folgen als die letzten durch die Mitte.

Die Lakaien schließen die drei Mittelthüren.

Offizier René Walter kommt fast gleichzeitig durch die Seitenthür links.

Dritter Auftritt.

Richard. Oskar. René.

René wirft den Verschworenen einen Blick nach.

OSKAR erblickt René, geht auf ihn zu; leise, nach Richard hinzeigend.
Frei ist der Weg für Euch!

Er eilt ab durch die Mitte.

Vierter Auftritt.

Richard rechts sitzend, René zu seiner Linken.

RENÉ für sich.
Schmerz kündet sein Gesicht.
RICHARD mit dumpfer Stimme, in Träumereien versunken, für sich.
Amelia!
RENÉ.
Graf Richard!

Er verneigt sich.

RICHARD sieht René und springt hastig auf, für sich.
O Gott, es ist ihr Gatte!
RENÉ näher tretend.
Betrübt scheint mein Gebieter,
Indes sein Name in lautem Jubel rings wiederhallet.
RICHARD.
Für den Ruhm allzuviel, zu wenig für mein Glück!
Geheimer Kummer nagt mir am Herzen.
RENÉ.
Worüber?
RICHARD.
Nein, nein, nichts mehr!
RENÉ.
Ihn nennen kann ich Euch!
RICHARD für sich.
O Himmel!
RENÉ.
Ich kenn‘ ihn.
RICHARD.
Nein, nein!
RENÉ.
Ich kenn‘ ihn.
Verrat und Tücke lauern
Selbst hier in diesen Mauern.
RICHARD.
Vollende!
RENÉ.
Von feigen Mörderhänden
Seid Ihr hier rings umgeben,
Bedroht ist Euer Leben!
RICHARD erleichtert.
Nur dies ist deine Sorge?
Sonst weißt du nichts?
RENÉ.
Wollt Ihr die Namen hören?
RICHARD.
Mit nichten! Ich verachte sie!
RENÉ.
Doch heischt es meine Pflicht.
RICHARD.
Schweige! Beflecken müßt‘ ich mich dann
Mit ihrem Blut. Dies bleibe mir fern!
Des Volkes Liebe wird mich beschirmen
Und Gott mir Schutz verleihen.

Cantabile.

RENÉ.
Für dein Glück und für dein Leben,
Von dem Glanze des Ruhmes umgeben,
Steigt zu jenen lichten Höhen
Deines Volkes frommes Flehen.
Fielest du von Mörderhänden,
Wehe dann dem Vaterland!
Wo du immer nur magst weilen,
Ewig wachen deine Treuen,
Um zu Hilfe dir zu eilen,
Sich für dich dem Tod zu weihen.
Ach, der Haß sucht seine Opfer,
Hat die Dolche stets zur Hand.
Fielest du von Mörderhänden,
Wehe dann dem Vaterland!
Ach, der Haß sucht seine Opfer,
Hat die Dolche stets zur Hand!
Fielest du von Mörderhänden,
Wehe dann dem Vaterland!

Richard reicht René zum Dank für seine Treue die Hand.

Page Oskar kommt schnell eintretend durch die Mitte.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Oskar.

Nr. 5. Scene und Ballade.

Scene.

OSKAR.
Der erste Richter!
RICHARD.
Er komme.

Oskar läßt eintreten.

Der Oberrichter kommt mit einer Mappe durch die Mitte.

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Oskar. Oberrichter.

Richard setzt sich hinter den Tisch rechts.

Oberrichter tritt ihm nach ehrerbietiger Verneigung zur Rechten.

Oskar zurückstehend.

René auf der linken Ecke.

OBERRICHTER übergiebt Schriftstücke zur Unterschrift und reich Richard die Feder.
Herr Graf!
RICHARD liest und unterzeichnet; beim dritten Schriftstück.
Was seh‘ ich? Ein Weib wollt Ihr verbannen?
Weswegen? Wie ist ihr Name? Was verbrach sie?
OBERRICHTER.
Sie heißt Ulrika, ist dem Zigeunerstamme entsprossen.
OSKAR.
Man kann das Volk zu jeder Zeit dort bei ihr finden.
Sie vermag künft'ge Dinge zu verkünden.
OBERRICHTER.
Nur zu bösen Thaten weiß sie zu raten,
Treibt in ihrer Höhle Spuk und Zauberei.
Darum straft mit Verbannung
Der Richter ihr Verbrechen!
RICHARD zu Oskar.
Nun, was sagst du? Nun, was sagst du?
OSKAR.
Ich möchte für sie sprechen!

Ballade.

OSKAR.
Mit starrem Angesicht
Blickt sie nach oben,
Man sieht im Dunkeln
Ihr Auge funkeln.
Wenn sie den Frauen,
Die ihr vertrauen,
Glück prophezeiet,
Wird's immer wahr!
Sie hält's mit Lucifer,
Das ist ganz klar!
RICHARD.
Ich muß gestehen,
Ein schönes Paar!
OSKAR.
Will man zu Schiffe gehn
Nach fernen Zonen,
Oder den Kampf bestehn
Bei den Kanonen,
Sie weiß dem einen
Sein Glück zu deuten;
Und sagt dem zweiten:
Dir droht Gefahr!
Sie hält's mit Lucifer,
Das ist ganz klar!

Nr. 6. Finale.

OBERRICHTER streng.
Sie sei verbannt!
OSKAR tritt vor, Richard zur Linken, bittend.
O laßt sie Gnade finden!
OBERRICHTER wie vorher.
Aus dem Lande!
RICHARD zu Oskar.
Wohlan, laß alle kommen!
Mein Plan wird euch bekannt.

Er steht auf.

Oskar öffnet die Mittelthür und giebt einen Wink.

Lakaien öffnen die drei Thüren in der Mitte und nehmen wie vorher dort Aufstellung.

Die Soldaten sind wie vorher draußen im Gange sichtbar.

Die zehn Offiziere kommen durch die Mitte und stellen sich zu beiden Seiten der Mittelthür auf.

Die vier Hofherren kommen durch die Mitte.

Die beiden Generale treten von rechts Mitte ein.

Samuel, Tom und die Verschworenen kommen von links Mitte.

Siebenter Auftritt.

Richard. Oskar. René. Samuel. Tom. Generale. Offiziere. Hofherren. Verschworene. Soldaten. Lakaien.

Die Offiziere nehmen nach dem Eintritt der Hofherren rechts Aufstellung.

René tritt nach links.

RICHARD.
Mein Plan wird euch bekannt. –
Ihr Herren, bei Ulrika
Sehn wir uns heute wieder,
Jedoch in andern Kleidern. Auch ich bin dort.

Alle zollen Beifall.

Samuel und Tom bezeigen große Freude.

RENÉ zwischen Richard und Oskar tretend.
Auch Ihr? Auch Ihr?
RICHARD.
Der Scherz wird mir behagen.
RENÉ zu Richard.
Bedenklich scheint die Sache!
OSKAR.
Warum sollt‘ er's nicht wagen?
Er wird sich dort zerstreun.
RENÉ.
Leicht kann an jenem Ort Euch jemand sehen.
RICHARD.
Wie furchtsam!
SAMUEL UND TOM für sich, höhnisch lachend.
Der sucht mit klugem Rate
Ihm warnend beizustehn!
RICHARD.
Und du, Oskar, besorge mir ein Fischerkleid.
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
Wer weiß, ob dort nicht die Gelegenbeit
Zur Rache sich uns beut!

Die einzelnen Gruppen bezeigen je nach ihrem Charakter ihre Teilnahme.

Die Verschworenen mit unauffälligem vornehmen Achselzucken.

Die Hofherren mit vollem Interesse.

RICHARD nimmt zwischen Oskar und René die Mitte.
Jeder Gram weiche heut‘ dem Vergnügen,
Lust und Scherz soll den Kummer besiegen!
Ja, die Zauberin will ich befragen,
Sie soll mir mein Geschick prophezein.
RENÉ für sich.
Ob ihn dort auch Gefahren umgeben –
RICHARD.
Jeder Gram –
RENÉ für sich.
Meine Treue beschützet sein Leben!
RICHARD.
Weiche heute –
RENÉ für sich.
Ach, er kennt keine Furcht und kein Zagen –
RICHARD.
Dem Vergnügen –
RENÉ für sich.
Darum will ich zur Seite ihm sein.
RICHARD.
Der Lust.
OSKAR.
Ja, auch ich will die Zauberin fragen,
Und sie möge mein Schicksal mir sagen!
Ob die Sterne sich günstig mir zeigen,
Das verkündet ihr nächtlicher Schein.
RICHARD.
Jeder Gram weichet heut‘ froher Lust!
RENÉ für sich.
Darum will ich,
Darum will ich stets zur Seite ihm sein!
RICHARD.
Wohlan denn, ich erwarte euch; ja, ich erwarte euch;
Erwarte euch, ganz unbekannt, ganz unbekannt,
Im Verein gehn wir zum Haus der Zauberin,
Und treten bei ihr ein,
Und treten mutig bei ihr ein!
OSKAR UND DIE ANHÄNGER RICHARDS.
Wohlan, wir alle folgen gern; wir folgen gern
Und unbekannt, ganz unbekannt,
Im Verein gehn wir zum Haus der Zauberin
Und treten bei ihr ein,
Und treten mutig bei ihr ein!
RENÉ der die Verschworenen unausgesetzt beobachtet hat, für sich.
Ob ihn dort auch Gefahren umgeben,
Meine Treue beschützet sein Leben;
Nein, er kennt keine Furcht und kein Zagen,
Darum will ich zur Seite ihm sein.
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
O vergeßt nicht den Plan unsrer Rache!
Seid bereit, bleibt ihm lauernd zur Seite!
Wohl begünstigt das Schicksal uns heute,
Ihn dem sichern Verderben zu weihn!
RICHARD.
Im Verein gehn wir zum Haus der Zauberin,
Gehn wir zum Haus der Zauberin!
Jeder Gram weiche heut‘ dem Vergnügen!
OSKAR UND DIE ANHÄNGER RICHARDS.
Ja!
RICHARD.
Lust und Scherz soll den Kummer besiegen!
OSKAR UND DIE ANHÄNGER RICHARDS.
Ja!
RICHARD.
Ja, die Zauberin will ich befragen!
OSKAR UND DIE ANHÄNGER RICHARDS.
Ja!
RICHARD.
Sie soll mir mein Geschick prophezein!
RENÉ für sich.
Nein, er kennt keine Furcht und kein Zagen,
Darum will ich zur Seite ihm sein!
OSKAR.
Mein Geschick soll sie mir prophezein!
SAMUEL, TOM UND DIE VERSCHWORENEN für sich.
O vielleicht wirkt das Glück für uns heute
Und wir können der Rache uns freun!
Ja, vielleicht wird heut‘ das Glück uns günstig sein!
DIE ANHÄNGER RICHARDS unter sich.
Nach des Tages schwerer Last mag er heute
Des erheiternden Abends sich freun!
Ja, er mag an dem Scherz sich erfreun!
RICHARD heiter.
Sie soll mir mein Geschick,
Mein Geschick mir prophezein!
Frohem Scherz wollen wir heut‘ uns weihn! –
Ja, wir gehn!

Er streckt René die Hand entgegen.

René nimmt sie zögernd.

ALLE ANDERN.
Ja, wir gehn!
RICHARD.
Im Verein!
ALLE ANDERN.
Im Verein!
RICHARD.
Wohlan denn, ich erwarte euch! ja, ich erwarte euch;
Erwarte euch unbekannt, ganz unbekannt,
Im Verein gehn wir zum Haus der Zauberin
Und treten bei ihr ein,
Und treten mutig bei ihr ein!
Ja, ja, wir gehn zum Haus der Zauberin
Und treten bei ihr ein!
ALLE ANDERN.
Wohlan, wir alle folgen gern; wir folgen gern
Unbekannt, ganz unbekannt,
Im Verein gehn wir zum Haus der Zauberin
Und treten bei ihr ein,
Und treten mutig bei ihr ein!
Ja, ja, wir gehn zum Haus der Zauberin
Und treten bei ihr ein!

Alle verabschieden sich während des Nachspiels mit tiefen Verbeugungen von Richard.

Die Offiziere zur Rechten bilden an der Thür rechts Spalier.

Oskar eilt dem Gouverneur voraus, die Thür rechts öffnend.

Richard giebt René einen Wink, ihm zu folgen, grüßt alle freundlich mit leichten Verneigungen und geht ab nach rechts. Oskar eilt ihm nach.

René Richard folgend, bleibt in der Mitte stehen und wirft einen vorwurfsvollen durchbohrenden Blick auf Samuel, Tom und die Verschworenen.

Die Verschworenen zeigen sich betroffen.

Alle wenden sich zum Abgang, woher sie kamen.

Zweiter Aufzug.

Nr. 7. Introduktion, Beschwörung.

Der Vorhang hebt sich nach dem siebenten Takte.

Erster Auftritt.

Die Wahrsagerin Ulrika. Volk. Matrosen. Landleute.

Ulrika steht rechts vom Tisch und hat einem jungen Burschen und einem jungen Mädchen, die hinter dem Tisch stehen, Karten gelegt.

