Johann Adolf Hasse

Piramus und Thisbe

Ein musicalisches Dramma

Personen

Der Thisbe Vater
Thisbe
Piramus

Erster Theil.

Ein Tapeziert Zimmer im Hause der Thisbe.

Erster Auftritt.

THISBE alleine und dann Piramus. Vergebens zerfliessest du in Thränen mein schmertzlich betrübtes Hertz. Ach sie besänftigen doch den schrecklichen Haß des grausahmen Vaters nicht.

Und ohne seine Hefftigkeit zu verliehren, vermehret sich mit meinen Thränen mein Kummer.

Piramus! ach wo bist du? ich suche dich o Gott! in diesen angenehmen Auffenthalt meines ehemaligen Vergnügens; aber meine betrübte Seele, findet nur die traurige und schmertzhasste Erinnerung meines verlohrenen Gutes, wieder.
Boßhaffte Zwietracht, grausahmstes und unbarmhertzigstes aller Ungeheuer der Hölle! meinen Busen entreift du meine Seele und mein Leben, und doch tödest du mich nicht! Ihr Götter! könnte ich wenigstens nur erfahren ob er mich noch liebt; nur sehen, ob er diese bittere Trennung mit einen den meinigen gleichen Schmertze erträgt; könnten ihm meine Seufzer nur den mindesten Trost reichen, könnte ich nur seine seltene Treue, und seine unschuldige Gedanken auf seiner Stirne lesen: wenigstens – – – –
PIRAMUS. Thisbe! Thisbe! mein Abgott!
THISBE. Ihr Götter! was höre ich!
THISBE. Endlich sehe ich dich wieder, endlich drücke ich dich an diese Brust! ach! bey dieser Umarmung zerschmiltz mein Hertz vor Vergnügen.
PIRAMUS. Wie – – – in diesen Augenblick – – – o Gott! Bist du es wohl? – – – ich sehe dich! und bey der Größe meines Vergnügens traue ich meinen Augen nicht.
PIRAMUS, THISBE. Endlich hat der Himmel meine Wünsche erfüllt: die Götter sind einer unschuldigen Liebe nicht mehr zuwieder.
THISBE. O Freude! o unerwartete Freude! ich bin glücklich uns empfinde meine Glückseeligkeit noch nicht. Welche gütige Gottheit leitet deine Schritte hierher? durch welche Zauberer kontest du die Wächter und diese Alte welche uns hütet, hintergehen? wie vermochtest du den unbiegsamen Zorn des Vaters zu besiegen?
PIRAMUS. Siehe! dieser unbekante Zugang ist ein Werk meiner Hände. Von den unglücklichen Tage an, da die durch die Zwietrach entzündete blutige Fackel in den Busen unserer Väter den ewigen Haß entflammte und ein Band zerriß, welches die Liebe mit eigenen Händen gewebt um unsere Seelen zu vereinigen; kam ich auf diesen Gedanken. Wie viele durchwachte Nächte, wie viel Sorge und Furcht verursachte er mir! Meine Gefahr beurtheilte ich allein nach der deinigen meine Geliebte. Verstohlener weise nutzte ich die Zeit und die Stunden; ihr Götter! wie offte hielt nicht ein Schatten, eine nichtige Furcht, meine kühne Hand von der Arbeit zurück! Wegen eines glücklichen Ausgangs meiner sinnreichen Liebe, erflehete ich den Beystand aller Götter; und der Himmel erhörte meinen reinen Eyfer und meine brünstige Wünsche.
THISBE. O mitleidiger Himmel! o treuer Geliebter! wertheste Hälfte meiner Seelen! Nun bin ich nicht mehr so unglücklich als ich glaubte! ich werde dich sehen und mich mit dir trösten; Mit dir das grausame Schicksal so uns quält, beweinen können! Ihr Götter mehr forderte ich nicht! ich bin vergnügt.
PIRAMUS. Ach! ich unternahm noch mehr: der Hof so wohl als die Stadt sehen den tödlichen Haß mit Verdruß, welcher unsere Familien trennt, die ehedem so freundschaftlich lebten; und die allgemeine Wünsche heischen die Vollziehung unserer schon versprochenen Ehe. Ich flehete die Vermittelung meiner Freunde an um sie zu unterstützen; und gantz Babilon nimmt sich unserer an um den Haß derer erzürnten Väter zu besänftigen; und hilft freundschaftliches Anerbiethen nicht, so wird ein königlicher Befehl sie zwingen
THISBE. Der Himmel gebe es! aber ich zittre. Mein Vater ist zu heftig in seinem Zorn, und seine Leidenschafften überschreiten alle Grentzen. Flehend und zitternd habe ich tausendmahl zu seinen Füssen liegend, versucht ihm durch Thränen und Bitten zu erweichen; aber ich erzürnte ihm nur noch mehr.
PIRAMUS. Ach! meine Geliebte es ist ohnmöglich daß die Härte eines Barbaren diesen Thränen, wiederstehen könne.

