Johann Adolf Hasse

Soliman

Ein Singespiel

Inhalt.

Soliman, der große, führte in dem Ottomanischen Hause die Verheirathungen wieder ein, welche bey demselben seit grausamer Zeit, waren abgeschafft gewesen, und hatte deswegen die berühmte Roßelane in das Ehebette, und auf den Thron feyerlichst erhoben. Da dieselbe aber einem von ihren Söhnen gern den Scepter in die Hände spielen wollte, so versuchte sie öffters, aber fruchtlos, Soliman gegen Mustapha, der aus dem ersten Ehe-Bette gebohren, und der rechtmäßige Nachfolger im Reich war, in den Harnisch zu bringen. Endlich bekam sie, zu dieser Absicht, ihren Schwieger-Sohn Rusteno, welcher Groß-Vezier war, auf ihre Seite.

Mustapha war in eine von Tacmantes, Sophi in Persien, Prinzeßin Tochter, bey Gelegenheit des Kriegers, den er in dasigen Gegenden geführet hatte, verliebt geworden. Deswegen gab der arglistige Rusteno vor, von Mustapha an den Sophi geschriebene Briefe aufgefangen zu haben, in welchen er sich deßen Schutz, und seine Tochter, als das sicherste Pfand eines beständig dauernden Bündnißes, zur Braut sollte ausgebethen haben. Die Handschrift war so künstlich nachgemahlet worden, daß Soliman sie würklich vor des Mustapha seine hielt; und da die Liebe, die alle Soldaten gegen den Sohn bezeigten, des Vaters Argwohn vermehrete: So ruffte dieser jenen, von der in Amasien ihm angewiesenen Statthalterschafft zu sich zurück, und ließ ihn, ohne ihn anzuhören, und in gröster Geschwindigkeit, um das Leben bringen; durch welche barbarische That er den Namen des gnädigsten Ottomannischen Monarchen, den er sich bisher erworben hatte, auf einmahl besteckte.

Die ganz besondere Freundschaft, welche Mustapha und Giangir, der sich, ohngeachtet er ein Sohn der Roßelane war, auf dem Körper seines umgebrachten Bruders entleibete, jederzeit gegen einander gehegt hatten; Die Reu Solimans; Die Absetzung des Groß- Veziers Rusteno; und ein gewisser, kurtze Zeit darauf entstandner Ruff, (der aber nach diesem vor falsch befunden wurde,) daß ein dem Mustapha sehr ähnlich sehender Sklave an seiner statt wäre getödet worden, sind die Wege, welche die Historie selbst scheinet angezeiget zu haben, um einige Umstände zu verändern, und dem Singespiel ein erfreutes Ende zu geben. Baudier. Allgemeine Türkische Historie.

Die Handlung gehet in Babylon, und ihren herumliegenden Gegenden vor, wo das Ottomannische Heer, an den Ufern des Flußes Tigris, zu Felde lieget.

Man hat es für bequemer gefunden, die Namen Mustapha, und Giangir, mit Selim und Osmin zu verwechseln, weil diese ebenfalls türkisch, aber zu der Musik viel geschickter sind.

Singende Personen

Soliman, Türkischer Groß-Sultan, und Vater von
Selim, ein Sohn von der ersten Ehe
Narsea,
Emira, Tacmantes, Sophi in Persien Töchter, und türkische Gefangene
Osmin, Solimans, und der Roßelane Sohn
Acomas, Janitscharen Aga
Rusteno, Groß-Vezier
Chor von Soldaten

Stumme Personen

Von Solimans Gefolge

Baßen, Veziers, und andere adeliche Wachen
Leib-Wachen, oder Bogen-Schützen, sogenante Solachi
Edel-Knaben, sogenannte Icogliani
Gesetz‘ Ausleger, sogenannte Imams
Moren, als Edelknaben bey Narsea, und Elmira

Von Selims Gefolge

Aga, und Baßen zu Pferd
Persianische Gefangene beyderley Geschlechts
Sklaven, und Moren
Feld-Musick
Wache zu Fuß, oder Jannitscharen
Wache zu Pferd, oder Spahi
Soldaten, aus verschiedenen Asiatischen und Europäischen Orten, mit ihren Baßen, Officieren, und andern zur Feld Musik nöthigen Personen, Paucken, Trommeln, Fahnen, Roß-Schweife und anfangs in zween Haufen getheilet sind, sich aber hernach mit den Jannitscharen vereinigen, und das ganze Ottomanische Heer ausmachen.

Erste Handlung.

Erster Auftritt.

Zimmer, die an Gärten anstoßen.

Emira, und Narsea sitzend.

EMIRA.
Verzeih: ich seh nicht ein,
Was dich aufs neue quält, geliebteste Narsea.
Du kommst von Tauris kaum in Babylon hier an,
Und hast, da dir dein Selim fehlt,
Nun keine Ruhe mehr. Der Prinz langt aber ja
Von Tauris morgen an. Der Tag wird bald erscheinen,
Es fehlt noch kurze Zeit, und du fängst wieder an zu weinen!
NARSEA.
Emira, ach! du weißt ja wohl wer Selim ist;
Und wer wir beyde sind. Wir unglückseelge Töchter
Des Königs Persiens, und er, als rechter Erbe
Des Thracischen Monarchs …
EMIRA.
Ich weiß, daß Soliman des Prinzens Vater,
Und daß Tacmantes unsrer sey.
Daß Selim unser Volk,
Als Feldherr Thraciens,
Mit seinem völlig schlug, und nachmahls Persien
Ganz überschwemmete; daß er in Tauris uns
Die Ketten angelegt, und unser liebsten Vater
Zur Flucht gezwungen hat. Ich weiß, daß er das Heer
Mit Persischem Verlust, und Beute ausgeziert,
Nunmehr vor diese Mauern führt.
Wünschst aber du den nicht zu sehn, der Persien hat überwunden?
Und hast du keine Gluth vor selbigen empfunden?
NARSEA.
Ist, grausame! Wenn er so liebenswürdig ist,
Es etwann meine Schuld? Warum bleibt er nicht mehr
Ein wilder Thracier? Sag mir, wo kann man wohl
Nebst einem schönerem Gesichte,
Ein besser Herze sehn? Auf dieser meiner Hand
Schwur er mir seine zu, und Persien den Frieden.
Hierauf that niemand mehr als Feind,
Die Ruhe folgete sogleich auf sein Versprechen:
Hältst du denn meine Gluth nun noch für ein Verbrechen?
EMIRA.
Wer sagt davon ein Wort? So schuldig bin ich selbst.
NARSEA.
Wie!
EMIRA.
Ist Osmin denn nicht auch
Ein Sohn von Soliman? Hat nicht auch dieser Prinz
Die Persier genug bestritten?
NARSEA.
Sein ältster Bruder hat
Ihm ja vor kurzer Zeit
Die Aufsicht über uns gegeben.
EMIRA.
Wohlan, so wisse denn,
Daß ich den Osmin liebe.
Er aber weiß es nicht: ich habs ihm nie gesagt:
Doch da ich fruchtlos will dein Herz von Qual befreyn,
So siehest du durch mich das meine völlig ein.
NARSEA.
Und du verdammst also …
EMIRA.
Ich werde niemals deine Flammen,
Wohl aber deine Furcht, und nichtigen Verdruß verdammen.
NARSEA.
Ist denn den Prinzen Thraciens
Die Ehre nicht verwehrt?
EMIRA.
Vor diesem war sie es.
Allein als wurde Rosselane
Des Solimans Gemahl. Und dies Exempel von dem Vater
Wird seinen Söhnen ein Gesetz.
NARSEA.
Wer aber weiß denn schon, ob Soliman den Frieden
Vor gut, und gültig hält?
EMIRA.
Der Sultan liegt in seiner Burg,
Wovon nicht weit der Pontus fliesset,
In allzu guter Ruh. Hier ist sowohl vom Heer,
Als auch von Krieg und Frieden,
Alleine Selim Herr. Und diese höchste Macht
Hat er vom Vater selbst. Du wirst von ihm verehret,
Du weißt, was er versprach, und doch bleibst du verstöret?
NARSEA.
Gleichwohl …

Es wird einiger Lermen in der Burg, Narsea und Emira stehen auf, und zween Edelknaben tragen die Stühle weg.

Doch welch Tumult? Wie kann im Augenblick
Die Burg so lebhaft seyn. O was wird dieß bedeuten!
EMIRA.
Was willst du, daß es sey? Nichts weiter, als dein Prinz
Kommt eben ietzo an. Wir wollen gehn. Von weiten
Wirst du ihn können sehn.
NARSEA.
Geliebte Emira, geh:
Ich folge dir bald nach: Erlaube nur vorher,
Daß ich in kurzer Zeit erst zu mir selber komme.
Du willst mich freudig sehn, und daß ich hoffen soll,
Und mir macht Angst, und Furcht,
Mit wohlgegründtem Recht unendlich viele Schmerzen:
Und Schatz und Vater liegt mir einerley am Herzen.
EMIRA.
Ich geh: indessen hör einmahl zu zagen auf,
Und hemm den Thränen ihren Lauf.
Sey nicht so sinnreich, dich aus Furcht
Beständig in dir selbst zu qvälen:
Das Schicksal lässet so nichts fehlen,
Was uns nur immer martern kann.
Die Sterne sind nicht jederzeit
Auf unglückseelige erhitzet:
Und wenn es lang genug geblitzet,
Lacht uns die Sonne wieder an.
Sey nicht usw.

Gehet ab.

Andrer Auftritt.

Osmin eilig, und Narsea.

OSMIN.
Narsea.
NARSEA.
Was bringest du Osmin?
OSMIN.
In diesem Augenblick …
NARSEA.
Ich weiß es schon: ist Selim angelangt.
OSMIN.
Ist unser Vater angekommen.
NARSEA.
O Himmel! Soliman! Und zu was Ende denn?
OSMIN.
Dieß seh‘ ich noch nicht ein.
NARSEA.
Ich aber seh‘ es wohl! Er suchet Persiens
Vollkommen Untergang. Und will Tacmantes Blut
Nun gern vergossen sein.
OSMIN.
Prinzeßin, nein.
Der Friede, welchen Selim schwur, wird Persien, und seinem König
Gewiß gehalten seyn. Ich weiß, wie weit die Treu
Von meinem Bruder geht: und ich weiß auch wie lieb
Er meinem Vater sey,
Von dem er alles wird erhalten.
NARSEA.
Ach unterstütze du nur auch,
Was er versprochen hat.
OSMIN.
Sey darum unbesorgt.
Ich kann nicht anders wollen,
Als was mein Bruder will. Sein Wunsch ist auch der meine,
Und meinem Herzen gleicht nichts besser, als das seine.
NARSEA.
Du weißt von mir, theils daß ich liebe,
Theils aber, daß ich Tochter sey:
Empfindst du keine Mitleids-Triebe,
Wem fallen sie sonst für mich bey.
Mein Herz ehrt deine schöne Gaben,
Wie das, was er sich wünscht zu haben:
Ich traue blos auf deine Tugend,
Und überlaß mich deiner Treu.
Du weißt usw.

Gehet ab.

Dritter Auftritt

Osmin, hernach Acomas.

OSMIN.
Sie weiß nicht, daß, da sie des Bruders Abgott ist,
Emira meiner sey: Und daß, wenn er den Frieden
Vergnügt zu Stande bringt, ich sicher hoffen kann,
Daß mit dem Friedens-Schluß auch meine schöne Feindin
Noch endlich meine sey. Auf diesen einzgen Punkt,
Wo man sich nicht genug Verändrung denken kann,
Kommt meines Bruders Glück, und auch das meine an.
ACOMAS.
Find ich dich endlich doch! Weißt du nicht, daß dein Vater
Hier ankommen sey? und daß er mich, und den Vezier
Rusteno bey sich hat?
OSMIN.
Ich weiß es wohl. Doch sage mir
Aus was für Ursach kommt er her?
ACOMAS.
Hör mich nur an, mein Prinz.
Liebst du denn Selim noch?
OSMIN.
Ob ich ihn liebe? O! ich bin dazu gebohren,
Ich leb‘ um es zu thun. Mich zieht die Freundschaft mehr,
Als selbst das Blut zu ihn. Ich weiß die ersten Wege
Zur Ehre blos durch ihn. Der Himmel hat verhängt,
Daß sein, und mein Geschick sich so vereingen sollte,
Daß ich viel tausendmahl vor selben sterben wollte.
ACOMAS.
Ach! wenn du ihn so liebst, so zittre ich aus Furcht
Für diesen so geliebten Bruder.
OSMIN.
Allein, was für Vergehn
Verursacht deine Furcht?
ACOMAS.
Bisweilen wird das wichtigste Verdienst
Wohl zum Vergehn gemacht. Bisweilen kauft ein Traum
Den Strick zum Tode ein.
OSMIN.
Wie! Was sagst du?
ACOMAS.
Der Rang des Soliman ist allzuwichtig,
Und er darüber eifersüchtig.
Sein Leben ist bald aus, und in so hohem Alter
Schöpft man gar leicht Verdacht.
OSMIN.
Allein die Tugend meines Bruders,
Ist meinem Vater mehr als allzuwohl bekannt.
ACOMAS.
Hingegen fehlt es ihr
An Feinden nimmermehr. Hernach sind Roßelane,
Und auch Rusten seit langer Zeit
Schon deinem Bruder feind; Der liebt ihn nicht, weil jener
So mächtig wird, als er. Die Mutter hasset ihn,
Weil er des Reiches Erbe ist. Von beyden aber wird
Des Vaters Herz gelenkt.
OSMIN.
Dieß alles weiß ich wohl.
Allein mein Bruder kommt als eines Reiches Ueberwinder
Zum Vater jetzt zurück. Ein jeder nennet ihn
Den Helden unsrer Zeit. Und unser ganzes Heer
Setzt Lieb‘ und Hofnung blos auf ihn.
ACOMAS.
Dieß eben fürchte ich, daß es der Schatten sey,
Mit welchem sich der Sultan qvält.
OSMIN.
Ist es nun billig, daß ein Sohn
Sich einem eingebildeten Schatten
Des Vaters opfern soll?
ACOMAS.
Der Trieb, die Eifersucht, die eine Krone macht,
Hört die Vernunft nicht an;
Sie fragt nach keiner Pflicht, und wird niemals verzeihn,
Sollt‘ auch ein solcher Sohn der allerbeste seyn.
Liß nur, zu was für einer Zahl
Von traurigen Exempeln nicht die Nachricht deiner Aeltern steiget,
Und wie so manches Trauerspiel in der Historie sich zeiget.
OSMIN.
Die alten schädlichen Maximen sind bekannt,
Die sonst die unbezwungnen Ottomannen
Gemeiniglich gehabt. Ich weiß, daß Morden blos
Der Weg zum Throne war, und daß die Grausamkeit
Denselben unterhielt. Allein dergleichen Wege
Hat Soliman verdammt. Er führte Gütigkeit,
Und Gnade voller Ruh mit sich auf seinen Thron,
Und lehrte dadurch seinen Söhnen, daß auch ein Sultan unumschränkt
Regieren kann, und dennoch niemals an solche Grausamkeiten denkt.
ACOMAS.
O trau der Gnade ja
Des Vaters nicht zu viel. Ich führ den Kern des Heeres an,
Der dem Groß-Sultan pflegt Gesetze vorzulegen.
Dein Bruder wird von ihm, als wie ein Gott verehrt.
Darum ertheile man von der Gefahr
Ihm eiligsten Bericht, und allenfalls sey man
Auf schleunge Gegenwehr bedacht.
OSMIN.
Ich kenne meinen Bruder,
Acomas, allzuwohl. Die aüßerste Gefahr bringt ihn
Nicht zu Verrätherey. Er würde den Beschützer
Von ihm als Feind ansehn, wenn eine schlechte That,
Zu seiner Rettung nöthig wär.
Ja sollte ihn so gar ein‘ ehrenlose Hand,
Und ein schandvoller Tod verderben,
So würde Selim doch, dem Vater treu, und gerne sterben.
Und also mag der Himmel blos
Vor dessen Unschuld wachsam seyn.
ACOMAS.
Ich geb dir nach: allein wiß nur,
Daß späte Hülfe meist von keinem Nutzen sey:
Du siehst den Sturm, der droht, die Zeit kann leicht verstreichen.
Ich zeig dir die Gefahr: Such du ihr auszuweichen.

