Christoph Willibald Gluck

Alceste

Ein musikalisches Trauerspiel

Personen

Admet, König von Phera in Thessalien
Alceste, Königin
Eumelos,
Aspasia, ihre Kinder
Evander, Vertrauter des Königs
Ismene, Vertraute der Königin
Ein Herold
Eine Höllengottheit
Das Orakel
Apollo
Der Oberpriester des Apollo
Chor der Hofleute und Bürger
Chor des weiblichen Gefolges der Königin
Chor der Priester des Apollo
Chor der Höllengötter

Die Handlung geht in Phera vor.

Inhalt

Admet, Alcestens Gemahl, König von Phera in Thessalien, steht auf dem Punkt zu sterben; allein Apollo, der ehemals nach seiner Vertreibung aus dem Himmel, von dem Admet war aufgenommen worden, erhält von den Parzen unter der Bedingung, daß sich ein anderer erbieten würde, für ihn zu sterben, die Verlängerung seines Lebens. Alceste bietet sich zu diesem Tausche an und stirbt; wird aber von Herkules, Admets Freunde, der unter diesen Umständen eben nach Phera kömmt, dem Tod entrissen und ihrem Gemahl zurückgegeben.
Dieß ist der Plan des Euripides in seinem berühmten Trauerspiel Alceste; der italienische Dichter aber läßt statt des Herkules, den Apollo, aus Dankbarkeit für die von Admet empfangenen Wohlthaten, dieß Wunder verrichten.
Erster Akt.

Erster Auftritt.

Großer Platz in der Stadt Phera, mit der Vorderseite des daran stoßenden Königl. Pallasts, worinn sich ein großes Thor, und über demselben ein Balcon befindet.

Beym Aufziehen des Vorhangs, steht man den Platz mit dichten und unordentlich vertheilten Haufen Volks bedeckt. Alle tragen Oehlzweige mit Bändern umwunden, als Abzeichen der Bittenden, in den Händen, und geben die tiefste Traurigkeit zu erkennen. Auf der rechten Seite des Plätzes ist ein Altar mit brennenden Räucherwerk; auf der linken befinden sich Evander und Ismene, nebst einigen der vornehmsten Bürger aus Phera. Man hört Trompeten blasen, und gleich darauf erscheint ein Herold auf dem Balcon.

DER HEROLD.
Hört mich Thessalier, die ihr mit tiefem Schmerz
Admetos Schicksal fühlt; die ihr in ihm den Vater
Weit mehr beweinet, als den König.
O höret mich! sein letzter Augenblick
Ist schrecklich hergeeilt; für ihn ist keine Rettung
Und keine Hofnung mehr. Gleich unerbittlich reißt
Der Tod die Könige, als seinen Raub vom Thron,
So wie die Niedrigsten aus ihren Hütten.

Ab.

Das Volk erschrickt über die Nachricht des Herolds, und bricht in folgendes Chor aus.

CHOR.
Ach Götter! welch ein Schicksal schwebet
Drohend um dieß bange Land!
Ha! welch ein Schlag! kein härtrer bebet
Für uns in eures Zornes Hand.
ISMENE.
O Burg, schon hör‘ ich deine Mauren
Wiederhallen nur von Wimmern,
Von Seufzern nur und Klaggeschrey.
Weh! ihr theßalischen Gefilde,
Weh euch! dort eilen fremde Heere
Gleich Ungewittern schon herbei.
CHOR.
Ach Götter! welch ein Schicksal schwebet
Drohend um dieß bange Land!

Pantominischer Tanz, welcher Verzweifelung und Traurigkeit ausdrückt.

EVANDER zu dem Volk.
In euren Thränen, euren Klagen,
Die so aus einer Brust ihr unserm König weiht,
Empfängt für seine große Tugend
Er den gerechten Lohn; allein ihr weint umsonst;
Es neigen sich die hohen Götter nicht
Herab zu eurem Flehn, zu euren Wünschen.
Laßt uns zum Tempel gehn, uns Gaben dort und Opfer,
Darbringen dem Apoll; Laßt wenigstens uns hören
Was das Orakel spricht; laßt uns vernehmen, ob
In dieser schrecklichen Gefahr
Noch Rettung möglich ist, ob sich die Ewigen
Unsers Elends noch erbarmen.
CHOR.
Ach Götter, welch ein Schicksal schwebet
Drohend um dieß bange Land!

Das große Thor des Pallasts öffnet sich.

ISMENE zum Volk.
Genug … es öfnen sich die Thore des Pallasts …
Mein Herz erbebt; o Götter! tausend Schrecken
Mahlt sich mein Geist.

Zum Volk.

Kommt, eilt, die Königin
In ihrem tiefen Gram mitleidig aufzurichten.
Doch nein … bleibt …

Die Königin kömmt aus dem Pallast.

Seht! zum Staub gebeugt von Schmerz,
Kömmt sie dort selbst mit ihren bangen Kindern.

Sobald das Volk die Königin mit ihren Kindern an der Hand, aus dem Pallast kommen sieht, stellt es sich theils auf die rechte theils linke Seite, um ihr Platz zu machen.

Zweiter Auftritt.

Alceste, Eumelos, Aspasia, Hofleute und Leibwache mit Alceste, und die Vorigen.

CHOR zur Rechten.
Unglücklicher Admet!
CHOR zur Linken.
Ach! arme Königin!
CHOR zur Rechten.
O welche bange Trauerbilder!
CHOR zur Linken.
O welche tödtende Gedanken.
ALLE.
An Schmerz, an Mitgefühl und Thränen
Drückt dieser Anblick unsern Herzen ein.
CHOR zur Rechten.
Wer wird nun bei den heißen Küssen.
CHOR zur Linken.
Wer wird beym ängstlichen Gewimmer
CHOR zur Rechten.
Der zarten
CHOR zur Linken.
unschuldsvollen Kinder,
ALLE.
Der bangen Mutter Beystand seyn!
ALCESTE zum Volk.
Ach! nie, Theßalier, nie waren eure Klagen
Gerechter, als in diesem Augenblick.
Admet ist euch nicht weniger ein Vater,
Als er es meinen Kindern ist.
Mir raubt der Tod den theuren Gatten,
Und den geliebten König euch.
All‘ unsre Hofnung, unsre Liebe
Reißt dieser Schlag des grausen Schicksals hin.
Was soll ich thun? Soll ich in dieser großen Angst
Zuerst das Reich, soll meine Kinder,
Soll ich mich selbst zuerst beklagen?
Für uns bleibt nichts mehr übrig zu erflehn,
Nichts zu erlangen, als der Ewigen Erbarmen.
Geht, eilt zum Tempel, ich, auch ich folg‘ euch dahin,
Zu euren Opfern und Gebethen.
Am Altar bring‘ ich dann der Gottheit eine Mutter
Die Elend niederdrückt, bring‘ ihr zwei arme Kinder,
Bring‘ ihr ein ganzes Volk von Thränen überströmt.
Ein solcher Anblick, da ein ganzes Reich
All‘ seine Liebe, seine Wünsche
So klar zu Tage legt, und weint und klagt ein Volk,
Schmilzt dann vielleicht hinweg der Götter Zürnen.
Ich fordre nicht, daß mir der Himmel
Ganz heiter sey, und wolkenleer;
Doch einen Blick nur voll Erbarmen,
Sendet mir in meinen Leiden
Ihr Ewigen, zum Troste her.
Wer, wie ein Weib, nicht stark empfindet,
Nicht zärtlich wie die Mutter fühlt,
Faßt nie die Quaal, die mich zernaget,
Den Schauder nie, der mich durchwühlt.

Zu ihren Kindern.