In diesen reitzvollen Auge sind die Zähren schön: wann dein Vater in seiner Grausamkeit beharret so sahe er dich entweder nicht weinen oder sein Herz war ein Fels.

Nein es ist nicht möglich! ach meine Geliebte es ist nicht möglich! Mache, daß er dich anblickt wann du weinst und wann du flehst. Derjenige ist ein Ungeheuer der einen so schönen Schmertze, sein Mitleid versagt.
THISBE. Entfliehe! entfliehe! er nahet sich. Ich elende! die Verwirrung meiner Seele wird er auf meinen Gesichte lesen. Wo? wo verberge ich mich? wie schlägt mein Herz! wies zittert mein Fuß.

Zweyter Auftritt.

Der Vater und Thisbe.

DER VATER. Thisbe!
THISBE. Herr!
DER VATER. Kann ich hoffen daß du deinen Vater dein Hertz entdeckst?
THISBE. Verberge ich es auch, so würden es meine Augen verrathen.
DER VATER. Höre mich an. Ich weiß daß du den Sohn meines Todtfeindes, den Piramus geliebt hast; ich weiß daß der Befehl der dich von ihm trennt, und der Schwur durch welchen ich diesen verabscheuten Geschlechte einen unerbittlichen und ernstlichen Haß angelobte, deinen Hertzen viel kostete.
THISBE. Dieses ist nur zu wahr.
DER VATER. Wann ich aber jetzt von ungestühmen Freunden, durch das Ansehen der Vornehmsten und durch einen königlichen Befehl, genöthigt, diese verabscheuete Vermählung billigte, ohne meine Ehre und den geschworenen Haß zu bedenken: würdest du ihm noch lieben können!
THISBE. O Gott! ich bethe ihm an!
DER VATER. Du liebst ihn.
THISBE. Und könnte ich ihm hassen? du weist wie meine Liebe entstand, wie sie zunahm; unter denen unschuldigen jugendlichen Zeitvertreiben, und den günstigen Anblick derer Hauß-Götter, nahm, durch deinen Befehl begünstigt, die Hofnung dieser glücklichen Vermählung zu. Ach! ein Band welches der Himmel knüpfte, der Vater gut hieß und das Hertz wählte, trennt sich so leicht nicht.
DER VATER. Untreue Tochter! höre jetzt und präge den Innersten deines Hertzens diesen deines Vaters unerbittlichen Befehl tief ein: du must diese unwürdige Bande o Tochter! zerreissen, auf ewig zerreissen: und um dich einer tirannischen Herrschafft zu entziehen, durch welche man hofft über meinen Zorn zu siegen, so gar dein Vaterland wann es nötig ist, verlassen, und einen andern Gemahl den ich dir ausersehen, deine Hand am inorgenden Tage, reichen.
THISBE. Das hofft du vergebens.
DER VATER. Du weigerst dich? undankbahre du wiedersetzst dich, denjenigen der dir das Leben gab? könnte dieses dein untreues Hertz ein Opfer, wann es auch schrecklich wäre, verweigern?
THISBE. O Gott! die Freyheit meines Hertzens bangt nicht meht von mir ab!
Ich will meinen Geliebten verliebren, ich will diese süße Bande zerreissen: daß mich aber deine Hand in die Arme eines andern Liebhabers führe; ach! dies kann ich nicht! ach! dies ist ohnmöglich angebetheter Vater!
Hierzu ist mein Hertz zu schwach; dieser Gedanke alleine erschreckt mich: der Schmertz alleine wäre hinreichend mich in diesen Augenblick zu tödten.
DER VATER. Vergebens betrübst du dich und flehest: Mein Entschluß ist gefast, er muß vollbracht werden. Mein Haß weicht nicht denen Befetzlen des Hofes. Zur geheimen Vermählung ist alles bereit: ich werde sehen ob du in Gegenwart der Hauß- Götter, Muth genug haben wirst mir zu wiederstreben. Wenn du aber klug bist, so überlege es vernünftig. Bereite diese eitle Ausschweifungen, deine Hand und dein Hertz zum neuen Bande, und lerne meinen Befehl gehorchen.