Wenn sich vom Felß ein Strom ergiesset,
Der nur zu lauter Schaden fliesset,
Und ihn ein Wandrer rauschen höret,
So such er ihm bald zu entfliehn.
So bald sich nur ein Wölkgen zeiget,
Das erst von weitem aufwärts steiget,
So wird ein wohlgeübter Schiffer
Dem Sturme sich so gleich entziehn.
Wann sich usw.

Gehet ab.

Vierter Auftritt.

Osmin, hernach Rusteno.

OSMIN.
Die Ankunft meines Vaters
Hat ganz gewißlich einen
Besondern Gegenstand. Denselben einzusehn
Muß meine Sorge seyn. Allein Rusteno kommt:
Der weiß gewiß Bescheid. Mir ist daran gelegen
Daß ich von ihm jetzt das Geheimniß weiß.
RUSTENO.
(Da ist ja gleich der Prinz: Wohlan, ich bin verwegen.)

Bey Seite.

OSMIN.
Welch gütiges Gestirn bringt, o Vezier, denn meinen Vater
So schleunig zu uns der?
RUSTENO.
Er kommt, um Selims Ruhm
Verwundernd anzusehn. Allein warum sind ich
Den Osmin so bestürzt?
OSMIN.
Kann ich wohl ohngescheut
Mein Herze dir entdecken?
RUSTENO.
Dein Zweifel schimpfet mich.
Erkläre dich nur frey.
OSMIN.
Die unvermuthete Anherkunft meines Vaters
Befremdet mich recht sehr, und ich weiß nicht warum
Ich wegen Selims zittre.
RUSTENO.
Entsage doch, o Prinz
Nur aller dieser Furcht. Dein Bruder ist
Dem Vater viel zu lieb. Allein (nur zürne nicht,)
Ist es mir auch erlaubt;
Nach meiner Art ganz frey mit dir zu sprechen?
OSMIN.
Sprich nur.
RUSTENO.
Glaubst du nicht, daß ich dir getreu,
Und ganz ergeben sey?
OSMIN.
Ich glaub es.
RUSTENO.
Hältst du auch deiner Mutter Lehren,
Und was sie durch mich spricht, in Ehren?
OSMIN.
So weit es sich geziemt.
RUSTENO.
So wisse, denn, daß Roßelane
Mit meinem Lippen spricht. Und biß wie lange willst
Du deines ältern Bruders
Beständger Sklave seyn? Du weißt, daß Selim Soliman
Schon aus der ersten Ehe
Gebohren sey; Und daß hingegen Rosselane
Dich ihm zur Welt gebracht. Aus Erbschaft fällt dem Bruder,
So Reich als Scepter zu. Nun was für Hofnung läßt
Die seltne Freundschaft dir? Besteiget er den Thron,
Was wird dein Schicksal dir erwerben?
Womit wirst du belohnt? Mit Ketten, oder Sterben.
Ach lege doch das Joch so unbedachter Zärtlichkeit
Nur einmal von dir ab. Die eigne Mutter führet
Dich selber auf den Thron. Laß ihren Rath dich rühren:
So wirst du, wenn du willst, und sonst niemand regieren.
OSMIN.
Wie! solche schöne Sachen
Sagt meine Mutter mir? Hat sie sich so erkläret?
So hör auch an, was mir im Herzen wiederfähret.
Ich liebe Selim, und sein Recht
Wird mir stets heilig seyn. Ich seh‘ in ihm bewundernd
Die Ehre Traciens: und mein Exempel wird
In ihm durch mich verehrt. Drum soll mirs lieber seyn
Den letzten Tropfen Blut für selben zu vergiessen,
Als tausendmahl den Thron und Scepter zu geniessen,
Wenn er verrathen wird. Hast du mich wohl verstanden?
RUSTENO.
Ich hab es wohl gehört.
Die Tugend ist sehr groß. Doch scheint es fremd zu seyn,
Daß man sich lieber selbst als andere verletze,
Und eines Sohnes Pflicht der Bruder Pflicht nachsetze.
OSMIN.
Schweig nur: Ich habe gnug erduldt. Denn was mich anbetrifft,
Besorg‘ ich vor mich selbst:
Und ich weiß allbereits, ohn andern Rath zu hören,
Was ich als Bruder thu, wen ich als Sohn, soll ehren.

Ich weiß es schon, wen ich soll lieben,
Ich weiß auch, wen ich fürchten soll.
Ich kenne meine Pflicht zu wohl.
Und dieses sey genug für dich.

Ich komm nicht her, aus dem Verlangen,
Auf eines Thrones Glanz zu prangen:
Und glaube nur, mein redlich Herze
Hegt nicht so grossen Stolz vor sich.
Ich weiß usw.

Gehet ab.

Fünfter Auftritt.

RUSTENO allein.
Wieviel Gefahr setzt Rosselane
Nicht meinen Eyfer aus. Den Osmin zu verführen
Ist nur vergebene Müh. Und Selims Untergang
Ist nicht ein kleines Werk. Es ist wohl wahr, der Samen
Von mir gestreueten, und eifersüchtgen Gifts
Käumt in den Herzen Solimans
Bereits gewaltig vor. Dennoch bleibt Soliman der Vater,
Der Prinz bleibt immer Sohn, und ich befürchte sehr …
Ich könnte … besser würd‘ es seyn … Doch nein, er muß verderben:
Es sterbe Selim. Ja. So helf‘ ich Rosselanen
Und mir zu einer Zeit. Sie macht dadurch den Scepter
Dem Sohn auf einmal fest, und ich versichre mich
In des Monarchen Gunst. Mach‘ ich mein Werk gescheidt,
So wird des Sultans Tochter
Der Lohn vor meine Müh: Dieselbe beth ich an.
Ich weiß, daß meiner Macht, so wohl, als meiner Liebe
Sich Selim wiedersetzt.
So lang, als dieser lebt, bin ich noch nicht Vezier zu nennen:
Und komt er auf den Thron, so muß ich ins Verderben renen.
Der Anfang ist gemacht,
Das Ende muß auch seyn. Was hilft es viel erwägen,
Es ist nun keine Zeit die Reu zu überlegen.

Das, was ich einmal angefangen,
Muß auch mit Recht zum Zweck gelangen:
Die Rache hat zu grosse Gründe,
Und die Belohnung ist zu schön.

Wer sich zu kühnem Unternehmen
Einmal getrauet zu beqvemen,
Der such das Ziel ja zu erreichen,
Wo nicht, so laß er alles stehn.
Das, was usw.

Gehet ab.

Sechster Auftritt.

Ein prächtiger Ort, zur öffentlichen Audienz. Des Groß-Sultans Thron auf einer Seite. Erblickung der innern Höfe der Burg.

Soliman, Acomas, hernach Rusteno. Bogen-Schützen, welche die Eingänge besetzen.

SOLIMAN.
Ich hab‘ es allbereits befohlen.
Es gehe niemand aus, und niemand mache kund,
Ich sey in dieser Burg. Mein Sohn soll jetzt von mir
Hier überfallen seyn. Kommt wieder an den Ort,
So bald es anlangt, ihr getreuen.
Habt ihr es wohl gehört. Vor jetzo gehet fort

Zu den stummen Personen, welche abgehen.

ACOMAS.
(Wie kann ich immer doch den Prinz hiervon berichten?)

Zu sich selbst, bey Seite.

SOLIMAN.
Nun ist es endlich Zeit,
Daß ich, Acomas, dir mein ganz Geheimniß lasse wissen.
Ich hab dich nicht umsonst mit mir hierher geführt.
Ich brauche deine Treu. Du kannst dem Sultan jetzt
Frey ins Gesichte sehn,
Sprich mit ihm, er erlaubts. Komm näher her getreten.
Du fürchtest dich? Vor was?
ACOMAS.
Mein unumschränkter Herr kommt, daß er wenige
Von seinen Lieblingen, sonst keine, dürffen wissen,
Von Pontus unvermuth im Flug nach Babylon,
Und ich soll ruhig seyn?
SOLIMAN.
Scheint es dir fremd, wenn ich
Jetzt so bestürzt, und auf die Weise
Hier angelanget bin? Auf was soll ich denn warten?
Daß ich von meinem Sohn
Den Thron besteigen sey, und daß, wenn ich, als Herr,
Und Vater dieses Sohns mich, als sein Sklave beuge,
Des Urgroßvaters Schimpf an mir von neuem zeige?
ACOMAS.
(Ach, sah‘ ichs nicht voraus!) Der grosse Soliman,
Dem dieses Reich so viele Reiche
Allein zu danken hat, und dessen Haupt
So mancher Lorbeerkranz bedeckt,
Kann so in Aengsten seyn?
SOLIMAN.
Mein Alter hat die Lorbeerkränze
Bereits verwelkt gemacht. Wie viel mir Tracien zu danken,
Weiß selbiges nicht mehr. Ich bin ein Schatten nur
Von dem, was ich sonst war. Da meine Sonne untergeht,
So steigt mein Sohn, als wie die neue auf:
Und jedermann wendt seine Augen drauf.
Die schwören nur bey mir. An meinen Namen denkt
Man fast nicht mehr einmahl. Mein Sohn selbst hat vergessen,
Daß ich noch lebend bin. Er spricht, und thut bereits
Als unumschränkter Herr. Ohn meinen Beyfall zu erhalten,
Kommt er von Tauris nebst dem Lager
Nach Babylon zurück. Dem Feinde selbst läßt er
Gelegenheit zur Flucht. Wer weiß, was eigentlich
Desselben Absicht sey?
ACOMAS.
Und gleichwohl ist dein Sohn,
Und auch das Heer dir so getreu.
SOLIMAN.
Das Heer verändert leicht
Sein aufgelegtes Joch:
Hernach verführt der Glanz des Thrones
Gar leicht das Herze eines Sohnes.
ACOMAS.
O Himmel! dieser Sohn
War deine Hofnung sonst; Wie wird er auf einmahl
Denn jetzo deine Furcht?
SOLIMAN.
Ich hatt‘ ihn mehr, als allzulieb.
Allein ein Sultan muß in dem, der ihm soll folgen,
Stets einen Nebenbuhler scheun. Je mehr der Sohn verdient,
Je mehr ist meine Pflicht auf meiner Hut zu seyn.
RUSTENO.
Herr, Selim langt
Schon in der Burg hier an.

Man hört den Lermen von dem Marsche.

SOLIMAN.
Er komme nur: ich wart‘ auf ihn.
Wo ihn der Pomp von seinem Siege
Bereits verblendet hat; Wo er mich, seien Herrn, und Vater
Nicht mehr erkennen will; Wofern er glaubt, er habe schon
Den Scepter in der Hand: So treff‘ er mich hier unvermutht
Auf meinem Throne an. Mein Angesichte soll
Den übermüthigen schon stören:
Er mag sehn, daß mir Kron, und Scepter noch gehören.

Er steiget auf den Thron, und wird von Acomas, und Rusteno bedient, die auf den beyden Seiten des Thrones stehen.

Siebenter Auftritt.

Selim, hernach Osmin, Narsea, und Emira, mit einem Gefolge von adelichen Gefangenen, und die vorigen.

DER CHOR.
Es leb der stark‘, und tapfre Held,
Der Persien hat überwunden.
Er scheuet nicht Gefahr, noch Tod,
Wenn er auch noch so grausam droht:
Er ist die Hofnung unsres Reichs,
Vor dem die Barbarn Furcht empfunden.
Es leb der stark‘, und tapfre Held,
Der Persien hat überwunden.

Zu erst gehen die Soldaten, welche den Chor singen. Hernach kommt der Zug von Elephanten, und Camelen, die mit Sack, und Pack beladen sind. Hierauf folgen Sklaven, und Moren, davon einige wilde Thiere führen, andere aber Beute von den überwundenen tragen; und die Gefangenen, und Hand-Pferde machen den Schluß. Verschiedene Bassa zu Pferde, welche die gewöhnlichen Roß-Schweife tragen, rücken näher an, und nach diesen kommt Selim zwischen seinen Officieren, und Aga, und führet den obersten Commando – Stab in der Hand. Ein Trupp Janitscharen beschliesset den Marsch. So bald als Selim an den prächtigen Ort kommt, steigt er ab, und tritt näher zu. Sein ganz Gefolge aber setzt sich in den Höfen in Ordnung.

