Arrigo Boito

Mefistopheles

Oper

Personen

Erster Theil:
Mephistopheles (Bass)
Faust (Tenor)
Margarete (Sopran)
Marthe (Alt)
Wagner (Tenor)

Zweiter Theil:
Helena (Sopran)
Faust (Tenor)
Mephistopheles (Bass)
Panthalis (Alt)
Nereus (Tenor)

Die himmlischen Heerschaaren, selige Knaben, Chor der Büsserinnen
Volk, Bauern, Hexen, Irrlichter, Sirenen, Choretiden

Prolog in Himmel.

Wolkendecoration.

Die himmlischen Heerschaaren (unsichtbar.)

Mephistopheles.

CHOR der himmlischen Heerschaaren.
Pleni sunt coeli et terra gloria tua.

»Die Sonne tönt nach alter Weise,
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,
Wenn Keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich, wie am ersten Tag.
MEPHISTOPHELES.
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie Alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst;
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich, als wie am ersten Tag.
Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Cicaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg'er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.

…Herr! ich find'es dort, wie immer herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen.
DER HERR.
Kennst du den Faust?
MEPHISTOPHELES.
Fürwahr! er dient euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Thoren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gährung in die Ferne;
Er ist sich seiner Tollheit halb bewusst;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne,
Und von der Erde jede höchste Lust.«

Ich werde so ihn zu locken verstehen,
Dass er bald verfällt meinen Schlingen:
Willst mit mir du wohl wetten?
DER HERR.
Es sei!
MEPHISTOPHELES.
Wohl, ew'ger Vater, mir ist für meine Wette
Nicht bange. Kosten wird er den süssen Apfel
Der Sünde, und über Gott, den Herrn,
Werd‘ ich triumphiren.
CHOR DER HIMMLISCHEN HEERSCHAAREN.
Sanctus! Sanctus! Sanctus!
MEPHISTOPHELES.
»(Von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem grossen Herrn
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen).
CHOR SELIGER KNABEN.
Rosen, ihr blendenden,
Balsamversendenden!
Flatternde, schwebende,
Heimlich belebende,
Zweigleinbeflügelte,
Knospenentsiegelte,
Eilet zu blühn!
Rosen, ihr blendenden,
Balsamversendenden …
. . . . . . . . . . . . . .
MEPHISTOPHELES.
Misstöne hör ich, garstiges Geklimper,
Von oben kommt's mit unwillkomnen Tag.«

Verschwindet.

CHOR DER KNABEN.
Auf Erden, in düsteren Tagen
Da mussten dem Flug wir entsagen,
Der Krone von Blumen und Licht.
Erlösst nun vom irdischen Leben,
Wir beten, wir singen, wir schweben
In himmlischen Chören empor.

Lasst höher und höher uns steigen
Im Reigen, im Reigen, im Reigen.
Ihr Brüder, die Hände verschlungen,
Bald sind wir zum Himmel gedrungen
Zum fernsten der Himmel so klar.
Die Schwingen lasst froh uns entfalten,
Lasst nimmer den Muth euch erkalten.
Wir streben zum höchsten Altar.

»Rosen, ihr blendenden,
Balsamversendenden!
Flatternde, schwebende,
Heimlich belebende,
Zweigleinbeflügelte,
Knospenentsiegelte,
Eilet zu blühn!
Rosen, ihr blendenden …
. . . . . . . . . . . . . .
CHOR DER BÜSSERINNEN.
Du schwebst zu Höhen
Der ewigen Reiche,
Vernimm das Flehen,
Du Ohnegleiche!
Du Gnadenreiche!«
Ave Maria
Gratia plena.
SELIGE KNABEN.
Durch Stürme, durch Welten zu Sternen,
Hinauf zu aetherischen Fernen
Zum ewigen Licht.
Lasst höher und höher uns steigen
Im Reigen, im Reigen, im Reigen.
CHOR DER BÜSSERINNEN.
Regina virginum,
Mater gloriosa,
Turris Davidica,
Mystica rosa!
Ave!
ECHO.
Ave! Ave! …
DIE HIMMLISCHEN HEERSCHAAREN.
»Die Sonne tönt nach alter Weise,
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,
Wenn Keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich, wie am ersten Tag.«

Pleni sunt coeli et terra gloria tua.

Erster Theil.

Erster Act.

Der Ostersonntag.

Vor dem Thor. Spaziergänger aller Art ziehen hinaus. Später treten auf Faust und Wagner. Man hört Festgeläute.

EINIGE HANDWERKSBURSCHE.
»Warum denn dort hinaus?
ANDRE.
Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus.
DIE ERSTEN.
Wir aber wollen nach der Mühle wandern.«
MÆDCHEN über die Bühne gehend.
In Frühlings Pracht hebt sich die Brust,
Alles erglänzet in Frische, in Wonne, und in Lust.

Gehen ab.

EINIGE HANDWERKSBURSCHE.
»Was thust denn du?
ANDRE.
Ich gehe mit den Andern.
EIN HANDWERKSBURSCH.
Nach Burgdorf kommt herauf; gewiss dort findet ihr
Die schönsten Mädchen und das beste Bier
Und Händel von der ersten Sorte.
DIE ANDREN.
Du überlustiger Gesell,
Juckt dich zum dritten Mal das Fell?«

Bogenschützen und andre Leute aus dem Volke nähern sich einer Schänke.

VOLK.
Bringet Wein, schenket ein!
Lasst schallen Becherklang!
– Die Liebe hoch!
– Die Schönen sollen leben!
– Sie leben!
– Trinkt, trinkt, ihr Freunde
Und singet!