Volk steht hinter dem Tisch zurück, scheu, furchtsam und aufmerksam beobachtend.

Bursche legt der Zauberin Geld für ihr Wahrsagen hin.

Ulrika streicht die Karten zusammen, steckt sie samt dem Gelde ein und wendet sich nach dem Herd rechts, nachdem sie dem jungen Paare zuvor einen Wink gegeben, den Tisch wegzusetzen.

Der Bursche und das Mädchen setzen den Tisch an die Wand links.

Volk verfolgt mit Erstaunen und scheuer Neugier jede Bewegung der Zauberin.

Ulrika streckt beschwörend die Rechte gegen das dampfende Gefäß auf dem Herde aus, wirft Kräuter, Kugeln etc. in den Kessel, rührt mit dem Löffel um, beschreibt Kreise mit dem Zauberstab.

Das Feuer unter dem Kessel prasselt stark auf.

CHOR DER FRAUEN UND KINDER leise unter sich.
Stille! Man darf ihren Zauber nicht stören;
Schon glaubt sie die Stimme des Geistes zu hören!
ULRIKA beschwörend und nach unten horchend wie vorher.
König des Abgrunds, zeige dich,
Dich rufet meine Stimme,
Doch schone meines Daches
In deinem wilden Grimme.
Schon dreimal seufzt die Eule
Mit schauerlichem Ton,
Laut zischt der Salamander
Zum drittenmale schon,
Und dreimal aus der Gruft hervor
Traf bang‘ Gestöhn mein Ohr,
Traf bang‘ Gestöhn mein lauschend Ohr!

Dämpfe entsteigen dem Kessel.

Gouverneur Graf Richard kommt, Geldrolle, Brieftasche und Bleistift bei sich, in unscheinbarer Matrosenkleidung durch den Eingang von links Mitte.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Richard.

Nr. 8. Scene.

RICHARD im Kommen für sich.
Ich bin der Erste.
CHOR zu Richard.
Was soll hier das Drängen? Zurück auf der Stelle!

Sie stoßen ihn zurück.

Richard tritt unauffällig ganz nach links vorn.

Geräusch wie Donner.

Es wird dunkel.

CHOR furchtsam unter sich.
Seht, plötzlich schwindet des Tages Helle!
ULRIKA fortfahrend wie vorher, die Gestalten nach der Mitte hin gleichsam vor sich erblickend.
Er ist's, er ist's! Er nähert sich,
Winket mit Feuerblicken;
Sein Flammenhauch durchschauert mich,
Mich faßt ein wildes Entzücken,
Ich seh‘ in seinen Blicken
Der Zukunft Fackel glühn.
Welch Glück, daß er gehorsam
Auf meinen Ruf erschien.

Sie schöpft mit einem Löffel, reibt sich Hände und Stirne mit dem Dekokt, den sie im Kessel bereitet.

Nichts, was die Zukunft andern verhüllet,
Kann meinem Blicke sich entziehn.
Nein, nun kann nichts mehr
Sich meinem Blick entziehn!
CHOR jubelnd.
Die Zauberin lebe! Die Zauberin lebe!
ULRIKA.
O schweiget! – O schweiget!

Sie beschäftigt sich am Kessel wie vorher.

Das Feuer flackert hier und da auf.

Der Matrose Silvan drängt sich breit und ungestüm vor, Ulrika zur Linken, jedoch so, daß er immer in der Nähe der Volksmenge bleibt.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen. Silvan.

Nr. 9. Scene.

SILVAN.
Macht Platz, liebe Leute!
Ich will sie befragen.

Die Frauen wollen ihn aufhalten und gebieten ihm Schweigen.

SILVAN schiebt sich lachend hindurch.
Ich diene dem Grafen und bin sein Matrose;
Oft muß ich mein Leben im Kampf für ihn wagen,
Im Kampf für ihn wagen,
Ich sitze dem Glücke fürwahr nicht im Schoße,
Seit Jahren schon hoff‘ ich, belohnet zu sein.

Es wird wieder etwas heller.

ULRIKA wendet sich zu Silvan.
Und wünschest?
SILVAN.
Entschädigung für manche bedeutende Wunde.
RICHARD für sich.
Der Bursch hat kein Blatt vor dem Munde.
ULRIKA.
Die Hand her!
SILVAN.
Da ist sie.

Er reicht ihr die Rechte.

ULRIKA besieht sie.
Dein Herz mag sich freun!
Bald steigst du im Dienst und viel Gold ist dein!
SILVAN.
Ihr sch erzet!
ULRIKA.
Wirst sehen!

Sie wendet sich wieder nach rechts zum Kessel.

RICHARD.
Schnell treffe es ein!

Er zieht aus der Tasche eine Rolle Gold, worauf er mit Bleistift einige Worte schreibt; dann drängt er sich durch die Menge an Silvan heran, steckt ihm die Rolle heimlich in die Tasche und begiebt sich unauffällig wieder auf seinen früheren Platz.

SILVAN in die Tasche greifend und beides findend; mit Erstaunen.
Welch herrlicher Spruch,
Reich belohnt soll er sein!

Er liest.

»Graf Richard seinem treuen Silvan,
Dem Offizier.« Zum Henker,
Ist's Blendwerk? Die Rolle und Offizier?
CHOR begeistert.
Es lebe Ulrika, die hohe Prophetin!
Auf, preist ihre Weisheit und huldiget ihr!
SILVAN ebenso.
Sie lebe! Sie lebe!

Klopfen von außen an der geheimen Thür rechts hinten.

CHOR.
Man klopfet!

Sie rücken, als sie das Klopfen vernehmen, auf der linken Seite enger zusammen und machen nach der Thür hin eine fragende Bewegung gegen Ulrika.

Ulrika wendet sich nach der Thür rechts hinten.

Ein Diener Ameliasder sein Gesicht zu verhüllen sucht, tritt in schlichtem Überrock von rechts hinten ein.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Diener.

RICHARD sobald er den Diener eintreten sieht, für sich.
Was seh‘ ich! Amelias Diener! Was suchet er hier?

Er stellt sich so, daß er von dem Diener nicht gesehen werden kann.

DIENER nahe der Thür, leise zu Ulrika.
Vernehmet! Am heimlichen Pförtchen harrt dort meine Herrin,
Sie möchte sich gern im geheimen beraten mit Euch.
RICHARD links vorn, für sich.
Amelia!
ULRIKA dem Diener zur Linken.
Sie komme! Die andern hier gehen.

Sie geleitet den Diener nach der Thür.

RICHARD für sich.
Ich nicht!

Diener geht ab woher er kam.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen ohne den Diener.

ULRIKA die zu den andern trat.
Eh‘ ich euch meine Antwort kann sagen,
Muß ich noch einmal den Dämon befragen,
Wohlan denn, entfernt euch und laßt mich allein!
CHOR.
So kommt denn, entfernt euch und laßt sie allein!
ULRIKA.
Entfernt euch, entfernt euch!
CHOR.
Laßt sie allein!

Sie zeigen wenig Lust, gerade jetzt wegzugehen.

Ulrika wird ungeduldig und drängt sie durch den Eingang hinaus.

Silvan geht mit dem Volkschor ab nach links Mitte.

Richard folgt anfangs, schleicht sich aber hinter Ulrika weg in den Seitenraum zur Linken, wo er durch die halbgeöffnete Thür und einem hinter derselben befindlichen Vorhang versteckt bleibt.

Ulrika hat die Thür links Mitte verriegelt, die Fenstervorhänge geschlossen, blickt sich überall um, ob auch alle fort sind, und öffnet gleich darauf die kleine Geheimthüre rechts hinten, um Amelia einzulassen.

Amelia kommt von rechts hinten.

Sechster Auftritt.

Amelia, Ulrika zu ihrer Linken. Richard versteckt im Seitenraum links. Dann Chor außerhalb.

Nr. 10. Scene und Terzett.

Ulrika nimmt Amelia bei der Hand, um sie vorzuführen.

Scene.

ULRIKA.
Wie tief sind Sie bewegt.
AMELIA furchtsam und ängstlich umherblickend.
Geheimer Liebe Gram lastet schwer auf mir.
RICHARD für sich.
Was hör‘ ich!
ULRIKA.
Und Sie verlangen?
AMELIA.
Frieden! Bann‘ aus meinem Herzen
Den Mann, des meine Seele zagend denket,

Mit flehender leidenschaftlicher Bewegung.

Ihn, der mit starker Hand
Des Staates Schicksal lenket.
RICHARD öffnet in lebhafter Freude seinen Vor hang, für sich.
Was hör‘ ich! O welch Entzücken!
ULRIKA nachdenklich.
Es giebt ein Mittel! Geheime Tropfen,
Aus einem Zauberkraut gezogen,
Das Herzensleiden heilt.

Sie blickt rasch zu Amelia auf.

Wem es vonnöten,
Der muß es selbst mit eigner Hand
Zur Geisterstunde pflücken an graunvoller Stelle.
AMELIA rasch einfallend.
Und wo?
ULRIKA.
Sie wollten es wagen?
AMELIA entschlossen.
Ja, und wär's die Hölle.
ULRIKA.
Nun denn, so hören Sie!

Terzett.

ULRIKA.
Dort, wo auf ödem Anger
Der Wall der Stadt sich endet,
Und Luna auf das Fluchgefild‘
Die Strahlen niedersendet,
Und wo zwei Säulen stehen,
Kann man es wachsen sehen.
Um Mitternacht am Hochgericht
Pflückst du das Zauberkraut,
Das Frieden deinem Herzen giebt,
Und deinen Schmerz, dein Leiden heilt!
AMELIA zurückschaudernd.
O welches Grauen!
ULRIKA.
Schon jetzt ergreift Sie Schreck und banges Zagen?
RICHARD für sich.
Ach, armes Herz!
ULRIKA für sich.
Schon sinkt ihr Mut!
AMELIA.
Ich schaudre!
ULRIKA.
Wollen Sie's wagen?
AMELIA entschlossen.
Ist Heilung dort zu finden,
Soll auch mein Mut nicht schwinden.
ULRIKA.
Heut‘ Nacht?
AMELIA wie vorher.
Ja.
RICHARD für sich.
Ein Schützer folgt dir an jenen Ort!
AMELIA für sich.
Laß, Herr, mich nicht erliegen,
Laß mich die Furcht besiegen!
ULRIKA für sich.
Erfüllt wird dein Begehren,
Und gestillt die Zähren! –
Zittre nicht! Zittre nicht! Zittre nicht!
Der Zaubertrank stillt deine Zähren,
Zittre nicht! Zittre nicht! Nein, zittre nicht! Zittre nicht!
Er giebt durch seine Wunderkraft
Die Ruhe dir zurück.
Der Zaubertrank giebt dir die Ruh‘,
Die Ruhe dir zurück!
RICHARD für sich.
Ich bleibe dir zur Seite,
Dich schützet mein Geleite!
Amelia, und drohen dir Gefahren,
So teil‘ ich dein Geschick!
Ich folge dir, ich folge dir, ha,
Ich bleibe an deiner Seite!
Ich bleibe immer an deiner Seite!
Ich bleibe dir zur Seite,
Dich schützet mein Geleite!
Drohn dir Gefahren, Amelia,
So teil‘ ich mutig dein Geschick!
Ja, ich teil‘ dein Geschick!
AMELIA für sich.
O fänd an jenem Schreckensort
Mein Herz sein vor'ges Glück!
Ach, laß Herr mich nicht erliegen,
O laß, o laß mich die Furcht besiegen!
Ach, fänd‘ an jenem Schreckensort
Mein Herz sein vor'ges Glück!
Ach, fänd‘ ich dort doch mein verlornes Glück!

Starke Schläge an der Thür links Mitte.

CHOR DER VERSCHWORENEN UND HOFHERREN außerhalb.
Sei nicht so träge, Tochter der Hölle,
Öffne die Pforte uns auf der Stelle!

Amelia erschrickt.

Richard schließt den Vorhang.

ULRIKA führt Amelia nach der Geheimthür rechts hinten.
Schnell fort von hinnen!
AMELIA.
Noch heute!
ULRIKA drängend.
Auf, eilet!
RICHARD für sich.
Ihr Schützer –
ULRIKA.
Von hinnen fort! Von hinnen fort!
AMELIA.
Noch heute!

Sie verschwindet in der Geheimthür rechts.

RICHARD für sich.
Ihr Schützer will ich sein!

Ulrika eilt nach der Thür links Mitte, schiebt den Riegel zurück und öffnet.

Samuel, Tom, der Page Oskar mit einem Mantel Richards, Verschworene und Hofherren treten alle in Volkstracht lebhaft ein.

Siebenter Auftritt.

Ulrika. Richard. Oskar. Hofherren. Samuel. Tom. Verschworene.

Ulrika setzt sich rechts auf den Stuhl am Herde, das Gesicht in die Hand gestützt und hört scheinbar ruhig, doch mit gewissem Trotze zu.

Oskar legt den Mantel sogleich auf einen Stuhl im Hintergrunde und sieht sich forschend um.

Richard wird unauffällig in der Thür des Nebenraumes links sichtbar.

Nr. 11. Scene und Kanzone.