ACOMAS.
Sieh nur, o Herr, wie angenehm
Dieß sein Gesichte sey.

Er weist auf den Selim, der vom Pferde steigt.

RUSTENO.
Sieh nur, wie kühn er thut.

Wie oben.

SOLIMAN.
Der Argwohn schenkt mir Gift.

Zum Acom.

Und meine Neigung sucht mich wieder zu verführen.

Zu Rust.

SELIM.
(Hier ist mein Vater! O ihr Sterne!)

Er sieht Soliman.

SOLIMAN.
Er wird schon ganz bestürzt.
SELIM.
(Was sag‘ ich immermehr!)
SOLIMAN.
Er untersteht sich nicht zu sprechen.
RUSTENO.
Ja, sein Gewissen schrecket ihn.
ACOMAS.
Nein, das Erstaunen läßt ihn schweigen.

Zu Soliman.

SELIM.
(O Liebe, steh mir bey!)
Wir haben, o mein Herr, und Vater überwunden.
Das ganze Persien
Seufzt in Gefangenschaft,
Und von dem äusserst kalten Meere, biß man von Morgenländern hört,
Da wird von Thracien alleine der Mond, und du zugleich verehrt.
Das, was du um mich siehst,
Wild, Beute, Sklaverey, Gewehr, und Siegeszeichen,
Die ich, als unterthängen Zinß hiermit zu deinen Füssen lege,
Die machen nun den Ruf von meinen Siegen rege.
Wie glücklich bin ich überdieß,
Daß, da ich jetzt was neues schenken kann,
Das meiner Tapferkeit der gütge Himmel zugetheilet,
Mein Vater selbst hierher es zu betrachten eilet!
SOLIMAN.
Bey allem diesen Pomp seh ich zwar deinen Stolz,

Zu Selim.

Allein nicht deinen Sieg. Was macht Tacmantes denn?
Wo stecket nun mein Feind?
SELIM.
Er floh: indessen legt das Glück,
Des Königs Persiens bedauernswürdige Töchter,
Die jetzo Fesseln tragen müssen,
Als Friedens-Geisseln hier zu deinen hohen Füssen.
Hier kommen sie gleich an.

Er sichet die Narsea, und Emira, welche von Osmin geführet werden.

Um vor dich zu gelangen,
Führt sie mein jünger Bruder her. (Wie frostig ist ein solch Empfangen;)

Zu sich selbst.

Die Gefangenen treten heran, und legen sich an dem Fusse des Thrones auf die Knie.

NARSEA.
Sieh hier zwei Opfern deines Grimms,
Die doch unschuldig sind, zu deinen Füssen liegen.
OSMIN.
Und welche deiner Gnad‘, und Huld
Wahrhaftig würdig sind.
EMIRA.
(Welch wildes Angesicht!)

Zu sich selbst, in dem sie Soliman ansiehet.

SELIM.
(Wie schläget nicht mein Herz,
Da es sein Gut so nahe sieht.)

Zu sich selbst.

SOLIMAN.
Steht auf.

Die Gefangenen stehn auf, und Narsea stellet sich auf Selims, Emira aber auf Osmins Seite.

Ich hatte ja, dir Sohn, befohlen;

Zu Selim.

Tacmantes lebend, oder todt zu meinen Füssen herzuholen.
Er lebt: mein Feind ist frey:
Und du, Prinz, hältst Triumph? Ich sehe ja so gar,

Er weist auf Selim, und Osmin, welche Persisch gekleidet sind.

Daß meine Söhne schon, gleich neuen Alexandern,
In Persianscher Tracht vor meinen Augen wandern.
Man spricht von Friede, da das Lager
Von Tauris wiederkommt. Ich schmeichelte mir schon,
Du würdest dich berühmt, allein durch andre Sachen,
Als Sklaven, wildes Thier, und Frauenzimmer machen.
ACOMAS.
(Die Gluth bricht wieder aus.)

Zu sich.

RUSTENO.
(Nunmehro wirkt der Gift.)

Zu sich.

SELIM.
Allein der Perser König
Fleht dich um Frieden an. Und ist es ein Triumph,
Wenn man verwegne straft, so wird es noch bei grösser,
Wenn man bezwungenen verzeiht. Es hat ja Persien
Schon eine Macht genug probirt: Nun lasse selbiges
Auch deine Gnade sehn. Die Welt bewundre sie:
Der Himmel falle bey …
SOLIMAN.
Ich will von dir Gehorsam haben,
Und keinen guten Rath. Die oberste Gewalt
Vom Ottomannschen Heer, die ich dir anvertraut,
Leg zu den Füssen meines Throns ohn allen Anstand nieder.
Verehre meinen Wink, und schnaube nicht dawieder.
SELIM.
Auf den ehrwürdigen Befehl
Leg ich die Stirne hin.

Er legt den Comando-Stab zu den Füssen des Thrones nieder, welcher von zween Bassa, von des Groß-Sultans Gefolge, aufgehoben, und auf ein gros golden Becken, welches ein Page reichet, geleget wird.

SOLIMAN.
Den Feldherrn sey nunmehr bekannt,
Daß die dem Sohn bißher vertraute höchste Macht
Vom ganzen Heer, anjetzt zu Ende sey gekommen.

Soliman stehet vom Throne auf.

Ich bin in Babylon, drum wird sie von mir wieder angenommen.
Das Lager sey daher auch morgen schon bereit
Mit mir aufs frühste aufzubrechen. Ihr Söhne wartet in der Burg
Indeß auf ferneren Befehl,
Und untersteht euch nicht von hinnen wegzugehen.

Er steigt vom Throne herunter.

OSMIN.
(Ich wage nicht ein Wort,)
SELIM.
(Ich bleibe steinern stehen.)
SOLIMAN.
Mein Feind, der König, sey auch immer, wo er sey,
So zittre er vor mir, und hoffe, weil er lebt,
Von mir in Ewigkeit nicht Frieden
NARSEA.
(Narsea, was wird dir geschehn!)

Zu sich.

EMIRA.
(Emira, was wird dir beschieden?)

Zu sich.

SOLIMAN.
Er flieht umsonst: und sucht vergebens,
Nebst Frieden, Sicherheit des Lebens:
Da ist kein Wald, da ist kein Ufer,
Das ihn von meiner Wuth befreyt.

Ein Sieger ist als Narr zu strafen,
Der gleich will auf den Lorbeern schlafen,
Damit der Feind die Flucht ergreife,
Und ängstlich nach dem Frieden schreyt.
Er flieht usw.

Soliman gehet ab, welchem alle Baßen, und seine Bogenschützen folgen, worauf die ganze vorige prächtige Begleitung des Selims sich nach und nach zurück ziehet.

Achter Auftritt.

Narsea, Emira, Selim, und Osmin.

NARSEA.
Und Selim redet nicht?

Zu Selim.

EMIRA.
Und Osmin schweiget gar?

Zu Osmin.

NARSEA.
Begehst du also dein Vermählen?

Zu Selim.

EMIRA.
Vermuthlich soll man dieß zum Friedensschlusse zählen?

Zu Osmin.

SELIM.
Mein Leben, liebster Schatz …
NARSEA.
Was? Ich dein Schatz! Wen redst du an?
SELIM.
O Himmel! scheint dir dieses denn
Ein gar so fremd, und kühnes Unterfangen?
NARSEA.
Fremd, und auch kühn genug.
SELIM.
Bist du denn nicht mein Schatz,
Und ich dein Bräutigam?
NARSEA.
Du irrest dich, weil ich
Tacmantes Tochter nur, und deine Feindin bin.
Von deinem grausamen Triumph
Muß ich ein Schauspiel seyn. Dich muß ich nur mein Unglück nennen,
Und vor den allzuwürdgen Sohn des Bluthunds Asiens erkennen.
SELIM.
Verschwör du dich nur noch, fürtrefliche Narsea,
Zu meinem Unglück nicht. Laß du mich wenigstens
Nur noch dein Mitleid seyn.
NARSEA.
So viel, als mein betrübter Vater
Von deinem hier erhält.
SELIM.
Kann, wenn mein Vater nicht den Frieden billiget,
Ich was dawieder thun?
NARSEA.
So? Da kannst du nichts thun? Und also machet dich
Der erste Anblick von dem Vater
Auf einmal wankelhaft? Ich thörichte! Ich habe
Mich einem Thracier vertraut! Geh undankbarer fort;
Vergiß so Lieb, als Treu, vergiß auch alle Schwüre:
Mach deinen Vater gut: Vollführe, was er will:
Und stille deinen Durst
In des Tacmantes Blut: Reiß nieder, senge, brenne:
Und mach, daß Persien sich nicht mehr kann erheben;
Ist dieß noch nicht genug, so nimm auch mir das Leben.

Halb zornig, und halb weinend.

SELIM.
Du kennst mich schlecht: Leb wohl.
NARSEA.
Wo willst du aber hin?
SELIM.
Zum Vater:
Um meine Neigungen ihm völlig zu entdecken,
Und weder Frieden, noch Heyrath zu verstecken:
Um beydes demuthsvoll zu seinen Füssen zu erwerben,
Und schlägt mir dieses fehl, mir Freuden, ohne dich, zu sterben.
OSMIN.
Mein Bruder, warte noch.
Sprich mit dem Vater nicht; sonst reitzst du ihn zum Zorn.
Du gibst der Arglist neue Waffen,
Zu deinem Schaden, in die Hand. Mein Herze lässet mich
Voraus ein Unglück sehn.
SELIM.
Es kann kein größres seyn,
Als was mir wiederfährt. Da mich mein Vater haßt,
Und meine auserwählte Schöne für mich nur Wiederwillen faßt,
So find ich mein Geschick so grausam, so unbillig,
Daß ich das Leben scheu; dem Tode folg ich willig.

O! meine Schöne, laß indessen
Die erste Liebe unvergessen,
Du kennst noch nicht mein redlich Herze,
Du siehst noch dessen Treu nicht ein.

Gewiß, ich stille dieses Weinen,
Das Mitleid soll vor uns erscheinen:
Wo nicht, so will ich zu den Füssen
Des Vaters ohne Leben seyn.
O! meine usw.

Gehet ab.

Neunter Auftritt.

Narsea, Emira, und Osmin.

NARSEA.
Osmin, folg ihm nur nach. Geh mit zum Vater hin,
Und suche nur mit seinen
Auch deine Bitten zu vereinen.
OSMIN.
Dieß gebe ja der Himmel niemahls zu.
Ich halte ihn vielmehr zurück.

Im Weggehen.

EMIRA.
Verzieh.

Sie hält ihn auf.

Ist Schwester dieß
Der nämliche Osmin,
Der Selim liebt, und nur nach seinem Willen lebet,
Der eben so ein Herz, wie jener hat, besitzt?
OSMIN.
O halte mich nicht auf:
Erlaub mir nachzugehn. Du kennest die Gefahr
Von meinem Bruder nicht!

Zu Emira.

Hohl ich ihn jetzt nicht ein,
So hohlt er selbst den Strick, der ihm den Tod soll geben:
Und wo er sterben muß, Narsea, bringst du ihn ums Leben.

Gehet ab.

Zehenter Auftritt.

Narsea, und Emira.

NARSEA.
Emira, hörst du wohl? Verdammest du an mir
Noch immer meine Furcht? Hat sie mein Unglück nicht
Mir in voraus gesagt? Es war nicht viel, vor einen Vater
In tausend Angst zu seyn; Nun macht mein Liebster mir
Noch zehnmahl grössere. Sag, was soll ich noch hoffen?
Beharrst du noch darauf, daß ich nicht weinen soll?
EMIRA.
Narsea, Muth gefaßt.
Es ist im Himmel noch ein gütiges Gestirne,
Das uns, und Selim schützt.
NARSEA.
Geliebte Schwester ich
Bewundere dein standhaft Herze,
Nachahmen kann ichs nicht. Ich bin zum Unglück blos gebohren.
Mich liebet Selim, und dieß ist genug,
Daß vor mich an dem Himmel
Kein gütger Stern mehr scheint. Ach Himmel, soll es seyn,
So will ich durch Verdruß dem Tode gerne unterliegen,
Allein laß du dir nur an selbigem genügen.

Verhängniß, schon des Vaters nur
Und rette das, was ich verehre:
Denn gieb mir weiter kein Gehöre,
Und stürme nur auf mich allein.
Laß mich durch dein erzürnt Bezeigen,
O Himmel auf das tiefste beugen:
Verzeihe aber meinem Vater,
Laß meinen Schatz erhalten seyn.
Verhängniß usw.

Gehet ab.

Eilfter Auftritt.

EMIRA allein.
Wie schlimm verfährst du nicht, o Liebe,
Mit denen, die dir traun! Wenn wird man wohl einmahl
Mit dir in Ruhe seyn? Nur Seufzer, Angst und Klagen
Sind deine Stärkungen, die du weißt aufzutragen.

Wenn deine Seele bey Verdruß
Der Liebe einmahl schwärmen muß:
So hat sie weiter kein Vergnügen,
So weiß sie nicht, was Ruhe sey.

Dem armen Herzen, das erkennet,
Daß es aus Liebe schmachtend brennet,
Bringt auch ein wirkliches Ergötzen
Die marterndste Empfindungen bey.
Wenn eine usw.

Gehet ab.

Zwölfter Auftritt.

Soliman, hernach Rusteno, endlich Selim.

SOLIMAN.
Das ganze Lager murrt,
Weil ich es führen will? Mein Sohn hat wirklich alle Herzen
Von mir ganz abgewandt. Stürz ich den Selim nicht,
Was fängt er wohl noch mit mir an?
RUSTENO.
Herr, Selim bittet dich,
Daß du ihn gönnst vor dich zu kommen.
SOLIMAN.
Geh: und verhindre ihn.
RUSTENO.
Wie du befiehlst. (Er ist gefangen.)

Zu sich, in Weggehen.

SOLIMAN.
Verziehe: Es wird beßer seyn,
Wenn ich erst höre, was er will. Wart ohnweit hier; und laß ihn kommen.
Vielleicht ist durch ihn selbst sein Untergang jetzt da.
RUSTENO.
(Mein Sieg verzögert zwar, hingegen ist er nah.)

Er gehet ab, und bleibet zwischen der Scene stehen.