Kommt Theure …. o der Pein, der Schmerzen! …
Kommt Ebenbilder meines Gatten,
Zum süßen Kuß an eurer Mutter Herzen
O kommt … o! drückt euch an mein Herz.
Denk‘ ich an euch, ha! so erstarren
All‘ meine Adern, stockt mein Blut.
O mgöte nur des Schicksals Härte
Nie grausamer euch niederschlagen,
Als sie mich darnieder schlug.
CHOR zur Rechten.
Unglücklicher Admet!
CHOR zur Linken.
Ach! arme Königin!
CHOR zur Rechten.
O welche bange Trauerbilder!
CHOR zur Linken.
O welche tödtende Gedanken!
ALLE.
An Schmerzen, Mitgefühl und Thränen,
Drückt dieser Anblick unsern Herzen ein!
CHOR zur Rechten.
Wer wird nun bei den heißen Küssen,
CHOR zur Linken.
Wer wird beym ängstlichen Gewimmer,
CHOR zur Rechten.
Der zarten
CHOR zur Linken.
Unschuldvollen Kinder,
ALLE.
Der bangen Mutter Beystand seyn!
ALCESTE zum Volk.
Wir wollen nicht die Zeit mit Klagen ganz verlieren,
Kommt meine Freunde, kommt, der Götter Gnad und Huld
Im Staube zu erflehn. Schon wird auf mein Geheiß
Die heilge Feyer zubereitet.
Ich selbst will euch ein Beyspiel geben
Von tiefer Niedrigkeit und Ehrfurcht vor den Göttern.
CHOR DES VOLKS.
Zum Tempel, auf! zum Tempel folgt ihr nach.
Ach Götter! welch ein Schicksal schwebet
Drohend um dies bange Land!
Ha, welch ein Schlag! kein härtrer bebet
Für uns in eures Zornes Hand.

Dritter Auftritt.

Tempel des Apollo mit der kolossalischen Bildsäule des Gottes, einem Altar und Dreyfuß.

Der Oberpriester, in einem feyerlichen Zuge, vor ihm her gehen andere Priester und Opfer: schlächter mit Räuchergefäßen, dem Opfer und Opferinstrumenten.

DER OBERPRIESTER dem Altar nahend.
Dir, Gott des Tages, dir, des Himmels Schmuck und Glanz,
Dir tödteten wir diese Opfer.
Dir dampft auf heilger Gluth arabischer Geruch.
Hör‘ uns; es hüllt mit schwarzen Flügeln
Der Tod, der schreckliche, in tiefe Finsterniß
Ach! unsern König unsre Liebe.
Send ihm nur einen Strahl von deinem Glanze her!
Nim von Thessalien, von Thränen ganz umflossen,
Des Unglücks finstre Nacht! und hör wenn liebevoll,
Ein Volk dir Wünsch‘ und Flehn für seinen König bringet.
DER OBERPRIESTER.
Zerstreu des Sturmes schwarze Nacht
Die unsers Königs Thron umhüllet,
CHOR.
Zerstreu des Sturmes schwarze Nacht
Die unsers Königs Thron umhüllet,
DER OBERPRIESTER.
Apollo mit dem goldnen Köcher,
Durch deines Glanzes hohe Pracht.
CHOR.
Einst, da du vom Olymp verstoßen,
Als Flüchtling wandeltest auf Erden,
Bot dir Admet gastfreundlich ja die Hand.
DER OBERPRIESTER.
Er übergab dir seine Heerden
Dort an des Anfrixus Rand.
DER OBERPRIESTER zu den Priestern.
Jetzt, Priester, haltet ein, mit Opfer und Gebet,
Die Königin naht sich dem Tempel;
Um dieser heilgen Trauerfeyer
Ihre Gegenwart zu schenken.

Vierter Auftritt.

Alceste, Eumelos, Aspasia, Evander. Ismene, Frauen der Alceste, Hofleute, Leibwache der Königin, Volk, alle in einem feyerlich pantomimischen Zuge und die Vorigen.

Die Königin tritt mit ihrem Gefolge, welches die Geschenke für die Gottheit trägt, unter einem feyerlichen Marsch in den Tempel, und nimt nebst ihren Kindern ihren Platz neben dem Oberpriester: das Volk und die Priester stellen sich auf die beyden Seiten des Theaters; darauf werden die Geschenke dargebracht, und der Altar mit Blumenkränzen umwunden.

ALCESTE.
Hast, ew'ge Gottheit, du, mit deinem Flammenblick,
Der die Geheimniße der Seele selbst durchdringt,
Bis jetzt in mir ein reines Herz gefunden;
Hast du, Unsterblicher, gesehn, daß meine Wünsche
Nur Keuschheit athmeten, nur Unschuld, Frömmigkeit;
Hab‘ ich dich immer als die Quelle
Meines Schicksals anerkannt;
Und hab‘ ich stets mit gleichem Eifer
Mich deinem Dienst geweiht, und dies dein Bild verehrt;
So nim, o nim auch heut mit Huld mein Flehen an.
DER OBERPRIESTER.
Dein Flehn, o Königin, und deine Gaben
Nimt gnädiger als je Apollo von dir auf.
Schon ist er unter uns, und seine Gegenwart
Spricht deutlich aus unzähl'gen Zeichen …
Hör, hör, was ich, von seinem heilgen Feuer
Dahingerissen, jetzt dir sage;
Weit geht es über das, was irdisch ist hinaus …
Ein himmlisch süßer Duft verbreitet sich umher …
Ein hoher Lichtkreis strahlt dort um Apollos Bild …
Ha! schon sind angefüllt von seiner Göttlichkeit
All‘ diese Bogen, diese Mauren …
Er selbst wird dir was er beschloß eröfnen …
Der Altar wankt … der Dreyfuß zittert …
Die Erde bebt … der Tempel tönt und kracht …
Ihr Völker hört und schweigt mit ehrerbieth'ger Furcht …
Und du, o Königin, leg‘ ab der Krone Stolz;
Beug tief dein Angesicht zum Staub, horch‘ auf und bebe …

Die Königin naht mit ihren Kindern dem Altar, und fällt auf ihr Angesicht.

DAS ORAKEL.
Admet muß sterben, wenn kein andrer für ihn stirbt.
CHOR.
O welch tödtendes Verkünden
Neuer Greuel, neuer Schrecken!
Fort, hier wohnet Tod, Entsetzen,
Fort, laßt uns fliehn.

Alle fliehen aus dem Tempel, außer Alceste mit ihren Kindern.

Fünfter Auftritt.

Alceste, Eumelos, und Aspasia.

ALCESTE.
Wo bin ich? Was hab‘ ich vernommen!

Nach einer kleinen Pause.

Nein, dieser Spruch des drohenden Orakels
Ist heute nicht in Dunkelheit gehüllt.

Sie steht auf.

Ha! dieser Augenblick, wie schrecklich ist er mir!
Wie vieler großen, wie verschiedener Gefühle
Macht er empfänglich meinen Busen!
Es drängen wechselsweis sich Ehrfurcht, Zärtlichkeit,
Verwunderung und Angst, Schwachheit und Tugendkraft,
Aus meiner Brust empor; schon bin ich so verirrt,
In diesem Aufruhr der Gefühle,
So unerhört und neu, daß ich mich selbst in mir
Zwar suche, aber ach! nicht finde.
Ist dieß der Beystand, den vom Himmel ich gehoft?
Admet soll sterben, wenn kein andrer für ihn stirbt?
Von wem dieß fordern, ach! … von wem soll ich es hoffen? …
Ein jeder flieht, ein jeder überläßt
Mich diesem grausamen Beschluß der Götter …

Um sich der blickend.

Von meinen Freunden, ach! ist nicht ein einzger hier …
Ein jeder hat das Leben allzulieb …
Und es ist ja das süßeste Geschenk
Das uns die Götter geben konnten …
Unglücklicher Admet! bedauernswerther Fürst!
Wo find‘ ich den, der, bloß dein Leben zu verlängern,
Sich selbst vergißt, sein eigenes nicht achtet? …
Ist einer, der so sehr, zu solchem Preiß dich liebt? …

Nach einer kleinen Pause.

Ja, Theurer, hier bin ich! … Schon steht er ganz
Der hoch erhabene Gedanke
Vor meiner Seele da, im himmlisch schönen Glanz;
Schon ist mein ganzes Herz von hohem Muth erfüllt.
Wer ist's, der mächtig so mein Wesen jetzt beherrscht?
So meinen Willen lenkt?

