Hölle - Gesang 01
Auf unsres Erdendaseins Wegesmitte
Erfand ich mich in einem dunklen Wald,
Da abgeirrt vom rechten Pfad die Schritte.
Hölle - Gesang 02
So neigte sich der Tag; die Dämmerungen
Erbrachten allen Erdenwesen Rast,
Nur ich allein ward in den Kampf gezwungen
Hölle - Gesang 03
Durch mich geht's ein zur klagereichen Stätte,
Durch mich geht's ein zum ewiglichen Leid,
Durch mich zu der Verlornen langen Kette.
Hölle - Gesang 04
Ein Donner hat mich aus dem Schlaf gerüttelt,
Der mir den Kopf benommen tief und schwer,
Wie einen, den man jäh gewaltsam schüttelt.
Hölle - Gesang 05
So stiegen wir zum zweiten Kreise ein,
Der kleiner ist, doch größre Schmerzen schürt,
Dort steigert sich zum Wehgeschrei die Pein.
Hölle - Gesang 06
Bei Rückkehr des Bewußtseins, das geschwunden
Aus tiefstem Mitleid mit dem Schwäherpaar,
Das mir mit Traurigkeit den Sinn gebunden
Hölle - Gesang 07
»Pape Satan, Pape Satan aleppe,«
Schrie Plutus rauh uns an. Da sprach Virgil,
Dem alles kund: »Den Weg zur Felsentreppe
Hölle - Gesang 08
Fortfahrend sag ich, längst, eh' wir gekommen
Zum Fuß des hohen Turmes, konnt' ich seh'n
Zwei Lichter, hell am höchsten First erklommen
Hölle - Gesang 09
Die Farbe, die vor Furcht mir war verblichen,
Als mir mein Führer stumm zurückgekehrt,
Kam mir nun wieder, wie sie mir gewichen.
Hölle - Gesang 10
Geheime Pfade sind wir nun geschritten
Am Wall der Stadt, durch der Geplagten Reih'n,
Mein Meister vorn, ich folgend seinen Tritten.
Hölle - Gesang 11
An eines hohen Ufers oberm Rande,
Der rings im Kreise Steingetrümmer barg,
War angehäuft ein Volk noch schlimm'rer Schande.
Hölle - Gesang 12
Der Ort, wo wir zum Abstieg jetzt gelangen,
War wild und rauh und auch so ungestalt,
Daß jedes Auge er erfüllt mit Bangen
Hölle - Gesang 13
Es war dort Nessus noch nicht angekommen,
Als uns ein Dickicht unwegsam und dicht,
Das keine Pfade zeigte, aufgenommen.
Hölle - Gesang 14
Aus Mitleid mit der Stadt, die mich geboren,
Vereinte ich die Blätter, die verstreut,
Und gab sie ihm, der schon die Kraft verloren.
Hölle - Gesang 15
Nun trägt uns eines Ufers stein'ger Rand,
An dem im Schutz des Dampfes wir fürder kamen,
Der Wasser, so wie Dämme schützt vor Brand.
Hölle - Gesang 16
Schon hörten wir das Wasser niederlärmen,
Das von dem einen Kreis zum andern floß
Mit Brausen, wie wenn Bienenstöcke schwärmen
Hölle - Gesang 17
»Hier naht das Tier, dess' scharfer Schwanz die Festen
Des Bergs durchbohrt und Wall und Wehr zerbricht,
Dess' Stank sich hebt, die Welten zu verpesten.«
Hölle - Gesang 18
Der Unheilschacht heißt dieser Ort der Hölle,
Der ganz aus eisenfarb'gem Berggestein,
Umschlossen rings von gleichem Felsgerölle.
Hölle - Gesang 19
O Simon Magus, o elende Schar
Der Deinen! sie, die güt'ge Hochzeitsgaben
Aus Gottes Hand für Gold und Silber bar
Hölle - Gesang 20
Von neuer Pein hebt an jetzt mein Gedicht,
Um Stoff dem zwanzigsten Gesang zu schenken,
Des ersten Lieds, das von Versunk'nen spricht.
Hölle - Gesang 21
So sprachen wir, von Steg zu Stege gehend,
Was meinem Sange ich nicht anvertraut,
Bis wir, auf eines Bogens Scheitel stehend
Hölle - Gesang 22
Wohl sah ich Reiter aus dem Lager ziehn,
Den Sturm beginnen oder Must'rung halten,
Bisweilen auch zu ihrer Rettung fliehn
Hölle - Gesang 23
So gingen wir geleitlos schweigend hin,
Erst er, dann ich, so wie des Weges wandelt
Der Menoniten Chor, den Streit im Sinn
Hölle - Gesang 24
In jenem Teil des jugendlichen Jahres,
Da Tag und Nacht fast gleich, und Wärme leiht
Der Wassermann dem Strahl des Sonnenhaares
Hölle - Gesang 25
Am Schluß der Rede hat mit Schimpf und Spott
Der Räuber beide Fäuste hochgehoben,
Indem er schrie: »Nimm's hin, dir gilt das, Gott!«
Hölle - Gesang 26
Freu dich, Florenz, daß du so groß geworden!