Scene.

SAMUEL, TOM UND CHOR.
Weise Prophetin, sei nun bereit,
Sag‘ uns die Zukunft, gieb uns Bescheid!
OSKAR ist suchend in die Nähe des Nebenraumes links gekommen.
Wo ist der Graf?

Er bemerkt ihn in diesem Augenblick.

RICHARD tritt heraus, gebietet ihm Schweigen, leise.
Schweig‘, denn die Zauberin
Darf mich nicht kennen.

Er mischt sich unter die andern, tritt Ulrika, indem er die Mitte nimmt, zur Linken und wendet sich zu ihr.

Alte Sibylle, laß mich nun hören,
Ob die Planeten Glück mir bescheren.
SAMUEL, TOM UND CHOR.
Auf, prophezeie! Auf, prophezeie!

Ulrika mustert die Anwesenden; ihr Blick bleibt auf den ernsten Gesichtern der Verschworenen haften.

Kanzone.

RICHARD ausgelassen.
O sag‘, wenn ich fahr‘ auf stürmischen Wogen,
Ob mich nicht indessen mein Liebchen betrogen,
Und ob ich nach längerer Fahrt auf dem Meere
Nicht ganz ungelegen zu ihr wiederkehre?
Mit schadhaftem Segel, mit Sturm in der Seele
Verfolg‘ ich die Pfade, die ich mir erwähle.
Dem Himmel, der Hölle trotz‘ ich voll Mut.
Laß, Alte, das Ende der Reise mich wissen.
Mich schreckt keine Wolke, von Blitzen zerrissen,
Nicht Sturm und Orkan, ja, ich lach‘ ihrer Wut!
Nein, nein, nein, nein!
Nicht Sturm und Orkan, ich lach‘ ihrer Wut!
CHOR.
Ihn schreckt keine Wolke, von Blitzen zerrissen,
Nicht Sturm und Orkan, er lacht ihrer Wut!

Sie nehmen teil an Richards Ausgelassenheit.

Die Verschworenen nur bleiben ernst.

RICHARD.
Wenn liebliche Träume den Schlummernden necken,
Und heulend die Wellen vom Schlafe mich wecken,
Dann tönen zum Donner die heimischen Lieder,
Ich singe sie zehnmal und singe sie wieder;
Die fröhlichen Klänge, sie lassen mich wähnen,
Als hört‘ ich sie fern aus der Heimat ertönen,
Die schwindenden Kräfte erneut der Gesang.
Nun, weise Prophetin, brich endlich dein Schweigen,
Daß klar uns die Bilder der Zukunft sich zeigen:
Was du uns verkündest, es macht uns nicht bang!
Nein, nein, nein, o nein!
Was du uns verkündest, es macht uns nicht bang!
ALLE.
Was du uns verkündest, es macht uns nicht bang!
Es macht uns, es macht uns nicht bang!

Nr. 12. Scene und Quartett.

Scene.

ULRIKA ernst.
Übermüt'ger!

Sie steht plötzlich energisch auf.

Der Spott deiner Worte
Kann gar leicht sich in Schrecken verkehren;
Wer der Seherin Ausspruch will hören,
Meide Scherze, Verachtung und Hohn.
Frecher Spott muß die Geister empören,
Er erwirbt sich oft blutigen Lohn.
RICHARD.
Nun, zur Sache!
SAMUEL.
Wer ist hier der erste?
OSKAR.
Ich!

Er hält lebhaft seine rechte Hand hin.

RICHARD ebenso, weist Oskar zurück.
Laß mir diese Ehre!
OSKAR.
Gerne, gerne!
ULRIKA nimmt Richards rechte Hand und betrachtet aufmerksam deren Linien; feierlich.
Diese Hand hat im Kampfe gebietend
Oft den Degen gezogen!
OSKAR vorlaut.
Sie hat nicht gelogen!
RICHARD sich mit einem zurückweisenden Blick umsehend.
Ha, schweige!
ULRIKA mit einem tiefen Seufzer, indem sie das Gesicht von Richards Hand wegwendet.
Unglücksel'ger!
Geh‘, verlaß mich, und frage nicht mehr!

Sie läßt Richards Hand los.

RICHARD.
Nun, sprich weiter!
ULRIKA.
Nein! Laß mich!
RICHARD.
Rede!
ULRIKA.
Geh!
RICHARD.
Rede!
ULRIKA ausweichend.
O ich bitte –
CHOR.
Komm doch endlich zum Schluß!
RICHARD.
Ich befehle!
ULRIKA.
Wohlan – dein harrt der Tod!
RICHARD mit Begeisterung.
Auf dem Felde der Ehre sei er willkommen mir!
ULRIKA kraftvoller.
Nein, von Freundeshänden!
OSKAR entsetzt.
O Himmel! Welches Graun!
CHOR ebenso.
Welches Graun! Welches Graun!
ULRIKA nach oben zeigend.
Also ist's dort bestimmt!

Sie betrachtet mit ernsten Blicken Samuel, Tom und die Verschworenen.

CHOR wie vorher.
Welches Graun!

Alle sind heftig erschüttert, teils aus Liebe zu Richard, teils in Furcht, verraten zu sein.

Allgemeine Bestürzung.

Quartett.

RICHARD heiter.
Nur Scherze sind's und Possen,
Was ihrer Lipp‘ entflossen;
Des tollen Spruches lach‘ ich nur,
Kein Kluger glaubt daran.
ULRIKA zu Samuel und Tom tretend, mit glühenden Augen.
Sagt, ob ihr glaublich findet,
Was ich ihm jetzt verkündet?
Ihr lacht nicht, denn ihr wißt ja wohl,
Es ist kein leerer Wahn.
SAMUEL für sich.
Wie ihre Augen glühen
Und Blitze auf mich sprühen!
SAMUEL UND TOM leise unter sich, Ulrika anstarrend.
Wie ihre Augen glühen
Und Blitze auf mich sprühen! –
Wie ihre Augen glühen
Und Blitze auf mich sprühen!
Ein Dämon aus der Unterwelt
Verriet ihr unsern Plan.
OSKAR für sich.
Ha, er soll von Mörderhänden
Sein teures Leben enden?
Denk‘ ich daran,
Fällt mich ein kalter Schauer an!
Bei dem Gedanken
Fällt mich ein Schauer an!
Mich fällt, denk‘ ich daran,
Ein kalter Schauer an!
RICHARD heiter.
Nur Scherze sind's und Possen
Was ihrer Lipp‘ entflossen;
Des tollen Spruches lach‘ ich nur,
Kein Kluger glaubt daran.
ULRIKA wie vorher.
Sagt, ob ihr glaublich findet,
Was ich ihm jetzt verkündet?
Ihr lacht nicht, denn ihr wißt ja wohl,
Es ist kein leerer Wahn.

Nr. 13. Scene und Finale.

RICHARD Ulrika zur Rechten.
Bring‘ deinen Spruch zu Ende,
Sag‘ mir, wer wird mein Mörder sein?

Die Gruppe der Hofherren wendet sich, große Neugierde bezeigend, nach rechts.

Die Gruppe der Verschworenen bleibt auf der linken Seite.

Oskar zwischen Ulrika und Richard zurückstehend.

ULRIKA.
Der, welcher noch heut‘ zuerst die Hand dir drückt.
RICHARD lebhaft.
Vortrefflich!

Er geht im Kreise umher, zu Samuel, Tom, den Verschworenen, den Hofherren und Oskar und bietet ihnen die Hand.

Alle ziehen sich ehrfurchtsvoll zurück, so daß die Mitte, nach der Eingangsthür hin, frei bleibt.

RICHARD.
Wer will hier das Orakel
Der offnen Lüge zeihen? –
Nicht einer?

Offizier René Walter kommt in Verkleidung wie die andern durch die Eingangsthür links Mitte.

Achter Auftritt.

Die Vorigen. René tritt Richard zur Linken. Dann Volkschor außerhalb.

RICHARD eilt, sobald er ihn sieht, auf ihn zu und reicht ihm, ohne der Prophezeiung zu gedenken, freundlich die Hand.
Da kommt er!

Sie stehen Hand in Hand.

ALLE bewegung des Erstaunens, als sie Renés Hand in der Richards erblicken.
Er ist es!
SAMUEL UND TOM zu den Verschworenen.
Ich atme, der Zufall rettet uns!
OSKAR UND CHOR zu Ulrika.
Wie falsch ist dein Orakel!

Richard tritt mit René vor.

Die Hofherren und die Verschworenen treten zurückstehend sich wieder näher.

RICHARD.
Ja, denn die ich jetzt hier drücke,
Es ist die Hand des treusten Freundes!
RENÉ senkt freudig bewegt sein Gesicht auf Ri chards Hand.
O Richard!
ULRIKA erschrocken.
Graf Richard!

Sie sinkt in die Kniee.

RICHARD winkt ihr, aufzustehen; lächelnd.
Hat dein Dämon dir nicht entdecket,
Wer ich war, auch nicht, daß zur Verbannung
Man dich verurteilt?
ULRIKA wie vorher.
Mich?
RICHARD.
Sei ruhig und nimm hier!

Er giebt ihr eine gefüllte Börse.

ULRIKA.
Welch edelmüt'ges Herz!

Halblaut zum Gouverneur.

Doch der Verräter ist dir nah,
Wohl mehr als einer –
SAMUEL UND TOM erschrocken.
O Himmel!
RICHARD abwehrend.
Genug!
VOLKSCHOR außerhalb.
Graf Richard lebe!
ALLE aufhorchend.
Die Stimmen?
VOLKSCHOR wie vorher.
Heil ihm!

Ulrika eilt nach dem großen Fenster hinten und zieht die Vorhänge zurück.

Soldaten und Volk werden jubelnd hinter dem großen Fenster sichtbar.

Der Matrose Silvan stürmt mit dem jubelnden Volke, Männern, Frauen, Kindern, Soldaten, Matrosen durch die Mitte herein.

Neunter Auftritt.

Die Vorigen. Soldaten. Matrosen. Männer. Frauen. Kinder.

Die Verschworenen ziehen sich nach rechts hinten.

Die Hofherren ebenso nach links.

Das Volk umringt Richard in heller Freude.

Richard reicht ihnen und Silvan die Hände.

Oskar holt den Mantel, den er mitgebracht und den er im Hintergrund auf einen Stuhl gelegt hat, und hängt ihn Richard um.

Ulrika ist ihm dabei behilflich.

SILVAN nach außen rufend.
Er ist's! O eilet, eilet! Er ist's!
Seht hier unsern Freund und unsern Vater!
Werfet mit mir euch alle ihm zu Füßen
Und schwört jubelnd ihm den Eid der Treue!
CHOR UND SILVAN zu Richard.
Du, den wir hoch verehren,
Du, dem wir Treue schwören,
Möge des ew'gen Herrschers Gunst
Heil dir, ja, Heil und Glück dir verleihn.
OSKAR begeistert zu Richard.
Die Herzen deiner Treuen,
Die liebend sich dir weihen,
Sie kann auf Erden nur allein
Dein Ruhm, dein Glück erfreun.
RICHARD innig.
Soll ich des Spruches wegen
Argwohn im Busen hegen,

Auf die jubelnde Menge zeigend.

Da tausend Herzen liebevoll
Sich meinem Schutze weihn?
RENÉ zu Richard.
Ni darf man mit Vertrauen
Auf Volkes Liebe bauen;
Oft schleicht sich mit der Treue Schein
Verrat und Arglist ein.
TOM UND SAMUEL leise unter sich.
Sicher ist ihm das Leben
Hier von dem Volk umgeben;
Doch soll er seines Glückes sich
Nicht lange mehr erfreun.
ULRIKA für sich.
Er wollte mich nicht hören
Und lachte meiner Lehren,
Doch ach, ihm wird noch heute
Der Tod beschieden sein!
RICHARD innig.
Soll ich des Spruches wegen
Argwohn im Busen hegen,

Wie vorher.

Da tausend Herzen liebevoll
Sich meinem Schutze weihn?
OSKAR zu Richard.
Ja, die Herzen deiner Treuen,
Die liebend sich dir weihen,
Sie kann auf Erden nur allein
Dein Ruhm, dein Glück erfreun!
SILVAN UND CHOR zu Richard.
Du, den wir hoch verehren,
Du, dem wir Treue schwören,
Möge des ew'gen Herrschers Gunst
Heil dir und Glück verleihn!

Allgemeiner Jubel.

Silvan und die Matrosen machen Miene, Richard auf ihre Schultern zu heben.

Richard wehrt es begütigend ab.

René und die Hofherren suchen das Volk zu bewegen, Richard Platz zu machen, was ihnen endlich gelingt.

Richard winkt dankend nach allen Seiten hin und geht ab nach links Mitte.

Volk schwenkt jubelnd die Hüte und hebt begeistert Arme und Hände.

René, Oskar und die Hofherren folgen Richard.

Tom, Samuel und die Verschworenen schließen sich ingrimmig mit wutentflammten Blicken an.

Dritter Aufzug.

Nr. 14. Präludium, Recitativ und Arie.

Der Vorhang hebt sich im siebzehnten Takte.

