Ambroise Thomas

Hamlet

Große Oper in 5 Akten

Personen

Hamlet

Claudius, König von Dänemark

Der Geist von Hamlet's Vater

Polonius, Oberkämmerer

Laertes, Sohn des Polonius

Marcellus,
Horatio Offiziere, Freunde Hamlet's,

Erster Totengräber

Zweiter Totengräber

Gertrude, Königin von Dänemark und Hamlet's Mutter

Ophelia, Tochter des Polonius

Herren und Frauen vom Hofe. Soldaten. Schauspieler Diener. Bauern und Bäuerinnen

Die Szene ist in Helsingör.

Erster Akt.

Ein Saal im königlichen Schloß.

Der König. Polonius. Herren und Damen vom Hofe. Pagen und Wachen. Nachher die Königin.

Nr. 1.

Introduktion.

CHOR.
Freudensang, klinge hell und klar!
Fort die Sorg‘, hinweg das Bangen!
Denn wir begrüßen mit Verlangen
Dich, König, am Hochzeitsaltar.
DIE DAMEN DER KÖNIGIN.
Willkommen, Königin der Dänen!
Altes Leid weich‘ aus Deiner Brust.
Trockne nun Deines Kummers Thränen,
Dein wartet jetzo neue Lust.
KÖNIG.
O Du, die ich zur Gattin mir erkoren,
Du, deren Stirn zum zweiten Mal die Krone schmückt,
Die das Dänenvolk neu beglückt,
Das Weib meines Bruders, den zu früh ich verloren,
Die Du Stolz mit Anmut paarst,
Gern reich‘ ich Dir die Krone hin.
Sei meine Gattin, wie Du mir Schwester warst!
CHOR.
Gott beschütze den König! – Gott beschütze die Königin!
KÖNIGIN.
Ich sehe nicht meinen Sohn!
KÖNIG.
Still! Seid Königin.
CHOR.
Die Trauer schwinde für immerdar!
Fort die Sorg‘, und laßt das Bangen!
Denn wir begrüßen mit Verlangen
Dich, König, am Hochzeitsaltar.

Nr. 2.

Recitativ und Duett.

HAMLET.
Heuchelei, dies zärtliche Bangen!
Kaum schloß in schreckensvoller Stund‘
Auf ewig sich des Vaters Mund,
Zwei Monde sind's – und meine Mutter voll Verlangen
Schließt alsbald einen neuen Bund!
So schnell versiegten ihre Thränen,
Wenig Tage stillten den Schmerz.
O Weiber! wer wollte wähnen,
Ihr besäßt ein treues Herz!

Duett.

Hamlet. Ophelia.

OPHELIA.
Edler Herr …
HAMLET.
Ophelia!
OPHELIA.
Ach! daß Eu'r Gemüt,
Dumpfem Schmerz zum Raub, der Freude stets entflieht.
Der König, sagt man, hat entlassen Euch schon,
Ihr reiset fort von hier und noch heut‘! …
HAMLET.
O Du Holde!
OPHELIA.
Ist das der treuen Liebe Lohn?
Welch trauriges Geschick treibt Euch fort von dem Thron,
Als wenn Eu'r Herz ewig vergessen wollte?
HAMLET.
Nein, wenn die Freude entfloh'n,
So liegt die Schuld daran, daß Treue
Gänzlich verschwand aus der Welt!
In einem Tag wankt und fällt
Frauenliebe ohne Reue!
OPHELIA.
Haltet ein! Verdiente wohl Ophelia den Schmerz,
Solch ein Wort von Euch zu hören?
HAMLET.
Verzeihung, lasse Dich beschwören!
Nicht klagte ich Dich an, den Frieden Dir zu stören,
Und zu kränken Dein reines Herz!
Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl‘, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht!
OPHELIA.
O Hamlet, kann selbst die Liebe
Nicht länger halten Euch zurück?
Warum verscherzt Ihr mein Glück?
Denn ohne Euch scheint mir das Leben trübe.
HAMLET.
Nein! Nicht Dir will ich entfliehn,
Nur der Menschen verwerflichem Treiben.
Die Erinn'rung an Dich soll mir bleiben,
Zieh‘ ich auch fern von Dir mit meinem Schmerz dahin.
Dein Auge ist's, das mich auf's Neu belebt,
Die Thränen sind gestillt und der Kummer entweicht
Wenn Deinem Mund ein Wort entschwebt,
Ist alsbald die Trauer verscheucht.
Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl‘, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht!
OPHELIA.
Sonne, Gestirn voll Klarheit,
Sterne, mit Eurem hellen Licht,
Zeugen seid Ihr, daß laut're Wahrheit
Aus seinem Munde zu mir spricht!

Nr. 3.

Recitativ.

Hamlet. Ophelia. Laertes.

LAERTES.
Prinz Hamlet meinen Gruß.
HAMLET.
Den Gegengruß für Euch,
Ein Freund ist mir Opheliens Bruder.
LAERTES.
Edler Herr,
Der Abschied von Euch und von der Schwester fällt mir schwer.
OPHELIA.
Du willst reisen?
LAERTES.
Nach Norweg's Reich,
Auf des Königs Befehl, reis‘ ich noch heute ab.
OPHELIA.
Ach Gott! Schon sinkt die Sonn‘ herab! …
In's Wellengrab!

Cavatine.