Bey deinen Seufzern, bey deinen Thränen empfinde ich daß ich Vater bin: daß ein ungetreuer aber über mich frohlocke! daß mir dieses der Thron befehle! würde die Verzeihung zur Niederträchtigkeit und das Mitleid zum Verbrechen machen.

Ich will mein Vaterland fliehen; verlassen, irrend, ein herumschweiffender nackender Schatten, will ich zum Reiche der Vergeßlichkeit sinken; aber auch dort soll mich mein Haß begleiten.

Dritter Auftritt.

Thisbe alleine, alsdann Piramus.

THISBE. Ach! er ist schon fortgegangen! Höre wenigstens, kehrt zurück ihr Götter! mein Hertz zu durchbohren, mir es aus Brust‘ zu reissen, würde weniger grausahm seyn.
PIRAMUS. Pleine Thisbe! meine süße Geliebte! ach ich verlöhre dich? du verläst mich?
THISBE. Grausames Geschick!
PIRAMUS. Wiedrige Götter!
PIRAMUS, THISBE. Ach! wie wird es mit uns werden?
THISBE. Hast du es gehört?
PIRAMUS. Nach so vielen langen trüben Tage ließet ihr o Götter mir nur darum einen Strahl der Hoffnung scheinen, damit ich mit mehreren Schreck erfült, zum Schoß des Ungewitters zurückehre?
THISBE. Betrogene Hoffnung!
PIRAMUS. Ach! unglückliche Liebe!
THISBE. Soll ich mich auf ewig von dir trennen?
PIRAMUS. Soll ich dich im Arme eines Rebenbuhlers sehen?
THISBE. Ich fühle – – – ich fühle daß ich sterbe.
PIRAMUS. Mein Blut erstart! Vermag der Zorn eines grausahmen Vaters so viel! und wollen wir nicht suchen den grausahmen Streichen dieser ungerechte Strenge auszuweichen?
THISBE. Und wie?
PIRAMUS. Durch die Flucht.
THISBE. Wo? wann?
PIRAMUS. In dieser Nacht, in eine Gegend über welche der Tyrannen Willkühr sich nicht erstreckt; wo das Hertz im Schoße der unschuldigen Freyheit, keine andere Gesetze im lieben, empfindet und kennet, als die Gesetze der Liebe.

Dorthin, wo die sichere und vergnügte Anmuth, in ruhiger Freyheit ihren Aufenthalt wählte, laß uns fliehen. Auf einen angenehmen Hügel, oder bey einer lautern Quelle, wird unsere Serge dort sein, die Sonne anzuschauen wie sie heiter aus denen Wellen emporsteigt, und ruhig zum Meere wieder zurückehrt.