Ode schauerliche Felsenschneelandschaft am Hochgericht mit Aussicht über das Meer hinweg auf das weit entfernte Boston, dessen erleuchtete Fenster herüber schimmern. Auf den Felsen einzelne schneebelastete Tannen und Fichten. Rechts auf einer Erhebung das Hochgericht: zwei steinerne Pfeiler, durch starke eiserne Stäbe verbunden zu beiden Seiten des Hochgerichts führen Pfade herab. Links hinten ein Felsablauf. Links vorn eine Felsbank.

Es ist dunkel und schneit in dichten Flocken; Sturm und Pfeifen des Windes; der Mond tritt einige Male aus dem Schneegewölk hervor.

Das Schneegestöber hört auf, der Sturmwind ist nur noch in einzelnen Stößen hörbar.

Mondschein verbreitet sich über die Landschaft und wirft einen zitternden Schimmer über das Meer.

Erster Auftritt.

Amelia. Dann Gouverneur Graf Richard.

Amelia erscheint, in einen Pelz gehüllt, auf dem Felsablauf links, kniet nieder und betet, erhebt sich und kommt langsam herab, mit jeden Schritte mehrt sich ihre Angst; als sie das Hochgericht rechts erblickt, schaudert sie zusammen und sinkt wie leblos auf die Bank links nieder.

Recitativ.

AMELIA.
Hier ist der grau'nvolle Ort, wo der Verbrecher
Seiner Schuld Vergeltung findet.

Sie steht auf und betrachtet das Hochgericht rechts.

Dort stehen die zwei Säulen,
An ihrem Fuß wächst jenes Kraut.

Sie macht einige Schritte.

Wohlan denn! Mich faßt ein Todesschauer!
Selbst meiner Schritte dumpfer Schall,
Alles, ach, alles erfüllt mein Herz mit Angst und Schrecken!
Und sollt‘ ich jetzt hier sterben?
Ha, sterben! Es sei! Um diese Qual zu stillen,
Führt mich die Pflicht hierher, ich will sie erfüllen!

Sie tritt zögernd dem Hochgericht näher.

Arie.

Wenn das Kraut, wie ihr Wort mir verkündet,
Von den Qualen der Liebe entbindet,
Wenn sein Bild aus der Brust mir entschwindet,
Wohl geheilt ist dann der drückende Schmerz.
Doch was bleibt dir noch, mein armes Herz?

Sie läßt trostlos das Haupt auf die Brust sinken.

Richard kommt ohne Mantel von links hinten über den Felsablauf und geht, von Amelia unbemerkt, hinter dem Hochgericht rechts vorüber.

AMELIA.
O was wein‘ ich! Was hemmt meine Schritte?
Und was stellt sich mir hindernd entgegen?
Fasse Mut, und verbanne dies Zagen!
O verrate, verrate mich nicht,
Oder schlage nicht länger, mein Herz,
Und erliege, und erliege dem tödlichen Schmerz.

Es schlägt in weiter Ferne zwölf Uhr.

Mitternacht!

Sie sieht nach rechts.

Ha, was seh‘ ich!
Ein Gespenst, es entsteiget der Erde,
Ach, und seufzet!
Aus seinen Augen sprühen Flammen und Blitze,

Mit erstickter Stimme.

Wilden Blicks, wilden Blicks starrt es drohend mich an, ha!

Sie sinkt auf die Kniee.

Ew'ger Gott, wolle Kraft mir verleihn,
Ach, erbarme, erbarme dich mein!
Ew'ger Gott, erbarme dich mein‘!
Ach, erbarm‘ dich mein‘!
Ach, erbarme, ach – ach, erbarme,
Erbarme dich mein!

Sie erhebt sich und geht entschlossen auf das Hochgericht zu.

Richard tritt ihr von rechts vorn entgegen.

Zweiter Auftritt.

Richard, Amelia zu seiner Linken.

Amelia stößt einen Schrei des Schreckens aus und will nach links entfliehen.

Richard faßt sie bei der Hand und hält sie zurück.

Nr. 15. Duett.

RICHARD.
Ich schütze dich!
AMELIA.
O Himmel!

Sie zieht ihre Hand aus der Richards zurück.

RICHARD.
Sei ruhig!
AMELIA.
Ach!
RICHARD.
Sag‘, was fürchtest du?
AMELIA.
Ach, flieht, o fliehet!
Seht mich zittern, seht mich beben!
O verlaßt mich, schont meiner Ehre,
Tiefe Schmach bedroht mein Leben,
Ach, habt Mitleid mit meiner Pein.
RICHARD mit dem Ausdruck innigster Zärtlichkeit.
Nein, vergebens! Ich soll fliehen,
Da mich Sehnsucht und inn'ge Liebe
Unaufhaltsam zu dir ziehen?
AMELIA mit gefalteten Händen zu Richard flehend.
Hört mein Flehen, schonet mein,
Schonet mein, schonet mein!
RICHARD ritterlich.
Kannst du zittern noch und zagen,
Wenn ich hier vor Gott dir schwöre,
Heilig ist mir deine Ehre,
Ungefährdet soll sie sein?
AMELIA wie vorher.
Denkt, daß durch des Priesters Weihe
Ich an Euren Freund gebunden.
RICHARD.
Schweig‘, Amelia!
AMELIA wie vorher.
Ihm schwur ich Treue,
Ihm, der sein Herz und sein Leben Euch weiht!
RICHARD wendet sich einige Schritte ab.
Seiner kannst du jetzt gedenken,
Ach, ist das nicht Grausamkeit?
Weißt du nicht, daß, wenn Schlangen der Reue
Nagend auch meine Seele verzehren,
Ich die Mahnungen nimmer kann hören,
Da die Liebe das Herz mir erfüllt?

Er tritt Amelia wieder näher.

Ach, sein zärtliches Klopfen und Schlagen
Wird allein nur im Grabe gestillt!
O wie hab‘ ich gekämpft und gerungen,
Die verzehrende Flamme zu dämpfen!
Auch mein Flehn, das zum Himmel gedrungen,
Wollte nimmer mir Ruhe verleihn.
Ach, mein Leben, von dir geschieden,
Würde mir nur zur Qual und zur Pein!
AMELIA.
Ach, ew'ger Gott, wolle gnädig es wenden,
Hör‘, o höre mein ängstliches Flehen!
Du allein kannst die Hilfe mir senden,
Die von Schmach und vom Tod mich befreit!

Zu Richard.

Und du, flieh, flieh, o fliehe!
Bedroh‘ nicht mit Schande
Deinen Freund, der sein Blut und sein Leben dir weiht.
RICHARD leidenschaftlich.
Ach, ein Wort nur laß mich hören,
Himmelslust mir zu gewähren!
AMELIA will sich immer ängstlicher entfernen.
Ew'ge Vorsicht!
RICHARD hält sie zurück und schließt sie in seine Arme.
Sag‘, du liebst mich!
AMELIA.
Flieh‘, o fliehe!
RICHARD sie bestürmend.
Dieses Wort nur, dieses Wort nur!
AMELIA hingebend, außer sich.
Wohlan, ich liebe dich!
RICHARD.
Ha, du liebst mich!

Er drückt sie im höchsten Entzücken fest an die Brust.

AMELIA sucht sich aus seinen Armen loszuwinden.
Doch dein Edelsinn –
RICHARD.
Ha, du liebst mich!
AMELIA.
Schütze selber mich vor mir,
Schütze selber mich vor mir!
RICHARD außer sich.
Du liebst mich, du liebst mich!
O fortan quäle mich kein Vorwurf!
Freundschaft schwind‘ aus meiner Seele;
Ja, nur die Liebe, ja, nur die Liebe
Wohn‘ in meinem Herzen hier,
Sie wohn‘ in meinem Herzen hier! –

Er schließt Amelia in seine Arme.

O wie die süßen Worte mit Wonne mich durchbeben!
Entzückt seh‘ ich das Leben verjüngt vor mir erstehn.
Laß deinen milden Schimmer,
O Mond, mein Glück bestrahlen,
Ach, dürfte ich doch nimmer, nimmer
Den neuen Morgen hier sehn. –
AMELIA entwindet sich ihm und geht langsam an ihm vorüber nach rechts.
Schon wähnt‘ ich hier im Herzen
Der Liebe Glut erloschen,
Doch fühl‘ ich, ach, mit Schmerzen
Sie neu in mir erstehn.
Warum ist mir, o Himmel!
Dies herbe Los beschieden?
Nur in des Grabes Frieden
Kann ich der Qual entgehn.
RICHARD.
Amelia, du liebst mich? Amelia, du liebst mich?

Er schließt sie wieder in seine Arme.

AMELIA.
Ja, ich liebe dich!
RICHARD.
Amelia liebet mich!
AMELIA.
Doch dein Edelsinn –
RICHARD.
Himmel, sie liebt mich!
AMELIA.
Schütze selber mich vor mir,
Er schütze selber mich vor mir!
RICHARD.
Ha! Ha! Wie die süßen Worte
Mit Wonne mich durchbeben!
Entzückt seh‘ ich das Leben
Verjüngt vor mir erstehn.
Laß deinen milden Schimmer,
O Mond, mein Glück bestrahlen!
Dürft‘ ich nur den Tag nicht sehn,
Dürft‘ ich den Tag nicht sehn,
Dürft‘ ich den neuen Tag nicht sehn!
AMELIA in Richards Umarmung.
Schon wähnt‘ ich in der Brust
Der Liebe Glut erloschen,
Doch fühl‘ ich, ach, mit Schmerz
Sie aufs neu in mir entstehn.
Warum ist mir, o Himmel!
Dies herbe Los beschieden?
Nur in des Grabes Frieden
Kann ich der Qual, der Qual entgehn.
RICHARD.
O blieb es ewig Nacht!
AMELIA.
Ach, nur im stillen Grab –
RICHARD.
Dürft‘ ich den neuen Tag,
Den neuen Tag nicht sehn!
AMELIA.
Ja, nur im Grab –
Kann ich der Qual entgehn!
Ja, nur im Grab, ja, nur im Grab
Kann ich der Qual, der Qual entgehn!
RICHARD.
Dürft‘ ich den Tag nicht sehn,
Dürft‘ ich den neuen Tag nicht sehn!

Amelia hört Schritte, fährt erschreckt aus Richards Armen auf, sieht eine Gestalt von links hinten zwischen den Felsen sich nahen.

Nr. 16. Scene und Terzett.

Scene.

AMELIA.
Weh‘ mir! Man kommt hierher.
RICHARD.
Wer kann sich jetzt diesem Schreckensorte nahen?
Nein, nein, ich irre nicht! René!
AMELIA bebend, für sich.
O Gott, mein Gatte!

Sie flieht entsetzt an Richard vorüber nach links vorn, sich schnell verschleiernd.

René kommt, in einen Mantel gehüllt, eilig von links hinten über den Felsablauf.

Dritter Auftritt.

René rechts. Richard in der Mitte. Amelia links.

Terzett.

RICHARD verwirrt, zu René, ihm entgegengehend.
Du hier?
RENÉ stets gedämpft.
Dich zu retten vor deinen Verfolgern,
Die dort sich verborgen.

Er zeigt nach links hinten.

RICHARD stets ebenso.
Und wer?
RENÉ.
Die Verschwornen.
AMELIA für sich.
O Gott!
RENÉ.
Das Gesicht, im Mantel verhüllt,
Kam ich ihnen vorüber als einer von ihnen.
Da hört‘ ich ganz leise die Worte:
»Ich sah ihn, der Graf ist's,
Und mit ihm eine unbekannte Schöne.«
Ein andrer sprach weiter:
»Vergängliche Wonne! Kommt er an den Graben,
So stört dieses Eisen, noch eh‘ er es wähnet,
Sein flüchtiges Glück.«
AMELIA für sich.
Ich sterbe!
RICHARD leise zu Amelia.
Sei standhaft!
RENÉ zeigt auf einen schmalen Fußweg, der rechts vorn durch die Felsgruppen führt, indem er Richard seinen eignen weiten Mantel umlegt.
Den Mantel nimm hin,
Und wähle den Fußsteig zurück nach der Stadt.
RICHARD Amelias Hand fassend, leise.
Erst will ich dich retten!
AMELIA für sich.
O wehe mir!

Leise zu Richard.

Geh‘!
RENÉ.
Doch Ihr, schöne Dame, Ihr wollt ihn doch nicht
Dem Verrat überliefern?

Er geht zurück, um sich nach den Verschworenen umzusehen.

AMELIA leise zu Richard.
O fliehet allein!
RICHARD stets leise.
Dich sollt‘ ich verlassen?
AMELIA stets ebenso.
Noch ist dieser Pfad für Euch offen, o fliehet!
RICHARD.
Und allein soll ich dich mit ihm lassen,
Mit ihm allein? Nein! Nie! Eher den Tod!
AMELIA energisch, entschlossen, fast befehlend ergreift sie seine Hand und zieht ihn ganz nach links vorn auf die Seite.
Entfliehet, sonst schlag‘ ich den Schleier zurück.
RICHARD.
Was sagst du?
AMELIA.
Ich flehe!
RICHARD.
Unmöglich!
AMELIA.
Hinweg!