Nach einer kleinen Pause.

Ja, ja ich kenne ihn …
Die Gottheit ist's; Apollo lebt in mir.
Er ruft mich auf zu dem erhabnen Opfer.
Er will, Alceste soll den treuen Gattinnen
Aller künftigen Geschlechter,
Großmüthig heut ein Beyspiel geben.
Gefolge des Todes, Gespenster, ihr Schatten,
Ich fordre, nein, ich will kein Erbarmen;
Entreiß‘ ich euren Mörderarmen
Heute den geliebten Gatten,
So bleibt sein treues Weib für ihn euch ja geweiht;
Mein Schicksal reitzt mich nicht zu klagen,
Und diesen Tausch nenn‘ ich nicht Grausamkeit.
Gefolge des Todes, Gespenster, ihr Schatten,
Mein Mitleid mit dem theuren Gatten
Weck nicht zu Rach‘ und Zorn euch auf.
In mir lebt unbekannte Stärke,
Sie schärft den Muth, spornt meinen Lauf
Zum großen, zum erhab'nen Werke,
Sie hebt mich über mich selbst hinauf.
Gefolge des Todes etc.

Ende des ersten Akts.

Zweiter Akt.

Erster Auftritt.

Dicker, finstrer Wald, den Höllengottheiten geheiligt und mit deren scheußlichen Bildsäulen besetzt, innerhalb der Stadt Phera. Es ist Nacht.

Alceste und Ismene.

ISMENE.
Alceste, höre mich. Warum verläßest du
Den sterbenden Gemahl? … In Thränen deine Kinder?
In Klaggeschrei und Wimmern den Pallast?
Wie kannst du wagen, dich dem öden Aufenthalt
Blutgier'ger Ungeheu'r zu nahen?
Was ist dein Zweck? was hoffest du davon?
Willst du so ganz dem Schmerz dich überlaßen?
ALCESTE.
Sei ruhig, … laß mich … geh …
ISMENE.
Und wo, wo willst du hin?
Schon breitet todte Nacht die Schatten über uns,
Uns unbekannt sind diese Wälder:
Ein alter Götterdienst macht sie zum Heiligthum …
Und jeder fürchtet sich, sie zu betreten …
Wenn unterdessen nun, da du so absichtslos,
So einsam wandelst hier,
Der Tod dir raubte deinen Gatten
Von dir entfernt, von deiner Hülfe fern?
ALCESTE mit Unwillen.
Quälst du mich noch?
ISMENE.
Ich will gehorsam seyn ….
ALCESTE gebiethrisch.
Laß, sag ich dir, laß mich allein.
ISMENE.
Du willsts … ich laße dich … doch höre …
Gott welch ein Schicksal drohet dir!
Erbarm dich! … sprich, ach! ich beschwöre
Dich Königin, gieb Antwort mir.
Was du nicht bergen kannst, erfüllet
Schon mit Zittern mein Gebein,
Doch in tiefre Schrecken hüllet
Mich, was du mir verheelest, ein.

Zweiter Auftritt.

Alceste, nachher ein unsichtbares Chor von Höllengöttern, dann die Höllengötter selbst.

ALCESTE.
Nun ist sie fort … und nun bin ich allein …
Nun hält euch nichts mehr auf, ihr zärtlichen Gefühle,
Erhabene Gedanken, nichts.

Sie geht tiefer in den Wald.

Allein, wo bin ich … wo? … wohin soll ich mich wenden? …
Wohin, vielleicht zu kühn, wag‘ ich zu gehn, wohin? …
Ha! welch Entsetzen wohnt auf diesen Bäumen! …
Welch‘ ein tiefe Nacht, und todte Finsterniß
Hat mich umhüllt! … Ein tiefes Schweigen
Liegt auf dem finstern Wald! … kein säuselnd Lüftchen rauscht;
Das Laub hängt unbewegt; kein Hauch macht es erzittern;
Es tönt kein Laut, vom Echo nachgeweint.
Dies Schaudern hier, so todtenstill so wild,
Wird unterbrochen nur vom dumpfen Rauschen
Des Wasserfalls, der sich durch Felsen reißt und bricht,
Vom heiseren Geheul des Vogels schwarzer Nacht.
Und unter dieser Angst, und tausendfachen Schrecken
Athm‘ ich Elende noch! … Auf zur erhabnen That,
So lang das Leben dir die Liebe
Die in dir lebt, erhält.
Dieß ist der Augenblick, ihr Götter steht mir bey.

Sie wendet sich zu den Statüen.

Du, der mit Allgewalt weit über Schatten herschet,
Des Abgrunds Bändiger, o Pluto! und auch ihr
Nie zu versöhnende Gebiether
Des Lethe und des Phlegeton,
Die ihr hier thronet, hier, in diesen scheußlichen Gewölben
Nie, nie durchblickt von einem Sonnenstrahl:
Euch ruf‘ ich, sprech mit euch …
EINE VERBORGENE STIMME.
Was forderst du von uns Alceste?
ALCESTE.
Wer spricht mit mir! … was soll ich sagen! …

Im Hintergrund des Waldes steigen einige feurige Gespenster herauf.

Was seh‘ ich Götter! … welche Schrecken! …
Wo ist der Abgrund … mich zu decken …
Wo flieh‘ ich hin … wohin … wohin? …
Durch meine Glieder
Rast wilde Gluth …
Es starret wieder
Zu Eis mein Blut …
Ach wehe mir! in meinem Busen
Bricht, gepreßt von Höllenschmerz …
Mit … langsam … bangen … Schlag … mein … Herz …
Ich hab nicht Worte … hab nicht Thränen …
Ich sink‘ … ich sterbe …

Setzt sich auf einen Stein nieder.

und beim Nagen
Solcher Martern … bleibet mir zu klagen …
Und zu erbeben … kaum … der … Muth …

Sie sinkt ohnmächtig nieder.

CHOR DER UNSICHTBAREN HÖLLENGÖTTER.
Unglückliche, wie, du willst sterben,
Da noch der Jugend schöne Blüthe
Dich mit ihrem Glanze ziert?
In viel zu schwere Sklavenketten
Läßest du dich, Arme, schmieden
Von blinder Leidenschaft geführt.
ALCESTE wieder zu sich kommend.
Wer, Götter! weckt mich auf aus meinem Todesschlaf,
Worinn mich Schwäche und Entsetzen
Gefangen hielt. Und wie find ich in mir den Muth,
Der meine Brust vorhin durch glühte,
In seiner ganzen Stärke wieder.
Woher bin ich jetzt so verschieden von mir selbst?
Ists etwa, daß der Tod, wenn er uns näher kömmt
Von seiner Schrecklichkeit verliehret?
Ist es, daß, wer sich ihm freywillig weiht
Weit weniger erbebt, wenn sein Geschoß ihn trift?
Schon sind mir jene Ungeheuer,
Und jene Schatten nicht so grausam wie vorhin,
Schon bebt nicht mehr mein Herz vor ihren Worten.
CHOR DER UNSICHTBAREN HÖLLENGÖTTER.
Alceste deine strenge Tugend!
Kann größeres dir nichts gewinnen
Als Ruhm leicht nur und leer.
Bedenkst du auch, beim Leichtsinn deiner Jugend,
Daß nie Gestorbene entrinnen
Nie dem Grabe mehr?
ALCESTE.
Ich weis es, Schreckliche … doch ach! vielleicht steigt jetzt
Aus des Geliebten Brust der letzte Hauch empor.
Auf seinen Lippen schwebt, mit feinen letzten Seufzern
Vielleicht mein Name noch …

Sie steht entschlossen auf.

Und ich sollt‘ ihn nicht retten? …
Er lebe, … ja, für ihn will ich der Götter Willen,
Ich, als der Liebe und der Treu
Erhabnes Opfer, gern erfüllen.

Sie nähert sich den Bildsäulen.

Ihr Höllengötter, hört, hört meinen heilgen Eid,
Den zitternd meine Lippen stammeln;
Hier steh‘, hier weyh‘ ich mich zu eurem Eigenthum,
Ich weyh‘ mich euch für meinen Gatten.