Du wirst sehen wie ein jeder Gedanke des Stoltzes sich beym Vergnügen vergießt: wie eine glückliche Liebe die fetzige Gefahren, Betrübtniß und Furcht in Entzückung verwandelt.
THISBE. Schweig. Mein zärtliches Hertz bedarf so vieler Triebfedern nicht Führe mich nach deinen Gefallen in die unwirthsame Libische Wüste, oder in die Hölen des beschneyten Caucasus. Leite mich und meine Neigungen nach deinen Willen jeder Aufenthalt den du einnimst ist mir angenehm. Wie soll ich aber den Väterlichen Hause entsliehn? wo wollen wir uns sinden?
PIRAMUS. Die Nähe dieser Zimmer – – – –
THISBE. Der Vater bestimmte sie zu seinen nächtlichen Aufenthalt.
PIRAMUS. Am großen Eingange will ich wachen und dich erwarten.
THISBE. Der Verzug würde uns zu vieler Gefahr aussetzen, und die zu meiner Flucht bequeme Stunde, ist ungewis.
PIRAMUS. Laß uns also überlegen.
THISBE. O Gott die Augenblicke sind köstbaht.
PIRAMUS. Auch ich bemerke es; der Abend nahet sich schon,
THISBE. Ach höre! ich kenne den Fußsteig des nahe gelegenen Waldes, dort wo sich das große Grabmahl des Ninus erhebt, dort können wir uns beyde einfinden. Wer zu erst ankömmt, erwartet den andern.
PIRAMUS. Ohne Begleiter und alleine, willst du bey der Stille und denen Schrecken einer sinstern Nacht, dich den wilden Thierer eines gefährlichen Waldes aussetzen?
THISBE. Eine wahre Liebe erkennet die Furcht.

Was könnte ich elende in meinem Zustande mehr fürchten, als das ungünstige Schicksal so dich mir entziehen will.
PIRAMUS. Diese sanfte Worte zerstreuen alle meine Zweifel: der Tag des Vergnügens ist nicht mehr weit von uns entfernt.
PIRAMUS, THISBE. Wann Mitleiden im Himmel wohnt, so werden die Götter eine so schöne Treue nicht mit Grausamkeit belohnen.
THISBE. Gehe.
PIRAMUS. Ich verlasse dich.
THISBE. O Gott!
PIRAMUS. Du zitterst und weinst?
THISBE. Ach viereicht ist dieses Lebe wohl! das letzte für mich.
PIRAMUS. Ich Elender! was sagst du! woher entsteht diese grausahme Furcht?
PIRAMUS, THISBE. Mein Blut erßarrt und ich weiß nicht warum.

Zweyter Theil.

Ein alter Wald von Cypressen und hohen traurigen Bäumen, die über das Grabmahl des Ninus ihre Schatten verbreiten, welches auf der einen Seite herfürragt. Eine vom Monde erleuchtete Nacht.

Erster Auftritt.

THISBE alleine und furchtsahm, sie trägt ein Kästgen mit Edelsteinen unter den Arme, und auf den Haupt einen weiß sen mit Gold durchwebten Schleyer. Endlich bin ich hierher gekommen. Gütige Götter stehet mir bey! O Himmel! Piramus! wo bist du? Ich beschleunigte meine Flucht zu eilfertig! wie verschieden ist der Entwurf von der Ausführung! ich fühle daß mein Hertz bebt und mein Fuß wankt. Welche Schrecken hauchten dieses fürchterliche Grabmahl, und diese Unglück verkündgende traurige Schatten meinen Guser ein! Kaum wage ich meine Augen aufzuschlagen und den Nahmen meines Geliebten zu nennen! Beym schwachen Scheine des blassen Mondes erblicke ich in jeden Gegenstande ein Gespenste; meine eigene Stimme, mein eigener Schatten erschrecken mich.