Richard zögert.

AMELIA erneuert ihren Befehl mit der Hand, für sich.
Für ihn nur allein muß ich fürchten und zagen,
Von feigem Verrat ist er bedroht!
Ach, alles will ich für ihn ertragen,
Und wär‘ es selbst der Tod,
Der Tod, ja, und wär‘ es selbst der Tod!

René kommt vor auf seine frühere Stelle zurück.

RICHARD scheint noch einige Augenblicke mit sich selbst im Kampfe, faßt dann einen raschen Entschluß und wendet sich in einem feierlichen Tone zu René.
O Freund! Ich will ein Geschäft dir vertrauen,
Daß du es vollbringst, dient dein Herz mir als Pfand.
RENÉ.
Vertrau‘ mir und fordre!
RICHARD auf Amelia zeigend.
Versprich mir und schwöre,
Sie hin bis zur Stadt verschleiert zu führen;
Kein Blick und kein Wort sei ihr zugewandt.
RENÉ.
Ich schwör‘ es!
RICHARD bedeutungsvoll.
Und am Thor angelangt,
Wirst du schleunig sie verlassen.
RENÉ.
Ich schwör‘ es! Hier die Hand!

Er geht wiederholt zurück, um sich nach den Verschworenen umzusehen.

AMELIA in höchster Aufregung, leise zu Richard.
Hörst du wohl, wie die Stimmen des Todes
Geisterhaft diese Lüfte durchschauern?
O du weißt, daß Verräter hier lauern,
An dem Abhange harren sie dort.
Du bist rings von den Mördern umgeben,
Ihre Dolche bedrohen dein Leben,
Ha, schon seh‘ ich sie über dir schweben,
Flieh‘, o fliehe, verlass‘ diesen Ort!
RENÉ kehrt wieder aus dem Hintergrunde, wohin er, um zu forschen, gegangen war, auf seine Stelle zurück; gedämpft zu Richard.
Eile fort! Auf den felsigen Wegen
Kommt schon drohend die Schar uns entgegen;
Wilde Flüche entströmen den Lippen,
Und die Hand schwingt das blitzende Schwert.

Flieh‘, o fliehe, denn ach, nicht mehr lange
Ist die günstige Zeit dir gegeben.
AMELIA leise zu Richard.
Ha, schon seh‘ ich es über dir schweben,
Flieh‘, o flieh‘ und verlass‘ diesen Ort!
RENÉ wie vorher zu Richard.
Flieh‘, o flieh‘ und erhalte dein Leben
Für das Volk, das so hoch dich verehrt!
AMELIA wie vorher.
O flieh‘, o flieh‘! – O flieh‘, o flieh‘!
RENÉ wie vorher zu Richard.
O flieh‘, o fliehe, eile fort! –
RICHARD stets für sich.
Die Verräter, sie wollen mein Leben!
RENÉ UND AMELIA wie vorher.
Ach, fliehe!
RICHARD.
Eng verbunden zu blutigen Thaten!
RENÉ UND AMELIA wie vorher.
Entfliehe!
RICHARD.
Doch den Freund hab‘ ich selbst ja verraten!
RENÉ UND AMELIA wie vorher.
Ach, eile!
RICHARD.
Tödlich traf ihn mein Frevel ins Herz!
Schuldlos würd‘ ich vor ihnen nicht fliehen,
Den Feinden nicht feig‘ mich entziehen!
Nur mit ihr hab‘, o Himmel, Erbarmen,
Mildre du ihren Kummer und Schmerz!
RENÉ wie vorher zu Richard.
Eile fort! Auf den felsigen Wegen
Kommt schon drohend die Schar uns entgegen;
Wilde Flüche entströmen den Lippen,
Und die Hand schwingt das blitzende Schwert.
AMELIA leise zu Richard.
Hörst du wohl, wie die Stimmen des Todes
Geisterhaft diese Lüfte durchschauern?
O du weißt, daß Verräter hier lauern,
An dem Abhange harren sie dort.
RENÉ wie vorher zu Richard.
Flieh‘, o fliehe, denn ach, nicht mehr lange
Ist die günstige Zeit dir gegeben.
Flieh‘, o flieh‘ und erhalte dein Leben
Für das Volk, das so hoch dich verehrt!
O entflieh‘, entflieh‘!
O flieh‘, o entflieh‘!
O entfliehe, flieh‘ und rette das Leben!
O erhalt‘ es dem Volk,
Das so hoch dich verehrt!
Fort! – Fort! – O eile fort!
RICHARD für sich.
Schuldlos würd‘ ich vor ihnen nicht fliehen,
Den Verrätern nicht feig mich entziehen!
Nur mit ihr hab‘, o Himmel, Erbarmen,
Mildre du ihren Kummer und Schmerz!
Den Kummer und Schmerz!
AMELIA mit zunehmender Unruhe und Angst immer nach dem Felsablauf links hinten sehend und lauschend; wie vorher zu Richard.
Du bist rings von den Mördern umgeben,
Ihre Dolche bedrohen dein Leben,
Ha, schon seh‘ ich sie über dir schweben,
Flieh‘, o fliehe, verlass‘ diesen Ort!
Eile schnell, eile schnell,
O verlass‘ diesen Ort!
Fort! – Fort! – Flieh‘ diesen Ort!

Richard wechselt einen innigen Händedruck mit Amelia, sieht René bedeutungsvoll an und geht ab nach rechts vorn, wo er zwischen den Felsen verschwindet.

Amelia folgt ihm mit ihren Blicken, die größte Angst verratend.

René geht auf den Weg zurück, den er gekommen, nach dem Felsablauf links hinten, und versichert sich, daß die Verschworenen noch nicht nahe genug sind, um Richard zu erreichen:

Vierter Auftritt.

René, Amelia zu seiner Linken.

René Amelia zur Rechten zurückkehrend und sich an sie wendend.

Nr. 17. Scene und Chor.

Scene.

RENÉ.
Nun folget mir!
AMELIA für sich.
O Himmel!
RENÉ sieht, daß Amelia sich kaum mehr aufrecht zu halten vermag.
Warum dies Zittern?
Treu geleite ich Euch! Mein freundlich Wort belebe Euren Mut!

Er faßt Amelia bei der Hand und redet ihr zu, ihm zu vertrauen.

Die Verschworenen erscheinen im Hintergrunde von allen Seiten auf und hinter den Felsen; etwas später treten Einige mit brennenden Fackeln hinzu.

Samuel und Tom kommen von rechts hinter dem Hochgericht hervor.

Fünfter Auftritt.

Samuel und Tom im Hintergrunde rechts beim Hochgericht. Die Verschworenen auf den Felsen zurückstehend. René und Amelia ganz im Vordergrunde links.

CHOR leise unter sich.
Rasch auf ihn zu, er möge sterben!
AMELIA leise und erschreckt.
Da sind sie! – O Gott, ich sterbe!
RENÉ leise zuredend.
Schnell, Haltet Euch nur zu mir!
SAMUEL, TOM UND CHOR leise unter sich.
Rasch auf ihn! Er möge sterben!
Seine Stunde hat geschlagen;
Wird der nächste Morgen tagen,
Finde man die Leiche hier!

Die Verschworenen kommen von allen Seiten die Felsensteige herab und treten im Hintergrunde zusammen.

Amelia schließt sich, fast bewußtlos, René an.

René geht mit der fassungslosen Amelia langsam einige wenige Schritte nach rechts vorn, um den Felsweg zu gewinnen, auf dem sich Richard entfernte.

SAMUEL leise zu Tom.
Siehst du wohl den weißen Schleier,
Der der Schönen Reiz bedecket?
TOM leise zu den andern.
Aus dem sel'gen Traum gewecket
Sei die Holde!

Alle Verschworenen stürzen mit gezückten Degen und Dolchen auf René zu.

RENÉ tritt ihnen furchtlos entgegen.
Wer ist da?

Er deckt Amelia mit seinem Leibe.

Die Verschworenen gewahren erstaunt ihren Irrtum, weichen einige Schritte zurück und verbergen ihre Waffen.

SAMUEL betroffen zu Tom.
Ha, ein andrer!
TOM.
Ich tob‘, ich rase!
CHOR betroffen.
Nicht der Graf ist's!
RENÉ.
Nein, ich bin es, der erwartend vor euch steht. –
TOM höhnisch.
Sein Getreuer!
SAMUEL.
Ach, das Glück
War uns nicht wie dir gewogen,
Denn das Lächeln einer Schönen
Ließ das Schicksal uns entgehn.
TOM.
Wenigstens will ich das Antlitz
Dieser holden Isis sehn.
RENÉ die Hand am Degen.
Einen Schritt nur und mein Degen
Soll Euch lehren –
SAMUEL.
So verwegen?
TOM.
Laßt das Drohen!

Der Mond leuchtet in seinem hellsten Glanze.

AMELIA.
Schütz‘ uns, o Himmel!
CHOR zu René.
Laß den Degen!
RENÉ.
Fort, Verräter!
TOM will auf Amelia zu, um ihr den Schleier zu entreißen.
Das muß enden!
RENÉ den Degen ziehend.
Mit deinem Leben zahlest du die freche That!

Alle Andern ebenso, stürzen auf René zu.

AMELIA welche die Gefahr erkennt, in welcher ihr Gemahl, so vielen gegenüber schwebt, vergißt alles und stürzt sich zwischen die gezogenen Degen, um ihn zu schützen; durch die Heftigkeit der Bewegung ist ihr der Schleier vom Haupte gefallen, und das Licht des Mondes fällt auf ihre blassen Gesichtszüge.
O haltet ein!
RENÉ taumelt wie vom Blitz getroffen entsetzt zurück.
Ha, Amelia!
ALLE VERSCHWORENEN im höchsten Erstaunen.
Sie! – Sie! – Seine Gattin!
AMELIA vernichtet.
Gott steh‘ mir bei!
ALLE VERSCHWORENEN wie vorher.
Seine Gattin!
AMELIA wie vorher.
Gott steh‘ mir bei!
ALLE VERSCHWORENEN im Ausdruck gesteigert, wie vorher.
Seine Gattin!
RENÉ wie zerschmettert, für sich.
Amelia!

Nr. 18. Quartett-Finale.

SAMUEL höhnend zu Tom.
Sieh, mit der Gattin zu solchen Stunden
Hat er sich schwärmend hier eingefunden!
Leicht kann der Nachtthan ihm Schaden bringen
In dieser Kühle bei Mondenschein!
SAMUEL UND TOM höhnisch, mit schadenfrohem Lachen.
Hahaha, hahaha, hahaha!
O welches Aufsehn wird das nicht geben,
Welch‘ Gespötte wird das nicht sein!
RENÉ ingrimmig.
Durch mich gerettet vor jener Bande,
Weiht er zum Lohn mich der Schmach, der Schande!
Ich kann das Antlitz nicht mehr erheben,
Vor jedem Blick muß ich mich scheun,
Vor jedem Blick mich scheun!
AMELIA vernichtet, weinend.
Wer wird erbarmend sich zu mir wenden,
Wer mir ein gnädiger Richter sein?
O möchte heute mein Leben enden,
O schlösse jetzt schon das Grab mich ein,
Das Grab mich bergend ein!

SAMUEL UND TOM höhnisch, mit schadenfrohem Lachen.
Hahaha, hahaha, hahaha!
O welches Aufsehn wird das nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!
Seht, zur Komödie wird die Tragödie!

Wie vorher.

Hahaha, hahaha!
O welches Aufsehn wird das nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!
RENÉ wie vorher.
Ich kann das Antlitz nicht mehr erheben,
Vor jedem Blicke muß ich mich scheun!
Durch mich gerettet vor jener Bande,
Weiht er zum Lohn mich der Schmach, der Schande!
Ich kann das Antlitz nicht mehr erheben,
Vor jedem Blicke muß ich mich scheun!
AMELIA wie vorher.
Wer wird erbarmend sich zu mir wenden,
Wer mir ein milder Richter sein?
CHOR DER VERSCHWORENEN höhnisch, ebenso.
O welches Aufsehn wird das nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!
Seht, zur Komödie wird die Tragödie!
Hahaha, hahaha!
O welch Aufsehn wird das nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!

René faßt rauh Amelias Hand und führt sie nach links zur Felsbank.

Amelia sinkt erschöpft dort nieder.

RENÉ ermannt sich wie nach einem gefaßten schweren Entschlusse; zwischen Samuel und Tom tretend, gemessen.
Darf ich morgen, ganz im Frühen,
Euch nach meinem Haus bemühen?
SAMUEL stets ebenso.
Uns zur Rechenschaft zu ziehen?
RENÉ.
Nein, geändert ist mein Sinn!
SAMUEL.
Darf man wissen?
RENÉ.
Morgen sollt ihr es erfahren.
SAMUEL UND TOM.
Wir sind bereit, wir kommen hin. –

Zu den Verschworenen.