Die Höllengötter erscheinen.

EINE HÖLLENGOTTHEIT zur Alceste.
So komm; der Tod erwartet dich,
Und zeigt zum Lethe dir die Bahn,
Schon ruft und treibt mit Schelten zur Eile
Der alte Charon vom Ufer dich an.

Die Höllengötter umringen Alcesten.

ALCESTE.
Zurück … o höret mich … noch einen Augenblick …
Ach! Götter, ach! zu schnell zeigt euer Eifer sich,
Mein Schicksal ist wohl eures Mitleids werth.
Erlaubt mir wenigstens, als Weib und ach! als Mutter,
Daß ich an meine Brust den Gatten, meine Kinder
Noch einmal drücken darf … das letzte Lebewohl
Von ihren Lippen, von den theuren Lippen nehme.
EIN HÖLLENGOTT.
Wohl, dieß sey dir erlaubt.
ALCESTE.
Entzieh‘ ich mich auf wenige Minuten
Euch, ihr Götter voll Erbarmen,
So fürchtet meinen Abfall nicht.
Auch ohne meines Schwures Strenge
Sterb‘ ich doch aus reiner Liebe,
Sterb‘ ich doch mit Freuden nur.

Ab.

Die Höllengötter begleiten Alceste, bis sie ausser dem Theater ist, geben in einem pantomimischen Tanz ihr Erstaunen über die großmüthige That Alcestens zu erkennen, und verschwinden.

Dritter Auftritt.

Zimmer im Innern des königl. Pallasts, mit einer Haus-Capelle und einem Altar.

Die Hofleute Admets feyern dessen unerwartete Genesung mit Tänzen.

Evander. Hofleute, Damen und Hofbediente.

CHOR.
Flieht vom Aufenthalt der Freuden
Ihr Gedanken bittrer Leiden,
Eilt, eilt davon.
Herbey ihr lachenden Vergnügen,
Kommt, entzückend euch zu schmiegen
Wieder an des Königs Thron.
EVANDER.
O! wie lächelt von den Sternen
Nun herab ein schönrer Glanz.
Nun da sich von uns entfernen
Des Todes Wuth, Geheul und Klagen,
Dreht sich mit größerem Entzücken
Wieder um uns her ihr Tanz.
Auf Günstlinge der Liebesgötter
Jünglinge, die von Liebe glühen,
Mädchen, voller Reitz und Lust,
Bekränzet eure Stirn mit Rosen,
Weil sie noch duften, weil sie blühen,
Weyht dem Entzücken eure Brust.
CHOR.
Flieht vom Aufenthalt der Freuden etc.

Vierter Auftritt.

Admet mit Gefolge und die Vorigen.

EVANDER.
Nie, nie Monarch war inniger die Freude,
Der Jubel eines treuen Volks,
Als sie es heute sind. Hättst du gesehn, wie sehr
Die bange Furcht dich zu verliehren
Dieses Volkes Herz zerriß.
Es bethet dich als seinen Vater an;
Verehret dich als seinen Herrscher;
Es baut sein einziges sein ganzes Glück auf dich.
Und könnte wohl, jetzt, da der Himmel voll Erbarmen
Zu unserm Flehn sich neigt, und mitten unter Angst,
Und unter solchen bittern Schmerzen
Dich, dich uns wieder schenkt, die Freude deines Reichs
Die Grenzen übersteigen?
ADMET.
Aus welchem Todesschlaf erwach ich so mit eins;
Und welche Wunderkraft entrücket mich dem Grabe!
Noch schwankt mein Geist umschattet von Gestalten
Des Todes; und der staunende Gedank
Wagt's nicht, sich ganz von diesen Bildern wegzukehren.
Noch halten Zweifel mich an schweren Ketten,
Noch weis ich nicht, ob ich jetzt wache, ob ich träume.
EVANDER.
Mein König, reiß dich loß; komm zu dir selbst zurück;
Die glücklichsten, die schönsten Tage
Verheist das Schicksal dir. Gewöhne deinen Geist
An frohere Gedanken wieder.
Denk wieder an Genuß. Das Leben das dich jetzt
Aufs neu beseeligt, ist Belohnung unsrer Liebe,
Und unsre Thränen nur, erhieltens von den Göttern.
Gewiß hat einer schon von deinen Theuersten
Des schrecklichen Orakels Spruch erfüllet.
ADMET.
Erfüllt! wie? sprich, was hat der Gott gesagt?
EVANDER.
»Admet muß sterben, wenn kein andrer für ihn stirbt.«
ADMET.
Entsetzliches Geboth! und du kannst glauben, daß? …
EVANDER.
Nicht anders, denn du wardst im Augenblick gesund.
Und dieß ist nicht das Spiel des blinden Zufalls, nein,
Nicht Menschen halfen dir; Es ist der Götter Werk.
Gewiß gab sich ein Freund für dich dem Tode hin,
Vergebens ists daran zu zweifeln.
ADMET.
O! viel zu ungerecht ist dieser Wille
Der Ewigen, zu unerhört ist er.
Und wie erhaben ist dieß Opfer eines Freunds!
Wer als Geschenk, wie der sein Leben
Dahin giebt, der verdient vor allen übrigen
Des längsten Lebens Glück … doch, sag mir, wem,
Wem dank ich dieses alles?
EVANDER.
Es blieb mir unbekannt.
ADMET.
Und wo, wo ist Alceste?
Wo meine Gattin? sprich, wie stehts um sie?
Warum kommt sie noch nicht zu mir hierher,
Mein unerwartetes Entzücken mit zu fühlen?
EVANDER sieht nach außen hin.
Da kömmt die Königin.

Ab und mit ihm alle übrigen, außer Admet mit seinem Gefolge.

Fünfter Auftritt.

Alceste mit ihrem Gefolge, und die Vorigen.

ADMET geht Alceste entgegen sie zu umarmen.
O! Angebethete, so seh‘ ich dich denn wieder,
Bin bei dir, und bin dein, drück dich an meine Brust.
Ach! deinetwegen nur ward mir das Sterben schwer.
Um deinetwillen nur lieb ich das Leben noch.
Mein einzger Wunsch ist, daß die Ewigen
Mir meine Kinder nur erhalten,
Mir schenken nur des Lebens ferneren Genuß,
In unsrer Liebe süßen Banden,
Mir schenken einst das Glück, in deinem Arm zu sterben.
ALCESTE traurig und verlegen für sich.
Unglückliche, was wirst du sagen?
ADMET.
Du antwort'st nicht! Empfängst so traurig mich!
Warum? Die Todesfurcht ist ja für mich verschwunden.
Erheitre deinen Blick. Genieße, freue dich.
Ha! deine Gegenwart würkt neue große Wunder
In meinem Innersten. Das Strahlen deiner Augen
So liebevoll, so süß, entglüht im Busen mir
Ein sanftes Feu'r, ein neues Leben.
Der Ewigen Geschenk ists, daß mich noch umgiebt
Die so zerbrechliche, dem Tod stets reife Hülle.
Doch deine Gabe ists, o du Geliebteste,
Daß dieses Leben mir Entzücken noch gewähret.
ALCESTE für sich.
O welch ein Augenblick! o welche Quaal ist dieß!
ADMET.
Mein alles! … Gattin! … Wie? Warum nicht einen Kuß?
Warum kein einzges Wort? … Sprich welchen tiefen Gram
Verbirgt mir deine Brust … dein tiefes Schweigen
Durchbohret mir das Herz … Warum? o sprich, warum
Erbleichest du so oft? … Warum dieß Seufzen?
Warum hebst du die Augen so zum Himmel,
Und blickest dann so oft auf mich, auf mich zurück?
Die Thräne, die so heiß von deinen Wangen rollt,
Die deine halbgebrochnen Augen
Vergebens suchen aufzuhalten,
Sprich, wäre Liebe nur, wär Traurigkeit allein?
Warum willst du mit deinen Thränen
Verbittern alle Freuden mir?
Soll nach Genuß von wenig Augenblicken,
Ich wieder enden mein Entzücken
Und ewig leiden dann dafür?