SOLIMAN.
Ich will doch hören, was er sagt. Ich will nicht zornig thun.
Er soll vielmehr die alte Zärtlichkeit
In meinem Angesicht erblicken.
Es muß sein ganzes Herz mir zu entdecken, glücken.

Selim tritt herein.

Komm näher her, mein Sohn, und such des Vaters Gunst
Anjetzt aufs neue zu verdienen.
SELIM.
Durch was für ein Vergehn
Hab ich dieselbe denn, mein Vater, eingebüßt?
SOLIMAN.
Willst du, daß ich verzeih,
So steh dein Fehlen zu. Heißt dieses kein Vergehn,
Daß du dir hier vertraut, und höchste Macht bey Heere
So schändlich mißgebraucht? Daß du im ganzen Lager
Aufruhr erwecket hast? Und daß du, da du jetzt
Mein schwaches Alter sollst aufs beste unterstüzen,
Dich das Verlangen blos zum Throne läßt erhitzen?
SELIM.
So schuldig glaubst du mich? Die Erde schluck mich ein,
Wenn ich nur einen so verwegnen Gedanken,
Jemahls im Sinn gehabt. Nein, Vater, dich betrügt
Ein falscher Bösewicht. Du sollst anjetzo gleich
Mein ganzes Herze seyn. Ich will mein ganz Verbrechen
Dir willig zugestehn. Allein dasselbe ist
Gar nicht von dieser Art. Nur Liebes-Fehler sind begangen,
Und nach Narsea steht mein einziges Verlangen.
SOLIMAN.
Nach der Narsea? Sag;
Was hofst du denn von dieser Liebe?
SELIM.
Daß sie mein Vater billige,
Daß mich ein feierliches Band mit ihr vereinige:
Und endlich sey durch diese Wahl ein dauerhafter Frieden,
So wohl den Persern, als den Thraciern beschieden.
SOLIMAN.
Hat sie zu dieser Heyrath schon
Von dir ein förmliches Versprechen?
SELIM.
Ja, sie hat Hand und Schwur: ich werd‘ ihn auch nicht brechen.
SOLIMAN.
Verwegner, und du schwörst, Tacmantes Kind
Zu meiner Aeltern Thron, und Bette zu erheben,
Und gleichwohl rühmst du dich noch Unschuldsvoll zu leben?
SELIM.
Man siehet ja auf deinem Thron
Jetzt deine vorge Sklavin prangen,
Warum soll nun die Erbin nicht von Persien dazu gelangen?
Du führtst durch Rosselanen ja
Auf seynerlichste Art die Heyrath wieder ein,
Ich folg dem Vater nach, und soll doch schuldig seyn?
SOLIMAN.
Und du versprichst die Eh, und schafst, ohn daß ichs weiß,
Den Frieden dem, den ich mit aller Macht bekriege,
Und ich soll stille seyn? Bin ich denn also nur
Ein Königlich Gespenst? Und bist du von dem Reich
Der unumschränkte Herr?
Ich also kann nicht mehr nach meinem Gutbefinden,
Den Krieg bestätigen, und friedlich mich verbinden?
SELIM.
Erzürne dich nur nicht. Narsea liebe ich,
Und leb auch nicht ohn sie. Drum komm ich her zu deinen Füssen,
Und will entweder meinen Tod, wo nicht, Belohnung von dir wissen.
Ach find dir jetzt in deiner Brust,
Die ersten Neigungen nicht gänzlich unbewußt:
Hab‘ ich, wenn ich dir nachgefolgt,
Durch allen meinen Schweiß, durch alle meine Wunden
Jemahls etwas verdient: So mach, daß mein unschuldge Liebe
Noch endlich glücklich sey. Sprichst aber Vater, du
Was ich gelobt, nicht gut: So ist dieß mein Verbrechen.
Ich schütze mich nicht mehr,

Er kniet nieder.

Eröffne meine Brust,
Durchstosse mir das Herz: Besänftge dich durch mein Verderben.
Mein Fehler ist zu schön, noch schöner ist mein Sterben.
SOLIMAN.
Steh auf. Ich werde mich entschlüssen.
SELIM.
Sprich, Herr. Ich will von meinem ietzigen Geschick
Hier unterrichtet seyn. Und eh begeb ich mich
Auch nimmermehr von deinen Füssen.
SOLIMAN.
Ich thue, was du willst: Du sollst dein Schicksal wissen.

Gehet ab.

SELIM.
Er lässet mich!

Er stehet wieder auf.

Wohlan, ich will es hier erleben.
RUSTENO.
Dein Vater, Selim, will du sollst den Degen geben.

Es kommen 12. Bogen-Schützen mit Rusten heraus.

SELIM.
Den Degen!
RUSTENO.
Dein Schicksal thut mir weh.
Allein, du weißt es wohl,
Daß ich muß dem Monarch gehorchen.

Er gehet auf ihn los, um ihn zu entwafnen.

SELIM.
Verwegner, geh zurück.

Er stößt ihn von sich.

Von deines gleichen nimmt
Mir keiner mein Gewehr. Ich aber geb es hin.

Er nimmt den Degen ab.

Doch sag dem Vater nur, daß ich zwar seinen Wink verehre,
Allein aus keiner Furcht. Ein recht unschuldig Herz
Geht seinem Schicksal stets mit frohem Muth entgegen:
Geh du zum Vater hin: Hier hast du meinen Degen.

Er wirft den Degen dem Rusten vor die Füße, und einer von den Bogen-Schützen hebt ihn auf.

RUSTENO.
(Sag‘ alles, was dein Zorn nur immer sagen kann,
In einem Augenblick fängt meine Rache an.)
SELIM.
Mein Vater nehme meinen Degen;
Allein er mag zugleich erwägen,
Wie oft er schon in manchen Schlachten
Zu seinen Nutzen hat geblitzt.

Und soll ich auch noch heute sterben,
So werd‘ ich doch den Ruhm erwerben,
Daß er von allen seinen Feinden
Vor ihn sehr vieles Blut verspritzt.
Mein Vater usw.

Gehet zwischen den Bogen-Schützen ab.

Ende der ersten Handlung.

Andre Handlung.

Erster Auftritt.

Ein Cabinet, mit Persischen Zierrathen ausgeputzt.

Ein vor Soliman reicher zugerichteter Sopha.

Soliman, hernach Osmin.

SOLIMAN.
Hier!

Es kommt ein Page heraus.

Laßt Acomas vor uns kommen.

Der Page gehet ab, und Soliman setzt sich nieder.

OSMIN.
Mein Vater, wenn ich mich
Zu deinen Füssen niederlege,
So zürne nicht mit mir.

Im Niederknien.

SOLIMAN.
Steh auf. Sag, was verlangest du?
OSMIN.
Was kann ich anders wohl verlangen
Als Mitleid, und Verzeihn
Vor meinen armen Bruder?
SOLIMAN.
Du willst mein Mitleid, und Verzeihn;
Weißt du denn aber auch
Was er verbrochen hat?
OSMIN.
Verbrechen weiß ich nicht:
Allein, mein Vater, wenn auch ich nicht reden soll,
Wer spricht denn sonst für ihn?
SOLIMAN.
Schweig: denn ich kann,
Und darf dich auch nicht hören.
OSMIN.
O allerliebster Vater …
SOLIMAN.
Osmin, hast du gehört?
Ich habe dir zu schweigen ietzt befohlen,
Nicht, daß du klagen sollst.
Geh: und erfülle das, was ich dir aufgeleget.
OSMIN.
(O, daß ein Vater doch so wenig Mitleid heget!)

Soll mein geliebter Bruder, Leben,
Und Blut du deiner Rache geben:
So töd‘ ihn nur in meinem Herzen,
Da trifst du ihn gewißlich an.

Mein ganzes Blut soll gleichfalls fliessen,
So bald er seines wird vergiessen:
Ich will mit ihm zugleich verderben,
Wenn ich nicht vor ihn sterben kann.
Soll mein usw.

Gehet ab.

Andrer Auftritt.

Soliman, hernach Acomas.

SOLIMAN.
Was hilft es mir nunmehr,
Daß ich die Araber geschlagen,
Und daß Aegea, nebst Aegypten Fesseln tragen?
Ist dieß der Preiß von meinen Siegen,
Daß, da ich bald in Ruh die Augen sollte schliessen
Das Lager muß empört, den Sohn Verräther wissen?
Komm her, Acomas komm,
Vertheidge mir nun noch den ungerathnen Sohn,
So fern dirs möglich ist. Heiß meinen Argwohn nun
Noch immer ungerecht: Narsea wird
Von Selim so geliebt, daß er als Bräutgam ihr
Die Treu geschworen hat: Zu meiner Schande will
Er dem Tacmantes Friede geben,
Und alle Pflicht ist schon im Stolz so weit verstecket,
Daß er sein Absehn mir frey ins Gesicht entdecket.
ACOMAS.
Vielleicht entdeckt dir Selim nur sein Herz,
Um deinen Zweifel beyzulegen.
SOLIMAN.
Auf diese Art vermehrt er ihn:
Ich fürcht‘ ietzt mehr als sonst jemahls,
Daß zwischen meinem Feind, und Sohn
Ein schädliches Verständniß sey.
ACOMAS.
Woher entsteht die Furcht?
SOLIMAN.
Aus seiner thörichten,
Und recht verwegnen Brunst. Aus dem verlangten Bündniß
Mit seiner Persiern: Auch aus dem Lager selbst,
Daß sich bereits für ihn verschwöret,
Und aus der sichern Art, wodurch er sich erkläret.
ACOMAS.
Doch wenn ich reden darf …
SOLIMAN.
Sprich nur. Und, wenn dirs möglich ist,
Vertheidige sein Thun. Nein, nein: ich habe nicht
Nach meinem Blute Durst. O sollt er nur in meinem Augen
Aufs neu unschuldig seyn!
ACOMAS.
Und ich seh noch nicht ein,
Was er verbrochen hat. Er liebet die Narsea.
Drum hat er gern mit dir vom Frieden wollen sprechen,
Blos, daß er sie erhält: Dieß ist sein ganz Verbrechen.
SOLIMAN.
Soll dieser Liebe nun die Ottomannsche Grösse
Feil, und zu Diensten stehn? Soll ich mit Persien
Mich nun vereinigen, und selbst die Wafen geben,
Wodurch ich noch als Knecht von meinem Feind kann leben?
Nein, dieses leid ich nicht. Die Macht von blinder Liebe,
Ist mir bereits bekannt. Nein, meiner Aeltern blutgen Spur
Muß ietzt gefolget seyn. Durch einen einzgen Streich
Kann ich die letzten Tage noch von meinem Leben sicher machen.
Holla! …

Es kommt ein Page heraus.

ACOMAS.
Was hör ich! Soliman! Wie kannst du von dir selbst
So unterschieden seyn! Du hast der Aeltern Spur
Stets mißgebilliget, und ietzo folgst du ihr?
Ach halte ein! Ach was erweckst du nicht
Für Leid vor deine Unterthanen,
Den Feinden nichts als Sieg,
Und dir hingegen Reu! Entziehe doch der Welt
Dein eignes Bildniß nicht. Du weißt, wie oft dein Sohn,
Bald über Indier, bald aber über Mauren,
Als Sieger wiederkam. Du weißt, daß er als Kind
Schon dein Ergötzen war, und weißt …
SOLIMAN.
O denke mir an meine Neigung
Und seinen Ruhm nicht mehr.
Ich weiß so beydes allzusehr.
ACOMAS.
Ach ja, ich kann die Regungen des Bluts
Dir aus den Augen sehn.
Herr, steh denselben bey. Bestraf die Missethäter,
Die dir dein Herz verführt. Nein Selim schicket sich
Nicht zu Verrätherey: Ruff ihn zu dir zurück,
Mach ihn von Banden frey:
Schenk ihm die erste Gunst. Er wird vom ganzen Heer
Zu deinem Schutz die Neigung rege machen,
Sein Eifer weyht sich dir, sein Arm, sein Helden Muth,
Und wenn dus haben willst, so sag ich vor ihn gut.
SOLIMAN.
Schweig: Gehe: Weiter nichts.
ACOMAS.
Entschlüsse dich: Ich lauffe eiligst hin,
Er soll sogleich zu deinen Füßen seyn.
SOLIMAN.
Geh, laße mich allein.
ACOMAS.
Ach, wo dein Herz so grausam ist,
Daß es seyn Mitleid gar vergißt:
So denke nur, wer der Verbrecher,
Und auch, was das Vergehen sey.

Besinne dich auf meinen Rath:
Denk, welch ein Herz ein Vater hat:
Denk, daß dein Sohn sich hat vergangen,
Allein wodurch? durch Lieb‘ und Treu.
Ach, wo dein usw.

Dritter Auftritt.

Soliman, hernach Narsea.

SOLIMAN.
Wie schlimm ist nicht mein Stand! Was soll ich nun als Vater,
Und als Regente thun? Nach Schärfe schreyt der Thron,
Der Sohn nach Gnad‘ und Huld. Du, der du über Muselmänner,
Und über Himmel herrschst,
Ach lenke einem armen Vater
Sein so betrübtes Herz. Sag jemand, daß Narsea

Der Page geht ab.