Was werde ich Unglückliche ohne meinen Geliebten, von so vielen Schrecken umgeben, anfangen? Ach! was zaudert er! warum kömmt er nicht meine Unruhe zu besänftigen.

Ihr Götter ich fühle das Blut in meinen Adern erstarren: Kaum habe ich Kraft genug zu zittern und mich zu beklagen. Was werde ich vom Schreck überfallen anfangen!

Ich elende! er kömmt noch nicht! Ach! ist eine so brünstige Liebe so saumselig! Nein! sein Aussenbleiben muß eine Ursach haben: Hat ihm der Vater wohl bey der mächtlichen Flucht ergriffen? verirrte er sich im dicken Walde? Haben ihm etwan blutdürstige Thiere oder ruchlose Straffen-Räuber angefallen? Ach! wie viele Gefahren bildet sich nicht meine geängstigte Seele! diese Furcht verdrängt alte andere Schreck Bilder aus meinen beklommenen Hertzen. Verhindert ihr Götter! verhindert diese grausahme Ahndung! Verliesse er mich, was würde aus mir werden? O Gott! nachdem ich mein Vaterland und meinen Vater verlohren, wo solte ich, flüchtende und alleine, ohne Rathgeber, ohne Führer auf unbekanten Wegen; seines und meines Schicksals ungewiß, mich hinwenden? was solte ich beginnen? der Anblick des Todes ist weniger erschrecklich, weniger grausahm, als mein un glücklicher Zustand.

Gerechte Götter! gebt mir, gebt mir meinen Geliebten wieder! durch ihm verlohr ich zu viel um ihm noch einmahl zu verliehren!

Die reinste Treue, der reinste Eifer erzeugen meine Wünsche: und eine unschuldige Liebe schien den Himmel nie, strafbahr.

Was höre ich! welch Gebrülle erschüttert den Wald! Ach! wie wird es mir ergehn! Heilige Götter! welch schreckliches Thier! wo fliehe ich hin! Hülfe! Mitleid! Sie entfliehet furchtsahm und läst das Kästgen und den Schleyer fallen. Ein ungeheuerer und vom frischen Würgen noch blutendet Löwe, kömmt beym Schalle einer kurtzen Sinfsnie, zum Vorschein, wüthend zerreißt er den Schleyer der Thisbe, besudelt ihm mit Blute, säuft alsdann aus der Quelle und gehet fort.

Zweyter Auftritt.

PIRAMUS. Den Himmel sey Dank ich kam ehr als sie! Keine Vorwürfe beunruhigen mich mehr. Wie befürchtete ich nicht daß sie mir zuvorkommen, und alleine in dieser schrecklicken Einsamkeit, tausend und tausend Zweifeln überlassen, beben würde. Leuchtender Mond, du Nacheiferinn der Sonne, leite ihre Schritte und führe sie mir zu! Laß mich diese schöne Augen heiter erblicken, und zürne nicht wann ihr Feuer, den Glantz deines schönen Gesichts, verdunkelte.

Wie helle ist der Himmel! wie sanft ist diese Stunde! Kaum hört man daß leise Murmeln der nahen Quelle.

Kaum durchhauchet die Luft die Zweige: es scheint als wann unter diesen stummen Schrecken, alles der süssen Liebe ein sanftes Lager bereite.

In einer so stillen ruhigen und heiterm Nacht, schloß ehemals Cinthia den Cretensischen Schäfer in ihre Arme.

So vereinigte der einsahmste Aufenthalt des waldigten Ida, die reitzende Göttin der Liebe mit den schönen Adon.