Leidenschaftlich und ängstlich.

Theuerste! …
ALCESTE verlegen, für sich.
Ich sinke nieder.
ADMET.
Du schweigst?
ALCESTE für sich.
Ach! welche Höllenquaal!
ADMET.
Nur einen Blick …
ALCESTE für sich.
Und ohne Thränen?
ADMET.
Nur einmal komm, mich zu umarmen
ALCESTE für sich.
O Gott! und dieß zum letztenmal.
ADMET.
Du hörst mich nicht? …
ALCESTE für sich.
Mein Herz erbebet,
Eiskalter Schauder weht mich an.
ADMET.
Ein Wort nur …
ALCESTE für sich.
Gott, was soll ich sagen!
ADMET.
Mein ist dein Leiden, mein sind deine Klagen,
Du höchstes Kleinod meinem Herzen
Was ich je hoffte – – je gewann.
ALCESTE für sich.
Ach! so sind schon des Todesschmerzen
Unzählig eh‘ ich sterben kann.
ADMET.
Alceste, Einzige, warum entdeckt dein Herz
Sich mir nicht mehr wie sonst? Warum hab‘ ich nicht mehr
An deinen Freuden Theil, nicht mehr an deinem Kummer?
ALCESTE.
Admet, o kränke so die treue Gattin nicht.
Du lebst; und keiner ist, in dieser ganzen Welt
Der drob sich inn'ger freut, der seine beste Hälfte
Dich nennt, als ich allein.
ADMET.
Warum also, warum
Quälst du dich selbst so sehr?
ALCESTE.
Gott … forsche nicht darnach.
ADMET.
So droht der Himmel mir noch andere Gefahren?
Mir bleib Alceste nur, dann mag er seinen Zorn
Ganz auf mich herunter schleudern! …
Alceste liebst du mich?
ALCESTE.
Ob ich dich liebe, dich?
Die Götter wissen es; mein Herz weis es, wie sehr.
Es bethet dich mein Herz wie seine Gottheit an;
Dich wird es immer so anbethen ganz allein;
Und meiner Liebe keusche Gluth
Verlöschet nie, auch selbst im Grabe nicht.
Selbst in Elysiums Entzücken
Nimt diese Zärtlichkeit mein Geist mit sich hinüber.
Für dich gäb‘ ich, und hätt‘ ich tausend Leben,
Für dich gäb‘ ich sie hin.
ADMET sehr ängstlich.
Und unsre lieben Kinder?
ALCESTE traurig.
Sei ruhig, sey nicht bang, den Kindern geht es wohl.
ADMET.
Und kannst du fürchten denn, daß unser Schicksal,
Was uns bis jetzt so glücklich lächelt,
Sich einmal wieder ändern könnte?
Ich lebe, du bist mein: den Kindern geht es wohl,
Und dennoch weinest du?
ALCESTE.
Doch weist du nicht? … doch … ist
Ist dir denn unbekannt, was das Orakel sprach?
ADMET.
Wohl weis ichs, und versteh was du mir sagen willst.
Gefunden ist er schon der für mich sterben will.
O! ich erkenne ganz das göttliche Verdienst
Des Opfers, das für mich großmüthig so sich stellt.
Des Lebens hohen Werth hab‘ ich genau geschätzt
Und ein Geschenk, so groß, ist über allen Preiß.
Doch, kennst du diesen Freund, Wohlthäter, diesen Helden,
O so entdeck‘ ihn mir; Sein Nahm‘, ich schwör‘ es, soll
Soll in Theßaliens Gefilden
Mit Ruhm auf ewig blühn.
Für sein verlaßnes Weib will ich ein Gatte seyn,
Ich will ein Vater seyn für seine Kinder,
Für seine Aeltern Sohn.
Sie sollen dann nach dir, o meine Lebenslust,
Den besten Theil von dem, was meine Brust erfüllt,
Was meine Seele denkt, besitzen.
Nun sprich, wer ist es, wer?
ALCESTE weinend.
O wehe mir!
ADMET bekümmert.
Du weinst?
ALCESTE.
Mein Theurer!
ADMET heftig.
Nun?
ALCESTE.
Ich bins.
ADMET mit Entsetzen.
Ihr heilgen Götter! … du! … Alceste du! … du selbst! …
O Schlag, der mein Gebein zerschmettert!
O grausenvoller Tag! … o Tag! schwarz wie die Nacht.
Welch ein unglückliches Verirren
Des Geists, geführt von blinder Leidenschaft!
Du liebtest mich … du, die sich selbst nicht liebt? …
Du konntest den Gedanken fassen
Zu sterben, mich, mich zu verlassen?
Dich mir zu rauben? Ach! sprich, was hast du gethan?
Wenn hab‘ ich je von deiner Liebe
So einen schrecklichen Beweis gefordert?
Wenn Theure? sprich; zerreiße mir das Herz ….
Doch ach! wohin führt jenseit meiner Quaalen
Mich der Gedank, den die Verzweiflung jagt!
Nein, so befördern nicht die Götter Rasereyen
Der Sterblichen … Nein, du bist mein;
Du kannst nicht über dich gebiethen,
Wenn ichs nicht billige.
Dich fesselt ja die erste heilge Pflicht
Des Weibs an mich, … an mich der Mutter Pflicht.
Und zwang zu deinem grausamen Gelübd
Dich Tyranney ausschweifender Gefühle,
So laß mich sterben, denn sodann ist dein Geschenk
Umsonst, ich mag es nicht.
ALCESTE.
Dieß alles ist zu spät.
Schon stehet mein Gelübd im Himmel angeschrieben;
Daß du dem Tod entgiengst, ist ein Beweis davon,
Und nie sprach deutlicher als heute das Orakel.
ADMET.
Nein, seine Antwort ist stets dunkel wie die Nacht,
Stets voll geheimen Sinns. Ich eil zum Tempel hin,
Noch einmal frag ich es, das trügliche Orakel.
Ha! meine Weig'rung soll die ganze Welt erfahren,
Sie soll es lernen, soll es sehn,
Daß diese hocherhabnen Götter
Die Unschuld nicht, und nicht die Tugend achten.
Daß arme Sterbliche ein Spiel für sie nur sind.
Fort jede Rücksicht, Ehrfurcht fort,
In meinem Elend, ach! weis ich von euch nichts mehr.
Mit dem Schwinden meiner Sinne
Flieht jede Furcht von mir.
Seitdem so viele Donnerschläge
In solcher kurzen Zeit mich in den Staub gestreckt,
Ist alles mir verhaßt, der Himmel und die Welt,
Bin ich mir selbst ein Greul.

Tyrannin, nein, entfernt von dir
Ist jedes Leben Hölle mir.
Und willst du dich von meinem Herzen,
Du beste, zartste Hälfte reißen,
Du einzge die mir Leben gab;
So stürzest du, statt mich zu retten,
Mich in des Todes ewge Nächte
Tief hinab.
Und du nennst Tugend, nennest Liebe
Daß, Grausame, du von mir fliehst?
Daß so zum Abgrund aller Schrecken
Du mich durch deinen Abschied ziehst?
Ha! jeder Tod, ihr ewgen Götter,
Ist mir in meinen Höllenschmerzen
Ein Geschenk von euch.
Denn nur dem schrecklichsten Geschicke
Ist ein Leben voller Jammer
Wie das meine gleich.

Zu Alceste.

Nein ohne dich kann ich nicht leben,
Und meines Lebens Augenblicke
Sind ohne dich dem Grabe gleich.

Ab.

Sechster Auftritt.

Alceste, darauf Ismene.

ALCESTE.
O Lieb‘! o Zärtlichkeit! werth eines bessern Glücks,
Und ach! zu schnell dahin! … Weh‘ mir, schon nahet sich
Der schreckliche Moment! Schon fühl‘ ich ein Ermatten,
Ich fühl‘ ein Schwinden meiner Kräfte;

Sie setzt sich.

Das Tagslicht blendet mich; das Athmen wird mir schwer;
In meinem Innern glüht ein Feu'r das mich verzehrt …

Ismene kömmt mit dem weiblichen Gefolge der Alceste.