LAERTES.
Treu meiner Pflicht und für mein Land zu streiten,
Verlaß ich die Heimat, begegn‘ ich dem Feind.
Doch sollt‘ ich fern von ihr den Tod erleiden,
Mögt Ihr alsdann sie trösten als ein Freund.
Mein Stolz, meine Freude im Leben
War sie stets! Wollt Bruder ihr sein!
Mög‘ Eure Freundschaft sie umschweben,
Denn nur auf Euch bau‘ ich allein! …
Bald naht die Stund‘, wo die Schwester ich entbehre:
Wacht über sie, wenn ich im fremden Land;
Schützt ihre Tugend, schützet ihre Ehre,
Nur Euch vertrau‘ ich dieses teure Pfand!
HAMLET.
Hör‘, Gott, den Eid, den jetzt ich schwöre
Nie soll zerreißen dieses Band!
OPHELIA.
Er allein wird schützen meine Ehre,
Gern leg‘ ich sie in seine Hand.
LAERTES.
Lebt wohl!
OPHELIA.
Ihr folgt uns nicht zum Fest,
Zum fröhlichen Gelag?
HAMLET.
O laßt allein mich bleiben!
Ihr, Laertes, geht mit Gott
Der nie die Seinen verläßt!
CHOR.
Der König! Er lebe! Ein Hoch!
Zu dem Fest sei alles bereit,
Unsern König feiern wir heut!

Nr. 4.

CHOR DER OFFIZIERE UND PAGEN.
Fort mit den Sorgen heut!
Die Freude
Soll uns're Losung sein
Allein!
Trinket den Saft der Reben,
Das Leben
Beut uns genug der Qual
Zumal!
Wer wollte heut noch weinen
Und greinen,
Wenn die Stunden entfliehn
Dahin!
Freunde seht, zum Genuß ist es Zeit,
O eilet zum Genuß und zur Fröhlichkeit!
MARCELLUS. HORATIO.
Ihr Herren, saht Ihr den Prinzen Hamlet?
CHOR.
Nein! – doch halt! Was wollet Ihr von ihm?
HORATIO.
So hört! – Als gestern Nacht
Wir auf dem Wall in eisiger Kälte gewacht,
Ist uns erschienen
Des verstorbenen Königs Gestalt.
CHOR.
Welch frevelhaftes Wort!
Die Lüge sollt Ihr büßen!
HORATIO.
Nein, es war ganz gewiß des Königs Ebenbild!
MARCELLUS.
Was er uns will, Gott mag es wissen!
Ob vielleicht er dem Prinzen Hamlet sich enthüllt!
CHOR.
Freunde auf!
Daß ein fröhliches Mahl man bereite!
Fort mit den Sorgen etc.

Wie oben.

Verwandlung.

Wall vor dem königlichen Schlosse.

Nr. 5.

Horatio. Marcellus.

HORATIO.
Ob wohl heut‘ das Gespenst uns wieder wird erscheinen?
's war dort, dort, wo letzte Nacht ich es deutlich gesehn!
HAMLET.
Horatio, find‘ ich Euch?
HORATIO.
Seid Ihr's, edler Herr?
HAMLET.
Ja, es wollte mir scheinen,
Als hörte ich Dich reden mit Marcellus. Allein
Zu welchem Zweck war dieses Stelldichein?
MARCELLUS.
Nur Euch ist es vergönnt, das Geheimnis zu erraten,
Edler Herr, und 's ist Gott, der hierher Euch gebracht.
An dieser Stelle, letzte Nacht –
HAMLET.
Fahrt fort!
MARCELLUS.
Sah'n Beide wir Eures Vaters Schatten.
HAMLET.
Seinen Schatten?!
HARATIO.
Ja, Herr, dort kam den Weg er herab,
Nie werde ich diesen Anblick vergessen.
Sein Blick war starr und sein Gang gemessen;
Dreimal schritt er vorbei, ernst und stumm wie das Grab.
HAMLET.
O entsetzliches Wunder! Mich erfasset ein Schauer.
HORATIO.
Das Antlitz bleich, voll tiefer Trauer.
HAMLET.
Und die Zeit, als der Geist erschienen?
MARCELLUS.
Mitternacht.
HAMLET.
An diesem Orte?
HORATIO.
An diesem Orte.
MARCELLUS.
Er schwand beim Hahnenschrei, eh‘ wir es noch gedacht.
HAMLET.
Blieb er stumm?
HORATIO.
Ganz stumm.
HAMLET.
O Gott, wo sind‘ ich Worte!
Doch fürchten sollt‘ ich den, der noch vor kurzer Zeit
Treu mich hat geliebt hier auf Erden?
Wie könnte mir des Vaters Geist verderblich werden?
Nein, wenn er kommt, er finde uns bereit.
HORATIO UND MARCELLUS.
Wir sind bereit.
HAMLET.
Hier Schatten der Nacht, und dort des Festes Glück.
Der König schwelgt in Lust und höhnt laut das Geschick.
Merkt auf! Es schlägt Mitternacht.
MARCELLUS.
Das ist die Stunde.
HORATIO UND MARCELLUS.
Blicket hin, er ist da!
HAMLET.
Himmel, ich steh‘ in deiner Hut!
HORATIO UND MARCELLUS.
Gott! In meinen Adern stockt das Blut.

Beschwörung.

Hamlet. Horatio. Marcellus. Geist.