Ein grauer Bruder mit der Kapuze über dem Gesicht schleicht durch die Menge.

Das Volk zieht sich auf die Seite der Bühne, auf welcher eine Reiterschaar, an deren Spitze ein Kurfürst, vorüberzieht. Pagen, Damen, Falkner, etc.

VOLK.
Schauet! Sehet den glänzenden Tross,
Er sprengt heran,
Dort der Narr! Jäger in Schmuck!
Macht Platz dem hohen Herrn!
Heil und Ehre ihm!
Seht, mit glänzenden Geschirren!
Höret wie die Waffen klirren!
Immer näher kommt die Menge,
Die Verwirrung, das Gedränge!
Platz ihm! Sehet an!
Sehet den stattlichen Tross,
Hoch die Ritter zu Ross
Sprengen heran.

Faust und Wagner kommen von einer Anhöhe.

FAUST.
»Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Thale grünet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Ueberall regt sich Bildung und Streben.«

Ein Schwarm Volk tritt lärmend auf.

WAGNER.
»Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd'ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von Allem Rohen bin.«
BAUERN unter der Linde.
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Der schönste der Jungen
Er kommt auch zum Feste,
Mit Bändern umschlungen,
Den Strauss an der Weste.
Und unter der Linde
Der Jungfrauen Schaar,
Sie fangen schon an,
Es reiht sich Paar an Paar.

Tanz und Gesang.

»Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! he!
So ging der Fiedelbogen.

Doch hurtig in dem Kreise gings,
Sie tanzten rechts, sie tanzten links.
Und alle Röcke flogen.
Sie wurden roth, sie wurden warm
Und ruhten athmend Arm in Arm;
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Geschrei und Fiedelbogen.«

Die Paare sich drehen
Nach dem Fiedelbogen,
Die Röcke sie wehen,
Vom Winde gezogen.
Es knüpft sich beim Tanze
Manch glückliches Band.
Es knirschet der Sand
Beim fröhlichen Reigen.

Es wird langsam dunkel, die Bühne nach und nach leer.

FAUST.
»Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Betrachte, wie in Abendsonne-Gluth
Die grünumgebnen Hütten schimmern.
Sie rückt und weicht …«
WAGNER.
Es naht der Geister Stunde,
Düster schleichen sie umher;
Halten für den Menschen,
Tückisch ihre Schlingen bereit.

»Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,
Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!
Am Abend schätzt man erst das Haus.
Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?«
FAUST.
Siehst du den grauen Bruder,
Dort auf dem Felde?
Ruhlos streift er umher.
WAGNER.
Seit lange schon hab'ich,
Meister, ihn gesehn,
Doch was Besondres nicht gefunden.
FAUST.
So schärfe deine Blicke,
Für was hältst du den Bruder?
WAGNER.
Er ist ein Sammler
Und pflegt seines Amtes.
FAUST.
Sieh'genau hin; in seltsamen Kreisen
Er umher geht; jetzt kommt er näher.
Langsam kommt er uns näher; oh,
Irr'ich nicht:
Sein Schritt lässt Feuerspur zurück.
WAGNER.
Ach nein, ein Phantasiegebild in deinem Hirn entstanden.
Ich sehe nur einen grauen Bruder:
Furchtsam und still verfolgt er seinen Weg;
Beide sind wir für ihn Unbekannte.
FAUST.
Mir scheint, dass er Schlingen um unsre Füsse zieht.
Der Kreis wird schon enger, er ist da!
WAGNER.
So sieh nur, ein grauer Bruder,
Nicht ein Gespenst ist's:
Drehend seinen Rosenkranz,
Spricht er die Gebete.
Kommt, Herr, nach Hause.

Sie gehen in das Stadtthor.

Verwandlung.

Studirzimmer.

FAUST tritt ein, von dem grauen Bruder gefolgt. Dieser schlüpft in den Alcoven.
»Verlassen hab‘ ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Mit ahnungsvollem heil'gem Grauen
In uns die bessre Seele weckt.
Entschlafen, sind nun wilde Triebe,
Mit jedem ungestümen Thun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun.

Ach, wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird's in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen
Und Hoffnung wieder an zu blühn;
Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,
Ach! nach des Lebens Quelle hin.«

Faust schlägt ein auf einem Pulte liegendes Evangelienbuch auf. Während er darin studirt, wird er durch das Lärmen des grauen Bruders, der aus dem Alcoven tritt, gestört.

Hollah! Wer lärmt da?
Der Bruder, was seh ich?
Du magst hier bei mir wohnen,
Mein Zimmer magst du theilen,
Doch lass das Lärmen.
Ha, wie? er schweigt mit starrem Blicke.
Welch schreckliches Gespenst hab‘ ich hierher zu mir gebracht!
Sei Geist, Alraune, sei der Teufel –
Du bist mein.
»Für solche halbe Höllenbrut
Ist Salomonis Schlüssel gut.

Der graue Bruder verwandelt sich in den Mephistopheles, der als fahrender Scholast gekleidet ist und einen schwarzen Mantel auf dem Arme trägt.