Hier zu mir kommen soll. Man such vor Mittel ihn zu retten,
Eh daß man ihn bestraft. Ich wollte gern verwunden,
Und gleich wohl weiß ich nicht, durch was für Zauberey
Mir meine Hand dazu starr, und gehemmet sey.
NARSEA.
Sieh deine Sklavin hier
Auf deine hohen Wink. Darf ich denn aber hoffen,
Daß Soliman mein Bitten hört?
SOLIMAN.
Was willst du denn von mir?
NARSEA.
Ach steht es jemahls frey,
Daß eine unglückseelge Sklavin
Um Gnade bitten darf: So habe Herr, mit meinem Vater
Erbarmen, und Geduld. Um deiner hohen Augen willen,
Die ich mir anzusehn nicht trau: Um alle diese Thränen,
Die mir aus meinen Augen schon …
SOLIMAN.
Willst du den Vater frey, so rette meinen Sohn.
NARSEA.
Und auf was Art!
SOLIMAN.
Narsea, Selim ist
Aus Lieb in dich entbrennt. Er hat dich, in das Bett‘,
Und auf den Thron der Ottomannen
Zu führen angelobt. Ich kann in seinem Wunsch
Unmöglich willigen. Ich wär als Vater zwar
Ihm dieses zu verwehren,
Alleine groß genug. Allein ich möchte nicht
Den üblen Wirkungen von starrigtem Verstocken
Ihn ausgesetzet sehn. Drum such‘ ich Rath bey dir:
Vernichte du, was unbedachtsam
Von ihm versprochen ist. Bleib hier. Ich schick dir meinen Sohn
Den Augenblick hierher. Sag ihm, daß er nicht mehr
An dich gedenken soll, und seine Gunst zu andern
Nunmehro wenden muß. Er wird bezwungen seyn,
Wenn er bey der, die seine Brust entzündet,
Den Ausspruch seines Glücks, auf deinen Lippen findet.
NARSEA.
Es ist war: Selim hat
Mein‘ unglückseelige, und nur geringe Schönheit
Gefällig angesehn.
Er liebt mich, und ich sollte eher sterben,
Als ihm auch günstig seyn; allein (ich kann nicht lügen,)
Ich lieb ihn ebenfalls, und will dich nicht betrügen.
Dieß weiß auch Selim schon. Und ich sollt ietzo selbst
Solch grausam Urtheil ihm … Nein Herr: Besinne dich
Auf einen andern Rath. Denn wenn ich auch schon wollte,
So weiß ich, daß ein einzger Blick den ganzen Mund verrathen sollte.
SOLIMAN.
Der Schluß ist schon gemacht: Stehst du mit deinem Wollen
Den meinigen ietzt bey, so geb ich deinem Vater Friede,
Und lasse dir, und deiner Schwester
Die Freiheit wieder zu. Schlägst du es aber aus,
So ist kein Mitleid, und kein Friede
Vor den Tacmantes mehr. Und weil du meinen Sohn verführt,
Sollst du es schwer entgelten müssen.
NARSEA.
Entferne ihn vielmehr von mir
So weit, als du nur willst. Ich will selbst vor ihm fliehn,
Und ihn nie wiedersehn.
SOLIMAN.
Es liegt mir allzuviel daran,
Daß du ihm aus dem Irrthum hilfst. Denn wenn er dich nicht läßt,
So ist sein Tod gewiß.

Er stehet auf.

Ich bin nicht weit von hier,

Die Pagen nehmen die Teppiche weg.

Ich werde alles sehn. Du bringst auf ewig nun,
Wenn er sich nicht entschlüßt, sich gleich von dir zu scheiden,
Den Vater selber um, und mußt den Liebsten meiden.

Wünschst du den Vater auf dem Throne?
Wünschst du das Leben meinem Sohne?
So kommt des Vaters, und des Liebsten
Geschick auf dich alleine an.

Verlangst du Schärfe nur zu sehen;
Soll Gnade gegen sie geschehen:
Entschlüsse dich, daß sich mein Herze
Mit dir zugleich entschlüssen kann.
Wünschst du usw.

Gehet ab.

Vierter Auftritt.

Narsea, hernach Selim.

NARSEA.
Ich soll die meinem Schatz
So oft geschworne Treu,
Nun selbst aufkündigen! Der Prinz soll nun auf immer
Von mir entfernet seyn! … Und dieser Ausspruch soll
Durch meinen Mund geschehn … Ist aber dieses nicht
Soviel als wie der Tod? … Ja. Aber dadurch helfe ich
Dem Vater wieder auf den Thron, dadurch erhalte ich
Das Leben meinem Schatz: Und beyde bring ich um,
Wenn ich die Liebe nicht gleich suche zu verderben,
Und Selim heisse fliehn. Drum thu ich es, denn will ich sterben.
Da ist er: Himmel steh mir bey!
SELIM.
Kann ich denn endlich einmahl,
Mein auserwähltes Leben,
Dich ohne Furcht in Nähe sehn?
NARSEA.
(Was ist dieß nicht für Pein!)

Zu sich selbst.

SELIM.
Es hat jemand das Herz gehabt,
Mit meinem Vater so zu sprechen,
Daß mirs geholfen hat. Die Fesseln sind schon abgenommen,
Und er erlaubet mir, daß ich dich ietzo seh.
Wodurch ist mir die Näh von unsrem künftgen Glück
In voraus prophezey. Nun werd‘ ich diese schöne Augen
Nicht mehr erzürnet sehn. Ach bist du ietzo noch
Die du gewesen bist … Wie? du entziehest dich
Ja jedem Blick von mir? Antwortest du auf mein Vergnügen
Mit solcher spröden Art?
NARSEA.
(Bald, bald wird mich der Tod besiegen!)

Zu sich selbst.

SELIM.
Du wolltest reden, und du schweigst?
Von einem Herzen, das dir allzeit zugehöret …
Mißfället dir die schuldge Huldigung
NARSEA.
(Nein Herze Muth gefaßt, und scheine nicht zerstöret.)

Zu sich selbst.

Nein Prinz, erstaune nicht. Ich bin gar nicht für dich gebohren,
Und du auch nicht für mich. Doch hab ich dich vielleicht geliebet:
Allein (o Himmel!)

Zu sich selbst.

Unsre Sterne
Verstatten dieses nicht. Ich darf dich nicht mehr lieben:
Und wird vor diesen Wankelmuth von dir mir Strafe zubeschieden,
So mach‘ es so wie ich, und lasse mich zu frieden.
SELIM.
Träum‘, oder schwärme ich? Narsea, bist du es?
Bin ich denn Selim noch? Allein, wenn du dich mir entziehst,
Für wen soll ich inskünftge leben?
NARSEA.
Du lebst schon ietzt nicht mehr für mich.
SELIM.
Allein warum, mein Herz? Wo kommt so unvermuthete,
So fremde Aendrung her?
NARSEA.
Was hilft dirs, wenn dus weißt. Mein Schicksal ist zu schwer.
SELIM.
Und also läßt du mich? Und was
Fang ich nun ärmster an? Barbarin! Undankbare!
Ist dieses nun mein Lohn? Ich schlag ein ganzes Reich
Nur dir zu Liebe aus: Mein Vater kommt dadurch in Zorn:
Mir drohet gar der Tod. Und da ich glaube, meine Furcht
Und die Gefahr sey nun verlohren,
So leb‘ ich nicht für dich? So bin ich nicht für dich gebohren?
NARSEA.
(Dieß lasset Marter seyn.)

Zu sich.

SELIM.
Du jagst mich fort: und hörst mich nicht,
Und sagst auch nicht warum. Wo findt man in der Welt
Dergleichen Untreu mehr? Vertraut dem weichlichen Geschlechte,
Ihr liebenden, euch fernerhin. So mach‘ es doch nur kund,
Sag wenigstens, worinn mein Fehler stecken soll?
Erkläre dich: und sprich.
NARSEA.
(Ach länger daur‘ ichs nicht.)

Zu sich.

Leb wohl.
Ich schein dir freylich undankbar:
Doch weiche nur dem Schmerz nicht gar:
Entziehe dich nur meinen Augen,
Und denke weiter nicht an mich.

Nenn mich nur ein leichtsinnig Herze,
Und droh mir mit der Untreu Schmerze:
Du wirst mich doch beständig finden,
In kurzem zeigt die Ursach sich.
Ich schein usw.

Gehet ab.

Fünfter Auftritt.

Selim, hernach Soliman.

SELIM.
Sie flieht mich! Ach ich geh‘ ihr nach!

Er will ihr nachfolgen, begegnet aber dem Soliman.

SOLIMAN.
Halt deine Schritte ein.
Hör mich ietzt an, und schweige.
SELIM.
(Kann wohl jemahls ein Mensch in grössern Aengsten seyn.)

Zu sich.

SOLIMAN.
Sieh nur, auf was für einen Grad
Die Gnade für dich bey mir steigt. Mir deine Unschuld anzurühmen
Ist ein vergebnes Werk. Du scheinst dem Vaterland
So schuldig als wie mir. Ich konnte dich bestrafen,
Ich wollt‘, und sollt‘ es thun. In Thracien wird noch verehret,
Was man von Manlius, und Brutus sonst gehöret.
Allein, in eines Vaters Herz
Erstickt der Zorn sehr leicht. Ich denke auch nicht mehr
An alles dein Vergehn. Ich schenke dir durch dieß Umarmen
Die erste Liebe wiederum.
O, machen mir durch uns derselben neue Ehre.
SELIM.
Ach Vater, voller Huld …
SELIM.
Schweig, und gieb mir Gehöre.
Du willst, ich soll den Persiern den Frieden zugestehn?
Ich räume dieses ein. Und gebe dir so gar,
Wenn dich dieß ruhig macht,
Den Thron, der mir gehört. In meinen Augen wird
Der letzte Schlaf bald seyn. Der Tod wird bald
Den durch viel Schweiß erworbnen Schmuck
Von meinem Haupte ziehn. Du wirst zum Thron gelangen,
Was hofst du aber da zu finden?
Ein unglückseelig Nest, und die elendsten Hütten,
Wo Furcht, und wo Verdruß, und Argwohn stündlich wüten.
SELIM.
Des Thrones solches Schein
War niemahls, was mir kann …
SOLIMAN.
Schweig ietzt, und hör mich an.
Kann ich von dir so viel gegebene Geschenke
Nunmehr auch eines Lohns
Von dir gewärtig seyn?
SELIM.
Mein Vater, ach befiehl,
Verlange was du willst, ich und mein Blut sind schlechte Gaben.
SOLIMAN.
Ich will so viel nicht von dir haben!
SELIM.
Ich thu, was du nur willst.
SOLIMAN.
So nimm Amasiens Statthalterschaft aufs neu
Als wie vor diesem an. Und wo die Vater-Liebe
Noch einen Preiß verdient, so bitt‘ ich dieß von dir:
Vergiß auf einmahl die Narsea: Sieh sie nicht wieder: geh von hier.
SELIM.
(Ich unglückseeliger!) Nimm, wenn es dir gefällt,
Mein Leben wieder hin:
Nur laß mir meinen Schatz. Sie ist meineidig, undankbar,
Wie gern vergäß ich sie! Ich kann es nicht. Ach wisse …
SOLIMAN.
Ich will von dir nichts weiter hören.
Kannst du auch nicht einmahl
Den Vater nur zum Lohn, und zu Gefallen leben:
So hör‘ ietzt den Monarch: Der hat dir den Befehl gegeben.
SELIM.
Hierinnen kann ich dir nun nicht gehorsam seyn.
SOLIMAN.
Und ich verlange es.
Narseens Leben soll mir nun vor dein Gehorchen
Die einzge Geisel seyn. Thust du noch Wiederstand,
So ist für dich bey mir kein Hoffen,
Für sie kein Mitleid mehr. Der Pfeil wurd‘ angehalten,
Doch drum nicht weggelegt. Er kommt nicht wieder auf den Bogen,
Wenn man ihn einmahl schießt. Ich rathe dir, du kannst es wittern,
Selim, zum letzten mahl. Denk dran, und fange an zu zittern.

Gehet ab.

Sechster Auftritt.

Selim, hernach Osmin.

SELIM.
Kann in der Welt auch wohl nun noch ein Unglück seyn,
Das für mich übrig bleibt!
OSMIN.
Geliebter Bruder, ach! erlaube, daß ich dich
Einmahl umarmen darf. Doch endlich … Was seh ich?
Was hast du denn für neue Pein?
SELIM.
Ich bin der unglückseeligste
Von allen sterblichen. Narsea hasset mich.
Sie will nicht mehr, daß ich sie liebe. Sie jagt mich fort, und flieht:
Und bey Verlust von ihrem Leben, verbietet auch mein Vater mir,
Daß ich ihr folgen darf. Und dennoch will ichs thun,
Und sollt‘ ich in die tiefsten Klüfte
Nach ihren Tritten gehn.

Im Weggehen.

OSMIN.
(Er bringt sich selber um.) Halt ein.

Er hält ihn zurück.

So liebst Narsea du? So willst du, da du sonst
Dein Leben vor sie gabst, nunmehr die Hand bewafnen,
Die sie zum Tode bringt? Es ist ein schöner Gegenstand
Für einen liebenden, wenn er die Helfte seiner Seele
Vor sich entathmen sieht, und noch die letzten Worte
Von ihren Lippen sammeln kann: Wenn er die weiche Brust
In vollem Blut erblickt …
SELIM.
Schweig, unbarmherziger.
Ich werde gehn. Sie soll mir sagen,
Warum sie anders ist: Warum sie mich entfernt will wissen,
Sie soll mir alles dieß Geheimniß sagen müssen.
Hernach will ich von hier, und auch zum Tode gehn.
OSMIN.
Verzieh, ich will zu ihr
An deiner Stelle gehn. Indessen lindere
Den Schmerz, der dich besiegt. Ich hätte eben auch
Zu klagen grosses Recht. Du kennest noch die Wunden
Von diesem Herzen nicht: Du weißt nicht seine Triebe:
Und seufzest nicht allein aus Liebe.

Gehet ab.

Siebenter Auftritt.

SELIM allein.
Was sagt er! Was hab ich gehört! Ach sollte wohl mein Bruder
Mein Nebenbuhler seyn! Nein: man kann die Narsea
Nicht ohne Liebe sehn. Der Pfeil, der mich verletzt,
Traf auch des Osmins Herz. Vielleicht steht meiner ungetreuen
Die neue Liebe an? Dieß wird die Qvelle seyn,
Woraus die Unbeständigkeit
Von ihr entsprungen ist. Ach die Verrätherey
Muß mir entdecket seyn. Ich will ietzt zu ihr gehn,
Und bitten Vorwurf thun, und denn mein Leben in Verzweiflung
Von ihren Augen endigen. Der Vater töde mich;
Es töd mich diese Hand: Nur man ernähre nicht
Solch unbarmherzig Gift:
Und lebe nicht, wenn uns dergleichen Hölle trift.

Ich glaubte schon, der Tag sey heiter,
Ich dacht‘ an keine Stürme weiter:
Allein, so Meer, als Himmel trüget,
Und meine Hofnung täuschet mich.

Auch alles hat sich ändern müssen:
Soll ich denn jedes Unglück wissen:
O nunmehr ist es Zeit zu sterben,
Ja, armes Herz, sonst qvälst du dich.
Ich glaubte usw.

Gehet ab.

Achter Auftritt.

Eine angenehme Gegend, mit einigen Rasen-Bänken.

Emira, hernach Osmin.