HAMLET.
Phantom voll Graun! O Bild, das ich verehre!
O mein Vater, o mein Hort!
Gieb Antwort mir, meine Stimme erhöre,
Sprich es aus, nur ein Wort!
HORATIO UND MARCELLUS.
Mir graut, seh‘ den Geist ich dort!
HAMLET.
Warum, o sprich, stiegst aus der kalten Erde,
Wo wir hinein Dich senkten, Du hervor?
Warum dieses Kleid, die Geberde,
Die Krone auf dem Haupt, ganz wie zuvor?
HORATIO.
Er macht uns Zeichen, er heißt uns gehen,
Wir sollen uns entfernen.
HAMLET.
Gehorcht dem Machtgebot.
HORATIO UND MARCELLUS.
Nein, ich bleibe bei Euch, in Not Euch beizustehen.
HAMLET.
Gehorchet ihm!
HORATIO UND MARCELLUS.
O Herr!
HAMLET.
Bei Gott!
Nichts fürchte ich für die Ruhe der Seele,
Laßt uns allein, ich verlang's! Ich befehle!
HORATIO UND MARCELLUS.
Gott woll‘ ihm gnädig sein!
Bleiben wir in der Näh‘, um Beistand ihm zu leih'n.
HAMLET.
Sprich, wir sind allein.
GEIST.
Höre mir zu.
HAMLET.
Ich höre!
GEIST.
Ich bin der Geist Deines Vaters; göttliches Gericht
Entriß mich meinem Grab und den Qualen der Hölle,
Damit ich selbst Dir weise Deine Pflicht.
HAMLET.
Rede! Was Du befiehlst, ich werde es vollführen.
GEIST.
Ach, wenn Dein Herz für mich noch Erinn'rung bewahrt,
Räche mich! Räche mich!
HAMLET.
O Gott!
GEIST.
Nicht laß Dich rühren
Bei der That, denn der Strafe Stunde harrt.
HAMLET.
Doch wer ist der Verbrecher? Wer übte Verrath?
GEIST.
So höre: Der ist's, den man krönte:
Der ist's, den man jetzt König nennt,
Der mir das Diadem entlehnte,
Der mir des Lebens Glück mißgönnt‘!
Doch still, mich dünkt, ich witt're Morgenluft;
Beim ersten Hahnenschrei ist meine Zeit zu Ende.
Wiederum steig‘ ich dann hinab in meine Gruft,
D'rum muß ich kurz mich fassen.
HAMLET.
Vollende, vollende!
GEIST.
Meiner Väter Haus ward durch Eh'bruch beflecket,
Und er, der die Verräterei noch übertrifft,
Er erspähet die Stund‘, wo ich zum Schlaf mich gestrecket,
Flößet frevelnd mir ein das tötliche Gift.
HAMLET.
Entsetzlich!
GEIST.
O mein Sohn, des Vaters Tod zu sühnen
Warte nicht, bis die Reu‘ einst ihn ergriffen hat.
Deine Mutter jedoch mög‘ ihrer Straf‘ entrinnen,
Gott wolle ihr auf Erden schenken seine Gnad‘.
HAMLET.
Meine Mutter! Die Mutter!
GEIST.
Schon naht der Morgen sich, und mit des Frührots Schein
Muß ich scheiden. Ade! Gedenke mein!
HAMLET.
Teurer Vater, Deinen Mord zu rächen
Soll meine Losung sein.
Licht der Sonne, Glanz der Welt, Liebe und Ruhm – eitle Schwächen!
Ade! Ich denke Dein!

Zweiter Akt.

Schloßgarten.

Nr. 6. Arie

OPHELIA.
Ein Tag schon ist entfloh'n, seit zuletzt ich ihn geseh'n
Ganz verstört war sein Auge …. sein Schritt schien mich zu meiden
Traurig und vorwurfsvoll blickt‘ er beim Scheiden.
Was mag die Ursach‘ sein? – Wer sagt mir, was gescheh'n!
Doch nein! Undank wär‘ es, zu glauben, die Treue könnte wanken,
Sei still, mein Herz! Fort die trüben Gedanken.

I.

»Leb‘ wohl, so sprach er, glaub‘ mir
Mein Herz gehöret nur Dir! –
O eitle Schwüre, trügerisch‘ Verlangen
Ein Tag voll Sonnenschein
Wie bald ist er vergangen!
Und ich bin wieder ganz allein!«

Ophelia. Hamlet.

OPHELIA.
Er ist da! Gilt es mir, daß hierher er gekommen?
Er sieht mich! Er naht sich! Geduld, mein Herz bekommen.

II.

»O Undankbarer, glaub‘ mir,
Mein Herz gehörte nur Dir. –
Zu spät ist nun das Weinen und die Klage.
Er sieht nicht meine Pein,
Denkt nicht vergangner Tage!
Leb‘ wohl, ich bleibe ganz allein!«
Er sagt mir kein Wort!
Er entflieht mir auf's Neu‘!
Ach wie wahr sprach dies Buch!
Hört der Männer heil'ge Eide,
Leicht beschwingt, des Windes Beute,
Wer rief jemals sie zurück?
Zu schnell sind sie verflogen
Und gleich des Meeres flüchtgen Wogen,
Zerschellen sie im Augenblick!
Gestern noch vernahm ich Worte der Liebe,
Und die Hoffnung kehrte wieder zugleich;
Sterne dort oben, daß stets er treu mir bliebe,
Und daß nie ein Wölkchen den Himmel trübe
Ihr vernahmt den Schwur, und ich bau auf euch!

Nr. 7.

Ophelia. Die Königin.

KÖNIGIN.

Recitativ.

Ich glaubte, bei Euch zu finden meinen Sohn; doch zuvor
Sagt, was Euch ist! Ihr weint? Was ging hier vor?
Und Ihr wißt, daß schon längst ihn quält geheimes Wehe;
Sprach er mit Euch davon? …
OPHELIA.
Nichts, er meidet mich, flieht meine Nähe.
KÖNIGIN.
Doch Liebe schwur er Euch …
OPHELIA.
Warum gab‘ ich Gehör!
Ach Gott! Hamlet vergißt mich! Hamlet liebt mich nicht mehr!
Königin, fern von dem Hof, in Klosters engen Mauern,
Laßt von nun an mein Schicksal allein mich betrauern!
KÖNIGIN.
Du uns verlassen? Nein … er liebt Dich, er schwur Dir Treue zu,
Sein Versprechen wird er halten!
Fühlst Du dennoch sein Herz gegen Dich erkalten,
Sei gewiß, nicht er trägt die Schuld, noch Du.

Arioso.

KÖNIGIN.
Schwermut scheint ihn zu drücken,
Und unstät blickt er vor sich hin,
Schattenbilder berücken
Fort und fort seinen Sinn.
Er erbebet, wenn ich mich zeige,
Es durchbohret mich sein Blick,
Mit Entsetzen stößt er zurück
Die Hand, die ich ihm reiche!
Gott, welch Geschick!
Mög'st Du nicht von uns gehen!
Höre, Ophelia, mein Flehen!
Nur durch Dich kann ich hoffen, geheilt ihn zu sehen,
In Dir allein ruht mein Glück!
OPHELIA.
Ich will gehorchen, Königin.
KÖNIGIN.
Ich höre den König! … Verlasse mich!