MEPHISTOPHELES.
Wozu der Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?
FAUST.
Das also war des Bruders Kern!
Ein fahrender Scholast? Der Casus macht mich lachen.
Wie nennst du dich?
MEPHISTOPHELES.
Die Frage scheint mir klein,
Für einen, der das Wort so sehr verachtet,
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
FAUST.
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewöhnlich aus dem Namen lesen …
Nun gut, wer bist du denn?
MEPHISTOPHELES.
Ein Theil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
FAUST.
Was ist mit diesem Räthselwort gemeint?«
MEPHISTOPHELES.
Ich bin der Geist, der stets verneinet,
Immer, Alles hier … und dort.
Mein Gelächter und mein Grollen
Störten schon des Schöpfers Wort.
Will das Nichts und des Geschaffnen
Allgemeinen Untergang,
Und mein eignes Element
Ist das, was man Sünde nennt:
Sünd‘ und Tod.
Lachend sprech ich das kleine
Wörtchen aus: Nein!
Lange, fange und vernichte dann,
Quäl und halte, lache.
Theil bin ich von jenem Theil
Des ew'gen Alls: der Finsterniss.
Bin ein Sohn des Schreckensnacht,
Die wieder kommt.
Hält das Licht auch jetzt gefangen,
Meines Scepters finstre Macht,
Kehrt doch bald zurück die Nacht,
Und für Erd'und Himmel Untergang.
FAUST.
»Des Chaos wunderlicher Sohn!
MEPHISTOPHELES.
Ich bin Keiner von den Grossen;
Doch willst du mit mir vereint
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle
Und, mach'ich dir's recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht.
FAUST.
Und was soll ich dann dagegen dir erfüllen?«
MEPHISTOPHELES.
Es hat Zeit.
FAUST.
Nein, was soll ich, erklär'dich deutlich.
MEPHISTOPHELES.
»Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wieder finden,
So sollst du mir das Gleiche thun.«
FAUST.
Das Drüben kann mich wenig kümmern
Wenn du hienieden
Mir schenkest, was mir fehlet:
Den wahren, innern Frieden,
Enthüllst du mir Wahrheit,
Schaffst meinem Geiste Klarheit,
Wenn einst ich sage
Zum flücht'gen Augenblicke:
Wie bist du schön! verweile!
Dann mag ich sterben,
In der Hölle verderben.
»Die Wette biet'ich.«
MEPHISTOPHELES.
»Top! Und Schlag auf Schlag!«
Von dieser Stunde
Bin ich der Deine,
Mach Alles recht,
Diene ich dir
Und bleibe dein Knecht.
FAUST.
Von dieser Stunde
Bist du der Meine,
Machst Alles recht,
Dienest du mir
Und bleibest mein Knecht.

»Wie fangen wir das an?
MEPHISTOPHELES.
Wir gehen eben fort.
FAUST.
Wohin, soll es nun gehn?
MEPHISTOPHELES.
Wohin es dir gefällt.
FAUST.
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
MEPHISTOPHELES.
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.«
Zweiter Act.

Garten.

Margarete an Faustens Arm. Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend.

MARGARETE.
Einen Herrn von Euerm Stande
Kann ja doch erfreuen nicht
Ich, das arme Kind vom Lande
Das in Einfalt zu euch spricht.
FAUST.
Deiner Lippen süsses Plaudern
Ist mir Wonne, Hochgenuss.
Rede weiter. –

Er küsst ihre Hand.

MARGARETE.
Ach, diese Hände
Nicht verdienen euern Kuss.

Gehn vorüber.

MEPHISTOPHELES zu Marthe.
Ja wer im Ehestand,
Ist zu beneiden
Es sind ja allbekannt
Die süssen Freuden.
Niemand versäume drum
Die rechte Zeit,
Dem Armen bleibt sonst nichts
Als Einsamkeit.
Schon denk'mit Bangen ich
Der schlimmen Stunden.
MARTHE.
Possen! für euch ist ja
Bald was gefunden
Seht euch nur um.

Ab.

Faust und Margarete kommen zurück.

FAUST.
Du verzeihst die kühnen Worte
Die ich unbesonnen sprach,
Als ich an der Kirche Pforte
Dich erblickt'am ersten Tag.
MARGARETE.
Ich war traurig, voller Sorgen,
Machte manchen Vorwurf mir,
Denn ich glaubt'seit jenem Morgen:
Ach, er denkt gering von dir.
Doch in Thränen, doch in Schmerzen
Strahlte immer lieb und hell
Euer Bild in meinem Herzen. –
FAUST.
Süsse, Theure, folge mir schnell.

Ab.

MEPHISTOPHELES.
Ein altes Sprichwort schon
Giebt uns die Lehre,
Dass kluge Frauen
Hoch man verehre.
Selten sind sie.
MARTHE.
Gewiss? So bliebt von Zärtlichkeit
Ihr immer frei?
MEPHISTOPHELES.
Ich hab noch nie erkannt
Was Liebe sei.
MARTHE.
So habt ihr niemals noch
Die Lust verspüret,
Euch zu entreissen
Dem Einerlei?

Ab.