Ismene, Theuerste …

Zu ihrem Gefolge.

Ihr liebevollen Mädchen
Verlaßt mich nicht, im letzten Augenblick.
Kommt, nehmet diesen Schmuck, den nicht'gen Schmuck mir ab.

Sie giebt ihnen ihr Königl. Geschmeide.

Reicht mir das Räucherwerk, und jene Blumenkränze,

Zwey von den Frauen der Alceste gehen ab, um die Kinder der Alceste zu holen, und andre bringen die Blumenkränze und das Räucherwerk.

Die letzten Gaben will ich jetzt den Göttern bringen.
ISMENE.
O! wie zu plötzlich hingeschwunden
Sind ihres Lebens süße Stunden
Da sie in schönster Blüthe steht.
CHOR.
O wie zu plötzlich etc.
ISMENE.
So welken hin die zarten Rosen,
Von des Nordwinds Sturm und Tosen
Mördrisch angeweht.
CHOR.
So welken hin etc.

Die Kinder der Alceste treten auf, Ismene nimmt sie bey der Hand und führt sie der Mutter zu.

ISMENE.
Hier, Königin, sind deine beyden Kinder! …
ALCESTE.
Ach! meine theuren, lieben Kinder;
Es ist geschehn …. und ich muß sterben.
Vergebens drängt ihr euch so her an meine Brust …
Vergebens drückt ihr mich in eure zarten Arme …
Ach! ich muß sterben, ich … Wie schnell, o weh, wie schnell
Wird dieses süße Band, das uns zu Liebe nur,
Zu Zärtlichkeit vereinte, nun zerrissen!
Und keine Thränenfluth, kein Mitleid hilft mir mehr ….

Steht auf.

Kommt mit zum Vater, kommt,
Ihm will ich, noch an meines Grabes Rand,
Euch als ein Kleinod überliefern,
Will seiner Zärtlichkeit euch wenigstens empfehlen.

Sie geht, bleibt aber bald wieder stehen.

Doch welch ein schrecklicher Gedanke fällt von neuem
Wild über mich daher, wie aus dem Hinterhalt,
Und jagt durch alle meine Adern
Ein tödtend Gift ….

Heftig.

O weinet, Kinder weint.
Ich laß‘ euch hier mit ungewisser Hoffnung
Ach! einer Zärtlichkeit zurück,
Die mit der Zeit, vielleicht bald, bald verloschen ist …
Ihr werdet dann vielleicht die Sklaven einer Mutter …
Und welcher Mutter? ach! die nur den Nahmen führt …
Dann seyd ihr ausgesetzt, dem Argwohn, Haß, dem Neid …
So viel gefährlichen Entwürfen
Der blinden Eifersucht, der stolzen Herrschbegier …
Geliebte nein, ihr habt dann keine Mutter mehr.
Weint nur … aus jedem eurer Blicke,
Die ihr so zärtlich auf mich heftet,
Die ihr so schmachtend zu mir kehrt,
Schießt ein Pfeil, der schnell und tödtend
Mein mattgequältes Herz durchfährt.
Ich fühl's, ich habe selbst im Grabe
Keine Ruhe mehr,
Wenn unter bittern lauten Klagen
Ihr ängstlich irret dann umher,
Wenn ihr dann wimmernd werdet sagen …
Wo ist die Mutter? … ach! die Theure …
Die Mutter starb … sie ist nicht mehr.
Ha! so schrecklich fortgerissen
Aus süßer Kinder Arm zu seyn,
Sie von Leiden von Gefahren
So verfolgt, umringt zu wissen,
Ist der Hölle größte Pein.
CHOR.
Ach! wie zu schnell sind hingeschwunden
Ihres Lebens süße Stunden
Da sie in schönster Blüthe steht.
So welken hin die zarten Rosen,
Von des Nordwinds Sturm und Tosen
Mördrisch angeweht.
ALCESTE.
Ha! so schrecklich fortgerissen
Aus süßer Kinder Arm zu seyn,
Sie von Leiden von Gefahren
So verfolgt, umringt zu wissen,
Ist der Hölle größte Pein.

Ab und mit ihr alle die Uebrigen.

Ende des zweiten Akts.

Dritter Akt.

Erster Auftritt.

Ein Vorhof des Königl. Pallasts, mit Statüen und Trophäen geziert. Es ist Tag.

Admet, und Evander kommen eilig von verschiedenen Seiten.

ADMET zu Evander.
Ach! theurer Freund!
EVANDER.
Weh uns, mein König, weh!
ADMET.
Gott! alles ist umsonst; zu wiederrufen
Ist das Gelübd Alcestens nicht.
EVANDER.
Und auch du selbst kannst nicht für deine Gattin sterben.
ADMET.
Die Götter wollen's nicht.
EVANDER.
Der Gottheit Mund blieb stumm
Auf deine wiederholten Fragen.
Zu schrecklich ist für uns des Schicksals Tyranney.
ADMET.
Umsonst ist alles. Ha! das treuste Weib muß sterben!
EVANDER weinend.
Die beste Königin, ach! müssen wir verliehren!
ADMET.
Du weinst Evander, und gerecht sind deine Thränen.
Doch, miß nach deinem Schmerz nun auch den meinen ab.
Denk dir, zu welcher Quaal die Götter mich verdammen.
Sie stirbt für mich, ich kann für sie nicht sterben.
Ein Abscheu ist mir dieses Leben,
Und dennoch ist verschlossen mir das Grab.
Ein jeder Augenblick in meinen Trauertagen
Wird die Beständigkeit, die Liebe und die Treue,
Und alle Tugenden Alcestens
Zurück mir rufen. Dann wird ihr entzückend Bild,
Ihr Blick voll Reitz und Lust, ihr Lächeln lieb und hold
Und ihr bescheidenes Erröthen,
In jedem Gegenstand mir vor den Augen stehn.
Und diese marternden Erinnerungen, weckt
Der Kinder Angesicht weit stärker dann in mir.
Mit Thränen werd ich sie dann nur umarmen müssen,
Und unter Seufzern nur sie küssen …
O! welch ein Kampf sich wiedersprechender Gefühle,
Welch ein nie endendes und bittres Wechseln
Von Mitleid, Zärtlichkeit, von Schrecken und von Angst,
Wird mir als Gatten und als Vater
Von den Allmächtigen bereitet!
O welch ein Unglück drückt mich Armen!
Was soll ich thun, mit welchem Herzen
Soll ich die Kinder dann umarmen,
Sie, die mit seltner Rachbegier
Mit grausamen, mich spottenden Erbarmen
Die Götter noch erhalten mir?
Ach Elend! ach mit welchem Herzen
Werd‘ ich ein Trost für die dann seyn!
Ach! was werd ich ihnen sagen,
Wenn sie in Thränen ganz zerflossen,
Die Mutter mir erinnernd klagen;
Wenn sie, o welche Höllen-Schmerzen!
Von mir die Mutter fordernd, schreyn?
Nein, nein mir fehlt die Kraft,
Bey solchen ungeheuren Quaalen
So unerschütterlich, so standhaft noch zu seyn.
Wenn ich vorher sie nur mir denke,
O! so erbebt mein Herz schon vor Entsetzen …
In welchen Abgrund stürzt mich dieser einzge Tag,
Vom höchsten Gipfel meiner Freuden.
Ihr Götter, ha! mein Glück hat euren Neid erregt,
Mein Leben war dem eurigen zu gleich,
Da mein Alceste war! …
Und nun wie werd ichs sehen können,
Daß sie in meinem Arm das Leben von sich haucht! …
Daß in des Todes Nacht ihr göttlich Aug‘ sich hüllt …
Daß ihre himmlisch schönen Mienen,
Die holde Schwanenbrust, das schwarze kalte Gift
Des Todes so durchwühlt … Schon eilt der Augenblick
Auf Flügeln schnell dahin … die Scene des Entsetzens
Mir zu bereiten … ach! …

Sieht nach außen hin.