Aber die Nacht nimmt zu und noch kömmt Thisbe nicht: sch! wie langsam schleicht die Zeit bey der Erwartung des Glücks, da sie beym Unglück doch mit beflügelten Füßen forteilt. Aber wer bestreute diesen Boden mit Edelsteinen? und welcher blutiger Schleyer ist dies! Allmächtige Götter! Träume oder wache ich? Ach! unglückliche Augen warum bedeckt euch nicht, eine ewige Nacht! welch ein kalter Schauer ergreift mein Herz! welch unerwartetes Zittern erschüttert jede Fieber! Ich erblicke, ich sehe den schwarzen Abgrund in den mich mein Schicksal stürzt! ich erkenne meine Geschenke! – – – – Ach! Thisbe! Thisbe ist Todt! ich selbst zeichnete diese goldene Nahmen in diesen Schleyer; ich selbst schmückte mit diesen Edelstein ihren Busen! o Götter trauriger Pfänder einer unglückzichen Liebe, ihr kommt leider von mir! ich erkenne euch; und dieses Blut, ist das Blut meinet Geliebten: welch grausames Thier entriß es diesen Busen? welche lange Spur beblutet den Boden! ach diese Spur müße mich wenigsteus zu ihr führen! ein Grab müße mich mit ihr umschließen! der entselte Körper, der entselte Leichnam müße wenigstens meine letzte Seufzer, meine letzte Küße erhalten: ich will gehen ob ich sie finde – – O Gott! – – ach! was würde ich sehen! Besudelte und grausamer Weise auf den Grase und im Stauß zer streuete Ueberbleibsel; zerfleischte Glieder, oder bloße Knochen würden mir sagen daß grausame und unbarmherzige Thiere sie zerrissen.
Ach! so viel Greuel sind nicht nöthig um den Tode zu suchen; dieser scheußliche Anblick würde meiner Hand, diesen Ruhm entziehe – – – – ach! ihr schönes Bild müsse einen zärtlichen Hertzen eingedruckt bleiben, wie es die Liebe ihm einprägt; die Ideen solcher Martern müsse es nicht entstellen, und so müsse, geliebter, liebenswürdiger Schatten es auch meinen Augen, sich dort in den glücklichen Aufenthalt der Halb-Götter zeigen.

Ich höre schon ihren traurigen Schatten mit weinender Stimme um mich herrumgehen; und über den Verzug sich mit mir zu vereinigen, klagen.

Zürne nicht geliebter Schatten! Halt! warte! Mein Fuß silt zum Ufer des Lethe!

Ja, ich folge dir mein Abgott! meine dich liebende Seele entfliehet, sie kömmt schon: zürne nicht mein Abgott! ich folge dir schon geliebter Schatten! Sich mit seiner Seliebten vereinigen, heist nicht sterben.

Nein, der Todt ist nicht schrecklich: meine dich liebende Seele entfliehet, sie kömmt schon: Nein der Todt ist nicht schrecklich! Er ersticht sich und fält halb Tod am Fusse des Gradmahls hin.

Dritter Auftritt.