MARGARETE.
»Nun sag‘, wie hast du's mit der Religion?
FAUST.
Lass das, mein Kind! du fühlst, ich bin dir gut,
Für meine Lieben liess'ich Leib und Blut …
MARGARETE.
Das ist nicht recht, man muss dran glauben!
FAUST.
Misshör'mich nicht, du holdes Angesicht!
Mein Liebchen, wer darf sagen;
Ich glaub'an Gott?
Wer empfinden
Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub'ihn nicht?
Erfüll'davon dein Herz, so gross es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn'es dann, wie du willst,
Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist Alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsgluth.
MARGARETE.
Das ist nicht recht, man muss dran glauben!
Ich muss nun fort.«
FAUST.
Du bist,
So will mir scheinen, allein oft?
MARGARETE.
Klein ist die Wohnung
Und klein der Kreis der Meinen.
Für Alles muss ich sorgen,
Ich schaff in Hof und Garten,
Muss kochen, nähen, stricken,
Des ganzen Hauses warten.
Die Mutter ist gar strenge,
Doch gut, drum keine Klage!
In Arbeit still und friedlich
Vergehen mir die Tage.
FAUST.
»Ach, kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen,
Und Brust an Brust und Seel'in Seele drängen?
MARGARETE.
Ach, wenn ich nur alleine schlief‘! …
Ich liess'dir gern heut Nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär'gleich auf der Stelle todt.
FAUST.
Du Engel, das hat keine Noth.
Hier ist ein Fläschchen! Drei Tropfen nur
In ihren Trank umhüllen
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
MARGARETE.
Was thu'ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
FAUST.
Würd'ich sonst, Liebchen, dir es rathen?«
MARGARETE.
Gütger Himmel, nie empfundnes,
Nie geahntes, süss Entzücken,
Freuden, sonnig, hehr und wonnig
Mir die Seele hoch beglücken.
FAUST.
Himmelsfreuden, nie geahnte,
Flammend mir das Herz entzünden,
Lassen hier in ihren Armen,
Mich das höchste Glück empfinden.
MARGARETE.
Leb wohl, eilig flieh'ich.
FAUST.
Margarete, bleibe, bleibe!
Wohin eilst du?
MARTHE.
Lauf nur eilig!
MEPHISTOPHELES.
Marthe, wohin eilst du?

Sie gehen ab.

Walpurgisnacht.

Harzgebirg. Gegend von Schierke und Elend. Man hört die Stimme des Mephistopheles, welche Faust zum Steigen auffordert.

MEPHISTOPHELES aus der Tiefe.
Frisch nach oben!
Schwarz der Himmel, gefahrvoll der Abhang!
Sieh im Nebel so fern, so ferne
Sich erheben des Blocksbergs Coloss.

Es erscheinen Irrlichter; das eine nähert sich Faust und Mephistopheles.

MEPHISTOPHELES.
He, Irrlicht!
FAUST.
Du Irrlicht, du leuchtest
So hell durch die Nacht,
Durch dich sei uns Hilfe
Im Dunkel gebracht.
Zu uns her, zur Stelle,
Den Pfad uns erhelle!
MEPHISTOPHELES.
Nach oben!
Zu uns her, zur Stelle,
Den Pfad uns erhelle.

Mephistopheles und Faust stehen allein auf einer Felsklippe.

Schau um dich!
Stürme durchtoben
Die alten Riesenföhren
Sieh, wie sie zornig
Mit ihren Armen dräuen.
CHOR aus der Tiefe.
Uhu! Schuhu!
MEPHISTOPHELES.
Aus tiefen Thales Grunde
Herauf zu uns, hörst du schallen
Tausendstimmig Geheul …
Sie sind's, sie nahen
Die höllischen Schaaren.
Fast scheint's ein Wunder.
CHOR.
Uhu! Schuhu!
MEPHISTOPHELES.
»Hörst du Stimmen in der Höhe?
In der Ferne, in der Nähe?
Ja, den ganzen Berg entlang
Strömt ein wüthender Zaubergesang!«
CHOR.
»Es trägt der Besen, trägt der Stock,
Die Gabel trägt, es trägt der Bock.
Wer heute sich nicht heben kann,
Ist ewig ein verlorner Mann.

Die Salbe giebt den Hexen Muth
Ein Lumpen ist zum Segel gut,
Ein gutes Schiff ist jeder Trog;
Der flieget nie, der heut nicht flog.

Sie brechen wild herein.

Und wenn wir um den Gipfel ziehn
So streichet an dem Boden hin
Und deckt die Heide weit und breit
Mit eurem Schwarm der Hexenheit.«
Sabbohe! har Sabbah!
MEPHISTOPHELES zertheilt den Schwarm.
Platz dem König!
Mephistopheles euerem Herrn!
Höre mich wildes Volk,
Höllische Schaar, …
Alle bringt erst
Eure Huldigung
Knieend mir dar.
CHOR.
Tief im Staub vor Mephistopheles
Liegen wir hier;
Voll Ehrfurcht beten wir
Knieend vor dir.
MEPHISTOPHELES.
Höllenbrut! Gewand und Herrscherstab,
Geschwind schafft sie zur Stelle.
Soll holen aus der Hölle
Ich sie mit eigner Hand?
CHOR.
Hier nimm den Herrscherstab,
Hier dein Gewand.
Alles gehorchet dir
Erde und Meer.
Zürne nicht mehr!
MEPHISTOPHELES.
Als König, als Herr beherrsch'ich nun
Mein finstres Reich hienieden.
Doch will ich noch gebieten
Ueber die ganze Welt.

Sie holen aus dem Hintergrunde der Bühne einen Kessel.

CHOR.
Unter dem Kessel
Da schüret die Gluth,
Drinnen im Kessel
Da rühret den Sud.
Ueber dem Kessel
Da tanzet sich's gut.

Sie überreichen Mephistopheles eine Glaskugel.

Siehe, wir bringen dir
Die ganze Welt.
MEPHISTOPHELES hält die Glaskugel in der Hand.
»Das ist die Welt!
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig!
Sie klingt wie Glas;
Wie bald bricht das?
Ist hohl inwendig.
Hier glänzt sie sehr,
Und hier noch mehr.
Ich bin lebendig!
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du musst sterben!
Sie ist von Thon!
Es giebt Scherben.«

Er schleudert die Kugel fort, dass sie zerspringt.