Was seh‘ ich? Weh! sie kömmt …
O welch ein Anblick! o welch eine Grausamkeit! …
Sie nähert sich … sie schwankt … sie schleppt sich kaum noch fort …
Die Kinder an der Hand … sie kömmt zum letztenmal
Zu sagen: lebe wohl; … mein bestes, treustes Weib …
Doch nein, ach! nicht mehr mein … O meine Kinder!
O Gattin! welch ein Tod! … o welche Trennung!

Zweiter Auftritt.

Alceste von einigen ihrer Frauen geführt. Eumelos, Aspasia, Ismene; das übrige weibliche Gefolge der Königin und die Vorigen. Darauf die Höllengötter.

ALCESTE.
Admet, mein Einziger, mein Gatte, mein Geliebter!
Der Augenblick ist da, der nun von dir mich trennt;
Der unsrer Liebe süße Bande
Auf ewig nun zerreißt … das wüthende Gespenst
Des Todes folgt mir schon, hat schon den Dolch gezückt,
Hebt schon den Arm empor, droht mit dem letzten Stoß.
Bald ist Alceste bald nun nicht mehr Königin,
Nicht Gattin, ach! nicht Mutter mehr … Bald schließt
Die starre Hülle meines Körpers
Ein kalter Marmor ein.

Sie setzt sich auf ein kleines Ruhebett.

ADMET.
O Quaal die mich zerreißt!
EVANDER.
O grausames Gelübd!
ISMENE.
O Treue nie erhört!
ALCESTE zu Admet.
Die Götter wissen es
Ob ich, so schön mir auch der Jugend Blüthe lacht,
So süß, so schmeichelnd mir auch der Gedanke ist,
Zu lieben dich, von dir geliebt zu werden,
So sehr ich Mutter bin, und Königin, gewöhnt
An alle Freuden dieses Lebens
Ob ich, dieß Leben jetzt für dich dahin zu geben,
Nur einen Seufzer ausgestoßen …
Doch dieß Geschenk, verdienet deinen Dank,
Verdient, daß nie in andrer Gattin Armen
Dich unsre Kinder sehn. Versprichst du dieß mir noch
Und schwörst du mir's, den Kindern und den Göttern;
So schließ in Frieden ich zum ewgen Schlaf mein Auge.
ADMET.
O diese Forderung ist heilge Pflicht für mich.
Ja, ich versprech‘ es dir; und werd's genau erfüllen;
Den Göttern schwör‘ ich es, und dir, dich, dich allein
Hab ich geliebt so lang du lebtest,
Dich beth‘ ich an, auch wenn du nicht mehr bist.
Nie sollen mit Eumel und mit Aspasien
Noch andre Kinder meine Liebe theilen.
Mit deinem Tod flieht jede Freude mich,
Nichts bleibt mir, nichts, als Thränen, Gram und Schmerz,
Die nur mit meinem Leben enden …
Und o! welch Glück für mich, wenn bald die guten Götter
In jenen friedlichen, stets heiteren Gefilden,
Dem Aufenthalt der auserwählten Seelen,
Mich dann zum zweytenmal mit dir vermählen.
ALCESTE.
So komm, empfang‘ aus deiner Gattin Hand,
Diese so geliebten Pfänder,

Auf ihre Kinder deutend.

Die sie dir anvertraut … komm nimm von ihr …
Das letzte Lebewohl ….
ADMET.
Das letzte! …
ALCESTE.
Weh‘ mir! … Ja.
ADMET.
Der Martern wilder Strom reißt mir das Herz mit fort.
ALCESTE zu ihren Kindern.
Eumel … Aspasia …
Vergeßt mich nie, ihr lieben
Ihr theuren Theile meines Herzens.
Kommt oft zu meinem Grab … schmückt es mit Blumen auf:
(Und ich umschweb‘ euch dann als liebevoller Schatten.)
Ruft dann zuweilen eurer armen Mutter
Nie zu vergessendes Gelübd,
Ruft ihre Lieb‘ und ihre Treue
Dem Vater in das Herz zurücke.
Ach! Theure … trocknet eure Thränen,
Hört, der Vater schwört euch heut
Seine ganze Zärtlichkeit.
ADMET zu den Kindern.
Geliebte … ja, mein einziges Entzücken,
All mein Trost sollt ihr allein
Künftig meinem Herzen seyn.
ALCESTE schwach, als wenn sie in Ohnmacht fallen wollte.
Beruhige dich nun … Mein Theurer …
ADMET.
Zu grausam, ach! ist mein Geschick.
ALCESTE fällt ohnmächtig zurück.
Dein Schmerz allein, macht mir zur Hölle
Meinen letzten Augenblick.
ADMET außer sich, da er Alcesten sinken sieht.
O welche unerhörte Leiden!
O welch ein Tod! o welche Quaal!
So sehn die sanfte Gattin scheiden,
Mir rauben sehn mit einemmal!
Ach! ein Beyspiel kann ich geben,
Wie viel in diesem armen Leben
Ein vom Geschick verfolgter Mann,
Den Götter hassen, dulden kann.

Er nähert sich Alcesten.

Wer … Freunde! – wer – ihr ewgen Götter,
Ist nun mein Beystand, ist mein Retter!
ALCESTE sich etwas aufrichtend.
Mein Gatte! … Kinder! … ach umarmet
Noch einmal, weil ich lebe, mich.

Sie nahen sich ihr, sie zu umarmen.

ADMET, EVANDER UND ISMENE.

Erschreckt von einem fürchterlichen Geräusche, welches innerhalb gehört wird. Alceste fällt in Ohnmacht.

Doch horch, welch ein Geheul erfüllet
So fürchterlich die Luft umher!
Ha! welch ein Dampf in Nacht gehüllet
Deckt uns so schnell, von Schrecken schwer! …

Die Höllengottheiten erscheinen in einer schwarzen Wolke.

ADMET.
Ich zittre … welche Ungeheuer
EVANDER zugleich mit Admet.
O welch ein Haufe schwarzer Schatten!
ADMET.
Sieh! welche scheusliche Gestalten!
EVANDER zugleich mit Admet.
Sie blicken wild umher, sie drohen.
ADMET.
Ach! was wird dies werden? sprich.
EVANDER zugleich mit Admet.
Was werden die Tyrannen fordern?
ISMENE indem sie die Gottheiten der Alceste näher kommen sieht.
O meine Königin!
ADMET zugleich mit Ismene.
Weh! meine Gattin, ach!
CHOR DER HÖLLENGOTTHEITEN.

Zu Alceste, indem sie sich ihr nahen.

Komm, denk zurück was du geschworen,
Die Parze, streng, nie zu erbitten,
War lang nachgebend, so wie heut,
Nie sonst in ihrer Grausamkeit.
ALCESTE.
Ach! … wer, wer weckt mich auf! wer ist's, wer reißet mich
Aus dieser Stumpfheit meiner Sinne,
In welcher ich vorhin von allen Schmerzen frey,
So ruhig, sprachlos lag, wie in des Todes Schlaf?

Sie wendet sich um und erblickt die Höllengötter.

Wer sind die Ungeheu'r, die mich umgeben? … fort.
Es ist geschehn, … ich bin verlohren.
CHOR DER HÖLLENGOTTHEITEN zu Alceste.
Fort, was zauderst du noch länger,
Bist du dem Pluto nicht geweyht?
ADMET zu den Gottheiten.
Zurück! … Ach! habt mit mir Erbarmen,
Ha! nur an mir, an mir
Sättigt eure Rachbegier.
Raubt mit Alcesten auch den Gatten,
Ach! der sie so zärtlich liebte,
Der stirbt, wird er entfernt von ihr.
CHOR DER HÖLLENGOTTHEITEN.
Fort, hier ist weiter kein Erbarmen,
Hier gilt kein längres Zaudern mehr.
ADMET.
Ach! nur noch ein'ge Augenblicke …
ALCESTE.
Ach! … noch … ein einziges … Umarmen.
CHOR DER HÖLLENGOTTHEITEN.
Fort, hier ist weiter kein Erbarmen,
Hier gilt kein längres Zaudern mehr.
EINE HÖLLENGOTTHEIT will Alcesten ergreifen.
Komm.
ADMET zieht das Schwerd und dringt auf die Höllengötter ein.
Nein, Barbaren, nein.
EINE HÖLLENGOTTHEIT sich umwendend mit Hoheit.
Verwegner Sterblicher,
Bezähme deinen Muth, den rasenden, der dich
Der dich vergeßen läßt, mit wem du hadern willst.