EMIRA.
Nunmehro fasse Herz. Emira lasse sehn,
Daß du noch Muth besitzt. Nun kannst du endlich wieder
In alter Freiheit seyn. Sie hat schon Soliman
Narseen zugesagt. Und diese kauffet sie
Mit ihres Herzes Qval. Hast du nicht Kraft genug,
Ihr dieses nachzuthun? Und gleichwohl bist du die,
Die Kraft anrathen will. Du kannst Osmin nicht lassen,
Er ist dir viel zu lieb. Du fängst schon an zu sterben,
Wenn du nur dran gedenkst. O ihr beglückten Ufer.
Wo meine Lieb‘ entstand. O angenehme Ketten,
In denen diese meine Seele
Zu dienen lernte … Allein hier kommt Osmin.
Zum wenigsten laß man
Ihm seine Schwäche nur nicht sehn.
OSMIN.
Wo ist Narsea denn?
EMIRA.
Und was verlangest du?
OSMIN.
Ich hab‘ etwas
Nothwendiges mit ihr zu sprechen.
EMIRA.
Such nur dieselbige
Dort in dem Schatten. Lebe wohl.

Im Weggehen.

OSMIN.
Und du verlässest mich?

Er hält sie zurück.

EMIRA.
Was willst du denn von mir?
OSMIN.
Dieß ist das letzte mahl,
Daß ich dich sprechen kann. Ich werde dich vielleicht
Wohl niemahls wieder sehn. Du weißt es ebenfalls,
Und wartest keinen Augenblick. Soll ich denn auch
Zum wenigsten nicht Abschied von dir nehmen?
EMIRA.
Was aber willst du denn?
OSMIN.
Nicht das geringste, grausame.
Allein, verdien‘ ich auch nicht deine Liebe,
So schlage mir dein Mitleid nur nicht ab.
EMIRA.
(O was ist dieß für eine Zeit!) O Himmel!

Zu sich selbst. Sie seufzet, und sieht den Osmin mitleidig an.

OSMIN.
Was seh ich? Ach fürtrefliche Emira,
Kann ich denn also wohl noch hoffen? …
EMIRA.
Wie! Und was siehst du denn?
OSMIN.
Soll ich dein Mitleids voller Blick,
Soll denn dein Seufzen nicht …
EMIRA.
Es ist dir nicht erlaubt,
Geheimniße von andern Herzen
Nach deinem Willen einzusehn. (Bald war ich außer mir.)

Zu sich.

Narseen willst du sehn? Sie ist nicht weit von hier.
O lerne doch mit deinem Heucheln,
Ein andermahl dir nicht zu schmeicheln:
Was ich in meiner Brust verberge,
Steht dir nicht frey, es einzusehn.

Ich kann so gar auch in den Ketten,
Noch immer meine Ehre retten:
Und meine Rückkunst zu dem Vater
Kann, ohne roth zu seyn, geschehn.
O lerne usw.

Gehet ab.

Neunter Auftritt.

Osmin, hernach Selim.

OSMIN.
Wie stolz ist diese Schönheit nicht! Allein ich muß Narseen suchen,
Ich soll, und muß sie sehn. O Himmel! Wie, mein Bruder!

Er sieht Selim.

Was willst du, Selim, denn?
SELIM.
Ich werde hier vielleicht
Dir ungelegen seyn. Allein ich muß
Mit der Narsea selber sprechen:
OSMIN.
O gehe fort. Sie wird ihr Herz
Mir zehnmahl leichter offenbaren.
SELIM.
Nein, nein: Ein Nebenbuhler schickt
Sich zum Vertrauen nicht.
OSMIN.
Und ich soll also gar
Dein Nebenbuhler seyn?
SELIM.
Ja: Denn raubest mir, was mich vergnügen kann.
OSMIN.
Träumst du? ich ehre zwar Narseen, allein ich beth‘ Emiren an.
SELIM.
Du liebst Emiren? Ach! nun fang ich wieder an zu leben.
OSMIN.
Ich hab‘ in Babylon,
Wie du in Tauris thatst,
Gelernet, wie man seufzen muß.
SELIM.
Nun seh‘ ich alles ein.
Ich habe mich geirrt. Verzeih.
Wo ist Narsea denn? Mir scheint …

Er siehet begierig in die Scenen.

OSMIN.
Ach! er hat sie bereits gesehn.

Er wird sie gewahr.

SELIM.
Da ist sie; Und sie kommt auf diese Seite zu.
OSMIN.
O Sterne! führet nur
Den Vater weit von hier.
SELIM.
Ich will verborgen auf sie warten.
Sie wird mir nicht entfliehn.

Er tritt bey Seite.

Zehnter Auftritt.

Narsea, und der vorige, hernach Soliman.

NARSEA.
Ach könnt‘ ich doch nur dem Geliebten
Die lautre Wahrheit zugestehn!
SELIM.
So seh ich dich noch wiederum …

Er zeigt sich, und zwar mit einer Art, als wenn er ihr Vorwürfe wollte machen.

NARSEA.
(Was werd‘ ich hier gewahr.)

Bestürtzt.

Ach schweige nur mein Prinz.
Ich fühle schon in meinem Herzen,
Was du mir vorzuwerfen denkst. Ach martre mich
Geliebter Selim nur nicht mehr. Ich bin nicht ungetreu.
Dein Vater hörte mich. Und es war sein Befehl.
Die Untreu, die du glaubst,
Errettet dir das Leben.
SELIM.
Mein auserwählter Schatz:
Wir sind allein.
NARSEA.
Ach traue nicht. Es ist kein Ort‘, wo nicht
Ein Sultan gegenwärtig sey. Und glaubt man denn, und wenn
Er werde nimmermehr in eine Gegend kommen:
So sieht er alles unvermerkt, und hat auch alles schon vernommen.
SELIM.
Nein, fürchte dich für nichts: sag aber, liebst du mich?
NARSEA.
O undankbares Herz!
Trägst du noch Zweifel dran? Sieh, ob ich dich noch liebe,
Ich stosse mir zu deinem Heil
Ein Eisen in die Brust: ich sterb‘, und will dich meiden.
SELIM.
Ich thu zu deinem Heyl noch mehr. Ich laß dich, und will lebend leiden.
NARSEA.
Du lässest mich?
SELIM.
Ich soll aufs neue nach Amasien zurück,
Dieß will mein Vater so. Er drohet deinem Leben,
Wenn ich ihm wiedersteh, daher macht die Gefahr,
Daß ich gehorchen muß; ja meine Tugend wird
Durch deine aufgeweckt. Ich wär nicht abgereist,
So lang du ungetreu in meinem Augen schienest.
Doch ietzt, da du den Ruhm vollkommner Treu verdienest,
So scheint das Unglück mir bey meiner Reife minder.
NARSEA.
So reist du denn? Und wenn?
SELIM.
In diesem Augenblick.
NARSEA.
Ach höre.
(Du armes Herz, du hast dich stark geglaubt,
und bist es wirklich nicht.)
SELIM.
Sag: Was verlangest du?
NARSEA.
O weh! Es wird mir dunkel vor den Augen,
Und mein Fuß strauchelt schon.
SELIM.
Ach lassen wir uns nur ein grosses: Lebe wohl,
Geliebte, nicht gereun. Erhalte dich, und geh
Ins Vaterland zurück. Mir soll allein der Tod
Ein Mittel seyn, wodurch ich einen Trost erwerbe.
Gedenke meiner nur.
NARSEA.
Wer steht mir bey … ich … sterbe.

Sie fällt auf eine Rasen-Bank ohnmächtig nieder.

SELIM.
Ich unglückseeliger! Narseen ist nicht wohl.
Ihr Schmerz bezwinget sie. Mein einzges Gut.

Er nähert sich ihr.

Prinzeßin. Du mein Leben.
Verirre dich doch nicht. Ruff deine Tugend nur zurück.
Eröfne wiederum die allerschönsten Augen.
Ich bin ja nicht von dir entfernt, und werde niemahls dazu taugen.
Sieh mich nur wieder an.

Er kniet vor ihr nieder.

NARSEA.
O weh!
SELIM.
Komm wiederum zu dir,
Erhohle dich, mein Schatz. Ich gehe nicht von hier.
Nein: fürchte dieses nicht. Ich schwörs bey deinen schönen Lippen,
Bey dieser Hand, die ich umfasse,

Er nimmt sie bey der Hand.

Ich werde niemahls gehn.
SOLIMAN.
Fahrt fort.
SELIM.
(O Himmel!)

Narsea steht erschrocken auf.

NARSEA.
(O Sterne!)
SOLIMAN.
Fahrt fort, ich störe nicht
So zärtlich‘, und so schöne Triebe.

Höhnisch.

NARSEA.
Ach Herr, erzürne dich,
Nur ja nicht über ihn.
SELIM.
Wenn ich ietzt dein Geboth, mein Vater, übertreten,
So klage nur darum Narseen ja nicht an.
Ich bin an allem Schuld.
NARSEA.
Nein, ich hab es gethan.
Er ist hierher auf mein Verlangen kommen.
SELIM.
Ich habe sie gesucht.
SOLIMAN.
Beruhiget euch nur, ich hab genug vernommen.
SELIM.
Durchstosse mir das Herz, allein mich von ihr zu entfernen

Entschloßen.

Steht nicht in meiner Macht. Sieh meinen Zustand an.
Es wäre Tyranney dieselbe zu verlassen,
Dir nicht zu folgen, ein Vergehn. Ihr würd‘ ich ohne Treu,
Dir wiederspenstig seyn. Ihr kann ich nichts versagen,
Dir darf ich es nicht thun. Eins und das andere
Verursacht mir den Tod. Ach Vater, dieß mein Leben
War einst ja ein Geschenk von dir.
Nimm selbiges zurück. Erhalt nur meinen Schatz.
Verzeihe deinem Feind. Bewahr den grossen Namen
Des Gnädgen unverletzt. Ich sterbe voller Luft,
Es macht nichts in der Welt mir meinen Sinn abwendig,
Ich sterbe dir getreu, und ihr dabey beständig.
NARSEA.
Herr, deine Rache sey
Auf mich allein gericht. Beraube du in mir
Tacmantes seiner Tochter,
Und Selim, was er liebt. So sind die schuldigen vereint,
So kannst du alle sie in einer Brust bestrafen:
Ein einzger Streich rächt dich, denn wirst du ruhig schlafen.
SOLIMAN.
Ich bin kein solch Barbar,

Er stellet sich ganz ruhig.

Prinzeßin, wie du glaubst. Und nie so ein Tyranne
Wie du mich, Selim, fürchtst. Aus Lieb entsprungne Fehler
Sind der Vergebung werth. Ich seh, wie schwer es fällt,
Wenn ihr euch trennen sollt. Die Treu hat eure Herzen
Allein vereiniget, und ich wills euch beschwören,
Ihr sollt bis in den Tod einander zugehören.

Wenn sich zwo schöne Seelen finden,
Die blos aus Liebe sich verbinden:
Wer wollte wohl dieselben trennen?
Wer würde denn so grausam seyn?

Ihr werdet einst Exempel geben,
Wie man vollkommen treu soll leben:
Und den Begrif von wahrer Liebe
Flößt ihr durch euer Beyspiel ein.
Wenn sich usw.

Gehet ab.

Eilfter Auftritt.

Selim, und Narsea.

SELIM.
Auf diese Stille folgt
Gewiß ein grosser Sturm. Ach käm doch selbiger
Nur über mich allein.
NARSEA.
Wohin?
SELIM.
Zu meinem Vater,
Und seinen ietzgen Zorn
Mit meinem Blut allein zu stillen.
NARSEA.
Glaubst du, daß ohne dich
Ich länger leben kann?
SELIM.
Narsea, lebe wohl.
Ich will den letzten Augenblicken
Durch mich nicht schimpflich seyn. Wie man stark denken soll,
Hab ich von dir gelernt. Mein Herze, lebe wohl.

Wirst du unter diesen Buchen
Einen Geist sehn Ruhe suchen:
O so glaube, es sey meiner,
Der von dir belohnt will seyn.

Was werd‘ ich nicht durch mein Sterben
Für besondern Trost erwerben,
Wenn ich dich dadurch kann retten,
Und du lebst, und bist doch mein.
Wirst du usw.

Gehet ab.

Zwölfter Auftritt.

NARSEA allein.
Von so viel Plagen unterdrückt,
Getrau ich mich dennoch nicht zu beklagen.
Mein Schmerz macht, daß ich nun ganz unempfindlich bin.
Und also folg ich ohne Rath, und ohne Hülfe dem Geschicke,
Damit mich selbiges, wo es ihm gut dünkt, unterdrücke.

Wenn ietzt ein armer Steuermann
Kein Ruder nicht mehr brauchen kann:
Wird er von Hofnung so verlassen,
Daß er dem Meer sich überläßt.

Lebt wohl, ihr angenehmen Triebe!
Leb wohl, du Hofnung meiner Liebe:
Ich überlaß mich auch dem Schicksal:
Nichts als mein Schifbruch bleibet fest.
Wenn ietzt usw.

Gehet ab.

Ende der andern Handlung.

Dritte Handlung.

Erster Auftritt

Ueberbleibsel von alten Gebäuden, durch die man aus der Stadt ins Lager kommt.

Rusteno, hernach Soliman, mit seinem Gefolge, welches aber hinden stehen bleibt.

RUSTENO.
Hier endlich ist das Blat,
Wodurch nunmehr gewiß
Ich, oder Selim sterben muß. Es ward des Prinzens Hand
Durch List an mich verkauft, und diese hab ich hier
Vollkommen nachgemahlt. In diesen alten Häusern,
Wodurch der Sultan ietzt ins Lager gehen wird,
Erwart‘ ich selbigen. Allein, er kommet schon.

Er verbirgt das Blat.

SOLIMAN.
Hat Osmin die Gefangenen
Ins Lager hergebracht?
RUSTENO.
Herr, dein Befehl ist schon vollstreckt.
SOLIMAN.
Warum bist aber du, Rusten,
Jetzt so betrübet? Rede?
RUSTENO.
Frag nur dies Blat darum.
Von einem meiner treuen
Ward dessen Träger eingebracht. Er wollte zwar entfliehn,
Allein er war gleich allzusehr umgeben,
Gab sich verzweifelnd einen Stoß, und brachte sich ums Leben.
SOLIMAN.

Er ließt.