CHOR.
Frohlocket!
Der Sieg ist errungen,
Die Welt ist zersprungen
Auf Scherben, auf Trümmern
Des mächtigen Bau's
Führt lärmend und jauchzend
Den Hexentanz aus.
FAUST.
»Mephisto, siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehn?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füssen zu gehen.
Ich muss bekennen, dass mir däucht,
Dass sie dem guten Gretchen gleicht.
MEPHISTOPHELES.
Lass das nur stehn! Dabei wird's Niemand wohl.
Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen ist nicht gut;
Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
Und er wird fast in Stein verkehrt;
Von der Meduse hast du ja gehört.
FAUST.
Fürwahr, es sind die Augen eines Todten,
Die eine liebende Hand nicht schloss.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süsse Leib, den ich genoss.
MEPHISTOPHELES.
Das ist die Zauberei, du leicht verführter Thor!
Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
FAUST.
Wie sonderbar muss diesen schönen Hals
Ein einzigrothes Schnürchen schmücken,
Nicht breiter, als ein Messerrücken.
MEPHISTOPHELES.
Ganz recht; ich seh'es ebenfalls.
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
Denn Perseus hat's ihr abgeschlagen.

Tanz.

CHOR.
Sabbohe! har Sabbah!
Es trägt der Besen, trägt der Stock,
Die Gabel trägt, es trägt der Bock,
Wer heute sich nicht heben kann,
Ist ewig ein verlorner Mann.«
Sabbohe! har Sabbah!
Dritter Act.

Kerker.

Margarete, später Faust und Mephistopheles.

MARGARETE.
Dort im Wald, in trübe Lachen
Hat mein Kindchen man tief versenket,
Jetzt um rasend mich zu machen
Sagt man ich, ich hätt's ertränket.
Hier ist's öde und ach so eisig,
Meine Seele so tief betrübt,
Wie im Walde frei der Zeisig
Fröhlich flattert fort.
Ach! erbarmt euch mein!

In dem langen tiefen Schlummer
Schied die Mutter aus dem Leben,
Zu vermehren meinen Kummer,
Sagt man ich – hatt'sie vergeben.
Hier ist's öde und ach so eisig,
Meine Seele so schwer betrübt,
Wie im Walde frei der Zeisig
Fröhlich flattert fort!
Ach erbarmt euch mein!

Faust und Mephistopheles mit einem Bund Schlüssel und einer Lampe, vor einem eisernen Thürchen.

FAUST.
Rette sie!
MEPHISTOPHELES.
Wer stiess das Mädchen in den Abgrund?
Ich? oder du? Was ich kann,
Soll geschehen. Hier sind die Schlüssel,
Fest schlafen alle Wächter,
Für die Flucht stehn am Thore die Zauberrosse fertig.

Geht ab.

MARGARETE sich auf dem Lager verbergend.
»Weh! weh! Sie kommen. Bittrer Tod!
FAUST leise.
Still! Still! ich komme dich zu befreien.
MARGARETE sich vor ihn hinwälzend.
Bist du ein Mensch, so fühle meine Noth!
FAUST.
Ich bin's!
MARGARETE.
Du bist's‘! O sag'es noch einmal!

Ihn fassend.

Er ist's, er ist's! Wohin ist alle Qual?
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schon ist die Strasse wieder da,
Auf der ich dich zum ersten Male sah,
Und der heitere Garten,
Wo ich und Marthe deiner warten.
FAUST fortstrebend.
Komm mit! komm mit!
MARGARETE.
O weile!

Liebkosend.

Weil'ich doch so gern, wo du weilest.
FAUST.
Eile!
Wenn du nicht eilest,
Werden wir's theuer büssen müssen.
MARGARETE.
Küsse mich!
Sonst küss'ich dich‘.

Umfasst ihn.

O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?

Sie wendet sich von ihm.