THISBE UND DER VORIGE. Ich Elende! wo wende ich mich hin! die Morgendämmrung bricht schon an, und doch zitiert mein wankender Fuß noch; wann mein Geliebter uns in diesen Augenblick nicht gekommen wäre, so hätte wenigstens eine neue Furcht – –
PIRAMUS. Thisbe! – – – Thisbe! – – – mein Abgott!
THISBE. Ihr Götter! welche klagende Stimme höre ich! welch schrecklicher, Gegenstandt zeigt sich meinem Augen! O meine Hofnung! Piramus! Piramus mein Leben! wie sehe, wie erblicke ich dich? was war?
PIRAMUS. Du lebst – – – – ich, ich sterbe!
THISBE. Wie? warum?
PIRAMUS. Ich glaubte dir im Tode zu folgen; dieser Schleyer, dieser Schleyer betrog mich.
THISBE. Grausamer Himmel! schreckliche Unbarmherzigkeit! Bin ich noch mehrern Donuerkeilen ausgesetzt!
PIRAMUS. Ach beklage dich nicht! – – – – der Todt ist keine Marter – – – – Ich verlaße dich lebend und sterbe – – – sterbe – – – an deiner Seite.
THISBE. Nur einen Augenblick kömmst du mir zuvor – – – – dasselbe Schwerd – – – –
PIRAMUS. Ach nein! lebe mein Abgott!
THISBE. Kanft du dis verlangen? kanft du dich hiermit schmeichlen? o Gott die Vermuthung meines Todes alleine, bewag dich Grausahmer dich zu Tödten, und du verlangst daß ich, alles Glücks alles Trostes beraubt, nachdem ich dich verlohren, und dich sterbend sehe, dich sterbend erblicke, leben soll? Glaubst du daß mein Hertz so niederträchtig und meine Hand so schwach sey? siehe – – – –
PIRAMUS. Halt Grausahme!
THISBE. Sie ersticht sich. Laß mich!
PIRAMUS. O Himmel!
Ach was muß ich erblicken! Man kan den Tode leiben, dieser Streich aber o Gott! ist nicht zu ertragen!
THISBE. Meinen grausahmen Schicksal vergebe ich meine Leiden, weil es mir erlaubt an der Seite meines Abgotts zu sterben.
PIRAMUS. Meine Geliebte!
THISBE. Mein Leben!
PIRAMUS, THISBE. Lebe wohl! Lebe wohl!
PIRAMUS. Das Schicksal wird besänftigt sein!
THISBE. Meine Leiden hören auf!
PIRAMUS. Lebe wohl meine Geliebte!
PIRAMUS, THISBE. Lebe wohl mein Leben! Lebe wohl!
THISBE. Drücke mich an deine Brust!
PIRAMUS, THISBE. Drücke mich an deine Brust, und hauche auf diesen geliebten Lippen deine Seele aus!

Letzter Auftritt.

DER THISBE VATER kommt wüthend mit einen Gefolge gewafneter Leute an. Täuscht mich mein Auge nicht, so ist sie es: zu ihren Unglück überfiel sie der Schlaf. Siehe sie ist ein Opfer der rasenden Liebe, welcher sie folgte. Er nahet sich den Leichnam der Thisbe.
Aber dieses Schwerd, dieses Blut! – – – – O schreckvoller Anblick! o Tochter! unglückliche Tochter! ihre eigene Hand zerriß durch eine Tiefe Wunde diese Brust! noch rauchend entstürtzt ihr in Ströhmen das Blut! auf ihren Lippen ächtzt noch der Todt! – – – – o Gott! Gott! – – – – dieser Schreck entwafnet und erstart mich! und welcher traurige Schall stürtzt durch mein Hertz! Meine Strenge verleitete sie zu dieser That! Ohne meinen ungerechten und unbiegsahmen Haß sässe sie im Schoß der Glückseligkeit; die Stutze und die Zierde meines Alters. Ach! – – – – – – welche schwartze Dunkelheit haucht mir schreckliche und nur finstre Gedanken ein! wo verberge ich mich für den Himmel für die Menschen, daß meine grausahme Gewissens-Bisse mein Hertz zu zerreissen, mir nicht folgen! Wo von tausendfacher Wuth zu Boden geschlagen, ich mir und denen Lebendigen kein Abscheu bin!

In die finstre Nacht des Todes welche mir die Sonne entzieht! ach! wo mein Blick sich hinwendet sieht er mich von tausend Gespenster umgeben!

Den traurigen Thon des Seufzens und Winselns alleine, werde ich hören. Die blutende Tochter so mir ihre zerfleischte Brust zeigt, werde ich nur sehen: auf diesen Gesicht, in diesen Blute werde ich mein Verbrechen geschrieben lesen; und diese Lippen werden mir das Urtheil meines Schicksals kund thun!

Ach! schweig schweig geliebter Schatten! Verbirg deinen Tyrannen diese grausame Wunde, diese zerrißene Brust. Ach warte geliebte Tochter! nahm ich dir das Leben so will ich dir wenigstens folgen. Er ersticht sich.

Ende.