Tacmantes nehme Selims Gruß.
»Ich bin nicht, wie du wohl,
Herr, glauben kannst, dein Feind. Und unsre Freundschaft kann
Uns grossen Beystand thun. Drum such ich sie, der Bothe
Sagt dir das übrige. Ist meinem grossen Werk
Dein Beyfall nun beschieden,
So hat Narsea meine Hand, und du Tacmantes hast den Frieden.«
Der Himmel redet nicht umsonst
In eines Vaters Herz! Und du hast dich gefürcht,
Mir dieß Geheimniß zu entdecken?
RUSTENO.
Herr, du umarmst den Sohn,
Er ist dir allzulieb …
SOLIMAN.
Ist denn der Sultan dir
So wenig noch bekannt? In dieser Zärtlichkeit,
Zu der ich mich mit Fleiß gezwungen,
Wird meine Rache reif. Ich habe gar die Furcht
Des Sohnes schon gestillt. Er glaubet, daß mein Friede
Mit ihm recht ernstlich sey, und kommet ohn Bedacht
Jetzt selber in mein Zelt. Daselbst hab ich ihn mit Narseen
Geschworen zu vereinigen. Ich halt auch Wort. Allein
Dieß Band wird gar betrübt. Hier ist schon der Befehl
Zu seinem Tode da. Jetzt gehe in das Lager,
Sieh ob es ruhig ist. Ich hülle seine Strafe
Mit Fleiße in der Nacht recht dunkeln Mantel ein:
Wird sie dadurch gleich aufgeschoben, so wird sie desto sichrer seyn.
RUSTENO.
Ich geh: Es wird von allem dir
Durch mich genauer Unterricht gebracht.
SOLIMAN.
Und ich erwarte dich.
RUSTENO.
(Nun ist der Streich gemacht.)

Gehet ab.

Andrer Auftritt.

Soliman, hernach Acomas, zuletzt Rusteno.

SOLIMAN.
Nun kann ich endlich doch
Von so viel Höllen-Angst mich auf einmahl befreyn.
ACOMAS.
Verzeihe, Herr, verzeih.
Ich habe deinen Sohn bißher vertheidiget.
Und wen vertheidigt‘ ich? Den boßhaftsten Rebellen.
SOLIMAN.
Was geht denn wieder vor?
ACOMAS.
Er hat das ganze Lager
Meineidig aufgebracht.
SOLIMAN.
O die Rebellen sollen ihn
Bald nicht mehr leben sehn.
ACOMAS.
Es ist kein Augenblick
Herr, der dir übrig bleibt. So lange mir dein Sohn
Die lautre Unschuld schien, so lebt ich, als sein Freund:
Jetzt, da er dich betrügt: bin ich sein ärgster Feind.
SOLIMAN.
Wo ist denn Selim ietzt?
ACOMAS.
In deinem Zelt, und stellet sich,
Als wenn er ohne Schuld, voll von Verwundrung sey.
SOLIMAN.
Acomas, eile nur,
Dein Herr will deiner Treu sich lediglich ergeben.
Hier ist schon der Befehl. Bringt den nichtswürdigen ums Leben.

Er giebt ihm den Befehl.

ACOMAS.
Ich eile was ich kann. (Nun ist der Prinz ja frey.)

Zu sich.

Er geht ab.

SOLIMAN.
Ach ich empfind euch schon, ihr Martervollen Schläge,
Ihr beissenden Bewegungen,
Von Blut, und von Natur. Ihr kommt, und klaget mich,
Als allzugrausam an. Was ist dieß für Verdruß!
RUSTENO.
Das ganze Lager ist in Waffen:
Verziehe nicht: Du mußt bestrafen.
SOLIMAN.
Ach, deiner Nachricht bin
Ich schon zuvorgekommen.

Er unterbricht ihn, und sieht ihn hochmüthig an.

RUSTENO.
(Was ist dieß für ein Blick!)

Zu sich.

Nun wird den Stolz zu stören …
SOLIMAN.
Schweig: ich weiß alles schon: und will nichts hören.
RUSTENO.
(Ich fange schon zu zittern an.)

Zu sich.

Er geht ab.

SOLIMAN.
O Himmel, wenn du einen Vater,
Der einen schuldgen Sohn bestraft,
So viel erdulden läßt, verlangst du denn dadurch,
Daß Söhne gegen Väter sich ganz ungestraft empören sollen?
Ach warum folgen denn,
Auf so gerechte Züchtigung
So bittre Bisse nun! Die kleinste Luft, ein jeder Schatten
Scheint ietzt, als würffe er
Mir meine Schärfe vor. Wo ich mich nur hinwende,
Seh‘ ich die stummen Henker,
Den Strick, und meinen Sohn, als lauter Herzens-Kränker.

So steckt sich ein Wandrer, mit furchtsamer Seele
In eine durch Finsterniß schreckliche Höle:
Und gehet mit lauter schwermüthgen Gedanken
Und trift aller Orten ein Schreckenbild an.

Er richtet bald dahin, bald dorthin in die Schritte,
Hat starrende Augen, thut wankende Tritte:
Und glaubet von allem, was er nur ergreiffet,
Daß es ihm Unglück und Tod bringen kann.
So steckt sich usw.

Gehet ab.

Dritter Auftritt.

Des Groß Sultans prächtiges Zelt, welches über und über bedeckt ist, und aus verschiednen Zimmern bestehet.

Acomas, und Selim.

ACOMAS.
So geh doch nur mein Prinz,
Aus dem verdammten Zelt. Eil was du kannst. Das Lager
Ist dir zum besten voller Wuth.
SELIM.
Und wer erreget denn
So gar aufrürischen Tumult?
ACOMAS.
Ich habe ihn erregt.
SELIM.
Was ist die Ursach denn dazu?
ACOMAS.
Die äusserste Gefahr,
In der du dich befindst. Flieh. Rette dich: Wenn du
Noch einen Augenblick verziehst:
So ist dein Leben gleich verloren.
SELIM.
Ich glaub‘ es nicht, mein Vater
Ist wieder ausgesöhnt.
ACOMAS.
Du glaubst es nicht! Sieh nur:

Er zeigt ihm den Befehl.

Sieh dieses traurige Geschenke,
Das Soliman dir schickt. Ich hab die falsche Freundlichkeit
Aus seinen Augen wahrgenommen,
Und lief deswegen selbst, um dem Rusteno vorzukommen.
Ich stellt mich als dein Feind.
Den schändlichen Befehl
Bracht‘ ich durch meine Kunst aus seiner Hand mir bey,
Hier hab ich selbigen, und du bist ietzo frey.
SELIM.
Allein du wirst vor meinem Tod
Demselben stehlen sollen?
ACOMAS.
Ein mir getreuer Sklave,
Der an Gesicht, und an Gestalt dir vieles gleicht,
Both sich in deinen Kleidern
Für dich zu sterben an. Drum leg dieß Persische Gewand
Dorthin nur immer ab: Den stummen bist du wenig,
Und hast gar nicht bekannt. Nun soll es meine Sorge seyn,
Daß bey der Finsterniß der Nacht man diese Fabel besser glaube.
Dir aber falle sonst nichts ein,
Als dich zu retten und zu fliehn.
SELIM.
Und ein unschuldiger …
ACOMAS.
Es war ihm wohl bekannt,
Daß er mit seinem Leben,
Dir deines rettete. Wie glücklich ist nicht der,
Der diesem Throne seinen Erben,
Die Hofnung unsers Reichs
Durch seinen Tod erhalten kann. Wer auf die Wiese stirbt,
Der ist beneidenswerth; Die Seele ist kaum aufgegeben,
So fängt er schöner an, als wie vorher zu leben.
SELIM.
So willst du denn, daß ich von meinem Vater
Soll ein Rebelle seyn? Und dadurch scheinet dir,
Daß ich gerettet sey?
ACOMAS.
Ich sehe deinen Vater
Schon für verloren an: Ein jeder glaubt dich todt:
Drum eil‘, und räche dich.
Du kannst das ganze Heer, und viele tausend Säbel
Schon in Bereitschaft sehn. Seh hin zu den getreuen:
Und bringe an des Heeres Spitze
Den Vater selbst dahin, daß er dein Leben schütze.
SELIM.
Nun bin ich überzeugt. Ich gebe mich. Vor solchen Eifer
Werd ich auch dankbar seyn. Bleib du indessen hier,
Um dieses schönen Werks gewünschtes Ende zu erwerben.
(Rett‘ ich denn Vater nur, so will ich gerne sterben.)

Zu sich.

Eh solln die Wölfe mit den Schafen
Auf den beblühmten Wiesen schlafen:
Eh ich vor solche grosse Treue
Jemahls undankbar werde seyn.

Eh sollen Aeren aus den Bäumen
Und nicht mehr aus den Halmen käumen:
Und flüchtge Gemsen unter Buchen
Sich mit den Hunden eh erfreun.
Eh solln usw.

Gehet ab.

Vierter Auftritt.

ACOMAS allein.
Nun hole, armes Herz
Auch endlich wieder Luft. Nun ist von Furcht nichts mehr vorhanden:
Du hast den Prinz befreyt: und zur Genüge ausgestanden.

Nun wein einmahl nach deinem Siegen,
Aus lauter Freude und Vergnügen,
Und stehe nun den Tod gelassen.
Und ohne Furcht, und Schrecken an.

Sieh wie sich nach vergangnem Stürmen
Die Wellen legen, nicht mehr thürmen:
Die Wolken ziehn sich aus einander,
Daß nun der Wind nichts schaden kann.
Nun wein usw.

Gehet ab.

Fünfter Auftritt.

Rusteno, hernach Osmin, endlich Soliman.

RUSTENO.
Wo lauf ich hin? Wo bin ich denn? Ich sehe nichts als Schrecken,
Und lauter Furcht, und Tod vor mir. Ein jeder schimpfet mich:
Und träget vor mir Scheu. Seh ich den Sultan an,
So starret mir das Blut.
Und seh, daß überall mein Fehler zur Pein mir an der Seite ruht.
Da ist Osmin, dem weich ich aus.

Im Weggehen.

OSMIN.
Sag mir, Vezier
Wo ist mein Bruder?
RUSTENO.
Ich weiß es nicht: Ein jeder suchet ihn,
Und fodert ihn von mir. Das wiederspenstge Heer
Verlangt so gar von mir
Von seinem Leben Rechenschaft. Ich such dem ungerechten Zorne
Mich also zu entziehn.

Gehet ab.

OSMIN.
Geh, und verbirg dich nur
In einen Winkel, wo kein Mensch mehr von dir spricht.
Doch wo mein Bruder stirbt, so zittre, Bösewicht.
SOLIMAN.
Ach komm, mein einzger Trost,
Und einzge Stärkung, komm. Hilf, daß ich deinen Bruder
Nun bald vergessen mag. Mach daß, was ich an ihm verliere,
An dir zu finden sey. Daß ein getreuer Sohn
In dir nunmehro lebe,
Und ich, durch dich, dem Thron den würdigsten Nachfolger gebe.
OSMIN.
Der Thron
Gehört dem Bruder zu. Ich mag des andern Recht
Mich nicht bemächtigen: Wo du auf diese Art
Den Selim strafen willst: So hast du dich geirrt.
Ich bin derjenge nicht. Such einen andern Sohn,
Der sich auf solche Art unmenschlich kann bezeigen,
Daß er durch Bruder Blut auf einen Thron will steigen.
SOLIMAN.
Dein Bruder lebt nicht mehr.
OSMIN.
Wie! Selim lebet nicht?
SOLIMAN.
Nein: Er hat allbereits
Vor sein Vergehn gebüßt.
OSMIN.
Ihr Sterne! einen Sohn
Von dieser Art bestrafest du? War denn die Liebe zur Narsea
So eine Lasterthat? So wisse denn, ich bethe
Emiren gleichfalls an: Wer weiß, verfährst du nicht
Durch eben solche Schärfe mit der, die Osmin liebt?
Bist du gerecht, und willst mir wie dem Bruder Unrecht geben,
So komm ich eben so, wie er, um Blut, und Leben.
SOLIMAN.
Du liebst Emiren auch? Und also hast du dich
Auch mit den Persiern verschworen?
OSMIN.
Und wenn verschwor sich denn
Mein Bruder mit dem Feind?
SOLIMAN.
Liß nur:

Er giebt den Osmin, welcher ihn durchliest, und hernach dem Vater wiedergiebt.

Was sagest du?
OSMIN.
Dieß ist ein ehrenloses Blat,
Das der Betrug erdacht, und das in sich den Gift
Von der abscheulichsten Verrätherey verstecket.
Wie kommt es denn in deine Hand?
SOLIMAN.
Rusteno, mein Vezier, hat solches mir gegeben.
OSMIN.
Rusten! O Bösewicht! Er hätte mich zu Selims Schaden
Auch gar zu gern verführt. Er werde hergebracht.
Die Wahrheit komm‘ ans Licht. Derjenige muß sterben,
Der Ursach ist, daß ich ietzt so unglücklich lebe:
Du sollst bald sehn, wem man mit Recht den Titel, des Verräthers gebe.

Laß mich den Bösewicht verderben,
Durch welchen du hast müssen sterben:
Denn folg ich dir, geliebter Bruder,
Wie es mein Schicksal mir befiehlt.

Du wirst sehn, was für eine Treu,

Zu Sol.

Durch deine Wuth zernichtet sey:
Du sollst sehn, unbarmherzger Vater,
Wer die Verrätherey gespielt.
Laß mich usw.

Gehet ab.

Sechster Auftritt.

Soliman, hernach Narsea, und Emira.

SOLIMAN.
Ach sollte jemand in der Welt
Sich dieses unterstehn? Kann wohl das Unglück eines Vaters
Sich auf den Grab erhöhn?

Er sieht den Brief auf das neue sehr genau an.

Ach nein, des Sohnes Hand
Hat ganz unstreitig dieß verdammte Blat geschrieben.
Ich kenne sie zu gut. Jetzt sey man auf Erhaltung
Osmins allein bedacht. Holla. Man bringe

Es kommt ein Page heraus.

Hier die Gefangenen zu mir her.

Der Page geht wieder ab.

In äusserst schlimmen Fällen
Muß auch ein äusserst Mittel seyn.

Die Gefangenen kommen.