FAUST.
Ich bin's! Komm mit!
MARGARETE.
Du machst die Fesseln los;
Nimmst wieder mich in deinen Schooss.
Wie kommt es, dass du dich vor mir nicht scheust?
Und weisst du denn, mein Freund, wen du befreist?
FAUST.
Komm! komm! Schon weicht die tiefe Nacht.
MARGARETE.
Meine Mutter hab'ich umgebracht,
Mein Kind hab'ich ertränkt …
Gieb deine Hand! …
Ich will dir die Gräber beschreiben,
Für die musst du sorgen
Gleich morgen;
Der Mutter den besten Platz geben,
Meinen Bruder sogleich darneben,
Mich ein wenig bei Seit‘,
Nur nicht gar zu weit!
Und das Kleine mir an die rechte Brust.
Niemand wird sonst bei mir liegen!
FAUST.
Besinne dich doch!
Nur einen Schritt, so bist du frei!
MARGARETE.
Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es fliehn? Sie lauern doch mir auf.
Es ist so elend, betteln zu müssen,
Und noch dazu mit bösem Gewissen.«
FAUST.
O wend'auf mich die Blicke!
Ach! höre der Liebe Stimme zu dir flehen,
Folg'mir, wir fliehen.
MARGARETE.
Ja wir fliehn, schon steht
Vor meinem Geist ein Ort des Friedens
Wo nichts uns trennt, nichts stört der Liebe Glück.
BEIDE.
Ich kann schon in duftiger Ferne,
Wo heller erglänzen die Sterne,
Wo milder die Zephire wehn,
Mit Palmen und duftigen Auen
Als Hafen der Ruhe erschauen
Ein Eiland so lieblich, so schön.
Die Sonne leuchtet so helle,
Es spiegelt krystallne Welle
Ihr strahlendes Antlitz zurück.
Lass dahin o Theure / Theurer uns ziehen
Dem Bangem, dem Kummer entfliehen
Geniessen unendliches Glück.
MEPHISTOPHELES erscheint im Hintergrunde.
Seht es tagt.
MARGARETE.
Weh, des Satans Heulen!
FAUST zu Margarete.
Ach! folge mir, o Süsse, lass uns eilen.
MARGARETE.
Ach! verlass mich nicht in diesen Nöthen.
MEPHISTOPHELES.
Höret ihr die fernen Klänge,
Ja zum Hochgericht rufen die Trompeten.
MARGARETE.
Weh mir! mein Gott, nimm hinweg
Der Versuchung Gefahr!
Sie fesseln die Arme
Mit furchtbaren Ketten.
O Gott dich erbarme!
Man führt mich zum Tode,
Schon schwingt der Henker das Schwert über mir.
FAUST.
Besinne dich, Gretchen,
Noch kann ich dich retten,
Doch musst du dich fassen,
Auf mich dich verlassen.
Lass endlich dies Zagen,
Dies ängstliche Zaudern,
Lass schnell uns entfliehn.
MEPHISTOPHELES.
Macht Ende dem Zagen,
Dem Zögern, dem Sorgen,
Schon seht ihr es tagen,
Schon leuchtet der Morgen.
Wild stampfen die Rosse,
Sie schnauben und schaudern,
Jetzt müsst ihr entfliehn.
MARGARETE.
Was kommt da? was steigt dort
Aus dem Boden? Der Satan! Ach,
Habt Erbarmen!
An diesem heil'gen Orte
Was willst du, Ungeheuer?
Weh, schick ihn fort,
Er will als Beute mich!
FAUST.
Ach! folg'mir, lebe,
Ach, lebe Margarete.
MEPHISTOPHELES zu Faust.
»Komm, komm! ich lasse dich mit ihr im Stich.«
MARGARETE.
Siehe, ein bleiches Morgenlicht
Kündet den Tag, den letzten.
Ach diese Sonne, sie sollte
Uns leuchten an unsrer Hochzeit.
Alles ist nun zu Ende!
Schweige, dass Niemand erfahre,
Nein Niemand, dass du
Dein Gretchen liebtest,
Dass sie dir gab ihr Herz.
Ach! in meiner Todesstunde
Wirst du verzeih'n, o Herr!
Vergeben mir!
»Dein bin ich, Vater! Rette mich!
Ihr Engel, ihr heiligen Schaaren,
Lagert euch umher, mich zu bewahren!
Heinrich! Mir graut's vor dir!
MEPHISTOPHELES.
Sie ist gerichtet!
STIMME von oben.
Ist gerettet!
MEPHISTOPHELES zu Faust.
Her zu mir!«

Verschwindet mit Faust.

Zweiter Theil.

Vierter Act.

Klassische Walpurgisnacht.

Felsbuchten des ägäischen Meeres. Mond im Zenith verharrend. Sirenen auf den Klippen umhergelagert.

Helena und Panthalis.

HELENA.
Sieh, wie der Mond so klar
Füllet mit Silberglanz
Erde und Himmelsraum.
PANTHALIS.
Balsam so süss und warm
Träufeln auf schwellenden
Rasen die Aeste hin.
HELENA.
Spielend im Mondenlicht
Zieht der Doriden Schaar
Auf klaren Wellen her.
Still ist die Welle,
Der Mond scheint helle,
Singe, Sirene,
Die Nachtgesänge.
HELENA.
Fremdling, du träumender,
Nahe dem Ufer dich,
Klagenden Flusses Strand.
PANTHALIS.
Sanfter und süsser Sang
Lockt dich auf blumige
Duftende Auen hin.
HELENA.
Hör'der Sirenen Lied,
Zauberisch singen sie,
Grazien des Meeres.
Still ist die Welle,
Der Mond scheint helle,
Singe, Sirene,
Die Nachtgesänge.

Ab.

MEPHISTOPHELES tritt auf.
Sieh hier! die klassische Walpurgisnacht.
Sie wird hoch dich erfreu'n.
Ein Reich der Fabelwelt du suchst –
Und dieses Reich der Fabelwelt ist hier.
Klug will mir's scheinen, dass Jeder
Nun von uns sucht sein Vergnügen,
Wo der Weg hin ihn führt.
FAUST.
»Helena!
War's nicht die Scholle, die sie trug,
Die Welle nicht, die ihr entgegen schlug,
So ist's die Luft, die ihre Sprache sprach.
Hier durch ein Wunder, hier in Griechenland!
Ich fühlte gleich den Boden, wo ich stand.
MEPHISTOPHELES.
Die nordischen Hexen wusst'ich wohl zu meistern;
Mir wird 's nicht just mit diesen fremden Geistern.
Auf meinem Harz der harzige Dunst,
Hat was vom Pech, und das hat meine Gunst;
Zunächst der Schwefel … Hier bei diesen Griechen
Ist von dergleichen kaum zu riechen.«

Doch wie, was kommt dort im Flug‘
Oder Tanze? es scheinet lust'ge
Mädchenschaar, lass sehen!

Choretiden kommen.