Trennt euch jetzt, um nicht zusammen
Nach der Stadt zurückzukehren!
SAMUEL, TOM UND CHOR.
Große Dinge wird man hören
Bei des neuen Tags Beginn.
SAMUEL UND TOM wie vorher.
Nun fort!
CHOR.
Nun fort!
SAMUEL UND TOM wie vorher, im Abgehen nach links hinten über den Felsenablauf.
Seht, zur Komödie ward die Tragödie!
SAMUEL, TOM UND CHOR wie vorher, ebenso.
Hahaha, hahaha, hahaha!
SAMUEL UND TOM wie vorher, ebenso.
O welches Aufsehn wird es nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!
CHOR.
O welches Aufsehn wird das nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!

Die Stimmen verhallen nach und nach.

RENÉ kehrt zu Amelia zurück.
Bis zum Thore dich zu bringen
Schwur ich ihm, so soll es sein!
AMELIA ganz erschöpft.
Wehe, seine Worte dringen –
ALLE VERSCHWORENEN wie vorher, schon weit entfernt.
Hahahaha!
AMELIA wie vorher.
Dolchen gleich ins Herz mir ein!
RENÉ wie vorher, mit gedämpfter Stimme.
Nun komm!
AMELIA.
O welche Pein!

Sie steht auf.

RENÉ.
Nun komm!

Er ergreift gewaltsam Amelias Hand und reißt sie, die kaum zu folgen vermag, mit sich fort nach links hinten, über den Felsablauf.

ALLE VERSCHWORENEN ganz ferne.
O welches Aufsehn wird das nicht geben,
Welch Gespötte wird das nicht sein!
Hahahaha, hahahaha, hahahaha, hahahaha!
O welch Gespötte wird das nicht sein!

Vierter Aufzug.

Nr. 19. Scene und Arie.

Der Vorhang hebt sich nach dem sechsten Takte.

Erster Auftritt.

René, Amelia zu seiner Linken.

René hat Amelia noch immer bei der Hand gefaßt, zieht sie von rechts hinten herein und schleudert sie nach einem Fauteuil am Kamin links vorn, wo sie zusammenbricht; seinen Hut und Degen legt er auf den Fauteuil neben der Eingangsthür rechts hinten, die er verschließt.

Scene.

RENÉ.
Solche Schuld verlöscht kein Jammer,
Keine Thräne, keine Reue;
Ha, vergebens ist dein Flehn,
Nur dein Blut tilgt dies Vergehn.
AMELIA.
Doch wenn nur der Schein dich täuschte,
Wenn dein Argwohn dich betrogen?
RENÉ.
Schweig‘, Verworfene!
AMELIA.
O Himmel!
RENÉ.
Ja, zu ihm nur fleh‘ um Guade!
AMELIA.
Kann Verdacht dir schon genügen –

Sie erhebt sich langsam.

RENÉ.
Nur dein Blut –
AMELIA.
Um dein Herz von mir zu wenden?
RENÉ.
Tilgt dies Vergehn!
AMELIA.
Und der Tod von deinen Händen
Soll mich ew'ger Schande weihn?
RENÉ.
Nur dein Blut tilgt dies Vergehn!
AMELIA.
Dacht‘ ich oft auch freundlich sein,
Blieb mein Herz von Schuld doch rein!
RENÉ.
Wirst du enden?
AMELIA.
Und Gott weiß, selbst in Gedanken
Fühlt‘ ich nie die Treue wanken.
RENÉ.
Wirst du enden? Wirst du enden?
Der Morgen naht! Nur dein Blut,

Er eilt an den Fauteuil rechts und reißt den Degen aus der Scheide.

Ja, nur dein Blut sühnt den Verrat!
AMELIA.
Schwing‘ den Degen und laß mich sterben!

Sie faltet die Hände und wendet sich bittend zu ihm.

Eine Bitte –
RENÉ.
Nicht zu mir,
Nein, zu Gott magst du sie wenden!
AMELIA.
Nur ein einzig Wort zu dir!

Sie sinkt ihm zu Füßen.

Höre! Höre! Höre mich! Es wird das letzte sein.

René steht kalt entschlossen.

Arie.

AMELIA.
Der Tod sei mir willkommen!
Doch eh‘ mein Blut mag fließen,
Laß mich den einz'gen Sohn,
O laß mich den einz'gen Sohn
Noch in die Arme schließen!

René nach und nach etwas gerührt.

AMELIA.
Ach, wenn dein Zorn das Flehen
Der Gattin nicht erhört,
So sei die letzte Bitte
Der Mutter, der Mutter doch gewährt!

Sie erhebt sich langsam.

Sein Kuß, das süße Lallen
Aus seinem zarten Munde
Werden mir Kraft verleihen
In meiner letzten Stunde.
Meiner wird er gedenken,
Wenn längst das Grab uns schied,
Wird nach der Mutter rufen,
Die er nie wieder sieht!

Sie sinkt ihm wiederholt zu Füßen und faßt seine Hand.

Nr. 20. Scene und Arie.

Scene.

RENÉ.
Erhebe dich!

Amelia steht auf.

RENÉ zeigt, ohne sie anzusehen, nach rechts vorn.
Dort im Zimmer
Magst deinen Sohn du wiedersehn.

Amelia geht gebeugt an ihm vorüber nach rechts.

RENÉ.
Verbirg in Nacht und Schweigen
Dort des Gatten Schmach und deine tiefe Schande.

Er giebt ihr wie vorher einen gebieterischen Wink.

Amelia entfernt sich in gebrochener Haltung nach rechts vorn.

Zweiter Auftritt.

René allein.

RENÉ legt seinen Degen wieder an seine vorige Stelle.
Nein, nicht an ihr, die ihr Herz nicht bewachte,
Darf den Schimpf ich rächen!
In anderm, o in anderm Blute
Will ich den Frevel verlöschen!

Mit einem Blick auf das Bild Richards über dem Kamin links vorn.

In deinem Blute!
Aus deinem falschen Herzen
Läßt dieser Stahl es fließen,
Ja, er soll meinen Qualen ein Rächer sein,
Ein Rächer sein, ein Rächer sein!

Arie.

RENÉ.
Ja, du warst's, der das Herz mir entwendet,
Das der Himmel zum Glück mir gesendet;
Du vergiftest durch den schwärzesten Frevel
Jede Lust, die das Leben mir beut, die das Leben mir beut!
Durch Verrat lohnst du mir jene Treue,
Die ich, arglos vertrauend, ach, vertrauend dir immer geweiht.
O entzückende selige Stunden,
Ihr seid ewig für mich entschwunden,
Wo Amelia so schön und so unschuldsvoll
Ihre Liebe mir schüchtern gestand,
Wo Amelia schüchtern mir ihre Liebe gestand,
Ihre Liebe gestand! Welcher Wechsel!
Von Wut und von Rache, von Wut und von Rache
Ist heute das Herz mir, das Herz mir entbrannt!
O ihr wonnevollen Stunden,
Ewig seid ihr entflohn, seid ihr entflohn!

Es klopft an der Thür rechts hinten.

René öffnet die verschlossene Thür.

Samuel und Tom treten, Degen an der Seite, von rechts hinten ein und grüßen René mit auffallender Kälte.

Dritter Auftritt.

Tom rechts. Samuel in der Mitte. René links.

Nr. 21. Terzett, Quartett und Final-Quintett.

Terzett.

RENÉ.
Willkommen! Nur näher!

Er dankt, schließt, nachdem er sich sorgfältig umgesehen, die Thür, zeigt nach rechts vorn und ladet zum Sitzen ein.

Tom und Samuel nehmen rechts vorn Platz.

RENÉ setzt sich dann ebenfalls auf den Stuhl am Mitteltisch.
Lange schon weiß ich,
Was ihr beschlossen! Ihr seid verschworen,
Den Grafen zu morden!

Tom und Samuel machen eine Bewegung, daß ihnen davon nichts bekannt sei.

TOM auffahrend.
Verleumdung!
RENÉ.
Hier die Beweise!

Er bezeichnet Papiere, die vor ihm auf dem Tische liegen.

SAMUEL ergrimmt.
Und jetzt verrätst du
Dem Grafen unsern Plan?
RENÉ aufspringend, mit zurückgehaltener Wut und leiser Stimme.
Nein! – Ich teil‘ ihn selbst mit euch!
TOM UND SAMUEL sich ebenfalls erhebend.
Du scherzest!
RENE zwischen beide tretend, wie vorher.
O nicht mit Worten,
Nein, durch die That will ich Beweise euch geben!

Er zerreißt mit der Musik die Papiere.

Ich bin der Eure. Mit euch fest verbunden
Will ich selber das Werk vollbringen!

Tom macht eine zweifelnde Bewegung.

RENÉ.
Meinen Sohn nehmt zum Pfande! Tötet ihn,
Wenn ich euch untreu bin!
SAMUEL noch immer ungläubig.
Zum Haß ward deine Liebe!
Kaum vermag ich es zu glauben!
RENÉ.
Erlaßt mir, den Grund euch anzugeben,
Im Bunde bin ich mit euch,
Ich schwör's bei meines Sohnes Leben!
TOM UND SAMUEL überzeugt, unter sich.
Er spricht wahr!
RENÉ.
Wie? Ihr zweifelt?
TOM UND SAMUEL fest.
Nicht mehr.
ALLE DREI fest.
Nicht mehr!
RENÉ.
Nun wohlan, unsre Rache zu stillen,
Haben wir nur Ein Herz, Einen Willen;
Unser Schwur soll noch heut‘ sich erfüllen!
Auf, zur Rache, sie treffe ihn schwer!
TOM UND SAMUEL.
Nun wohlan, unsre Rache zu stillen –
ALLE DREI.
Haben wir nur Ein Herz, Einen Willen –
TOM UND SAMUEL.
Unser Schwur soll noch heut‘ sich erfüllen –
ALLE DREI.
Auf, zur Rache, sie treffe ihn schwer.
RENÉ.
Eine Bitte gewähret mir!
SAMUEL.
Und welche?
RENÉ.
Überlasset die That mir allein!
SAMUEL rasch.
Nein, unmöglich!

Mit Ingrimm.

Das Schloß meiner Ahnen
Nahm er mir, darum bin ich im Rechte!
TOM in starker Erregung.
Ha, und ich, dem im blut'gen Gefechte
Er den Bruder erschlug, und der seit Jahren
Sich nach Rache gesehnt, ich sollte verzichten?
RENÉ.
Beruhigt euch! Ziehen wir das Los,
Es entscheide zwischen uns!

Tom setzt sich hinter den Mitteltisch und schreibt die drei Namen auf drei Papierstücke.

Samuel wendet sich nach links, ergreift eine Vase vom Kamin links vorn, nimmt die Blumen heraus und stellt die Vase vor Tom auf den Mitteltisch.

RENÉ.
Doch wer naht?

Amelia kommt schüchternen Schrittes von rechts vorn.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Amelia. Dann ein Diener.

RENÉ barsch.
Du?

Quartett.

AMELIA verschüchtert.
Oskar ladet uns zu dem Balle des Grafen.

Tom und Samuel verneigen sich vor Amelia.

RENÉ.
Zu ihm!

Zornig.

Er mag warten!

Amelia will sich entfernen.

RENÉ.
Und du bleibe bei uns,
Denn du scheinst mir vom Himmel gesendet.
AMELIA für sich.
Welche Ahnung ergreift meine Seele!
Hat mein Jammer noch nicht geendet?
RENÉ leise, zu Tom und Samuel tretend.
Sie weiß nichts, seid nicht bange!
Bald soll jeder Zweifel durch sie uns entfliehen.

Tom hat die drei Namen aufgeschrieben, faltet die drei Papiere zusammen, wirft sie in die Vase, steht auf und geht an Samuel vorüber nach links.

René tritt einen Schritt zurück und weist mit der Linken auf die Vase.

Amelia geht an René vorüber zum Mitteltisch.

RENÉ.
In der Urne sind drei Namen,
Einen wirst mit reiner Hand du uns ziehen.
AMELIA leise zu ihm.
Und warum?

Sie sieht ihn flehend an.

RENÉ sie ingrimmig anblickend.
Du gehorche und frage nicht mehr!
AMELIA für sich.
Ach, kein Zweifel, einem blutigen Werke
Soll ich, Arme, die Hände hier bieten!

René winkt ihr gebieterisch zu.

Amelia zieht auf Renés wiederholtes Zeichen bei dem ppp des Orchesters eines der Papiere aus der Vase und überreicht es René mit zitternder Hand.

René nimmt es nicht, weist sie damit an Samuel.

Samuel nimmt das Papier.

RENÉ zu Samuel.
Sag‘, wer ist der Erwählte?
SAMUEL entfaltet das Papier und liest.
»René!«
RENÉ freudig, mit einigen Schritten nach vorn.
Ha, mein Name!
Wie gerecht ist das Schicksal!
Mir allein überläßt es die That.
AMELIA geht hinter ihm weg nach rechts, an ihre frühere Stelle, René mit steigender Furcht beobachtend; für sich.
Nur zu leicht sind die Worte zu deuten,
Daß dem Grafen den Tod sie bereiten!
Ha, schon seh‘ ich, von Mordgier geschwungen,
Über ihm ihren blutigen Stahl!
Ihn bedroht, von Mordgier geschwungen,
Wild blitzend ihr blutiger Stahl!
Ach, ihn bedrohet ihr Stahl!
RENÉ, SAMUEL UND TOM unter sich.
Unsers Volkes vergossene Thränen
Soll das Blut dieses Frevlers versöhnen!
Auf sein Haupt stürmt die Rache hernieder
Wie des Donners vernichtender Strahl!
RENÉ wendet sich nach der Thür rechts hinten und schließt sie auf.
Der Bote erscheine!