Nr. 8.

Die Königin. Der König.

KÖNIG.
Wahnsinn ist in das Hirn Eures Sohn's gefahren,
Königin, und sein bißchen Verstand, es ist fort! ..
KÖNIGIN.
Konnte vielleicht die Wahrheit sich ihm offenbaren?
KÖNIG.
Nein – Gott sei Dank … kein leises Wort.

Nr. 8bis.

Dieselben. Hamlet.

KÖNIGIN.
Mein Sohn!
KÖNIG.
Teurer Hamlet!
HAMLET.
König!
KÖNIG.
Mögst Du mich Vater nennen!
HAMLET.
König, mein Vater ist tot.
KÖNIG.
Ihm flossen meine Thränen,
Und ihm getreu, reich‘ ich Dir meine Hand.
HAMLET.
Die seine ist wie Eis und erstarret.
Sein Gedächtnis schlecht bewahret,
Jede Erinn'rung an ihn verschwand.
KÖNIG.
Mein Sohn!
HAMLET.
Ich heiße Hamlet.
KÖNIGIN.
Hast Du Ophelia vergessen?
HAMLET.
Ophelia?
KÖNIGIN.
Ihrer Jugend Reize?
HAMLET.
Bald dahin
Ist der Jugend süßer Reiz, und ein Tag zerstört flücht'gen Gewinn.
KÖNIG.
Konntest so schnell das Band Deiner Liebe Du lösen,
Was hält Dich hier? Die ganze Welt kannst Du durchmessen,
Uns're Wünsche, sie folgen Dir nach überall!
HAMLET.
Ja, seht dort in der Luft jene Wolken ohne Zahl,
Gleich Schwänen zieh'n sie hin, in ätherischer Ferne;
Könnt‘ ich schweifen mit ihnen ohne Ruh‘ und Halt!?
Um mich her nur die Sterne
Und des Donners Gewalt.
KÖNIG.
Wahnsinn'ger Traum!
O Hamlet, horch diesen Tönen
Festlich erklingen sie, Dein Gemüt zu versöhnen! …
KÖNIGIN.
Der Mutter Liebe ist zu trösten Dich bereit!
HAMLET.
Ja fürwahr, lustig wird es heut:
Einen Scherz hab‘ ich vor, Eurer Seele zur Labung.
Erscheinen wird in kurzer Zeit
Eine Schauspielerschaar von seltener Begabung,
Im Ernst, im Scherz, im Narrenkleid,
Sie verdienen den Beifall aus Eurem Munde.
KÖNIG.
Wir überlassen Dir, Hamlet, für diesen Tag,
Was Dir zu thun beliebt und uns erfreuen mag.
Er weiß nichts.
KÖNIGIN.
Welche Ahnung!
HAMLET.
Mein Vater, es naht die Stunde.

Nr. 9.

Hamlet. Horatio. Marcellus. Schauspieler.

MARCELLUS.
Die Schauspieler sind da, die Ihr bestellt, o Herr!
HAMLET.
Sie soll'n willkommen sein, hier im Schloß Helsingör!
CHOR DER SCHAUSPIELER.
Fürst ohne Apanagen
Und König ohne Land,
Hofdamen, Ritter, Pagen
Mit Stern und Ordensband –
Euch, Hoheit, zu gefallen
Durch Geschick und Talent,
Liegt am Herzen uns Allen
Sei heute uns vergönnt!
HAMLET.
Hat man nicht schon gesehen, daß des Mörders Gewissen
Durch der Erinn'rung Macht ihm das Geständnis entrissen?
Merkt auf, was ich von Euch verlange, und seid bereit.
Die Kön'gin ist betrübt, und ihr Sohn voller Grillen,
Den König zu zerstreu'n und dem Hofe zur Freud‘
Sollt‘ heute Abend Ihr die Ermordung Gonzago's spielen.
Auf einen Wink von mir flößt das Gift Ihr ihm ein,
Und den Erfolg laßt meine Sorge sein.
Doch bis dahin genießt das Leben,
Trinkt, scherzt und singt! Holla, Pagen, bringt Wein!
Ohne ihn ist die Welt nur ein trüglicher Schein!
Ich selbst will Euch das Beispiel geben.
DIE SCHAUSPIELER.
Ach für uns, hoher Herr,
Zu viel Ehr‘.

Nr. 10.

Trinklied

HAMLET.
O Wein, zerstreue uns're Sorgen,
Und erfrische das Herz!
Wer denket heute wohl an morgen,
Statt an fröhlichen Scherz!
Allerwärts
Muß dir gehorchen,
Wem seine Sorgen
Bedrücken das Herz.
HORATIO UND MARCELLUS.
Er sucht zu vergessen die Sorgen.
HAMLET.
Wer hätt‘ gefunden
Was hier ihm fehlt?
Bald sind gezählt
Die glücklichen Stunden!
Ein Jeder fast
Trägt seine Last
Auf dieser Erden;
Möcht's anders werden!
Weiche fort,
Trübe Ahnung.
Weisheit liegt im Narrenwort!
O Wein etc.

Verwandlung.

Festlich beleuchteter Saal des Schlosses.

Nr. 11.

Dänischer Marsch.

Der König, die Königin, Polonius und Ophelia treten auf; dann Hamlet, gefolgt von Horatio, Marcellus und dem ganzen Hof.

HAMLET.
Schönste, erlaubet Ihr
Hier gleich daneben
Ein Plätzchen mir?
OPHELIA.
Prinz, was habt Ihr im Sinn? Euer Blick macht mich beben!
HAMLET.
Der Augenblick ist da! – Habt Acht auf des Königs Gestalt,
Und wenn Ihr ihn erbleichen seht, sagt mir's alsbald.