CHORETIDEN Helena tritt auf.
Heil sei dir Helena!
Festgesang erschalle.
Weiht Blumenkränze ihr,
Reigen und Saitenspiel.
Hell strahlt ihr Angesicht
Wie Sonnenglanz leuchtend,
Erleuchtet Sterbliche,
Erfreut die Olympier.
HELENA.
Mordnacht, finster, grausam,
Und voll Jammer ohne Ende,
Furchtbare Nacht von Ilion,
Welche Qual dein zu denken.

»Durch das umwölkte staubende Tosen
Drängender Krieger hört ich die Götter
Fürchterlich rufen, hört'ich der Zwietracht
Eherne Stimme, schallen durchs Feld,
Mauerwärts.
Ach! sie standen noch, Ilios
Mauern! aber die Flammengluth
Zog vom Nachbar zum Nachbar schon,
Sich verbreitend von hier und dort,
Mit des eignen Sturmes Wehn,
Ueber die nächtliche Stadt hin.«

»Flüchtend sah ich, durch Rauch und Gluth
Und der züngelnden Flamme Lohe
Grässlich zürnender Götter Nahn,
Schreitend Wundergestalten
Riesengross durch düsteren
Feuerumleuchteten Qualm hin.«
CHORETIDEN.
Ach! Helena!
HELENA.
Schweigen des Grabes deckt
Die Fluren, wo einst stand Troja.

Faust, nachdem Knaben und Knappen in langem Zug herabgestiegen, erscheint oben in ritterlicher Hofkleidung des Mittelalters und kommt langsam würdig herunter.

CHORETIDEN.
Wer naht?
Welch neues, welch herrliches Schauspiel!
Es erscheinet ein Held im Waffenglanze.
Seine Mienen sind ernst,
Doch künden sie uns Liebe.
Wend'auf ihn die Blicke,
O Königin welch ein Anblick.

Gruppe.

FAUST neigt sich vor Helena.
Von dir, erhabnes Götterbild,
Strahlt Himmelsschönheit wider!
Vor dir werf'ich geblendet
In Lieb entbrannt mich nieder.
O wend'auf mich die Augen,
Auf mich in voller Schöne
Leuchtend mild wie Selene,
Glühend doch gleich dem Phöbus.
HELENA.
Wie mich Anblick mächtig bannt,
Mich hoch beglücket.
Unter allen Frauen aus Ilion, aus Hellas Landen
Ich bin auserkoren, Liebesgluth in dir zu entzünden.
PANTHALIS.
Liebe hat sie verbunden
Sehet … himmlisches Band.
FAUST.
Das geliebte holde Bild
Das ich in mir getragen
Von ihr, die einst ich liebte,
In längst vergang'nen Tagen:
Es schwand dahin, ich habe mich
Zu Höhrem auf geschwungen,
Göttergleiches Weib errungen.
Für sie entbrenn'ich
In neuen Liebesflammen.
NEREUS.
Ein Wunder! seht himmlisch verbunden
In Lieb'vereint sind sie.
MEPHISTOPHELES.
Welch Erstaunen! ein Wunder!
Liebe hat sie verbunden.
Seid stille dort!
CHORETIDEN.
Liebe hat sie verbunden,
Seht sie in Lieb'vereint,
Gleich Endymion und Selene.
Die Göttin schwelgt im Anblick
Des gewaltigen Fremdlings,
Heller schon leuchten ihre Augen.

Mephistopheles, Panthalis, Nereus, und der Chor entfernen sich.

HELENA.
O wie wunderbar!
Sag'mir, welch lieblicher Zauber
Lässt meinem Ohr deine Rede
So lieblich ertönen.
Es schmiegt sich Ton an Ton,
Neu und entzückend.
Sage, was müsst ich thun
Wenn ich auch so schön sprechen wollte?
FAUST.
So acht'auf mich, ich sage dir: du Holde!
HELENA.
Du sagst zu mir: du Holde.
FAUST.
Und fragst du mich, was zu sagen dir bliebe?
Durchforsch‘ dein Herz, es giebt dir Antwort: Liebe!
HELENA UND FAUST.
Liebe!
O Liebe der Götter, der Menschen Entzücken,
Du magst uns der Zeit, der Erde entrücken,
Die Nebel der Erde schon sind sie zeronnen,
Es strahlen den Seligen hellere Sonnen,
Wir schwingen empor uns zu höheren Wonnen,
Und schau ich in's Auge dir
Hör Sphären ich klingen
Am Herzen mir ruhend
Lass Liebe uns singen.
Der Liebe hell lodernde Flammen,
Der Liebe Entzücken.
Geliebte / Geliebter lass in begeisterten Weisen
Eros den mächtigen Gott uns preisen.
CHOR.
Heilige Poesie
Himmelansteige
Mit stolzem Adlerflug
Schweb'im Triumphgesang
Zum höchsten Himmelsraum
Zur Sonn'empor.
HELENA.
Dort in Arcadien
Winken liebliche Thäler …
FAUST.
Dahin wollen wir ziehn …
HELENA UND FAUST.
Es bieten Obdach
Der Oreaden Grotten …
Und weiches Kissen
Der Wiesen Blumen,
Deine duftigen Locken.

Sie verlieren sich zwischen den Gebüschen.

. . . . . . . . . . . . . .

Der Vorhang fällt langsam.

Epilog.

Faust's Tod.

Hochgewölbtes, enges Zimmer; ehemals Fausten's, unverändert. Magische Stimmen in der Luft.

Faust (im Lehnstuhle), Mephistopheles.