Er tritt auf seine vorige Stelle.

Ein Diener öffnet von außen.

Page Oskar kommt von rechts hinten.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Oskar tritt zwischen Amelia und René.

Quintett.

OSKAR stets in heiterster Stimmung, wendet sich an Amelia, sie und die Anwesenden ehrerbietig grüßend.
Mein Gebieter wünscht euch heute auf den Abend
Mit dem Gatten auf dem Ball bei sich zu sehen.
AMELIA verwirrt.
Ich kann nicht.
RENÉ zu Oskar.
Wird der Graf zugegen sein?
OSKAR.
Sicher!
SAMUEL UND TOM unter sich.
O Schicksal!
RENÉ seine Gefährten bedeutungsvoll anblickend.
Schätzbar ist mir diese Ehre.
OSKAR.
Es ist ein Maskenball und sehr glänzend.
RENÉ.
Vortrefflich!

Auf Amelia zeigend.

Auch die Gräfin kommt mit mir!
AMELIA für sich.
O Himmel!

Oskar wendet sich zu Amelia und spricht leise mit ihr weiter.

SAMUEL UND TOM unter sich.
Unter jenem dichten Maskendrang
Läßt die That sich leicht vollziehn.
OSKAR.
Ha! Durchstrahlt von tausend Lampen wird
Der weite Saal erglänzen!
Der schönsten Frauen bunte Schar
Schmiegt sich in flücht'gen Tänzen.
Die ganze Stadt eilt froh herbei,
Das schöne, schöne Fest zu sehn.
AMELIA für sich.
Und ich, ich mußte selbst das Los
Aus jener Urne heben,
Ach, und in des Gatten Hand
Den Dolch des Mörders geben!
Vielleicht muß ich die blut'ge That,
Die blut'ge That mit eignen Augen sehn!
RENÉ für sich.
Dort unter Tanz und Festeslust
Wird ihn mein Arm erreichen,
Umringt von dem Gedränge
Läßt ihn mein Dolch erbleichen;
Und die erstarrte Menge soll seine Leiche sehn.
Die Menge dort, vom Schreck erstarrt,
Soll seine Leiche sehn!

SAMUEL UND TOM unter sich.
Umhüllt vom sichern Domino
Mag er die That vollbringen,
Denn im Gewühl der Tanzenden
Kann sie ihm nicht mißlingen!
Entsetzt wird dann die schöne Welt
Vor dem Entseelten stehn.
OSKAR fröhlich.
Durchstrahlt von tausend Lampen wird
Der weite Saal erglänzen,
Der schönsten Frauen bunte Schar
Schmiegt sich in flücht'gen Tänzen.
Die ganze Stadt eilt froh herbei,
Das schöne Fest zu sehn.
RENÉ für sich.
Dort unter Tanz und Festeslust
Soll ihn die starre Menge
In seinem Blute sehn,
In seinem Blut ihn schwimmen sehn!
Dort unter Tänzen und Festeslust,
Dort soll die Menge ihn bluten sehn,
Dort soll erstarrt die Menge
In seinem Blut ihn schwimmen sehn!
Dort unter Tanz und Festeslust
Wird ihn mein Arm erreichen,
Und die erstarrte Menge soll seine Leiche sehn.
AMELIA für sich.
Ach, selbst mußt‘ ich in des Gatten Hand
Den Dolch des Mörders legen,
Vielleicht muß ich die blut'ge That
Mit eignen Augen sehn!
Mit eignen Augen muß ich ihn sehn!
Ich mußte selbst das Todeslos
Aus jener Urne heben,
Und ach, vielleicht muß ich die blut'ge That
Mit eignen Augen sehn!

Die drei Verschworenen beraten sich leise.

AMELIA für sich.
Könnt‘ ich es doch verhindern,
Und den Gatten nicht verraten.
OSKAR zu Amelia.
Als Königin des Festes werdet Ihr glänzen.
AMELIA für sich.
Vielleicht kann es Ulrika.

Oskar spricht leise mit Amelia weiter.

SAMUEL UND TOM leise zu René.
In welchem Kleid erscheinen wir?
RENÉ leise.
Im blauen Gewande, und aus rotem Bande
Die Schärpe auf der linken Seite.
SAMUEL UND TOM leise.
Und was ist unser Losungswort?
RENÉ leise und energisch.
Tod und Rache!
AMELIA für sich.
Könnt‘ ich es doch verhindern!
OSKAR zu Amelia.
Ja, Königin werdet Ihr sein!
DIE DREI ANDERN wie vorher.
Tod und Rache!

Oskar verbeugt sich nach rechts gegen Amelia, dann nach links gegen die andern und geht ab nach rechts hinten.

René giebt Amelia einen gebietenden Wink.

Amelia entfernt sich kummervoll und besorgt nach rechts vorn.

Samuel ist, indem er Amelia grüßt, etwas zurückgetreten.

René nimmt zwischen Samuel und Tom die Mitte.

Die drei Verbündeten reichen sich die Hände und wiederholen sich gegenseitig nochmals lautlos ihren Schwur.

Fünfter Aufzug.

Kurzes Kabinett des Grafen Richard in der Nähe des Ballsaales im Gouvernementspalais zu Boston, mit einem sehr großen Vorhang als Hinterwand. Rechts und links Thüren, Tische und Stühle. Armleuchter mit brennenden Kerzen auf den Tischen.

Auf dem Tische rechts Schreibzeug, Bücher, Papiere.

Es ist Abend.

Erster Auftritt.

Richard allein am Tische rechts sitzend, die Feder in der Hand, als hätte er eben geschrieben.

Nr. 22. Scene und Romanze.

Scene.

RICHARD.
Sicher hat sie die Wohnung längst schon erreicht,
Die Ehre und die Pflicht giebt unsern Herzen
Den Frieden zurück. So sei's!
René kehrt nach England zurück,
Und seine Gattin folgt ihm dahin.
Sie scheid‘ auf immer. Der Ocean
Soll dann uns trennen, und Ruh‘ uns geben! –

Er will schreiben; im Augenblick, da er unterzeichnen will, läßt er die Feder sinken und faßt mit der Linken nach seinem Herzen.

Ist es nicht Pflicht? O Gott! Kann ich noch zaudern?

Er unterschreibt, faltet das Blatt, steckt es zu sich und steht auf.

Hier steht mein Name – das Opfer ist vollzogen!

Romanze.

RICHARD.
Doch heißt dich auch das Pflichtgebot
Auf ewig von mir eilen,
So folgt mein sehnend Herz dir nach,
Wo immer du magst weilen.
Und dein geliebtes teures Bild
Weicht nie aus meiner Brust,
Dein Bild weicht nie aus meiner Brust!

Dumpf.

Und jetzt, welch düstre Ahnung
Fühl‘ ich in mir entstehen;
Als ob mir Unheil drohte,
Wenn wir uns heute sehen!
Ach, mir den Tod zu geben,
Genügt schon dein Verlust!
Kann größres Leid mir drohen?
Ach, mir den Tod, den Tod zu geben,
Genügt dein Verlust!
Zu meinem Tod genügt schon dein Verlust!

Entfernte Tanzmusik von links.

Nr. 23. Scene.

RICHARD.
Ha! Sie ist da! Sie sehen könnt‘ ich,
Ein Wort der Liebe sprechen zu ihr!

In edler Selbstbeherrschung.

Doch nein!
Von heut‘ trennt das Geschick sie von mir!

Page Oskar kommt mit einem Briefe in der Hand von rechts.

Zweiter Auftritt.

Oskar, Richard zu seiner Linken.

OSKAR.
Dies Briefchen gab mir eine Unbekannte.
»Für den Grafen!« so sprach sie,
»Stell‘ es ihm zu, doch im geheimen!«
RICHARD nimmt, öffnet den Brief und nachdem er gelesen.
Daß beim Balle freche Mörderhände mich bedrohn,
So schreibt man. Wenn ich nicht käme,
Würde man der Furcht mich zeihn.
Nein, nein! Kein Mensch denke so etwas von mir!

Zu Oskar.

Du geh‘! Sei eilig! In kurzem
Bin ich mit dir bei dem Feste!

Oskar geht ab nach links.

RICHARD.
Dich will ich sehn, Amelia!
Bald schwindet all‘ mein Glück.
Ach, nur noch einmal strahle mir
Dein seelenvoller Blick, dein seelenvoller Blick!

Er folgt Oskar nach links.

Verwandlung.

Nr. 24. Großes Finale.

Der große Vorhang hinten hebt sich sofort nach dem Abgang Richards.

Der große, glänzend erleuchtete Ballsaal im Gouvernementsgebäude zu Boston; im Hintergrunde eine große Freitreppe in einen dahinter liegenden zweiten erleuchteten Saal. Thüren rechts und links. An den Wänden kleine Tischchen und Sessel. Spiegel, Kronleuchter, Kandelaber, Wandleuchter mit brennenden Kerzen. In den Ecken Blumengruppen mit Statuen.

Es ist Abend.

Dritter Auftritt.

Ballgäste. Offiziere. Masken aller Art. Zwei Ceremonienmeister mit goldenen Stäben. Soldaten. Pagen. Neger als Diener.

Das bunteste, mit den lebhaftesten Farben aufgetragene Bild eines glänzenden Maskenfestes.

Die beiden Ceremonienmeister zur Seite der großen Freitreppe rechts und links.

Soldaten an den Thüren rechts und links; am Fuße der Freitreppe rechts und links; auf der Galerie oben zwischen den beiden durch die Treppe verbundenen Sälen.

Negerdiener auf der Freitreppe rechts und links; in den Sälen mit Erfrischungen die Menge bedienend.

Offiziere, Ballgäste, einige junge Kreolinnen, Masken aller Art verlarvt, aufs reichste und geschmackvollste kostümiert, drängen sich in den beiden Sälen; unter Dominos und Charaktermasken bewegen sich Personen aus der Umgebung des Gouverneurs in reichgestickten Kleidern; man verfolgt, wird verfolgt und geneckt von allen Seiten.

CHOR.
O Lust, in muntern Tänzen
Den Saal dahin zu schweben!
O welche Wonne!
Durch sie wird uns das Leben
Ein Traum der Seligkeit,
Ein Traum, ja, ein Traum der Seligkeit!
Ach, wie so bald entschwunden
Seid ihr, beglückte Stunden!
Warum nach kurzem Weilen
Müßt ihr so schnell enteilen
Im raschen, im raschen Flug der Zeit?

Fortwährende Bewegung der einzelnen Gruppen, jedoch mehr im Hintergrunde.

Samuel und Tom treten mit einigen Verschworenen, die wie Samuel und Tom sämtlich verlarvt sind, ihre verabredeten blauen Dominos und eine rote Binde am Arm tragen, aus dem Gewühl nach links vorn hervor.

Die übrigen Verschworenen zeigen sich wie verabredet ebenso verlarvt unter den Masken, jedoch so viel wie möglich einzeln; es ist bemerkbar, daß sie die links vorn stehende Gruppe beobachten.

René gleichfalls verlarvt, im blauen Domino mit der roten Binde am Arm, kommt von rechts aus dem Hintergrunde.

Page Oskar hat sich schon längere Zeit verlarvt unter den Masken gezeigt und steht jetzt auf der vorderen linken Ecke.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Samuel. Tom. René. Oskar. Die Verschworenen. Dann Amelia.

René sieht sich vorsichtig um, indem er sich nach links Samuel und Tom nähert.

SAMUEL René bemerkend, leise zu Tom.
Auch einer von den Unsern!

Er geht auf René zu und reicht ihm die Hand; leise.

»Tod und Rache!«
RENÉ leise, bitter.
Ja, Tod und Rache! Doch er kommt nicht!
SAMUEL UND TOM leise.
Was sagst du?
RENÉ leise.
Wir harren sein vergebens.
SAMUEL leise.
Glaubst du?
TOM leise.
Warum?
RENÉ leise.
Ihr werdet es später hören.
SAMUEL etwas lauter.
O trügerisches Schicksal!
TOM ergrimmt, ebenso.
So soll er immer uns entgehen?

Oskar erblickt die Gruppe der Verschworenen und tritt von links vorn beobachtend näher.

RENÉ leise.
Sprecht doch nur leise.

Er zeigt nach links vorn auf Oskar.

Dort hat jemand uns ins Aug‘ gefaßt.
SAMUEL.
Ha, wer?
RENÉ wie vorher.
Der dort im Domino, uns zur linken Hand.

Die Verschworenen trennen sich und verlieren sich unter den übrigen Masken. René will folgen.

OSKAR verlarvt, tritt ihm näher.
Halt, Maske, halt! Du entgehst mir nicht,
Leicht bist du zu kennen!
RENÉ zu seiner Linken, ausweichend.
Fort! Laß mich!

Er will davoneilen.