Nr. 12.

Pantomime.

HAMLET.
Dies ist der König Gonzago und Baptista sein Gemahl ..!
Sie geleitet ihn sicher zum einsamen Ort,
Auf ihrem Angesicht der Liebe zärtlich Wort,
Und Schwüre ohne Zahl …
Der König sehnt sich nach Ruh‘, und schläft ein in ihrem Arm …
Doch blicket hin! Mit leisen Tritten
Kommt der Verräter herangeschritten!
Er schleichet näher, das Gift in der Hand,
Die Königin, von ihm verblendet,
Füllet selber bis an den Rand
Die Schale, die den Tod entsendet!
Er hebt sie auf, und frevelhaft
Flößt er ihm ein mörd'rischen Saft! …
Er ist tot! … Dort in ew'ger Nacht!
Der Mörder aber lebt, scheut nicht das Licht der Sonne,
Ohne jegliche Scham nimmt er die gold'ne Krone,
Setzt auf's Haupt sie aus eig'ner Macht! …
König, Ihr werdet bleich! …
KÖNIG.
Verjagt von Helsingör
Die feile Gauklerschaar!
KÖNIGIN.
Gott!
HAMLET.
Kein Zweifel bleib mir mehr!
Den Mörder seht Ihr hier! Den schändlichen Verbrecher!
Haltet ihn fest! … Kein Andrer vollbrachte die That!
CHOR.
Welch ein Wort! Ist es Wahnsinn, der ihn ergriffen hat?
KÖNIGIN.
Hamlet! … mein Sohn!
OPHELIA.
O Herr!
HAMLET.
Verrat! Verrat!
Der Schuldige ist er, seien wir des Königs Rächer!
Ja, er ist's, seht ihn an! Erkennet Ihr ihn nicht!
Er lästert den Himmel, dem güt'gen Gott zum Hohne!
Auf der Stirne noch immer die Königskrone! …
Herab die Lügenmaske! … Es naht das Gericht!
CHOR. KÖNIG. KÖNIGIN. OPHELIA. HORATIO. MARCELLUS.
Fürchterlich Beginnen!
Gewiß, er ist von Sinnen!
Mein Atem ist vor Schreck entfloh'n.
Zorn hat ihn geblendet,
Er höhnet und er schändet
Die heil'ge Majestät am Thron.
HAMLET.
O Wein zerstreue unsre Sorgen,
Und erfrische das Herz!
Wer denket heute wohl an morgen,
Statt an fröhlichen Scherz! …
ALLE.
Fürchterlich Beginnen!
Gewiß, er ist von Sinnen!
Mein Atem ist vor Schreck entfloh'n!
O Tag des Zorns! Schmach traf den Thron.
KÖNIG.
Herbei! Herbei! Bringt Licht! Folgt mir von hinnen!

Der Vorhang fällt.

Dritter Akt.

Ein Zimmer der Königin.

Nr. 13.

HAMLET.
In meiner Macht war der Verräther,
Was lähmte meinen Arm, daß der Stahl mir entfiel?
Kein Zweifel mehr, daß er der Thäter;
Ich kenne nun mein Ziel!
O Du, mein Vater, auf ewig geschieden!
Sein – oder Nichtsein!
Welch Geheimnis!
Sterben! – Schlafen! – ein Traum!
Ach, wär‘ es mir vergönnt
Zu durcheilen den Raum,
Zu zerbrechen das Band,
Das mich fesselt hienieden!
Aber dann! Wer gibt mir Kunde von dem Land,
Wo keines Wand'rers Fuß den Rückweg noch fand?
Sein oder Nichtsein! Welch Geheimnis
Sterben – Schlafen! ein Traum!
Mir zu folgen, wer konnt‘ es wagen?
Der König: Seine Stunde hat geschlagen!

Nr. 14.

Der König, Hamlet.

KÖNIG.
Umsonst! Mein Gewissen läßt ruhen mich nicht! …
Das Schicksal meines Bruders, ach! muß ich beneiden
Es harren seiner ew'ge Himmelsfreuden,
Ich aber bin verfallen dem ew'gen Gericht!
HAMLET.
Günstig ist der Moment!
KÖNIG.
Hör, mein Bruder, wie ich flehe.
Sieh mich knien, sieh meine Pein!
Bei dem, dort in der Höhe
Kannst nur Du Vermittler mir sein!
Ach, vergebne Müh‘! Meine Hoffnung muß wanken
Zum Himmel steigen Stimme und Blick‘; die Gedanken
Haften an der Erde. Gott, er erhört mich nicht!
Hör‘, mein Bruder, wie ich flehe!
Sieh hier mich knien, sieh meine Pein!
Bei dem, dort in der Höhe
Kannst nur Du Vermittler mir sein!
HAMLET.
Er betet! Aufrichtige Reu‘ könnte seine Seele retten,
Wenn vor Gott er sich beugt;
Und besser ist es, daß an trunk'ner Wollust Stätten,
Ihn die Strafe erreicht!
KÖNIG.
Was ist das? Ist nicht dort der Rächer meiner Thaten?
O Entsetzen! … Ja er war's! … Polonius herbei!

Der König. Polonius. Hamlet.

POLONIUS.
Herr, was ist geschehen?
KÖNIG.
Sieh, soeben ging der Schatten
Des sel'gen Königs hier vorbei!
POLONIUS.
Fasset Mut, hoher Herr, und bezähmt Eure Scheu,
Behütet Euren Mund; ein Laut, und wir sind verloren.
HAMLET.
Polonius mit ihm verschworen?

Nr. 15.

Terzett.

Hamlet. Ophelia. Königin.