Dein Flügelschlag herrscht über Land und Meer,
Dein Name klingt durch aller Hölle Borden!
Hölle - Gesang 27
Schon sah ich schweigend sich die Flamme heben
Und bald war unsren Blicken sie entfloh'n,
Da sie der holde Dichter freigegeben
Hölle - Gesang 28
Wer könnte, selbst mit ungebund'nem Wort,
Von Blut und Wunden das vollständig sagen,
Was ich hier sah, und spräch' er fort und fort.
Hölle - Gesang 29
Das viele Volk und die verschiednen Wunden
Betäubten meinen Blick, der trunken war,
Ersehnte Tränen hätten ihn entbunden.
Hölle - Gesang 30
Zur Zeit, als Juno das Geschlecht von Theben
Um Semele in Zornes Bann getan,
(Wovon sie mehrmals Kunde hat gegeben)
Hölle - Gesang 31
Derselbe Mund, der mich zuerst verwundet,
Daß beide Wangen sich gefärbt mit Scham,
Gab auch Arz'nei, von der mein Geist gesundet
Hölle - Gesang 32
Könnt' heis're, rauhe Reime ich benützen
Für diesen Schlund so wild und grauenhaft,
Auf den sich alle andren Felsen stützen
Hölle - Gesang 33
Es hob den Mund vom grauenhaften Mahl
Der Sünder dort und wischt ihn an den Haaren
Des Haupts, das er zerfleischt zu seiner Qual
Hölle - Gesang 34
Vexilla regis prodeunt inferni
Adversum nos. »Schau vor dich,« sprach Virgil,
»Ob du ihn siehst, der aus des Eises Kern nie
Fegefeuer - Gesang 01
Zu bess'rer Fahrt laß ich das Segel schwellen,
Das meines Geistes Schifflein vorwärts bringt,
Hinweg von jenes Schreckensmeeres Wellen.
Fegefeuer - Gesang 02
Schon stieg die Sonne auf zum Horizonte,
Dess' Meridian bedecket im Zenit
Jerusalem. Am Gegenpol begonnte
Fegefeuer - Gesang 03
Indes in jäher Flucht aufs Feld versteut
Die Scharen sich zurück zum Berge wenden,
Wohin Vernunft sie spornt', gab ich erneut
Fegefeuer - Gesang 04
Wenn so durch Freude oder Leid im Leben
Die Seele wird beherrscht durch eine Macht,
Und sie sich willenlos ihr hingegeben
Fegefeuer - Gesang 05
Schon war ich von dem Schatten fortgestrebt,
Um meines Meisters Spuren nachzustreben,
Als einer hinter mir den Finger hebt.
Fegefeuer - Gesang 06
Beim Abschiednehmen nach den Würfelspiele
Bleibt der zurück wohl, der verlor, voll Leid,
Und probt zum Lernen Würfe aus. Doch viele
Fegefeuer - Gesang 07
Nachdem den Gruß mit heit'rer Sittsamkeit hier
Wir drei- bis viermal wiederholen sah'n,
Da trat Sordell zurück und sprach: »Wer seid ihr?«
Fegefeuer - Gesang 08
Schon war's die Stunde, die der Schiffer Herz
Mit Heimweh füllt, wenn Abschied sie genommen
Von trauten Freunden, und der Sehnsucht Schmerz
Fegefeuer - Gesang 09
Am Himmel war im Osten schon verblichen
Der Bettgenossin Titons Angesicht,
Die ihres teuren Freundes Arm entwichen
Fegefeuer - Gesang 10
Als wir im Innern nun des Tor's der Gnade,
Das durch die Seelen sich des Dreh'ns entwöhnt,
Die schlechte Liebe führt' zum krummen Pfade
Fegefeuer - Gesang 11
O Vater unser, der im Himmel du,
Und ob allmächtig, deine Liebe droben
Dem Erstgeschaff'nen teilst vor allem zu
Fegefeuer - Gesang 12
So wie ein Stier im Joch bin ich geschritten
Mit jener schwer belad'nen Seele dann,
So lang mein trauter Lehrer es gelitten