MEPHISTOPHELES Faust finster anblickend.
Steig'aufwärts, hochfliegender Geist,
Der Tod ist dir nahe!
Steig'aufwärts in stolzen Gedanken.
FAUST.
Nur noch Erinnrung!

Erhebt sich, wie in Verzückung.

Alles hab'ich durchforschet,
Der Erde Wunder …
Was ich nur wünschte,
Bot sich meinen Blicken:
MEPHISTOPHELES.
Gedanken, Erinnrung
An Wunder, Glück und Ehren,
Steigt auf in seinem Geiste
Und bringet Verderben ihm.
Du begehrtest und genossest
Und begehrtest von Neuem wieder,
Und noch nicht sagtest du
Zum Augenblicke:
Du bist so schön, verweile!
FAUST.
Was Sterbliche beglückt ward mir zu Theile:
Das Glück, was mir die Wirklichkeit verlieh‘,
Das, was ersehnt des Menschen Phantasie.
Des ird'schen Weibes Lieb'hab'ich genossen,
Der Göttin Liebeshuld ward mir erschlossen.
Die ird'sche Liebe brachte Pein und Schuld,
Ein Traum nur war der Göttin Liebeshuld.

Nicht mehr kann ich entfliehen
Der Sterblichen Geschick,
In Traumes Phantasien
Find'ich das höchste Glück.
Herr von Thälern und Bergen
Eröffn'ich Raum Millionen,
Sie folgen meinem Rufe,
Dort thätig frei zu wohnen.
MEPHISTOPHELES.
Durchforschen muss ich ihn.
FAUST.
Weisheit soll sie dort regieren,
Den Herrscher Milde zieren,
Bald lebt auf meiner Erde
Behaglich Mensch und Heerde.
MEPHISTOPHELES.
Ah, herbei Versuchers Macht!
FAUST.
Freude wird dort verbreitet
Durch mich überall
Und dieser Traum bereitet
Mein höchstes Ideal.

Im Hintergrunde zeigt sich eine Erscheinung von seligen Menschen.

Heil mir, das Aug'erhellt sich,
Schon kann klar ich sehen.
MEPHISTOPHELES.
Ha wie! welch heller Schein
Durchzuckt des Greises Nacht?
FAUST.
Wie die Fluren erblühen,
Wie die Städte erstehen.
MEPHISTOPHELES.
Schon sieht das Gute er erstehen.
FAUST.
Himmelschöre, erschallt!
MEPHISTOPHELES.
Auf, herbei! Versuchers Gewalt!
FAUST.
Wie so gross fühl'ich mich
In diesen erhab'nen Gedanken!
Wie bringen sie hohe
Seligkeit ohne Schranken.
MEPHISTOPHELES.
Auf! Herbei!
Schwanken wird lange der Kampf
Zwischen Satanas und Gott.

Zu Faust, indem er den Mantel ausbreitet.

Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.
FAUST.
Himmel!

Die Erscheinung wird heller.

HIMMLISCHE HEERSCHAAR.
»Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brüdersphären Wettgesang …«

Die Erscheinung verdunkelt sich.

MEPHISTOPHELES beschwörend gegen den Alcoven; es erscheinen Sirenen, in warmer Beleuchtung.
Hör'der Liebe Gesang,
Der so süss einst dir klang,
Erfrische Haupt und Glieder
Durch der Sirenen Lieder.
Folg mir!

Die Sirenen verschwinden.

Die Erscheinung der Seligen wird wieder heller.

FAUST.
Wie schön bist du! Verweile!
MEPHISTOPHELES.
Schaue um dich!
FAUST wendet sich mit Hohheit zu dem Evangelienbuche.
Meine Burg ist das Wort Gottes.

Sinkt auf die Knie und betet über die Bibel gebeugt.

Allbarmherziger Gott, erlöse
Von der Hölle Hohn den Sünder,
Führe mich nicht in Versuchung.

In Begeisterung.

Tönet laut Engelspsalmen,
Rauscht tröstend Siegespalmen!
Heiliger Augenblick,
So hoch beseligend,
Verweile!
MEPHISTOPHELES.
Welch hässlich Geklimper, welch Pfeifen,
Jetzt muss nach der Seele ich greifen.
FAUST.
Zu mir komm‘, Herr, dein Reich!

Er stirbt.

HIMMLISCHE HEERSCHAAREN.
»Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,
Wenn Keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich, wie am ersten Tag.«
MEPHISTOPHELES.
Des Bösen Gewalt
Wird gebrochen von Gott,
Welch thöricht Verzeihn!

Ein Regen von Rosen fällt auf Faust nieder.

Mephistopheles sich mit den Rosen herumschlagend.

Ich fühle nur Qualen
Bei ihrem Gesange
Und Blumen und Strahlen
Versengen den Leib.
Ich seh‘ das Gedränge der Engel,
Ich höre die Siegesgesänge,
Mir bleibt nichts als Fluchen.
Der Sieg ist des Herrn,
Mir bleibt nichts als Fluchen.

Er versinkt.

CHOR DER ENGEL Rosen streuend.
»Rosen, ihr blendenden,
Balsamversendenden!
Flatternde, schwebende,
Heimlich belebende,
Zweigleinbeflügelte,
Knospenentsiegelte,
Eilet zu blühn!
Dringt es gewaltig ein,
Müssen wir tüchtig sein;
Liebe nur Liebende
Führet herein!
HIMMLISCHE HEERSCHAAREN.
Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,
Wenn Keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich, wie am ersten Tag.«

Pleni sunt coeli et terra gloria tua.

Finis.