HAMLET.
Der Vater Ophelia's, zum Mord!
Warum vernahm mein Ohr das neue Schreckenswort!
KÖNIGIN.
Da ist er …
Ich will seh'n, ob ich sein Herz durchschaut!
Lieber Hamlet ….
Auf des Königs Wunsch, und um mich zu erfreuen
Folg‘ uns zum Traualtar!
Sieh hier Deine Braut.
OPHELIA.
Er schweigt! … Sein Blick scheint den meinen zu scheuen!
HAMLET.
O Entsetzen ohne Ende!
Von der Unthat befleckt sind ihres Vaters Hände!
KÖNIGIN.
Man ist bereit … o kommt!
HAMLET.
Den Tod wählt‘ lieber ich,
Als daß ein solches Bündnis je sich vollende!
OPHELIA.
Ist es wahr?
KÖNIGIN.
Welch‘ düstres Feuer seinen Augen entwich.
HAMLET.
Ophelia, fliehe die Freuden der Erde;
Geh‘ in ein Kloster, vergiß die Beschwerde
Des trüben Daseins dort!
Baue auf Hamlets Treue nimmer!
Von Stein ist mein Herz, verschlossen auf immer
Trautem Liebeswort.
KÖNIGIN.
O sieh, mein Sohn, sieh Deine Braut
Dort mit den unschuldsvollen Mienen;
Denke an sie, die Dir vertraut,
Die einst ein Engel Dir geschienen!
HAMLET.
Ich fühle nichts als Eis in den Adern mir rinnen.
OPHELIA.
Diese Liebe, mein ganzes Glück,
Sie nur allein verhieß mir selige Stunden:
Nehmt Eu'r Geschenk, den Ring, zurück,
Und Eu'res Wort's seid Ihr entbunden.
HAMLET.
Fort ist der schöne Traum, dem Gedächtnis entschwunden!
Es drängte zwischen uns sich ein dunkles Geschick!
OPHELIA.
Nehmt Euren Ring zurück, er war das Pfand der Treue!
HAMLET.
Ophelia!
All mein Glück ist dahin! Weh‘ mir
KÖNIGIN.
Er weint, denkt nur an Dich allein!
– Fasse Mut! er liebt Dich!
HAMLET.
Nein!
Ophelia, fliehe die Freuden der Erde!
Geh‘ in ein Kloster, vergiß des kurzen Traumes dort!
Baue auf Hamlets Treue nimmer!
Von Stein ist mein Herz, verschlossen auf immer
Der Liebe süßem Wort.
OPHELIA.
Düster ist sein Aug‘, befremdlich die Geberde,
Nichts kann ihn fesseln mehr hier auf der Erde;
Mit ihm schwand mein Hort!
Es fahre dahin der letzte Hoffnungsschimmer!
Von Stein ist sein Herz, verschlossen auf immer
Der Liebe süßem Wort!
KÖNIGIN.
Seine Hand stößt zurück, was ihm lieb auf der Erde;
Ist es Verstellung, diese Geberde?
Gewiß, er sinnt auf Mord!
Der Zweifel, die Angst, sie verlassen mich nimmer!
Zornbefangen verschließt er auf immer
Sein Ohr dem Liebeswort.
HAMLET.
Mein Herz, es ist von Stein, ist verschlossen hinfort!
KÖNIGIN.
Welch‘ ein Argwohn schloß sein Ohr der Liebe süßem Wort?
OPHELIA.
Ade Liebe und Glück! Dahin mein letzter Hort!

Nr. 16.

Duett.

Hamlet. Die Königin.