OSKAR.
Ihr seid René!
RENÉ ihm die Larve abnehmend.
Und du bist Oskar.
OSKAR unmutig.
Welch ein Benehmen!
RENÉ droht ihm scherzend.
Vortrefflich!
Und dein Betragen magst du wohl schicklich wähnen,
Indes Graf Richard schlummert, hier deiner Lust zu frönen!
OSKAR verschmitzt.
Der Graf ist hier.
RENÉ freudig auffahrend.
Ha! Wo!
OSKAR.
Ich sagt‘ es!
RENÉ.
Ist er maskiert?
OSKAR.
Das sag‘ ich nicht.
RENÉ.
Wie wichtig.
OSKAR kehrt ihm den Rücken.
Sucht ihn nur selber auf.
RENÉ mit freundlichem Ton.
O sprich!
OSKAR.
Ihr spielt ihm wohl gerne hier einen lust'gen Streich?
RENÉ.
O mit nichten! So beschreibst du mir wenigstens sein Kleid?

Tanz im hinteren Saale.

Kanzone.

OSKAR schelmisch.
Laßt ab mit Fragen! Ich darf nicht sagen,
Welch eine Maske der Graf wird tragen.
O nein, o nein, es kann nicht sein!
Tra la la la la la la, tra la la la la la la! –
Glüht auch mein Herz für Lust und Scherz,
Ist doch zu schweigen die Kraft mir eigen.
Des Dieners Pflicht vergess‘ ich nicht.
Tra la la la la la la, tra la la la la la la!

Er verlarvt sich wieder.

Gruppen von Masken und tanzenden Paaren kommen nach vorn und trennen Oskar von René.

ALLGEMEINER CHOR.
O Lust, in muntern Tänzen
Den Saal dahin zu schweben!
O welche Wonne!
Durch sie wird uns das Leben
Ein Traum der Seligkeit,
Ein Traum, ja, ein Traum der Seligkeit!

Sie gehen zurück.

René und Oskar finden sich wieder zusammen.

RENÉ zu Oskar.
Du kannst doch wohl des Grafen Freunde unterscheiden?
OSKAR.
Ihr wollt ihn wohl befragen?
Vielleicht eine kleine Neckerei?
RENÉ.
Erraten!
OSKAR.
Und Ihr entdeckt ihm wohl,
Daß Ihr's von mir erfahren?
RENÉ.
Du irrest. Mißbrauchen werd‘ ich nimmer dein Vertraun.
OSKAR.
Es drängt Euch sehr –
RENÉ.
Ich hab‘, eh‘ noch die Nacht verstreicht,
Ihm allzu wicht'ge Dinge kund zu thun.
Dich trifft die Schuld, wenn ich's versäume
Durch dein unnützes Zaudern.
OSKAR.
Nun denn –
RENÉ.
Für ihn nur eilt die Sache und nicht für mich.

Oskar tritt René näher.

Eine Dame Amelia im weißen Domino geht von rechts nach links ganz nahe vorbei und hört die Beschreibung Oskars von des Gouverneurs Maske.

OSKAR.
Der Domino ist schwarz,
Mit einem Rosabande an der Brust.

Er will fort.

RENÉ ihn zurückhaltend.
O bleib‘, nur noch zwei Worte!
OSKAR.
Genug habt Ihr erfahren.

Er verlarvt sich und läuft nach links hinten davon.

René bemerkt einige Verschworene, gesellt sich zu ihnen und scheint ihnen Mitteilungen zu machen, worauf sie unter der Menge verschwinden, jeden Domino scharf beobachtend.

Die Menge drängt wieder mehr nach dem Vordergrunde.

ALLGEMEINER CHOR.
O Lust, in muntern Tänzen
Den Saal dahin zu schweben!
O welche Wonne!
Durch sie wird uns das Leben
Ein Traum der Seligkeit,
Ein Traum, ja, ein Traum der Seligkeit!
Wie so bald, ach, entschwunden
Seid ihr doch für uns, Wonnestunden!
Warum müßt ihr enteilen
In dem raschen Flug der Zeit?
Warum nach kurzem Weilen,
Warum müßt ihr enteilen
Im raschen Flug der Zeit?
Ach, warum nach kurzem Weilen
Müßt ihr uns so schnell enteilen
Im raschen Flug der Zeit!

Richard im schwarzen Domino mit einem Rosaband, kommt verlarvt gedankenvoll von links hinten.

Amelia kommt ebenso, ihn beobachtend, von links ganz vorn.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Richard, Amelia zu seiner Linken.

Amelia rasch auf Richard zutretend, ihre Stimme verstellend, um nicht erkannt zu werden, in feierlichem Tone, stets heimlich und halblaut.

Scene.

AMELIA.
Ach, warum hier? O fliehe!
RICHARD stets ebenso.
Hast du den Brief geschrieben?
AMELIA.
Der Tod folgt deinen Schritten!
RICHARD.
Ich kenne keine Gefahr, keine Furcht!
AMELIA umhersehend, mit Angst.
O fliehe! O fliehe! Hier harret deiner der sichre Tod!
RICHARD.
Die Maske fort! Wie ist dein Name?
AMELIA weinend.
O Himmel, ich kann nicht!
RICHARD.
Und warum weinst du?
Warum dein dringend Flehen?
Und wie kann deinem Herzen
Mein Tod so nahe gehen?
AMELIA mit Begeisterung und natürlicher Stimme.
Ach, selbst mein eignes Leben
Wollt‘ ich für deines geben!
RICHARD.
Umsonst, umsonst, Amelia,
Suchst du dich zu verstellen!

Er nimmt seine Larve ab.

Amelia macht eine Bewegung des Schreckens.

Duett.

AMELIA verzweifelt.
Ich liebe dich, und ach, in Thränen

Knieend.

Lieg‘ ich zu deinen Füßen,
Hier, wo von Mörderhänden
Dein teures Blut soll fließen.
Der Tod wird dich ereilen,
Willst du hier länger weilen,
Rette dich, flieh‘, verlaß mich,
Flieh‘, o flieh‘, entweiche ihrer Wut!

Sie erhebt sich.

RICHARD.
Wenn du mich liebst, Amelia,
Soll kein Geschick mich schrecken!
AMELIA.
Fliehe!
RICHARD.
Auch nicht die Qual des Todes
Kann Furcht in mir erwecken!
AMELIA.
Rette dich!
RICHARD.
Nicht unter Mörderhänden –
AMELIA.
Flieh‘!
RICHARD.
Wird meine Liebe enden!
AMELIA.
O rette dich!
RICHARD.
Selbst nicht die kühle Erde
Dämpft meines Herzens Glut!
AMELIA wie vorher.
Der Tod wird dich ereilen,
Willst du hier länger weilen,
Rette dich, verlaß mich,
Flieh‘, o flieh‘ vor ihrer Wut!
RICHARD ebenso.
Selbst nicht die kühle Erde,
Nein, selbst nicht die kühle Erde
Dämpfet meines Herzens Glut.

René, Samuel, Tom und die Verschworenen tauchen verlarvt im Gewühl wieder auf, suchend umherblickend.

AMELIA.
So willst du mich vor Scham
Und tiefem Jammer sterben sehen?
RICHARD edel.
Ich will dein Heil!
Schon morgen mit dem Gatten reisest du.
AMELIA.
Wohin?
RICHARD.
Nach deinem Vaterlande!
AMELIA.
Nach Englands Küsten?
RICHARD.
Mit dir mein Herz!

Fest.

Du reisest morgen,
So lebe wohl!
AMELIA.
O Richard!
RICHARD in höchster Aufregung.
Ha, welche Qual!
AMELIA in Verzweiflung.
O Richard!
RICHARD.
Leb‘ wohl, Amelia!
AMELIA mit tiefstem Schmerz.
O Richard!
RICHARD reißt sich los; nach wenigen Schritten kehrt er zurück; mit ganzer Seele.
Nimm noch mein letztes Lebewohl!
AMELIA ebenso.
O Gott!
RICHARD ebenso.
Nimm nun mein letztes Lebewohl!
BEIDE wie vorher.
Lebewohl!

Richard wendet sich nach rechts, um Amelia zu verlassen.

RENÉ eilt von rechts her auf Richard zu, tritt zwischen beide und durchbohrt Richard mit einem Dolche.
Und du, nimm hier das Meine!

Ein Augenblick allgemeiner Erstarrung.

RICHARD im Niedersinken.
Weh mir!
AMELIA.
Zu Hilfe! Zu Hilfe!

Sie sinkt ohnmächtig neben Richard hin.

Alle nehmen die Larven ab und stürzen erschrocken herbei.

Der große Vorhang hinten schließt sich.

OSKAR kniet neben Richard, um ihn zu unterstützen.
O Gott! Er ist ermordet!
CHOR.
Von wem? Wo ist der Mörder!

René hat in der rechten Hand den Dolch, mit der linken reißt er seine Larve ab und steht hochaufgerichtet unbeweglich.

OSKAR auf René zeigend.
Hier!
CHOR.
O seht! – René!

Einige entreißen René den Dolch und ergreifen ihn.

Soldaten treten herzu und bemächtigen sich seiner.

Samuel, Tom und die Verschworenen suchen zu entkommen.

Die Ballgäste und Soldaten verhindern sie daran, reißen ihnen die Larven vom Gesicht, entwaffnen sie und nehmen sie fest.

CHOR OHNE DIE VERSCHWORENEN entsetzt und empört, mit dem Ausdruck des höchsten Abscheus und Entsetzens.
Ha! Schande! Verderben! Der Frevel ist unerhört, unerhört!
Der Mörder muß sterben, ihn treffe der Rache Schwert!
Tod und Schande über ihn! Ha! Ha! Ha! Tod, Verderben,
Tod, Verderben komme über ihn!

Amelia erholt und erhebt sich langsam.

Richard macht eine seine Schmerzen bezeichnende Bewegung.

Es wird ein Sessel herbeigebracht und Richard darauf gesetzt.

RICHARD.
Nein, nein! O lasset ihn! O lasset ihn!

Zu René, den er zu sich heranwinkt.

Du – höre mich!

René tritt Richard ganz nahe.

Richard erhebt sich ein wenig.

Oskar stützt ihn.

Finale.

RICHARD.
Sie ist schuldlos, so nah‘ dem Grabe
Glaub‘, o glaube, was ich dir schwöre!
Unverletzt ist deine Ehre,
Und ihr Herz dir treu und rein.

Er giebt René das Blatt, welches er zu sich gesteckt hatte.

Sieh‘, ich sandte in höhre Stelle
Dich mit ihr nach Englands Strande,
Unsrer Freundschaft heil'ge Bande,
Sollte nie Verrat entweihn!

Er sinkt zurück.

AMELIA.
Ach, der Reue bittrer Schmerz
Quält und foltert dieses Herz!
Durch des schuld'gen Gatten Mörderhand
Schwebt er an des Grabes Rand! Ach! –

Flehend für Richard nach oben blickend.

Gott, hab‘ Erbarmen! –
Ew'ger Gott, laß uns ihn gerettet sehn!
Er stirbt! – Er stirbt!
O grauenvolle Nacht!

Sie kniet zu Richards Füßen.

OSKAR.
O wer kann den Jammer fassen!
Freundeshand läßt ihn erblassen!
Wehe! Auf den bleichen Wangen
Seh‘ ich schon den Tod ihm nahn!

Flehend für Richard nach oben blickend.

Gott, hab‘ Erbarmen!
Ew'ger Gott, laß uns ihn gerettet sehn!
Er stirbt! – Er stirbt!
O grauenvolle Nacht!
RENÉ.
Gott, was that ich? O welch Verbrechen!
Ja, der Himmel wird es rächen!
Welches Blut hab‘ ich vergossen,
Ach, verführt durch falschen Wahn! –

Flehend für Richard nach oben blickend.

Güt'ger Gott, hör‘ unser Flehen! –
O laß uns, laß uns
Diesen Edeln gerettet sehn!
Er stirbt! – Er stirbt!
O grauenvolle Nacht!
RICHARD mit schwacher, oft gebrochener Stimme.
Allen sei – von mir vergeben!
Ungefährdet bleib‘ ihr Leben! –
Lebt wohl auf immer, ihr Freunde!
Leb‘ wohl, geliebtes Amerika!

Zu Amelia, gegen die er den brechenden Blick wendet.

Lebt wohl, ihr Teuren, auf immer!

Er macht eine letzte Anstrengung.

Ach, weh mir, ich sterbe – ihr Teuren –

Die Stimme versagt ihm.

Auf immer, auf immer!

Er sinkt zu Boden und stirbt.

CHOR flehend für Richard nach oben blickend, leise.
Güt'ger Gott, hör‘ unser Flehen,
Laß uns ihn gerettet sehen!
Ihn, der immer uns ein Abbild war
Deiner Gnade, deiner Huld.
Ja, ein Bild deiner Gnade, deiner Huld! –
O grauenvolle Nacht!
SAMUEL UND TOM.
Laß uns ihn gerettet sehen, ew'ger Gott!
O laß uns ihn, laß uns ihn gerettet sehn!
Er stirbt! – Er stirbt! –
O grauenvolle Nacht!

Alle sinken schmerzbewegt bei dem traurigen Anblick in die Kniee.