Nächtliche Wanderung

Die Nacht ist finster, schwül und bang,
Der Wind im Walde tost;
Ich wandre fort die Nacht entlang
Und finde keinen Trost.

Und mir zur Seite, engelmild,
Und, ach! so schmerzlich traut,
Zieht mein Geleite hin, das Bild
Von meiner toten Braut.

Ihr bleiches Antlitz bittet mich,
Was mich ihr süßer Mund
So zärtlich bat und feierlich
In ihrer Sterbestund:

»Bezwinge fromm die Todeslust,
Die dir im Auge starrt,
Wenn man mich bald von deiner Brust
Fortreißet und verscharrt!«

Da unten braust der wilde Bach,
Führt reichen, frischen Tod,
Die Wogen rufen laut mir nach:
»Komm, komm und trinke Tod!«

Das klingt so lieblich wie Musik,
Wird wo ein Paar getraut:
Doch zieht vom Sprunge mich zurück
Das Wort der toten Braut.

Stets finstrer wird der Wolkendrang,
Der Sturm im Walde brüllt,
Und ferne hebt sich Donnerklang,
Der immer stärker schwillt.

O schlängle dich, du Wetterstrahl,
Herab, ein Faden mir,
Der aus dem Labyrinth der Qual
Hinaus mich führt zu ihr!

Entstehungszeit unbekannt. Erstdruck 1832.

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