KÖNIGIN.
Hamlet, mein Schmerz ist unsäglich!
Der Zorn und der Wahnsinn scheinen täglich
Mehr zu erfüllen Dein Gemüt! …
Ich will schweigen von Ophelia, die für Dich nur erglüht.
Aber ich! Kann das Wort einer Mutter zu Dir nicht gelangen,
Dich mit Trost zu erfüllen, wenn Dich die Ruhe flieht?
Gegen Deinen Vater hast Du schwer Dich vergangen …
HAMLET.
Wer von uns Beiden hat wohl mehr sich vergangen?
KÖNIGIN.
Was sagst Du?
HAMLET.
Vergeß'ne Erinn'rung, nicht wahr?
KÖNIGIN.
Hamlet!
HAMLET.
Nein! Die Erinnerung erwache!
KÖNIGIN.
Dein Benehmen ist ohne Sinn!
HAMLET.
Und das Eure fordert Rache!
KÖNIGIN.
Mein Sohn, Du vergißt wer ich bin!
HAMLET.
Ich weiß es. Ihr seid meine Mutter, die Königin!
Die voll strafbarer Liebe ihres Gatten im Arm seines Bruders vergißt.
Nein, nicht dürft Ihr entflieh'n! Hört, was ich noch zu sagen.
Werfet einen Blick, könnt Ihr's wagen,
In's innerste Gemüt, dann kündet, was Ihr wißt!
KÖNIGIN.
Willst Du mich ermorden? Großer Gott!
HAMLET.
Nein, ich müßt's bereuen!
Gewiß ist bald erschöpft des Himmels Geduld,
Und Muttermord wär‘ nicht gering're Schuld,
Als einen König morden und seinen Bruder freien!
KÖNIGIN.
Einen König tödten!
HAMLET.
Das Wort, ich sprach es aus! Doch wie?
Ihr schweigt? Hör‘ ich die Antwort nie?
Ach, Euer Herz mög‘ sich erweichen,
Weinet ob der vergeß'nen Pflicht
Vor Eurem Sohne steht ihr nicht,
Vor dem Richter müßt ihr Euch beugen,
Verhüllen Euer Angesicht!
KÖNIGIN.
Ich erbebe! Mein Herz, ach, es bricht!
Kann selbst des Sohnes Liebe nicht
Meines Richters Zorn erweichen?
Sieh‘, ich strecke flehend Dir entgegen meine Hände!
Mein Sohn! Der Himmel auch hat Mitleid ohne Ende
HAMLET.
Reichten das Gift Sie nicht ihm hin?
KÖNIGIN.
Sieh meine Leiden! Der Schmerz verwirret mir den Sinn!
HAMLET.
Seht hin! Zu diesen Bildern schaut empor! Erkennet Ihr
Die Brüder?
Hier
Die Schönheit, des Charakters Feste
In der Augen hellem Strahl!
Von allen Königen der Beste,
Der jemals einem Volk befahl.
Seht ihn, Euren ersten Gemahl!
Dort, im Heuchlergewande,
Die Feigheit, die List, der Meuchelmord, die Schande,
Laster, noch ungezählt, –
Das ist der Gatte, den Ihr jetzt Euch gewählt!
Sein Anblick konnte Euch ergötzen!
Ein Ungeheuer voller Hohn
Ein Dämon, der Hölle entfloh'n,
Den Ihr bestimmtet, Euch den Andern zu ersetzen!
KÖNIGIN.
Gnade, mein Sohn! Sieh meine Qual!
HAMLET.
Nein, nein! … Zu Eurem Schutz ruft herbei den Gemahl!
KÖNIGIN.
O, fürchterlich ist Deine Stimme,
Willst vor Verzweiflung Du sterben mich seh'n!
Hamlet, gebiete Deinem Grimme,
Laß hier zu Deinen Füßen weinend mich fleh'n!
HAMLET.
Dem Mörder, diesem Ungethüme,
Soll meinen Vater geopfert ich seh'n?
Nein, lauter töne meine Stimme,
Bis daß Gerechtigkeit ihm gescheh'n.
KÖNIGIN.
Ach!
GEIST.
Mein Sohn!
HAMLET.
Gott, mit Deiner starken Rechten
Verleih‘ mir Schutz vor höllischen Mächten!
Sprich, was führt Dich herbei?
KÖNIGIN.
O schrecklicher Wahnsinn! …
HAMLET.
Drohender, teurer Schatten
Ermahnst Du zu Rachethaten
Den pflichtvergeß'nen Sohn auf's Neu‘?
O sprich!
GEIST.
Räche mich! .. Doch schone Deiner Mutter! …
KÖNIGIN.
Was ist's, was Deine Augen erblicken? Mit wem
Glaubst Du zu reden?
HAMLET.
Mit dem! Mit dem!
Wende ab Dein Gesicht! … Meinen Mut gilt's zu zeigen!
Der Anblick Deiner Thränen könnte mich erweichen.
Nein! Keine Thränen! Nur Blut!
KÖNIGIN.
Mein Sohn!
HAMLET.
Dort kam er herein!
Dort könnt Ihr ihn seh'n!
KÖNIGIN.
Ach! Der Schreck lähmt mein Gebein!
HAMLET.
Und hörtet Ihr nichts?
KÖNIGIN.
Nein! … Nichts! …
HAMLET.
Sein Schatten! … auf Erden! ..
So schärfet doch Euren Blick! .. Er winkt mit traurigen Geberden;
Er entfernt sich … er verläßt das Gemach! …
GEIST.
Gedenke mein!
KÖNIGIN.
Laß Dich beschwören, Hamlet! Was Deinem Blick erschienen,
War nur ein Trugbild Deiner Sinnen!
HAMLET.
Wahrlich nicht verwirrt ist mein Sinn! Meine Wut
Hat sich gelegt, da mein Vater erschienen.
Betet zu Gott, bereut und schlafet nun in Frieden!
KÖNIGIN.
Schreckliche Nacht! O Nacht voller Grau'n! Wo find‘ ich Muth!

Der Vorhang fällt.

Vierter Akt.

Ländliche Gegend.

Nr. 17.

Ballet.

Die Frühlingsfeier

Nr. 18.

Chor. Ophelia.

OPHELIA.
Erlaubt mir, Freunde, an Euren Spielen
Teil zu nehmen!
Unbemerkt und im Stillen
Verließ ich das Schloß beim ersten Tagesschein …
Der Vögel süßer Sang durchtönte schon den Hain,
Auf allen Blättern blinkten des Morgentaues Thränen,
Und die Lerche stieg mit jubelnden Tönen
Zum Himmel empor.
Jedoch warum sprech‘ ich nicht frei?
Erkennt mich, und lasset die Scheu,
Hamlet ist mein Gemahl … Ophelia bin ich!
CHOR.
Ophelia!
OPHELIA.
Ja, innig liebt er mich,
Und schenkte mir sein Herz; meines wußt‘ er zu rauben,
Und wenn Euch jemand sagt, daß er heimlich entwich,
Nicht dürft Ihr's glauben!
Könnte er untreu sein, so wär's um mich gethan!
Teilt meine Blumen mit mir!
Für Dich, hier diese Blüte von wildem Rosmarin.
Und Du, nimm dieses Immergrün …
Doch jetzt merkt auf, hört mein Liedchen mit an.

Nr. 19.

Schwedisches Volkslied.

I.

CHOR.
Drunten in des Meeres tiefem Grunde
Ruht der Neck im krystall'nen Saal;
Nächt'ge Geister spannen schon zur Stunde
Schwarzen Flor über Berg und Thal.
Sieh, der Abend steht im dunkeln Festtagskleid!
Nicht ein Flüstern stört die Ruhe weit und breit.
Sei, Wandrer, auf der Hut
Wenn der Neck auf goldnem Lager ruht!

II.

Die Sirene kommt herangezogen
Auf der vollmondbeglänzten Flut;
Zieht hinab mich in die kühlen Wogen,
Drin so Mancher schon einsam ruht.
Sieh, der Abend steht im dunkeln Festtagskleid!
Nicht ein Flüstern stört die Ruhe weit und breit.
Sei, Wandrer, auf der Acht,
Wenn der Reck in gold'ner Burg erwacht!
Sie schwankt zwischen Freude und Bangen!
Wahnsinn hält den Geist ihr gefangen,

Nr. 20.

Finale.

OPHELIA.
Da ist er! Ich hör‘ ihn kommen!
Ihn zu bestrafen hab‘ ich mir vorgenommen,
Daß er so spät kehrte zurück!
Schilfgebüsch verberg‘ mich seinem Blick.
Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl‘, ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht!
Zweifle nicht!