Er ergreift Alceste.

ALCESTE.
Leb wohl … Admet … Lebt wohl … o meine Kinder!

Sie wird weggeführt.

ADMET sinkt ohnmächtig nieder und wird nebst den beyden Kindern hineingeführt.
Ich bin des Tod's …
ALCESTE.
Ich sterb … ich sterbe.

Verschwindet.

Dritter Auftritt.

Evander, Ismene, ein Theil der Hofleute des Admets und Frauen der Königin; darauf verschiedene Personen, von denen die mit dem König und mit dessen Kindern abgiengen.

EVANDER.
So ist sie doch dahin?
ISMENE.
Sie kömmt nie mehr zurück.
EVANDER.
Dort unter jenen Ungeheuern
Verlohr sie sich, entschwand sie unserm Blick.
ISMENE.
Ich schaudre …
EVANDER.
Meine Glieder zittern …
ISMENE.
Vor Angst und Schrecken …
EVANDER.
Vor Entsetzen …
ISMENE UND EVANDER zugleich.
O! wer wird nun in unserm Schmerz
Uns beystehn, wer wird uns nun Trost gewähren!
CHOR VON AUßEN.
O weint Theßaliens Gefilde!
CHOR VON INNEN.
Weinet, unsre Königin
Ist verlohren, ist dahin.
ISMENE.
Sie starb, und ach! die heißen Thränen
Die jedes Auge weint um sie,
Auf dieß unglückliche Gestade,
Werden nun nie enden, nie
CHOR VON AUßEN.
O weint Theßaliens Gefilde!
CHOR VON INNEN.
Weinet, unsre Königin
Ist verlohren, ist dahin.
EVANDER UND ISMENE.
Mit ihr floh jede schönre Tugend
Aus unsrer Mitte, jede Zier;
Ach! wolltet ihr so hart uns strafen
Ihr Götter, woltet ihr?
CHOR VON AUßEN.
O weint Theßaliens Gefilde!
CHOR VON INNEN.
Weinet, unsre Königin
Ist verlohren, ist dahin.

Vierter Auftritt.

Admet mit Gefolge von Hofleuten die ihn umgeben um ihn zu entwafnen. Eumelos, Aspasia, Frauen der Alceste und die Vorigen.

ADMET.
Laßt mich, unmenschliche.

Er wird entwafnet.

Vergebens hoffet ihr
Zu hindern meinen Tod. Vergebens setzen sich
Selbst Götter gegen meinen Willen.
Alceste starb, und nun wird jedes Leben
Zur blutgen Todesstrafe mir.
Wie könnt‘ ich auch den Anblick dieser Mauren,
Die so verhaßt mir sind, ertragen?
Wie könnt‘ ich meinen Blick rings um mich her noch drehn,
Und sie nicht sehn, … Alcesten nicht mehr sehn?
Wie könnt‘ ich wandeln hier, um weiter nichts zu finden,
Als Oede nur, Verzweiflung, Traurigkeit?
Nein, wer von euch mich jetzt noch hindern will,
So einem schrecklichen Geschicke,
Mich sterbend zu entziehn, ist der verworfenste
Von allen Sterblichen, der ist ein Abscheu mir.
ISMENE.
Gebiether! …
EVANDER.
Ach Monarch! …
ADMET.
Schweigt, fort, naht euch mir nicht,
Bey allen Göttern, … aus Erbarmen …
ISMENE.
Doch … König denk … dein Reich, dein treues Volk …
EVANDER.
Denk Vater … diese deine Kinder! …

Führt die Kinder zu ihm, die sich ihm zu Füßen werfen.

ADMET.
O Gott! hört auf mich länger noch zu martern …
Alceste nur füllt meine Sinne,
Alceste füllt mein Herz … zu ihr will ich, zu ihr.

Er reißt sich loß, und lehnt sich mit bedecktem Gesichte an eine Coulisse.

ISMENE man sieht blitzen.
Seht, seht was für ein Blitz schoß dort so schnell herab!
EVANDER.
Welch hohes prächtges Licht entflammt die Wolken!
ADMET in sich gekehrt und heftig.
Bald, bald schließt mich mit ihr der Unvergleichlichen
Ein Grab nur ein … und treu folg ich ihr dann
Hin nach Elysium, den seelgen Wohnungen,
Von Göttern zugedacht den Helden und den Frommen

Will weggehen.

EVANDER hält ihn zurück.
O bleib …
ISMENE.
O warte noch …
ADMET.
Was ists? …
EVANDER.
Sieh dort!

Sie machen Admet aufmerksam auf eine große glänzende Wolke die herunter kömmt.

ISMENE.
Welch eine Pracht.
ADMET.
Was für ein Wunder!
ISMENE erblickt eine Gottheit auf der Wolcke.
Sieh‘! eine Gottheit ists.
EVANDER.
Es steigt ein Gott herab,
Und scheint mit sich herab zu ziehn der Sonne Strahlen.
ADMET.
Ich staune.
ISMENE UND EVANDER zugleich.
Ha! nun leb ich wieder auf.
ADMET.
Es ist Apoll, der Sonnen-Gott.
ISMENE UND EVANDER zugleich.
Er ists.

Letzter Auftritt.

Apollo in glänzenden Wolken, Alceste darinn verborgen, und die Vorigen.

APOLLO.
Admet dein nagender, dein namenloser Schmerz
Hat selbst das Mitgefühl der Götter aufgeregt.
Mit Wohlgefallen sahn sie deiner treuen Gattin
Großmüthiges Gelübd.
Zwey Liebende so zärtlich und so treu,
Soll nun ein beßeres Geschick belohnen.
Du nahmst gastfreundlich einst mich Irrenden auf Erden
In deine Wohnung auf! dafür erhalte nun
Den höchsten Lohn, den nur ein armer Sterblicher
Von den Allmächt'gen hoffen kann,
Ich gebe dir Alcesten wieder.

Alceste steigt aus der Wolke, und diese hebt sich mit der Gottheit wieder in die Höhe.

ADMET eilt ihr entgegen.
Ists möglich? … du … mein Leben … du? …
ALCESTE.
Geliebter.
ADMET.
Du lebst …
ALCESTE.
Ich leb‘ und ich umarme dich.
ADMET.
O welch ein Wunder-Werk.
ALCESTE.
Wie unbegreiflich groß.
ADMET.
O unaussprechlich ist mein Glück.
ALCESTE zu ihren Kindern.
Geliebte Kinder,
Mein theuerster Gemahl! So drück ich euch denn wieder
An meine Brust.

Sie umarmen sich alle.

ADMET.
Ihr güt'gen Himmelsmächte!
Wohlthätiger Apoll! … o Tag der höchsten Wonne!
Dies Ende aller meiner Leiden,
Das ich nie, nie gehoft, sey meinem Reich ein Fest.
Ein großes Opfer sey der Feyer höh'rer Glanz;

Zu Alcesten.

Und du, Geliebteste, weyh‘ nun auch du den Göttern
Dein ersteres Gefühl, bey diesem hohen Glück,
Den ersteren Gedanken deiner Seele.
So wie mein erster Wunsch, mein ersteres Gelübd
Den Ewgen heilig ist.
ALLE zu Alcesten.
Umglänzt vom Glück und seinen Freuden
Sey deiner Völker Herrscherin.
Erhabenste, nie saß auf Thronen
Dir ähnlich eine Königin.
Vermählt mit Weisheit, mit dem Reitz der Jugend
Wohnt Unschuld, Heldengeist in dir;
Jede Schönheit, jede Tugend
Vereinet ihre Macht in dir.

Ein allgemeiner Tanz endigt das Schauspiel.