Kommt immer zu mir her,
Und nähert euch mir nur. Ihr Kinder, auf den Himmel
Kommt aller Sachen Ausgang an. Ich schlug den Frieden aus,
Und ietzt verlang ich ihn. Die Heirath, die mich erst beleidigt,
Thut mir ietzt einen Dienst. Die Ketten, die ihr traget,
Brech‘ ich ietzt selbst entzwey. Ich hab dem Sohne schon verziehn,
Und will um das, was ich verweigert, mich ietzt als ein Geschenk bemühn.
Es lösche nun der alte Haß
Sich hier in der Umarmung aus; ein angenehmes Band
Verknüpfe Thracien nunmehr
Mit Persien in Ewigkeit.
NARSEA.
O grosser! O gerechter!
O Großmuthvoller Herr! Die ganze Welt wird deine Gnade
Bewundernd billigen. Wo ist denn aber mein geliebter,
Wo ist mein Bräutigam?
SOLIMAN.
Prinzeßin, such zu dein und meinem Trost
Den Selim nun aus den Gedanken dir zu heben.
Denn Selim ist nicht mehr am Leben.
NARSEA.
Wie! Selim lebt nicht mehr? Wer ist denn der verruchte,
Der ihn getödet hat?
SOLIMAN.
Ein billiger Befehl von mir
War des Verbrechers Tod.
NARSEA.
Du hast ihn umgebracht!
Barbarischer, meineidiger, unmenschlicher, verdammter,
Ruchloser Vater, ach! Du Herz ohn alle Triebe,
Ohn‘ alle Treu, und Pflicht, du Herz ohn alle Liebe!
Ach wisse, daß dein Sohn, (boßhafter,) daß dein Sohn
Unschuldig umgekommen sey. Er stand, um mir zu folgen,
Den Tod vorher schon aus. Der arme ging bereits
Von mir auf ewig weg. Du sahst, und fandst ihn ja,
Wie er zu meinen Füssen lag. Dieß war ja, du Tyranne,
Der letzte Abschied, dieser wars
Der unter uns geschah! Und einen solchen würdigen Sohn,
Der sich in meiner Brust die erste Lieb‘ erworben,
Den hast du umgebracht? Und Selim ist gestorben!
Nun, wo ein Gott noch ist, der menschliches Geschick
In seiner Herrschaft hat, ein Gott,
Der die Ruchlosigkeit bestraft,
So rette er die Unschuld hier. Barbar, dein so gerechter Sohn
Kommt deiner Grausamkeit
Gewiß noch hoch zu stehn. Du wirst vor deinen Augen
Ietzt nichts als lauter Blitz,
Vor deinen Füssen Abgrund sehn. Nun hast du keine Ruh:
Es wird vor dich ein einzger Trost erworben:
Betrüger! Bösewicht! Mein Selim ist gestorben!

Giebt in Armenien ein Wald
Wohl solchen Tygern Aufenthalt?
O nein: dergleichen Ungeheuer
Muß in ganz Lybien nicht seyn.

Nein, du kannst keine Ruh mehr haben:
Du wirst, in deinem Schmerz begraben,
Des Sohnes Stimme stündlich hören,
Zu deiner Qval, und Rache schreyn.
Giebt in usw.

Siebenter Auftritt.

Soliman, und Emira.

SOLIMAN.
Mir kommt es ietzo zu,
Daß ich die Regungen von ihrem Schmerz ertrage,
Dir aber, artige Emira,
Daß du den Schaden eines Vaters durch dich nunmehr ersetzen hilfst.
Es liebet dich Osmin: Drum reich ihm deine Hand,
Und gib allsdenn durch ihn mir einen neuen Selim wieder,
Der weniger undankbar sey. Verlange mir: Befiehl
So über mich, als meinen Thron. Denn wird mir gleich ein Reich genommen,
So ist der Preiß doch klein, kann ich nur einen Sohn bekommen.
EMIRA.
Ich soll in die gescheuete
Vermählung willigen! Dem Sohn des schrecklichsten Tyrannen
An seiner Seite seyn! So wär ich stets in Angst,
Es stürb‘ ein Unschuldvoller Prinz, durch einen Vater ohn Erbarmen,
Durch einen ehrenlosen Strick in kurzer Zeit in meinen Armen.
Ich liebe den Osmin. Bedenk ich sein Verdienst,
Und seine Tapferkeit: Seh ich an ihm den würdigsten,
Den einzigen Gegenstand,
Den meine Brust verehrt: Allein, wenn ich erwäge,
Daß er das Leben von dir hat,
So fällt die Liebe weg, der alte Haß erscheint:
Und ich seh in Osmin, den allerärgsten Feind.

Ich soll mich deinem Sohn vermählen,
Und du willst meinen Vater qvälen?
O! eher will ich zehnmahl sterben,
Barbar, Betrüger voller Wuth!

Du bringest einen Sohn ums Leben,
Und ich soll dir noch Mitleid geben?
Wer hat es denn mit einem Vater,
Der so mit seien Kindern thut!
Ich soll usw.

Gehet ab.

Achter Aufritt.

Soliman, hernach Osmin, zuletzt Rusteno.

SOLIMAN.
Auch solches Spotten hebt,
Ihr Sterne vor mich auf!

Osmin kommt mit einem Pappier in der Hand.

Wie stehet Osmin,
Hast du denn den Vezier gefunden?
OSMIN.
O ja. Die Unschuld wird
Noch allemahl entdeckt. Rusteno war,
Und schrieb in seinem Zelt. Der Eingang war besetzt,
Ich aber zeigte mich. Es that mir auch kein Mensch
Den kleinsten Wiederstand. Ich gehe weiter fort,
Kaum hat er mich gesehn, so wird der falsche blaß,
Flieht, und verstecket sich. Ich geb auf seinen Schritt, und Blick,
Und wo er saß recht acht, und finde unter andern
Von ihm geschriebenen, auch diesen ehrenlosen Brief.
Ach wenn, mein Vater, dich dergleichen Mensch regiert,
So nimm, und lies ihn nur, und denn sey überführt.

Er giebt Soliman den Brief.

SOLIMAN.
An Roßelanen.
»Sieh, ein einzig Blat,
Das meine Kunst gefunden hat,
Ist Selims Untergang. Durch dieses stolzen Herzens Tod,
Der kürzlich erst erfolgt, steht deinem Sohne nun
Der Weg zu unserm Throne offen.
Erkenne meinen Dienst: Nun kannst du Sieg, und Herrschaft hoffen.«
Rusteno.
O dieses geht zu weit!
So eines bösen Streichs
Hab ich mich nicht versehn. Kann in dem Himmel wohl
Vor mich ein Blitz noch übrig seyn?

Rusteno kommt mit den Gesetz-Auslegern, oder Imanen heraus, die Mahomets grosse Standarte tragen, welche von allen Bassa, Vezieren, Pagen, und Bogenschützen des Solimans begleitet wird.

RUSTENO.
Herr, ich bekenne meine Schuld,
Hingegen komm ich selbst zu meiner Strafe,
Und geh mit dir in Tod. Acomas, Feldherr der Rebellen,
Rückt immer näher an. Es ist vergebne Müh,
Wenn gleich die dir gewöhnlichen getreuen,
Der kleine Haufen Bogenschützen,
Und auch das unerfahrne Volk, das immer um dich ist,
Dir allen Beystand wollen thun!
SOLIMAN.
Ihr Sterne! Wie, Acomas!
RUSTENO.
Es ist nun keine Hofnung mehr. Entwickle die ehrwürdige,
Und heilge Fahne nur. Was die noch Hülfe leisten kann,

Er weist auf Mahomets grosse Standarte.

Ist deine Gegenwart. Laß dich das Lager sehn.
SOLIMAN.
Elender Soliman! Dein‘ ungerechte Schärfe
Bestraft de Himmel ietzt. Doch meine Unterthanen
Besitzen dazu gar kein Recht. Ihr Freunde, Herz gefaßt.
Man schlag das Zelt nur auf; Die unbezwungene Standarte
Mach den getreuen Muth, und stürze die Rebellen.
Wir wolln doch sehn, ob auch die unvernünftge Wuth
Der wiederspenstigen, die höchste Majestät
Des Himmels eben so, als wie des Throns verschmäht.

Das Zelt wird aufgeschlagen, und Mahomets grosse Standarte wird auseinander gewickelt.

Neunter Auftritt.

Erblickung der sämmtlichen Ottomannischen Zelte, deren größter Theil an einer Anhöhe, der andere kleinere aber auf der Ebene aufgeschlagen ist. Auf der einen Seite sieht man die Stadt Babylon, an dem Ufer des Flusses Tigris, worauf Türkische Schiffe gehen. Alles ist bey Nachtzeit erleuchtet.

So bald sich die Scene eröffnet, siehet man eine Menge Janitscharen in Schlacht-Ordnung anrücken, und unter dem Klange einer barbarischen Musick, singet der Chor.

CHOR.
Es sterb der Vater ohn Erbarmen,
Man stürze ihn von seinem Thron.

Unterdessen rückt ein andrer Haufen von verschiedenen Asiatischen, und Europäischen Nationen, ebenfalls in Schlacht-Ordnung an, und will den ersten zurück treiben; und unter der barbarischen Musick singt gleichfalls der Chor.

CHOR.
Es lebe nun der großmuthvolle,
Und ungemein getreue Sohn.
SOLIMAN.
Ihr Freunde …

Er entblösset den Säbel, und sein ganz Gefolge lauft davon.

Jeder lauft: Und keiner hört mich mehr:
So würde mirs nicht gehn. Wenn Selim nur noch lebe,
Er würde wohl der erste seyn,
Der mich vertheidigte.
RUSTENO.
Herr, Selim lebet noch.

Selim, und Acomas kommen heraus. Dieser giebt den Janitscharen einen Wink, und jener denen wiedrigen Völkern, hernach gehen sie auf Soliman zu. Beyde Haufen ziehen sich in einen zusammen.

Betrachte selber nur.
SOLIMAN.
Nun seh ich alles ein.
Acomas hat ihn frey gemacht. Und er sucht durch die Wafen
Jetzt Rechenschaft von mir.
OSMIN.
Mein Bruder lebt.
Das Heer vereinigt sich.
Nun muß man auch den Vater schützen.

Er entblösset den Säbel.

SOLIMAN.
Ach Sohn!
OSMIN.
Ach Vater!
SOLIMAN.
Was brauchst du ein ganz Heer,
Wenn du dich rächen willst? Du kannst durch deine Hand
Dich blos zufrieden stelln. Man hat mich hintergangen.
Doch ists die Billigkeit, daß dir Gnugthuung wiederfährt.
Stoß zu: hier ist die Brust: und hier ist auch mein Schwerdt.

Er wirft den Säbel weg.

SELIM.
Mein Vater, weder Zorn, noch Rache
Führt mich ietzt zu dir her. Es ist mir wohl bekannt,
Daß du betrogen warst: Mein Fehler aber ist gewiß.
Ich habe mich gerett, daß ich dich retten konnte.
Der Aufstand ist bereits gestillt. Und dieses ganze Volk
Kommt nicht als Feind hierher. Da du nun auch frey bist,
So komme ich zu deinen Füssen,
Und suche meinen Tod. Es ist mir wohl bewust,
Ich bin verstockt in meiner Liebe,

Er kniet nieder, und hebt Solimans Säbel wieder auf.

Straf mich, hier ist dein Schwerdt: Hier ist auch meine Brust.
SOLIMAN.
Steh auf, und komm an meine her. Kaum kann ich etwas sprechen,
Das weinen hindert mich. Hohl mir Narseen, und Emiren,
Osmin, geschwinde her.
OSMIN.
O Liebe stehe doch
Nur meiner Hofnung bey.

Gehet ab.

SOLIMAN.
Rusten, von deinem Schicksal sey
Der Prinz nunmehro Herr.
Und durch treu, und demüthgen Ruß, auf diese meine Hand
Sey der Acomas auf das neue nun seinem Herren zugewandt.
ACOMAS.
Ich habe rebellirt.

Zu Solim.

RUSTENO.
Und ich bin ein Verräther.

Zu Selim.

ACOMAS.
Straf also, ich bin ein Verbrecher.

Wie oben.

SOLIMAN.
Die Rettung meines Sohns verlanget keinen Rächer.
RUSTENO.
Mach hier in dieser Brust nur deine Rache voll.

Wie oben.

SELIM.
Mein Vater zeiget mir, wie man verzeihen soll.
SOLIMAN.
Mein Sohn, das Laster muß bestraft,
Die Tugend auch belohnet seyn.
Rusteno, gieb das kayserliche Siegel,
Gleich dem Acomas in die Hand.
Dein Lohn,

Zum Acom.

und deine Strafe

Zum Rusteno.

sey zum wenigsten hierdurch bekannt.
ACOMAS.
Nun scheint mir mein Vergehn durch dein Geschenk erst schöne.
RUSTENO.
Mir wird die allergrößte Marter durch dieß Verzeihn zugewandt.

Letzter Auftritt.

Osmin, Narsea, und die vorigen.

Die sämmtlichen Wachen, und stummen Personen des Solimans, welche die Flucht ergriffen hatten, kommen wieder.

SOLIMAN.
Geliebte Töchter kommt:
Ich biete Selim der Narsea, Emiren den Osmin
Zu ihren Bräutgam an. Nun habe Persien auch Frieden.
Nun kann der Tod mir kein Entsetzen weiter geben:
In euch werd‘ ich ja wieder jung, drum brauch‘ ich länger nicht zu leben.
NARSEA.
Wenn ich so Fried‘, als Thron dem Vater wieder bringe,
Hab ich der Tochter Pflicht auch wohl genug gethan.
Hier hast du meine Hand.

Sie giebt Selim die Hand.

EMIRA.
Ich folge meiner Schwester nach.

Sie giebt Osmin die Hand.

SELIM.
O was für Freud!
OSMIN.
Welch Vergnügen!
ALLE.
O höchst beglückter Tag! So muß die Unschuld siegen.

Soliman gehet in Begleitung der singenden Personen, der Bassa, der Bogenschützen, und aller stummen Personen, in die Scene hinein. Die Soldaten, die das Ottomannsche Heer ausmachen, gehen mit niedergelegtem Gewehr in Ordnung ab, und gegen ihre eigene Zelte zu; Dabey singet unter Barbarischer Musick der Chor.

CHOR.
Es lebe nun der Großmuthsvolle
Und ungemein getreue Sohn.

Ende des Singespiels.