Fünfter Akt.

Der Kirchhof von Helsingör.

Nr. 21.

Zwei Totengräber, dann Hamlet.

ERSTER TOTENGRÄBER.

I.

Mann und Weib, Junge und Alte,
Sie steigen hier hinab.
Den Körper nimmt das Grab,
Die Seele Gott behalte.
Alles ist doch nur Schein,
Vermögen, Ruhm und Ehre!
Ja, wenn der Wein nicht wäre!
Die Wahrheit ist im Wein.

II.

Reich und arm, hoch und geringe,
Sie alle sind bedacht.
Dem Tage folgt die Nacht:
Das ist der Lauf der Dinge.
Alles ist doch nur Schein,
Vermögen, Ruhm und Ehre!
Ja, wenn der Wein nicht wäre!
Die Wahrheit ist im Wein.
HAMLET.
Für sie verlor der Tod seine Schrecken;
Ein Trunk, das ist ihr Abendsegen!
Sagt an, wen soll dieses Grab bedecken?
ERSTER TOTENGRÄBER.
Einen Menschen, dessen Tod man beweint nach Gebühr.
HAMLET.
Sein Name?
ZWEITER TOTENGRÄBER.
Ich hört‘ ihn wohl, doch bald entschwand er mir.

Nr. 22.

HAMLET.
Der Verwesung Geheimnis, vollenden wird sich's hier
Die Ermattung lähmte meinen Fuß,
Mich drückt die Kälte;
Zwei Tage schon irr‘ ich im offnen Felde,
Um meinen Mördern zu entgehn.
Doch wer naht dort im Dunkeln?

Hamlet. Laertes.

HAMLET.
Horatio?
LAERTES.
Laertes
HAMLET.
Laertes!
LAERTES.
Bin ich Euch unbekannt,
Prinz? Ihr bietet mir nicht Eure Hand!
Sie ruht am Griff des Schwertes?
Ja, ich kehrte zurück! Ich bin's! …
HAMLET.
Nun wohl, was führt Euch her? Was wollt Ihr hier erreichen?
LAERTES.
Fragst Du noch, Verräter ohne gleichen?
Soll Dein heuchlerisch Wort meinen Zorn noch erhöh'n?
Steh‘ Rede mir, was mit Ophelia gescheh'n!
O teures Kind, Dein gedenk ich mit Thränen!
Mit Thränen bittrer Reu‘!
Doch als ich ihm Dich vertraut, konnt‘ ich wähnen,
Daß Hamlet untreu sei?
HAMLET.
Laertes, mög‘ der Himmel Euch schützen!
LAERTES.
Deine That fordert Blut! Genug des Hohns!
HAMLET.
Blut! – Nein, das Verbrechen des Vaters falle nicht
Auf das Haupt des schuldlosen Sohns!
LAERTES.
Betrüger!
HAMLET.
Das ist zu viel!
LAERTES.
Zieh‘ Dein Schwert, und Gott selbst halte Gericht!
HAMLET.
Horch! Ich höre Schritte nah'n! …
LAERTES.
Das Begräbnisgeleite.
HAMLET.
Wer ist denn tot, o sprich?
LAERTES.
Ach sie, meine einz'ge Freude!

Nr. 23.

Hamlet. Laertes. Hofleute. Jungfrauen. Diener mit Fackeln.

Dann der König und die Königin, der Geist.

CHOR DER JUNGFRAUEN.
Gleichwie im Frühling uns'res Gartens Blüten
Fallen, vom Sturm geknickt,
So ist auch sie von uns geschieden,
Uns in des Lebens Lenz entrückt!
O schenk‘ ihr Gott den ew'gen Frieden!
HAMLET.
Ophelia!
KÖNIG UND KÖNIGIN.
Hamlet!
CHOR.
Gott!
HAMLET.
Tot! … Erstarret!
O Grauen!
So muß ich des Verbrechens Opfer schauen!
Ich dich lassen?
Nein, nein! Sieh mich bereit
Dir zu folgen! Ich sterbe!
ALLE.
Halte ein!
HAMLET.
Gott! Mein Eid!
CHOR.
Blicket hin! Ist es möglich!
Der Schatten des sel'gen Königs stieg herauf aus dem Grab!
Da steht er unbeweglich!
Welches Unheil, uns zur Strafe, sandte der Himmel herab!
KÖNIG UND KÖNIGIN.
Blicket hin! Ist es möglich!
Der Schatten des sel'gen Königs stieg herauf aus dem Grab!
Da steht er unbeweglich;
Sein Blick kündigt mir an, daß er mir nicht vergab!
LAERTES. MARCELLUS. HORATIO.
Blicket hin! Ist es möglich!
Der Schatten des sel'gen Königs stieg herauf aus dem Grab!
Da steht er unbeweglich!
Selbst der Tod folgt der Weisung, die der Himmel ihm gab!
KÖNIG.
Gnade!
KÖNIGIN.
Erbarmen!
GEIST.
Die Zeit ist verronnen! …
Vollende mein Sohn, das Werk, das Du begonnen!
HAMLET.
Ja treffen will ich ihn! Mögst Du mir Kraft verleih'n
Leite Du meinen Arm! …
KÖNIG.
Ach!
KÖNIGIN.
Gott!
CHOR.
Der König!
HAMLET.
Nein!
Der Mörder meines Vaters!
GEIST.
Die Sünde
Sie ward gebüßt, auf daß ich Ruhe finde!
KÖNIGIN.
O Gott, kannst du verzeih'n?
KÖNIG.
Die Hölle ist mein Teil!
GEIST.
Lebe für Dein Volk, mein Sohn! Gott selbst gab Dir die Krone.
HAMLET.
Mein Herz liegt längst im Grab und ich, ach, bin auf dem Throne!
CHOR.
Hamlet Heil! Unserm König Heil!

Der Vorhang fällt.

Ende.